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Kapitel 6 -Die Flucht

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„Willkommen in deinem eigenen kleinen Königreich!“ Alora stieß mit Schwung die breite polierte Holztür auf und betrat noch vor Komira deren Gemächer. „Genau genommen dein eigenes Königreich in deinem baldigen Königreich, so zu sagen.“

Das große im Königsturm gelegene Zimmer war in langer mühsamer Arbeit Prunkvoll gestaltet worden. An den Wänden entlang zog sich etwa auf Schulterhöhe eine Holzvertäfelung durch den gesamten Raum. Tagelang hatten extra aus den freien Tälern eingereiste Kunstschnitzer mühsam die Wappen Worgus und Cents in das Holz gearbeitet. Von Schreinern auf Hochglanz poliert, glänzten die Vertäfelungen selbst im Schein der Fackeln wie der Sternenhimmel.

„Das hier ist dein Balkon. Von hier aus kannst du über fast ganz Worgu hinwegsehen,“ zeigte Alora auf die großen breiten Fenstertüren, die geschützt hinter seidenen blauen Vorhängen lagen.

„Hier, dein Bett“, fuhr Alora fort ging an dem monströsen Holzgebilde vorbei, das der Größe ihrer Stube entsprach. Die dicken Decken und große Kopfkissen luden dazu ein, ganze Tage in der gemütlichen Wärme des Bettes zu verbringen, ohne auch nur einmal aufzustehen.

„Und hier eine Sitzecke. Die Sessel sind sehr gemütlich, Luca hat auch solche in ihren Gemächern.“ Sie klopfte kurz auf die hohe rote Lehne des Sessels und lächelte Komira zu „Deine Habe wird sicherlich bald von den Bediensteten her gebracht“

„Ich mag es hier“, sagte Komira mit einem Lächeln auf den Lippen, nachdem Alora ihre kleine Führung fast beendet hatte.

„Es ist wirklich schön hier“, nickte sie. „Sogar einen eigenen Abort hast du. Direkt hier drüben.“

„Ist das was Besonderes?“ fragte die Prinzessin, als sie zusammen mit Alora in den kleinen quadratischen Raum blickte.

„Also ich habe keinen. Nur den im Gang.“, lachte Alora.

„Oh. Zuhause in Cent hat jede Stube einen.“

Alora zog beide Augenbrauen hoch. Etwas so einfaches wie ein eigener Abort würde ihr morgens helfen, viel Zeit zu sparen. Vielleicht würde sie es dann schaffen, häufiger pünktlich zu sein. Oft genug war der Abort besetzt und sie musste warten.

Komira ging weiter durch den Raum, ließ ihre Finger über die Holzvertäfelungen streichen und inspizierte die massiven Kerzenständer auf den Kommoden. Auch das riesige Bett begutachtete sie skeptisch und drückte mit ihren Händen vorsichtig auf der Matratze herum. Vorsichtig und zaghaft setzte sie sich darauf und testete weiter zaghaft die riesige Matratze aus. Hoch und runter wippte sie und schien mit jedem Wimpernschlag mehr Spaß daran zu empfinden.

„Darf … darf ich dich etwas fragen Alora?“, fragte die Prinzessin kleinlaut.

„Natürlich. Dafür bin ich schließlich da“, antwortete diese.

Komira wurde sichtlich rot und versuchte erneut Blickkontakt zu vermeiden. Das Wippen auf der weichen Matratze hatte sie aufgehört. „Ein… Platscher. Was bedeutet das?“, flüsterte sie schließlich. „Ich habe bemerkt wie… wie deine Landsleute meine Halbschwester anblickten.“

Etwas überrascht schaute Alora die Prinzessin an. Es verwunderte sie, dass eine Tochter Komirs nicht wusste woher dieser Ausdruck kam, selbst sie hatte schon öfters davon gehört.

„Platscher…“ Alora überlegte, wie sie der jungen Prinzessin die Bedeutung schonend beibringen sollte. „Du weißt über den letzten großen Krieg zwischen Worgu und Cent Bescheid?“

Die Prinzessin nickte.

„Viele sind damals gestorben. Worgu und Cent.“ Sie atmete durch. „Es heißt immer, Cent wäre berühmt für seine Bogenschützen. Als die Soldaten Worgus in ihren Booten über die Arka setzen wollten, haben die Bogenschützen bereits auf sie gewartet. Männer, die getroffen wurden, fielen von den Booten herab und landeten im Wasser. Wegen der schweren Rüstungen konnte keiner von ihnen schwimmen und ertrank. Das Platscher kommt von dem Geräusch, das die Männer machten, als sie ins Wasser fielen und ertranken.“

„Das klingt furchtbar“, riss Komira ihre großen grasgrünen Augen auf. „Woher weißt du das?“

Alora brauchte eine Sekunde um zu verstehen, dass Komira tatsächlich ein Gespräch mit ihr beginnen wollte.

