Читать книгу Der mondhelle Pfad - Petra Wagner - Страница 8

Drei gängige Schlüssel, um Gedanken aufzuschließen: Trunkenheit, Vertrauensseligkeit, Liebe

Оглавление

Noeira stemmte die Hände in die Hüften.

„Wird auch Zeit, dass du endlich zum Waschen kommst! Mutter hat sich schon Sorgen gemacht. Ich habe extra auf dich gewartet. Die anderen kochen schon den Hirsebrei. Hast du unterwegs getrödelt? Oder …“ Noeira stutzte. „Dreh dich mal! Hat Baria dich etwa …?“

Viviane rollte mit den Augen, wandte sich übertrieben hin und her, zog ihr Kleid aus und hielt es Noeira ausgebreitet vor die Nase. Mit großer Geste schwenkte sie es zur Seite und deutete triumphierend auf ihren nackten Körper.

„Kleid in Ordnung und an mir noch alles dran, wie du siehst. Wir haben uns ganz lange unterhalten und dann hat sie mir noch ihre drei Jungen gezeigt. Baria saß richtig stolz neben mir, und ich habe die Kleinen gestreichelt.“

„Was? Drei Wölfchen? Gestreichelt?!“

Noeiras Worte sprudelten aus ihrem Mund und ihre Hände schoben sie wieder zurück. Deshalb kam als nächstes nur noch ein gedämpftes „Beim Geweih von Cernunnos! Ist das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?“, zwischen ihren Fingern hindurch.

Viviane zog fragend die Augenbrauen hoch und wusch sich gemächlich das Gesicht. Noeira wackelte ungeduldig mit dem Kopf und legte die Hände in ihre typische Denkerpose – eine ans Kinn, die andere an die Hüfte, den Fuß noch zur Seite weg.

„Ich meine doch: Hat sie ihre Kleinen geholt, damit sie dich kennen lernen oder zeigt ihnen Baria schon mal ihre zukünftige Beute?“

Noeira schlug zur Verdeutlichung ihrer Worte die Zähne aufeinander. Viviane prustete in ihre mit Wasser voll geschöpften Hände und wischte sich die Tropfen von der Brust.

„Es ist natürlich ein gutes Zeichen. Baria hat sehr viel Vertrauen in mich, sonst würde sie mir ihren Nachwuchs doch nicht schutzlos ausliefern.“

„Schutzlos!?“, schnaubte Noeira verächtlich. „Ha! Wer’s glaubt! Ich dachte, Baria hat genau neben dir gesessen!? Da braucht sie doch nur mit dem Maul rum schnappen und zack …!“ Noeira spreizte die Finger und packte ihren eigenen Hals.

Viviane wusch sich die Achseln und antwortete so geduldig, als müsse sie einem Kind erklären: „Baria hat einen Instinkt. Sie weiß, dass ich ihren Kindern nichts tue und ich weiß, dass sie mir nichts tut. So etwas nennt man Vertrauen.“

„Aha. Und wenn Baria mal seeehr, seeeeeehr lange nichts gefressen hat, kann man ihr da auch vertrauen und sorglos in ihre Nähe kommen?“

„Baria hat genug zu fressen im Wald.“

„Aber was wäre, wenn nicht?“

Viviane wiegte den Kopf, beäugte Noeira von oben bis unten, schnalzte mit der Zunge und schmatzte, als hätte sie an einem dicken Brocken zu kauen.

„Mich würde sie nie angreifen, aber jeder andere sollte sich hüten. Wölfe sind gute Beobachter. Die würden sofort merken, wenn ein schwacher, wehrloser Mensch durch ihr Revier geht.“

„Sag ich doch!“ Noeira schnappte wieder nach ihrem Hals, krächzte, röchelte, rollte mit den Augen und ließ den Kopf schlaff hängen. Dann zerrte sie sich mit ihren eigenen Händen wieder gerade und betrachtete Viviane argwöhnisch von der Seite, wie sie sich mit ihrem Wolltuch die Zähne polierte.

