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2 Das Fallbeispiel

2.1 Der Beispiel-Betrieb

Die Firma „ITKonnect GmbH“ mit Sitz in Hamburg (fiktives Unternehmen) ist ein Familienunternehmen, welches sich auf die Entwicklung sowie den Vertrieb von Softwarelösungen für medizinischtechnische Geräte und weitere IT Systeme spezialisiert hat. Das Unternehmen ist seit 22 Jahren auf dem Markt und wird in zweiter Generation geführt. Die Marktanteile haben sich in den letzten 5 Jahren in ihrem Marktsegment kontinuierlich erhöht.

Aktuell beschäftigt die Firma 16 festangestellte Mitarbeiter und zwei Auszubildende:

- 5 Mitarbeiter (MA) in der Verwaltung (1 mit Ausbildereignung)

- 6 Software-Entwickler (zwei mit Ausbildereignung)

- 3 MA im Vertrieb

- 2 MA im Kundendienst

- 1 Auszubildender als Kaufmann für Büromanagement im 2. Ausbildungsjahr

- 1 Auszubildender als Mathematisch-technischer Softwareentwickler (MATSE) im 3. Ausbildungsjahr. Dieser Auszubildende steht kurz vor der Abschlussprüfung und wird voraussichtlich übernommen

Hinzu kommt der aktuell ausgeschriebene Ausbildungsplatz als MATSE. Im Laufe der Jahre sind folgende Punkte kontinuierlich entwickelt und etabliert worden:

- betriebliche Ausbildungspläne

- betriebliche Lernprozesse

- Schwerpunkte der Lernbegleitung

- Schritte für die Prüfungsvorbereitung

- Evaluationsprozesse

- Maßnahmen zur Ausbildungsabbruch- und Mobbingprävention

Der Ausbildungsleiter ist für die Entstehung des neuen inklusiven Ausbildungsplatzes und für die entsprechende Eingliederung des neuen Auszubildenden zuständig.

2.2 Auswahlprozess des Auszubildenden

Der erste Schritt zum passenden neuen Auszubildenden ist die Ausschreibung des neuen Ausbildungsplatzes, die den erwünschten Personenkreis anspricht und zur Bewerbung animiert.

Die freie Ausbildungsstelle wird an die Agentur für Arbeit gemeldet und AGG-Konform ausgeschrieben. Der Zusatz „schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Bewerber/Innen werden bei gleicher Eignung besonders berücksichtigt“ wird gut sichtbar platziert. Im Rahmen des Bewerbungs- und Auswahlverfahrens wird der Betriebsrat, sofern vorhanden, in den Prozess einbezogen.

Nach einem berufsspezifischen Eignungstest der Kandidaten und einem anschließenden Auswahlverfahren auf Basis der Evaluation aller Bewerbungsunterlagen, aller Ergebnisse und des Vorstellungsgesprächs, absolvieren ausgewählte Kandidaten ein zweiwöchiges Praktikum. Das Praktikum soll beiden Seiten ermöglichen den Einklang des Bewerbers und der Firma zu ermitteln und die Erfolgschancen der Ausbildung abzuschätzen. Dies gilt als bewährtes Instrument in der Ausbildungsabbruch-Prävention. Die versicherungstechnischen Aspekte hierfür werden mit dem entsprechenden Kostenträger abgeklärt. Die Entscheidung fällt auf den jungen Autisten Namens Andreas M. (fiktiver Name).

In der folgenden Tabelle 1 wird das in der BBiG und Handwerksordnung (HwO) Fachkräfte/ Auszubildende empfohlene Verhältnis ersichtlich. Auf Grund der intensiveren Begleitung bzw. des erhöhten Betreuungsaufwandes bei Auszubildenden mit einer Behinderung, müssen die in der Tabelle geschilderten Verhältnisse unternehmensspezifisch und entsprechend des Behinderungsbildes des Auszubildenden angepasst werden.

1-2 Fachkräfte – 1 Azubi3-5 Fachkräfte – 2 Azubi
6-8 Fachkräfte – 3 Azubije weitere 3 Fachkräfte – 1 weiterer Azubi

Tabelle 2: Verhältnis zwischen Fachkräften und Auszubildenden ohne Behinderung im Betrieb

2.3 Das Profil des Auszubildenden

Andreas M. ist 19 Jahre alt. Zum Zeitpunkt der Bewerbung wird er auf seiner Ausbildungsplatzsuche von der Jugendberufsagentur Hamburg (JBA) betreut. Mit 14 Jahren wurde bei ihm Asperger-Autismus diagnostiziert. Er weist keine sprachlichen Einschränkungen auf. Andreas M. leidet unter leichter motorischer Unruhe und wechselt zwischen Phasen von ständiger Bewegung und Anspannung zu ruhigeren Phasen. Die unruhigen Phasen lassen sich bei ihm nur langsam abbauen. Seine soziale Interaktion wird durch leichte soziale Anpassungsschwierigkeiten eingeschränkt. „Leichte soziale Anpassungsschwierigkeiten werden angenommen, wenn z. B. Berufstätigkeit trotz Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch ohne wesentliche Beeinträchtigung möglich ist (wesentliche Beeinträchtigung nur in besonderen Berufen, z. B. Lehrer, Manager) und keine wesentliche Beeinträchtigung der familiären Situation oder bei Freundschaften (…) bestehen“ (Arbeitskompendium LÄÄLB 2014).

Seine sozialen Kontakte hat er in der Schule und in der Familie. Er verbringt den größten Teil seiner Freizeit am Computer bei den Recherchen zu unterschiedlichen Interessensgebieten und mit Computerspielen. Seine große Leidenschaft ist das Fotografieren und Archivieren von Straßenschildern. Er führt einen Straßenkatalog wo auch Besonderheiten der Straße, wie die Entstehung, bekannte Bewohner aus der Vergangenheit und mehr, vermerkt sind. In der Stadtteilschule in Hamburg war Andreas M. ruhig und konzentriert, respektvoll gegenüber den Lehrern und hatte ein gutes Verhältnis zu seinen Schulfreunden. In Konfliktsituationen hat er tendenziell mit Unruhezuständen reagiert und ist sehr laut geworden. Er hat etwas länger gebraucht, um sich zu beruhigen und konnte danach auf die Konfliktsituation eingehen und sie reflektieren. Andreas M. ist in Mathematik, Medienkunde und Englisch überdurchschnittlich begabt.

Er hat im letzten Jahr seinen Mittleren Schulabschluss absolviert und ist fest entschlossen eine Ausbildung in der Informatikbranche zu absolvieren. Eine Eingliederungshilfe ist nicht erforderlich. Er hatte ein Schulpraktikum in einer Softwareentwicklungsfirma begonnen. Das Praktikum hat er nach einer Woche abgebrochen, weil er sich in diesem Betrieb nicht wohlgefühlt hat. Es herrschte Unruhe und er kam mit einigen Kollegen nicht zurecht. Er konnte das Praktikum in einem Kooperationsbetrieb fortsetzen und beenden.

Daraufhin entscheidet er sich für eine Berufsausbildung als Mathematisch-technischer Softwareentwickler. Nach verschiedenen nicht erfolgreichen Bewerbungen ist Andreas M. von der Firma „ITKonnect GmbH“ zum Eignungstest, einem anschließenden Vorstellungsgespräch und zu einem zweiwöchigen Praktikum eingeladen worden. Schließlich hat er die Zusage für den Ausbildungsplatz bekommen.

Gestaltung eines inklusiven Ausbildungsplatzes für Auszubildende mit Asperger-Syndrom

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