„Duk. Ich meine Marschall Duk“, berichtigte sie sich schnell. „Er ist sowas wie mein Ziehvater. Leider kann er heute nicht hier sein, aber er erzählte mir mal davon.“

„Wieso erzählt dir dein Ziehvater solche Geschichten? Mein Vater erzählt nie von Kriegen oder Schlachten. Er sagt immer, dass solche Dinge nichts für Mädchen seien.“

„Ich weiß nicht.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Normalerweise weicht er solchen Fragen immer aus. Aber im Gang des Thronsaals gibt es ein Fresko das die Schlacht an der Arka zeigte. Ich glaube er erzählte mir vor Wintern davon, und auch den Begriff Platscher erwähnte er damals.“

„Dieser Gang… Kannst du mir zeigen wo er ist? Und die Fresken würde ich auch gerne sehen.“ Etwas Euphorie lag in der Stimme der Prinzessin und zauberte Alora damit ein breites Lächeln ins Gesicht. Es freute sie wirklich, dass Komira damit begann ihre Angst zu überwinden. Sie schien sich ihr endlich etwas zu öffnen und dass beide nicht mehr im Getöse des Festes zwischen den vielen lauten Männern waren, half deutlich dabei.

„Würdest du?“ Komira sah sie mit weit geöffneten fragenden Augen an. Das Grün leuchtete wie eine saftige Sommerwiese.

„Entschuldige!“ brachte Alora hastig hervor. „Morgen zeige ich dir die Feste. Und auch die Fresken. Versprochen.“

Komira lächelte und schien sich das erste Mal seit sie Worgu erreicht hatte etwas zu entspannen.

Alora lächelte zurück und schaffte es zum ersten Mal, der kleinen Prinzessin einen längeren Moment in die Augen zu blicken, ohne dass sie ihrem Blick wieder auswich. Sie war überzeugt, dass zwischen ihr und der Prinzessin so etwas wie eine Freundschaft entstehen könnte. Vielleicht eine so enge Freundschaft wie zwischen Luca und Chestaine. Auch ohne Blutsverwandtschaft.

„Esra ist also nur deine Halbschwester?“, begann Alora ein Gespräch. „Sie scheint viel älter zu sein als du.“

Eine Sekunde dachte sie, dass Komira sich wieder verschließen würde, da ihr Blick wieder fluchtsuchend nach unten glitt, aber sie fing sich schnell wieder.

„Ja…“, immer noch schüchtern begann Komira zu reden. „Sie ist die Tochter von Vaters zweiten Frau.“

„Stimmt es tatsächlich, dass Komir sechs Frauen hat?“

Komira nickte zustimmend. „Ja. Aber nur die ersten beiden sind wichtig.“

Alora stutzte kurz. „Wie meinst du, nur die ersten beiden sind wichtig?“

„Die ersten beiden Frauen, das sind die Hauptfrauen. Meine Mutter und Esras Mutter. Nur diesen ist es erlaubt Komirs Kinder auszutragen. Die anderen vier dienen nur dazu, um Vater… um ihn… zur Unterhaltung. Konkubinen.“ Sie schaute kurz verlegen zur Seite.

Alora machte große Augen. Würde Chestaine so etwas auch dem König erlauben? Sie erinnerte sich nicht daran, dass jemals ein König Worgus neben seiner Königin mit weiteren Frauen das Bett teilte.

„Und die drei mitgereisten Frauen?“, fragte sie neugierig weiter.

„Konkubinen“, antwortete Komira ungewöhnlich schnell. „Entschuldige“, warf sie sofort ein als sie selbst bemerkte, dass ihre Antwort ungewöhnlich schnell und laut war.

„Und wieso ist deine Mutter nicht mitgereist als erste Frau Komirs?“

„Sie führt Cent. Meine Mutter ist eine starke Frau, genau wie Esras Mutter. Und da Vater und mein Bruder hier sind…“

Alora nickte nur und versank in Gedanken, während sie sich unbewusst einen Stuhl nahm und setzte. Sie musste unvermittelt kichern bei den Gedanken, wie Luca und die Königin den König mit Mistgabeln und Fackeln verfolgten, wenn er es wagen würde Konkubinen in sein Bett zu nehmen.

Schüchtern und fragend schaute Komira sie an. Sie wollte wissen, wieso Alora kicherte, traute sich aber nicht zu fragen.

„Oh! Verzeih mir. Mein Geist verschwindet oftmals in meinen Gedanken und ich vergesse alles um mich herum. Lady Luca sagt immer, dass ich irgendwann von einer Klippe falle, weil ich wieder träume und einfach weiterlaufe ohne überhaupt zu wissen wohin.“

Komira lächelte flüchtig. „Ich ergebe mich auch häufig meinen Tagträumen. Dort sind Dinge möglich, die ansonsten unmöglich wären. Ich mag das.“

Zufrieden stellte Alora fest, dass die Prinzessin mit jedem Finger mehr Vertrauen zu ihr fasste und sich langsam öffnete.

„Also werden wir gemeinsam von der Klippe fallen?“, lächelte Alora zurück und erhielt zum Dank ein Lächeln der Prinzessin.

„Meine Schwes.… Halbschwestern“, berichtigte Komira eilig, „lachen mich immer aus, wenn sie mich beim Träumen erwischen. Sie sagen immer, meine Träumereien würden mich schwach machen. Zu schwach, um Cent zu repräsentieren.“

„Ich glaube… Ich kann deine Schwestern nicht leiden“, stellte Alora lachend fest.

Überraschenderweise konnte auch Komira ein Glucksen nicht gänzlich verkneifen und zeigte ihr wunderschönes Lächeln.