„Und warum sollte sie ausgerechnet dich nicht fressen wollen? Du setzt dich ihr ja geradewegs auf den Tisch? Einfacher geht’s doch gar nicht mehr! Braucht nur noch das Maul aufzumachen! So wie früher, als du sie gefüttert hast!“

„Weil wir Freunde sind“, stellte Viviane fest, ohne im Putzen inne zu halten.

„Pfhh.“

„Noeira!“ Viviane ließ ihr Tuch entsetzt sinken. „Würdest du deine Mutter töten?“

„Bei allen Göttern!“, japste Noeira. „Nein! Natürlich nicht! Der Himmel soll mir auf den Kopf fallen, wenn ich bloß darüber nachdenken sollte!“ Sie legte den Kopf schräg, um nach den ersten Anzeichen derartiger Vorkommnisse zu suchen. „Und natürlich würde ich auch nicht meine Kinder und Kindeskinder töten, so wie du auch nie Baria und den Ihren etwas tun würdest. Ja.“ Sie nickte überzeugt. „Ich schätze mal, so etwas nennt man Vertrauen!?“

Viviane wusch schmunzelnd ihr Wolltuch aus und hängte es zum Trocknen an einen Ast. Noeira lächelte ebenfalls und klatschte in die Hände.

„Heute Abend ist Sonnenwendfeier!“, trällerte sie beschwingt.

„Weiß ich doch, Noeira!“

„Und? Was kann man da gebrauchen?“

„Durchhaltevermögen und Standfestigkeit, würde ich mal sagen“, raunte Viviane verschwörerisch und warf sich aus dem Stand in den Liegestütz.

„Gute Idee! Davon kann man bei so einem Fest nie genug haben!“, kiekste Noeira und begann mit Hüftkreisen.

Nach dem Frühstück gingen alle in den Schuppen und holten sich Kützen. Nur Noeira und Taberia hatten keine, denn die trugen ja schon ihre Babys auf dem Rücken. Lavinia und Robin liefen mit Ethmanja um die Wette über die Wiesen, Loranthus sah ihnen belustigt nach und atmete tief ein.

„Sammeln wir heute wieder Blumen, Viviane?“

„Nein, Loranthus. Heute sammeln wir Arnika, Gundermann, Beifuß, Johanniskraut und Eisenkraut.“

„Aha. Und was macht man mit dem ganzen Grünzeug?“

„Arnika stecken wir um unsere Felder, damit die Götter unsere Ernte segnen. Alles andere binden wir nach dem Mittag zu Röcken und Kränzen zusammen und bekleiden uns damit. Hier, schau mal! Das mit den gekerbten violetten Blüten ist Gundermann. Damit kann man prima Haarkränze flechten. Und nachher kommt auch was davon in die Suppe. Das dort, mit den kleinen schmalen Blättern und den gelben Blüten ist Johanniskraut – auch bestens geeignet für Kränze.“

Sie gingen ein Stück weiter und Viviane zeigte auf eine buschige Pflanze mit silbrig behaarten Blattunterseiten.

„Das ist Beifuß.“

„Die kenne ich! Beifuß sagst du? Wir nennen sie Artemisia.“

„Ach, nach eurer Göttin des Mondes? Interessant. Passt perfekt!“

Loranthus zückte sein Messer und setzte es an den langen Stiel, doch Viviane hob mahnend den Finger.

„Je länger du den Beifuß lässt, desto länger wird auch dein Rock sein, Loranthus!“

Loranthus hielt sofort inne und musterte Viviane argwöhnisch.

„Ich werde nur ein Röckchen aus diesem Grünzeug anhaben? Oh, nein! So was zieh ich nicht an! Da mach ich mich ja lächerlich! Ich bin der Spross einer uralten Händlerdynastie, die schon zur Hochzeit der alten Sumerer …!“

„Ah, die alte Schule! Dann dürftest du dich ja bestens auskennen! Und ob es ein Röckchen wird oder ein Rock, liegt ganz an dir! Je nachdem, was du zeigen oder verbergen willst!“

Loranthus kniff die Augen zusammen und legte den Kopf schief.