„Esra ist die älteste Tochter und älteste Nachfahrin Vaters“, fuhr sie ungefragt fort und setzte sich etwas bequemer auf das Bett. Die Beine hob sie an, um es sich im Schneidersitz bequem zu machen. „Nur ist sie, wie meine beiden anderen mitgereisten Halbschwestern, die Tochter Vaters zweiten Frau.“

„Und das bedeutet?“ fragte Alora interessiert, während sie mit dem Stuhl näher rutschte und wie ein Kind fühlte, das seiner Großmutter dabei zuhörte wie sie von früher oder von unbekannten Welten erzählte.

„Meine Mutter hatte mehrere Fehlgeburten bis sie mich und meinen Bruder, Karesch, austrug. Obwohl Esra viel älter ist, ist es ihr nicht bestimmt hoch zu heiraten.“ Bei dem Gedanken an Esra senkte sie erneut schüchtern ihren Blick.

Alora brauchte einen Moment, um die Thronfolge in Cent zu verstehen. In Worgu hatte der erstgeborene Sohn das alleinige Recht, seinen Vater zu beerben. Ältere Töchter durften nicht gekrönt werden und wurden für gewöhnlich schon im Kindesalter versprochen, genau wie jüngere Brüder. Nur hatten diese die Chance, aus den Ehen auszutreten und die Thronfolge anzutreten falls der erstgeborene Sterben sollte, ohne einen Erben zu hinterlassen.

„Und darum wirst du Catel heiraten?“

Komira nickte zur Antwort. „Esra und die anderen sind an Söhne von Vaters Vasallen versprochen. Als sie erfuhren, dass ich den Worgunischen Thronfolger ehelichen werde, haben sie tagelang mit Vater gestritten. Esra wollte dies als Erstgeborene nicht akzeptieren, erst ihre Mutter konnte sie beruhigen.“

„Wundert mich nicht. Esra scheint schwierig zu sein.“

„Das ist sie…“, flüsterte Komira.

„Ich finde“, lächelte Alora das zierliche Mädchen an, um das Thema zu wechseln. „Ich finde Catel hat wirklich Glück damit dich zu ehelichen, und Worgu kann sich Glücklich schätzen, wenn du Königin wirst.“

Komira lächelte und schaute, wie so oft, verlegen auf den Boden. Nur ein kleines geflüstertes „Danke“ konnte Alora hören, bis die Prinzessin wieder zu ihr aufblickte. „Wie… wie ist er so?“, flüsterte sie nach einer kurzen, nicht unangenehmen stille.

„Catel?“, fragte Alora nach.

Komira nickte schnell und bestätigend.

Aloras Blick fiel in die grasgrünen, leuchtenden Augen Komiras, die sie fragend ansah, diesmal ohne ihrem Blick auszuweichen, es lag viel Neugier in ihren Augen. Sie dachte nach, was sie erzählen sollte. Die seltenen Kontakte, die sie mit Catel hatte, beschränkten sich die ganzen Winter über auf höchstens flüchtige Blicke. Erst heute hatte der Prinz sie scheinbar zum ersten Mal richtig wahrgenommen. Und das war kein wirklich erfolgreiches erstes Treffen gewesen. Aber wieso sollte sie der jungen Prinzessin Angst machen? Vielleicht hatte Catel einfach nur einen schlechten Tag, jeder hatte mal einen solchen Tag, sogar Prinzen.

„Ich weiß nicht.“ Alora verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin das Zimmermädchen von Luca, mit dem Prinzen hatte ich immer wenig Kontakt.“

Komira senkte ihren Kopf erneut ein wenig und schaute nachdenklich auf den Boden. Sie schien zu träumen. Jetzt wusste Alora endlich wie es sich anfühlte, wenn der gegenüber plötzlich in eine andere Welt eintauchte.

„Mache dir aber keine Sorgen“, sagte sie beruhigend. „Sowohl der König, wie auch die Königin sind gute und faire Herrscher. Catel ist ihr Sohn, ich glaube nicht, dass er dann ein komplett anderer Mensch sein wird.“

„Danke“, flüsterte das Mädchen und baldige Königin Worgus.

Der nächste morgen brach an und die Hornstöße des Wachwechsels weckten Alora unsanft aus ihrem Schlaf.

Bis weit nach Mittnacht hatten sie und die Prinzessin die Zeit mit Gesprächen verbracht und sich immer weiter angefreundet. Komira, worauf Alora stolz war, war mit jedem gesprochen Satz offener geworden, hatte gegen Ende ihres eigenen kleinen Festes sogar herumgewitzelt und ihr mehr über sich erzählt.

Alora rieb sich ihre Augen und streckte sich noch im Bett liegend. Seit langem freute sie sich nochmals auf einen bevorstehenden Tag, der versprach lang und anstrengend zu werden. Aber für und vor allem mit Komira tat sie das gern.

In ihrer Kammer herrschte unveränderte Unordnung. Die mit Mist verschmutzte Kleidung hatte sie vergessen zur Wäscherei zu bringen, und das rächte sich jetzt mit dem Gestank, der in ihrer Stube lag. Für Luca wäre das wieder ein gefundenes Fressen gewesen, aber sie bezweifelte, dass die Mätresse heute ihre Stube inspizieren würde.

„Soll ich vorher zur Wäscherei?“, dachte sie laut nach und schüttelte den Kopf. Dank ihrer Pläne mit Komira war der Tag von morgens bis abends komplett verplant. Da hatte sie keine Zeit für so etwas unwichtiges wie Wäsche waschen. Und vollkommen ungnädig waren die Götter auch nicht gewesen. Die Waschweiber hatten im Laufe des gestrigen Tages einen Bottich frisch gewaschener Wäsche vor ihrer Kammer abgestellt. Und in diesem befand sich auch endlich Aloras Lieblingskleid welches sie bereits Gestern verzweifelt gesucht hatte. Ein weinrotes Kleid, und Geschenk von Lady Luca. Es sah edel aus und war perfekt auf sie zugeschnitten. Ohne Einschränkungen konnte sie in diesem Kleid ihrer Arbeit nachgehen und musste nicht jeden Finger den Stoff geradeziehen oder aus Körperstellen entfernen, wo Stoff nichts zu suchen hatte. Kein Ziehen an der Brust, kein Kratzen und kein Drücken, selbst wenn sie fingerlang auf den Beinen war. Probleme, die sie bei ihren anderen Kleidern leider des Öfteren hatte.

Schnell zog sie das Kleid an und band ihre Haare zu einem Zopf zusammen. Der kleine Holzeimer, der vor ihrem Spiegel stand, war noch halbvoll mit Wasser. Sie wusste nicht, wie lange das Wasser bereits in dem Eimer war, aber für eine oberflächliche Wäsche und zum Reinigen der Zähne sollte es noch reichen. Danach würde sie ihn vor die Tür stellen und den Bediensteten zeigen, dass sie neues Wasser brauchte. Ein Blick in den Spiegel verriet ihr jedoch, dass sie mehr benötigte als eine kurze Wäsche. Der anstrengende gestrige Tag hatte Spuren hinterlassen und ließ sie um zehn Winter älter wirken. Die Planung ließ aber kaum Spielraum, vor allem nicht für solche Kleinigkeiten wie Augenringe. Kurz mit dem Wasser durch das Gesicht gewaschen, verschwand sie in den endlosen Gängen der Feste.

Es war früh am Morgen, aber sogar für die frühen Morgenhände war sehr wenig los auf den Gängen. Kaum Gardisten oder bedienstete gingen ihrer normalen Beschäftigung nach, und die, die sie entdeckte, befanden sich geistig noch in ihren Betten oder auf der gestrigen Feier. Das konnte nur bedeuten, dass das Fest noch bis fast zum Morgen gedauert hatte und alle noch ihren Rausch ausschliefen. Perfekt, um Komira die Feste in Ruhe zeigen zu können, ohne alle paar Schritte auf jemanden zu treffen, der die Prinzessin womöglich noch bedrängt hätte.

Nach kurzem Fußmarsch erreichte Alora den Ausgang des Turmes und betrat die Brücke zum Königsturm. Kurz stoppte sie und atmete tief durch, bevor sie weiterging und einen flüchtigen Blick über die Brüstung hinab in den Innenhof warf.

Die Zeltstadt unter ihr war in gespenstische Ruhe gehüllt. Kein ein Geräusch war zu hören, und keine Bewegung zu sehen. Der Wachwechsel war bereits vorbei und auch die Hörner hatten es nicht geschafft, die schlafenden aus ihrem Koma zu wecken.

Sie ging weiter und bemerkte, dass vor dem Eingang des Königsturms keine Drachenköpfe standen.

„Seltsam.“ Murmelte sie, als sie durch die Tür ging, den Königsturm betrat und begann die Treppen hinaufzugehen.

Die richtige Etage erreicht entdeckte sie eine Gestalt, die schwer atmend Halt an der Wand suchte. Es war Kalir, wie sie auf den zweiten Blick feststellte. Er schein vollkommen erschöpft zu sein und beachtete sie gar nicht. Sie konnte aber mehr als deutlich die großen Schweißtropfen auf seiner Stirn erkennen, die wild seine Stirn hinabliefen und auf den Boden tropften. Kurz verlangsamte sie ihren Schritt und überlegte, ob sie den Priester ansprechen sollte, schüttelte aber den Kopf und ging weiter. Der bleiche Mann war ihr schon immer unheimlich gewesen, sein Blick, seine Finger, einfach alles. Auf keinen Fall wollte sie allein mit ihm sein, fixiert von seinen eingefallenen Augen. Ein kurzes Schaudern lief ihr über den Rücken

Bestimmt ist er nur verkatert. Dachte sie und löschte die Gedanken an den Priester aus ihrem Kopf.

Ein paar Ecken weiter erreichte sie die Gemächer der Prinzessin. Die Tür war geschlossen, weshalb sie anklopfte.

Keine Antwort.

Sie klopfte erneut.

Keine Antwort

Langsam öffnete sie die Tür und betrat den dunklen Raum.

„Komira?“, fragte sie ins dunkle und erhielt keine Antwort. „Man sieht seine Hand vor Augen nicht“, fluchte sie ein wenig, während sie mit den Händen nach Hindernissen tastend langsam durch den Raum in Richtung der Fenster ging. Mit einem Ruck riss sie die Vorhänge auf und schloss aufgrund des plötzliches Lichtes schützend ihre Augen.