„Ob du’s glaubst oder nicht, Viviane: Ich hab dich schon verstanden. Und die Weiber?“

„Die haben meistens Röcke aus Eisenkraut um Hüfte und Busen.“

Meistens? Bei allen Göttern! Zeus sei mir gnädig! Das wird ein toller Tanz! Schlimmer kann es gar nicht kommen!“

Kopfschüttelnd beugte er sich sehr weit hinunter und schnitt das Artemisia ganz knapp unter der Erde ab. „Jetzt weiß ich auch, warum das Kraut Bei – Fuß heißt“, vor sich hin brummelnd, betrachtete er missbilligend sein zukünftiges, im Moment noch recht dürftiges, Gewand und rannte schnell zum nächsten Büschel.

Allerdings hatte Loranthus seinen allmächtigen Göttervater Zeus nicht überzeugt, denn es kam noch viel schlimmer. Und das lag nicht am langen Weg, den er in einem sehr dichten und sehr langen Rock aus wohlriechenden Kräutern gehen musste, die auch hierzulande der Mondgöttin geweiht waren. Zeus kam extra zu Besuch und hatte einen Heidenspaß.

Das ganze Königreich traf wieder auf der großen Wiese vor der Burg zusammen, wo schon ein neuer Wall aus Holz und Gras aufragte, im Kreis darum viele kleinere Holzhaufen. Die Leute begrüßten sich, als hätten sie sich schon ewig nicht mehr gesehen und Loranthus verkniff sich das Lachen, indem er sich fest auf die Zunge biss. Seine Mundwinkel zeigten jedoch verräterisch nach oben und zuckten ab und zu.

Er fand es einfach urkomisch, dass alle wie wandelnde Büsche aussahen. Aber das Interessanteste war, dass es keinem außer ihm abnormal erschien und schon gar nicht amüsant.

Hanibu stand so ungezwungen bei Hirlas und Susanne, als würde sie jeden Tag in ihrem Kräuterzweiteiler herumlaufen. Dass sie dabei mit Händen und Füßen redete, passte irgendwie perfekt zum Gesamterscheinungsbild ‚äthiopischer Busch im Sturm‘ … Naschu streichelte Ninives gerundeten Bauch, den das Eisenkraut umrahmte, aber nicht verdeckte, und rutschte an seinem eigenen Rock den Beifuß zurecht … Silvanus und Tarian zupften johlend an Nions allzu kurz geratenem Röckchen herum, als könnten sie es durch Gegröle doch ein Stück verlängern … Nion sah derweil zufrieden in die Runde, weil viele aufmerksam wurden und kicherten … Noch schlimmer war es bei den jungen Maiden, die noch nicht ihre Weihe hatten. Die trugen tatsächlich nur einen Rock, obwohl manche von ihnen schon üppige Brüste vorzeigen konnten.

Loranthus wurde es ganz warm unter seinem behaarten Blattwerk. Erschrocken schielte er nach unten, um zu prüfen, ob nichts die Formvollendung seines Meisterwerkes störte. Sicherheitshalber lenkte er sich mit den freien Oberkörpern der Männer ab, das entspannte … Sehr schnell sogar, denn da bekam er nun massenhaft Muskeln zu sehen.

Nachdenklich strich sich Loranthus über die Brust, als müsse er sich auf das Kraulen der dortigen Haarkringel konzentrieren und betastete dabei unauffällig seinen Bauch … noch einmal zur Kontrolle … Doch, da war schon was! Zwar noch nicht viel, aber wenn er weiter so fleißig auf den Feldern arbeitete, konnte er vielleicht schon bald mithalten. Bis er so aussehen würde wie Conall und Arminius, müsste er allerdings die Felder des gesamten Königreiches beackern, des Großkönigreichs wohlgemerkt.