„Guten Morgen, Schlafmütze!“, sagte sie freudig, als sie sich umdrehte und einen kurzen Schrei ausstieß.

Auf dem Bett lag Komira. Reglos, die Gelenke seltsam verdreht, die Hände verkrampft und blutig. Das Gesicht starrte sie an. Die großen grünen Augen waren trüb und leer, schmerz- und angstverzerrt. Der Mund zu einer hässlichen mit fehlenden Zähnen verzogenen Fratze.

„Götter… Nein, bitte“, stammelte Alora und konnte sich kaum bewegen. „Komira?“, stellte sie die sinnlose Frage.

Über die Wände verteilt liefen dicke Blutstropfen hinab zum Boden. Über die Schnitzereien hinweg tränkten sie den hellen Teppich dunkelrot.

Mit kleinen Schritten näherte sie sich dem Bett. Die Hände vor dem Mund unterdrückte sie die Schreie, die aus ihrer Kehle brechen wollten. Mitten im Brustkorb der Prinzessin strömte aus einer breiten Wunde immer noch das Blut. Unaufhörlich lief es den zierlichen nackten Körper hinab und bildete einen roten See direkt unter der Leiche.

„Wie?“ Sie schluchzte Tränen fielen zu Boden. „Wer tut so etwas? Ich… Ich muss zu Duk? Luca?“ Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen bis das Zuschlagen der Abort Tür sie zusammenzucken ließ.

„Du hättest nicht herkommen sollen, Zimmermädchen.“

Luca war wie immer früh auf den Beinen und kämmte ihr fuchsrotes Haar. Wie jeden Tag investierte sie viel Zeit, um morgens ihre Altersmakel zu beseitigen. Da ein Fältchen retuschieren und da eine Unreinheit der Haut überschminken. Während der letzten Winter wurden die Zeichen ihres Alters immer deutlicher sichtbar. Und das bedeutete gleichzeitig für sie mehr Zeit, die sie jeden Morgen vor dem Spiegel benötigte.

Das Alter macht es nicht leichter, dachte sie öfter.

„MyLady“, erkannte sie Hollus hohe Stimme.

„Guten Morgen, Hollu.“

„Kann ich etwas für Euch tun, MyLady?“

Luca überlegte kurz und schüttelte den Kopf. „Nein. Aktuell nicht.“ Sie kämmte weiter ihr Haar und hielt kurz inne. „Was ist mit Komirs Töchtern?“

Hollu atmete spürbar gereizt durch und leckte sich die aufgeplatzte Lippe. „Lady Esra gab mir gestern Abend zu verstehen, dass sie nicht vor dem Mittagessen gestört werden will, genau wie ihre anderen Schwestern.“

„Gut, gut“, war Lucas kurze Antwort. „Dann bitte ich dich, zur Prinzessin zu gehen und Alora zu helfen. Falls sie keine Hilfe braucht, warte vor den Gemächern auf mich. Ich werde gleich da sein.“

Allein der Name Alora ließ Hollu vor Wut schnauben. Luca ignorierte es und kämmte weiter ihr Haar. „Du stehst ja immer noch hier.“

„Verzeiht, MyLady“, verneigte Hollu sich kurz und verschwand durch Tür.

Luca schaute Hollu kurz hinterher und kämmte weiter. Hundert Striche bis sie glänzen, das hatte sie von ihrer Mutter gelernt. Gewissenhaft zählte sie mit und stoppte nach dem hundertsten Bürstenstrich. Und wie immer behielt ihre Mutter Recht. Die schönen fuchsroten Haare glänzten wie der Sonnenaufgang und saßen perfekt. Zufrieden nickte sie, stand auf und kontrollierte ein letztes Mal ihr Kleid auf den perfekten Sitz. Eine letzte Kontrolle der Schminke und Fingernägel. Kein Makel war zu finden.

Würdevoll begab sie sich in den Gang der Feste und ging zur Treppe. Nur wenige Stufen waren es bis zu Komiras Gemächern. Als sie den Gang betrat, hörte sie bereits Hollus helle, in den Ohren schmerzende Stimme. Das Zimmermädchen schrie völlig von Sinnen.

„Was hast du getan! Die Raben werden dich holen, Alora!“

Luca zog eine Augenbraue hoch.

„Streiten die beiden schon wieder?“, sagte sie mit tatsächlich etwas Resignation in der Stimme. Wenn sie es nicht anders gewohnt gewesen wäre, würde es sie vielleicht tatsächlich noch stören. Aber beide waren wie Feuer und Wasser, da half nichts. Nur, dass sie ihre Kämpfe vor der Prinzessin austragen mussten, machte sie wütend. An ihrem ersten Morgen in Worgu sollten die Prinzessinnen etwas anderes sehen als zwei streitende Zimmermädchen. Luca beschleunigte ihren Schritt. Sie bemerkte Kalir kaum, der ihr erschöpft hinterher sah.

Alora stand vollkommen verwirrt und fassungslos mitten im Raum. An der Tür stand Hollu, die mit ihrer krächzenden Stimme auf sie ein brüllte und vor der Tür zum Abort stand Prinz Catel. Seine Rüstung war blutverschmiert und selbst im seinem Gesicht waren einzelne Spritzer roten Blutes zu erkennen. Und trotzdem lächelte er.