Bloß gut, dass keiner seine Gedanken lesen konnte. Also lachte auch keiner über ihn, während sie in Gruppen zusammen standen und erzählten und erzählten und erzählten. Wenn es nichts mehr zu erzählen gab, löste sich die Gruppe auf und hatte sich nach ein paar Schritten schon wieder umstrukturiert. Austausch von Neuigkeiten im keltischen Stil – unterhaltsam und effizient.

Loranthus hätte mit diesem besonders interessanten Informationstanz noch den ganzen Abend zugebracht, wenn nicht Lavinia und Robin so schnell angerannt gekommen wären, dass ihre Kräuterröckchen wie im Orkan hüpften und flatterten.

Natürlich drehten sich alle sofort um und komprimierten sich zum Pulk, denn es war ja wohl offensichtlich, dass hier die neuesten Neuigkeiten auf sie zugestürmt kamen. Dementsprechend lauschte jeder höchst aufmerksam, während Lavinia und Robin aufgeregt von ihrem Besuch bei Tinne und dem winzigen Baby erzählten, sowie mindestens zwei Dutzend Fragen gleichzeitig beantworteten.

Erst, als keinem mehr etwas fragwürdig erschien, durften sie mit den anderen Kindern über die Wiese toben. Da die Hunde dort auch mit rannten, war es schwer zu sagen, wer mehr Lärm machte, doch als die Hörner von der Burgmauer dröhnten, herrschte sofort Ruhe.

Hunde und Kinder eilten zu ihren Familien zurück und starrten erwartungsvoll zur Burg – ja, sogar die Hunde, aber eventuell aus einem anderen Grund.

König Gort trat zum Burgtor heraus. Hinter ihm gingen der Barde, Königin Elsbeth und Elektra. Auch sie waren im Kräutergewand und ihre Torques erstrahlten seltsam deplatziert in der Abendsonne. Barbarenkönig mit Anhang im Festgewand. Loranthus biss sich auf die Zunge und lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Barden, der auf seiner Leier eine Melodie zupfte, zu der die Königsfamilie majestätisch einher schreiten konnte. Im konkreten Fall also eine Rotte musikalischer Wilder in Grün mit Rhythmusgefühl.

Bei allen Göttern des Olymp! Warum hatte ihn keiner gewarnt?! Elektra hatte auch noch nicht ihre Weihe!

Loranthus schnappte nach Luft, verbeugte sich hastig und tief, schielte aber in die entgegengesetzte Richtung. Seine Augen waren derartige Verrenkungen nicht gewöhnt und starrten natürlich auf die falsche Stelle, sodass er mehr fühlte, wie Elektra an ihm vorüber raschelte, als dass er es sah.

Dafür atmete seine Nase ganz von selbst genüsslich ein, Elektra roch immer so herrlich nach Rosenöl. Diesmal vermischte sich der Duft ihrer Haut mit dem Wohlgeruch von Eisenkraut. Noch ein tiefer Atemzug und Loranthus wurde es schlagartig heiß unter seinem tragbaren Schattenspender.

Die wildesten Phantasien überkamen ihn im Bruchteil eines Wimpernschlages und er rannte gerade hinter Elektra über eine üppige Blumenwiese, als die Hörner riefen und er mitten im Hechtsprung gegen einen Stier krachte. Durch den Rückprall landete er inmitten von grünen Büschen und wollte sich auf einem bequemen Heuhaufen ausruhen, wurde aber mit kräftigem Rückenwind stetig schwebend weiter befördert und nach der Landung ziemlich rabiat in die Erde gepflanzt.

Schwachsinn, natürlich stand er im Kreis um den Opferplatz, flankiert von Conall und Arminius, im Rücken Silvanus. Elektra, gegenüber auf der anderen Seite des Scheiterhaufens, zwinkerte ihm zu. Leider war nur ihr Kopf zu sehen, doch das hinderte Loranthus nicht am Weiterträumen, der Barde spielte dazu noch die passende Melodie namens ‚schwimmen in den Sonnenuntergang hinein‘.