Alora hatte immer noch keine Idee, was gerade in den Gemächern der Prinzessin geschah, die tote Prinzessin, Catel das alles ergab seinen Sinn für sie. Zu viele Gedanken rasten durch ihren Schädel.

„Sei ruhig, Zimmermädchen“, knurrte Catel an Hollu gewandt. Entweder hörte sie den Prinzen nicht oder sie ignorierte ihn. Wie auch immer, sie brüllte weiter mit ihrer nervtötenden Stimme. „Du sollst dein Maul halten, du fettes Stück Scheiße!“, brüllte Catel und brachte Hollu so doch noch zum Schweigen.

Alora sagte nichts und schluchzte mit jedem Atemzug. Sie stand wie versteinert nur wenige Schritte von der toten Komira entfernt.

„Was ist hier los? Götter…“ Lady Luca erschien in der Tür und blieb geschockt stehen als sie das Massaker auf dem Bett entdeckte. „Wer bei allen Göttern war das?“ Ihre sonst immer gefasste Stimme überschlug sich ein wenig.

„Dein erstes Zimmermädchen war es, Luca. Ich habe es gesehen, ich kam nur wenige Augenblicke zu spät“, sagte Catel merkwürdig kalt und ruhig an Luca gerichtet.

„Ich… Ich... nein... MyLady… Bitte.“ Mehr Worte war Alora nicht imstande zu bilden.

Luca sah schockiert zu Alora und brauchte einige Augenblicke, um wieder klare Gedanken fassen zu können. Ihre so sorgsam angeeignete innere Ruhe. Wo war sie? Sie durfte nicht auch die Fassung verlieren, sie musste ruhig blieben. Ihre innere Ruhe wiederfinden, das war jetzt wichtig. Es würde ihr nicht weiterhelfen, ebenfalls den Kopf zu verlieren.

„MyLady… “, schluchzte Alora.

„Ruhe, Kind“, sagte Luca entschlossen und blickte zu Catel. Sofort fielen ihr die Blutspritzer auf, die beinahe Catels gesamten Oberkörper bedeckten. Er wirkte wie ein Metzger kurz nach dem Schlachten. „Das glaube ich nicht Catel“, sagte Luca schließlich.

„Ich habe es gesehen, Luca. Meine arme Verlobte, meine arme, arme Verlobte.“

„Götter. Catel. Wieso? Wie kannst du so grausam sein? Das wird Krieg bedeuten…“

„Ich war es nicht, Luca. Es war Euer Zimmermädchen. Ich habe es gesehen“, nickte Catel mit einem Grinsen.

„Und ich kann es bezeugen“, schwang plötzlich eine kalte leere Stimme durch den Raum.

Kalir trat langsam immer noch schwer atmend in das Licht des Raums. „Ich musste meine armen Nerven und meinen schwachen Magen beruhigen, als ich das Massaker hier im Zimmer sah, darum wartete ich draußen, bis ich mich wieder gefangen hatte.“

„Kalir“, schnaubte Luca. „Was wolltest du bei der Prinzessin?“

„Natürlich unsere baldige Königin begrüßen, Luca. Es ist schließlich meine Pflicht der Königsfamilie zu dienen. Und auch die kleine Komira musste wissen, wer ihr immer mit Rat und Tat zur Seite stehen würde.“ Er zeigte ein abartiges Lächeln.

„Du falsche Schlange. Was bezweckt ihr beide hiermit? Krieg? Gerade du, Catel… Du wirst deiner Mutter das Herz brechen!“

„Aber, Lady Luca“, Kalir spielte den Empörten, „Wie könnt Ihr mich und den Prinzen verdächtigen, wenn doch alle Beweise gegen Euer Zimmermädchen sprechen?“

„Du musst es verstehen, Luca! Wenn nicht, wirst auch du sterben!“ sagte Catel und ging auf Luca zu, die blitzschnell ein Messer aus ihrem Rock und zog und auf den Prinzen richtete.

„Keinen Schritt näher!“, drohte sie, „Dafür wirst du hängen, Kalir. Du hast lange genug den Geist des Prinzen vergiftet! Alora? Kind, komm her“, winkte sie ihr Zimmermädchen zu sich.

„Luca. Luca. Luca“, schüttelte Kalir den Kopf. „Wieso dieses Misstrauen? Ich diene dem Reich länger als du je Leben wirst.“

„Nicht mehr lange!“, ging sie einen weiteren Schritt Richtung Tür. „Alora!“, sagte sie nochmal energisch.

Vollkommen verwirrt und verstört kam Alora langsam näher und tat wie ihr Luca befahl. Schutzsuchend versteckte das Zimmermädchen sich hinter dem Rücken ihrer Herrin.

„Selbst jetzt glaubt Ihr ihr noch?! Sie ist schuldig! Eindeutig!“ Hollus unerträgliche Stimme.

„Sei still, Hollu! Du hast keine Ahnung was hier vor sich geht!“

„Sei nicht dumm, Luca!“ Kalir wieder. „Du weißt, dass du hier nicht wegkannst.“

Der Prinz näherte sich einen Schritt und lockerte sein Schwert in der Scheide, das Blut Komiras war auch an der Klinge noch deutlich zu sehen.

„Wieso?“, fragte Luca fassungslos, als sie den Abstand zwischen sich und dem Prinzen vergrößerte.

„Das verstehst du nicht, Luca. Niemand von euch versteht es!“, sagte Kalir und starrte sie weiter an.

„Alora? Geh langsam auf den Gang.“ Nicht fähig zu antworten hörte Alora auf die Mätresse und ging Schritt für Schritt rückwärts. Alles um sie herum wirkte verschwommen und schleierhaft. Wie ein böser Traum, aus dem sie hoffte so schnell wie möglich zu erwachen.

„Du begehst einen Fehler, Luca! Mutter wird dir diesmal nicht glauben! Sie wird dich nicht retten können!“, spuckte Catel aus, völlig außer sich vor Zorn.

„Wir werden sehen.“ Luca schmiss die Tür zu und blockierte die Griffe mit einem der massiven Kerzenleuchter, den sie geschwind von einer der Kommoden nahm.

„Los Kind, wir müssen hier weg.“

„MyLady, ich…. Ich.“

„Ich weiß, dass du Komira nichts angetan hast. Jetzt lauf!“

„Diese elende Schlampe!“, brüllte Catel, das Schwert in der Hand schwingend als würde er durch einen dichten Dschungel laufen.

„Beruhig dich“, befahl Kalir leise und Catels Zorn verzog sich augenblicklich. „Und töte das Zimmermädchen.“

Hollu riss die Augen auf und schrie schrill. „Nein! Wieso? Ich werde nichts verraten, bitte tut mir nichts!“

Ihr Flehen half Hollu nichts und sie verstummte, als Catels Schwert ihr den halben Hals durchtrennte. Röchelnd griff sie sich an die Kehle, aus der das Blut im hohen Bogen hinausschoss. Wenig später fiel sie polternd zu Boden.

„Wohin gehen wir?“, fragte Alora aufgelöst. Die Tränen raubten ihr immer noch die Sicht.

„Weg. Zum Thronsaal und dann versuche ich dich hier raus zu bringen.“

„Wieso tut Ihr das für mich? Sie werden Euch töten.“

Luca blieb kurz stehen und atmete tief durch. „Weil ich weiß, dass du unschuldig bist. Und weil... Ich muss auf dich achten, Kind. Ich habe es Duk versprochen. Und ich halte meine Versprechen. Immer. Außerdem werfe ich schon länger ein Auge auf Kalir. Irgendwas stimmt mit ihm nicht.“

Luca schaute sich um und lies ihre eben gezeigten Emotionen schnell wieder vergessen. „Los, weiter. Catel und Kalir haben sich sicher befreit. Die Drachenköpfe werden gleich nach uns suchen.“

Und Luca sollte Recht behalten. Keinen Augenblick später brach die Hölle in der Feste los. Drachenköpfe, reguläre Soldaten und Cent Soldaten begannen wie wild gewordene Bluthunde durch die Feste zu jagen. Jeder Winkel und jedes Zimmer wurden durchsucht, die Nachricht über den grausamen Mord an der Prinzessin Worgus verbreitete sich rasend schnell und jeder wusste bald Bescheid. Vom kleinsten Nachttopfjungen bis zum Offizier der Garde, jeder.

Luca schlug mit Alora an der Hand verschiedene Routen durch die Eingeweide der Feste ein, Gänge die selbst Alora nicht kannte wurden von der Mätresse genutzt, um Gardisten möglichst aus dem Weg zu gehen, bis sie schließlich durch eine Alora völlig unbekannte Tür den Thronsaal erreichen. Mitten zwischen zwei der Öfen betraten sie plötzlich den glänzenden Marmor. Hatte Alora es nur nicht realisiert in ihrer Trauer oder was für Wege hatte Luca mit ihr eingeschlagen? Ihre Verwirrung stieg immer weiter, bald würde sie nicht mehr wissen wo oben und unten waren.

„Ab hier wird es schwierig“, flüsterte die Mätresse. „Hör mir zu, Kind. Wir gehen geschwind durch den Saal und nach draußen. Dort wirst du dich im entstandenen Trubel verstecken, verstanden?“ Alora nickte und schaute Luca mit tränenerfüllten Augen an.

„Weine nicht, Kind. Ich denke niemand wird dich erkennen außerhalb der Feste. Tauche in der Stadt unter. Ich werde dich finden.“

„Was ist mit Euch? Catel wird sagen, dass Ihr mir geholfen habt.“

„Lass das meine Sorge sein, Kind.“ Luca lächelte Alora an und nahm sie in den Arm.

„Lass uns gehen“, sagte sie schließlich nach wenigen Augenblicken und stürmte los.

Beide gingen schnellen Schrittes in den merkwürdig stillen und dunklen Thronsaal. Ihre Sohlen klebten auf dem mit Bier und Wein bedeckten Boden und schmatzten bei jedem Schritt auf, die Tafel ähnelte einem Schlachtfeld und es schien noch niemand den Thronsaal betreten zu haben, um Ordnung zu schaffen. Alora konnte aus den Augenwinkeln die grüne Kugel entdecken, die Komir Refle als Geschenk überreicht hatte. Edel thronte das Geschenk auf einer massiven Marmorsäule und leuchtete matt.

„Bleib stehen, Luca!“, schallte eine Stimme durch den Saal.

Luca blieb unvermittelt stehen und drehte sich um.

„Euer Gnaden“, sagte Luca kalt.

König Refle stand zusammen mit Komir und Chestaine im Thronsaal, umringt von Drachenköpfen in ihren schwarzen Rüstungen mit erhobenen Speeren und Schwertern.

Aber selbst dieser Übermacht stellte die stolze Mätresse sich erhobenen Hauptes.

„Ist es wahr?“, fragte Refle ohne Umschweife.

Aber noch bevor Luca oder Alora antworten konnten, betraten Kalir und Catel den Thronsaal. Mit schlaffen herunterhängenden Gliedern trug der Prinz die Leiche der Prinzessin in seinen Armen.

„Bei allen Göttern, nein!“ Komir rannte auf Catel zu und nahm ihm seine Tochter aus den Armen, um auf die Knie zu sinken. „Wieso tut jemand so etwas? Wieso nimmst du mir meine Tochter?“ Der Imperator Cents weinte und blickte hasserfüllt zu Luca und Alora.

„Wieso beschützt du die Mörderin meiner Tochter?“, brüllte er.

„Sie ist unschuldig. Euer Gnaden, ich beschwöre euch.“

„Luca…“, der König senkte seinen Kopf und klang wahrhaft betrübt, „Die beweise sind eindeutig. Catel und Kalir sind zeugen dieses Verbrechens. Geh von dem Mädchen weg. Die Drachenköpfe werden sie abführen.“

Mädchen...“, erklang in Aloras Kopf.

Was war das?

Alora schaute sich verwirrt um, die Aufregung um sie herum beinahe schon vergessen. Was war das für eine Stimme?

„Euer Gnaden… Chessy...“ Die Königin wich Lucas Blick aus, Tränen liefen das Gesicht der Königin herab.

Komm näher, Mädchen…“

Was?

Darf ich dir helfen?“

Wer bist du?

Erlaubst du es mir?“

Was erlauben?

Dass ich dir helfe. Ich kann dich retten.“

Mich retten?

Ja.“

Rette Luca und mich!

Nur dich. Erlaubst du es?“

Was ist mit Luca?

Sie braucht keine Hilfe. Aber du. Erlaubst du es mir?“

Ja…

Die grün schimmernde Kugel verübte auf Alora plötzlich eine unnachahmliche Anziehung, der sie sich nicht entziehen konnte. Wie eine Mücke ins Licht gezogen wird, zog die Kugel Alora an.

„Bleib hier Mädchen“, sagte Luca, doch Alora reagierte nicht und ging weiter. Nur noch wenig Schritte trennten sie von der Kugel.

„Nein!“, schrie Kalir laut und deutlich, als er bemerkte, dass Alora der Kugel immer näherkam. „Nicht sie! Schützen! Erschießt sie!“

Doch es war zu spät. Alora griff nach der Kugel, berührte sie und verschwand vor den Augen aller Anwesenden. Nur ein runder grauer Stein blieb von der zuvor grün leuchtenden Kugel übrig. Mehr nicht, von Alora keine Spur.

„Sie… Sie… ist weg“, stotterte Luca und sah sich um.

Die Verwirrung breitete sich schnell auf alle Beteiligten aus. Niemand vermochte zu erklären, was gerade vor allen Augen passiert war. Ein Mensch war verschwunden. Von einem Wimpernschlag auf den anderen. In Luft aufgelöst.

„Das war die Macht der Götterkugel?“, nuschelte Chestaine fragend.

„Es muss Magie gewesen sein“, stellte einer der Drachenköpfe ist.

„Kalir!“, rief Refle. „Nutze sofort die die Mesmerize und benachrichtige die gesamte freie Welt! Das Mädchen muss gefunden und hierhergebracht werden, lebendig! Ihr Gewicht in Gold, wer sie mir persönlich zu Füßen legt!“

Wie Feuer brannte die Kugel in Aloras Händen, als sie in das Schwarz fiel. Sie schrie, vor Schmerz, vor Angst und vor einer ihr unbekannten Wut, die sich in ihr aufbaute. Sie flehte nach Hilfe, wo war Luca hin? Wo waren alle anderen hin? Wo war sie? Die Kugel schleuderte sie durch ein endlos scheinendes Nichts. Sie fühlte, wie von allen Seiten an ihr gerissen wurde, wie Feuer brannte ihr gesamter Körper, sie schrie unaufhörlich.

Ich kann dir helfen Alora...“

Wer bist du?

Eine Freundin.“

Mach bitte, dass es aufhört.

Hart schlug sie auf den Boden auf. Ihr Körper brannte wie Feuer und jeder Muskel schien sich zu verkrampfen. Sie schrie vor Schmerz und Tränen füllten ihre Augen. Sie wälzte sich und kam nur langsam wieder zu Atem. Der Schmerz ließ nach. Das Brennen erlosch und es wurde kalt. Die Dunkelheit um sie herum blieb. Aber jetzt sah sie Sterne am Himmel. Sie war draußen? War sie im Innenhof der Feste? Was war geschehen? Zwischen ihren Fingern fühlte sie feuchtes Gras.

Das Geflüster der Raben

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