Die hohen Druiden kamen nacheinander durch das Burgtor und warfen Blütenblätter vor sich auf den Weg. Über diese Blüten liefen zwei junge Stiere und zwei große Schafböcke. Sie wurden von niederen Opferdruiden geführt, waren wieder übervoll mit Blumen behängt und ihre Hörner glänzten golden.

Während sich Loranthus mit Elektra in einer heißen Quelle vergnügte, überlegte er nebenbei, wie viel Gold der Clan von Viviane wohl besaß. Sie mussten sehr reich damit gesegnet sein, wenn sie es so vielen Opfertieren um die Hörner legen konnten.

Afal stellte sich neben die aufgeschichteten Holzscheite und die anderen Druiden schlossen zu ihm auf. Wie nicht anders zu erwarten, trugen auch sie ein Kräutergewand und die Frauen sahen richtig schick aus, stellte Loranthus fest, als er von Viviane über Madite zu Fea sah. Selbst Amaturix trug sein Röckchen mit Würde und enthüllte seine kräftigen Beinmuskeln; während Gardan eher sehnig gebaut war.

Nur Afal verbarg seinen Körper samt Grünzeug unter seinem abstrakten Umhang aus allen möglichen Tierfellen. Die angehängten Rabenfedern bewegten sich leicht, als er vor den Opfertieren entlang ging und allen eine Handvoll Kräuter aus seiner goldenen Schale reichte.

Als die Tiere bereitwillig kauten und ins Gras nieder sanken, erhaschte Loranthus einen zufriedenen Blick von Viviane. Sie schien aber nicht erfreut wegen der schnellen Wirkung der Kräuter … oh, nein! Sie hatte ganz offensichtlich eine Spinne an ihrem Bauchnabel entdeckt. Nun versuchte sie diese vorsichtig ins Gras zu setzen, doch jedes Mal, wenn sie dachte, sie hätte es geschafft, hing die Spinne immer noch am Faden und der an ihren Fingern. Geduldig versuchte sie es weiter und schien sogar auf die Spinne einzureden … Amaturix beteiligte sich an der Diskussion und endlich wurden ihre Mühen belohnt, vielleicht ergriff die Spinne auch freiwillig die Flucht.

Loranthus plusterte die Backen auf. Er musste Schwerstarbeit leisten, um die Lippen zusammengepresst zu lassen, denn nun war das Bild, das er früher von den Keltoi gehabt hatte, wirklich perfekt: Ein Haufen Barbaren – die Opfertiere niedergestreckt – im Gras versammelt um ein Opferfeuer. Da Sommer war, trugen sämtliche Bewohner des wilden Landes die luftige Variante zum Fellkleid. Dennoch hatten zwei von den Wilden namens Viviane und Amaturix ganz offensichtlich schon einen Hitzeschaden, weil sie mit glückseligem Lächeln einer Spinne hinterher winkten.

Wild entschlossen, nicht an Atemnot zu sterben, konzentrierte sich Loranthus auf Afal, der auf den Stirnen der Tiere das Zeichen der vier Himmelsrichtungen machte. Dazu sang er das Dankeslied, das er schon zu Beltaine gesungen hatte.

„Ich war ein Wurm und gab mein Leben dem singenden Vogel. Er dankte mir dafür.

Ich war ein Frosch und gab mein Leben dem anmutigen Adebar. Er dankte mir dafür.

Ich war eine Maus und gab mein Leben dem schnellen Fuchs. Er dankte mir dafür.

Ich war ein Hase und gab mein Leben dem starken Wolf. Er dankte mir dafür.

Ich bin ein Mensch und nehme euer Leben. Ich danke euch dafür.“

Als er geendet hatte, waren die Tiere schon so betäubt von den Kräutern, dass sie friedlich schliefen. Afal schnitt ihnen die Ader am Hals auf und die Opferdruiden hielten ihre Schalen darunter. Afal und König Gort gingen wieder mit den seltsamen Kannen um den Opferplatz herum und brachten ihr Trankopfer dar.

Die Fleischstreifen, Herzen, Lebern und die Füllung für die Mägen wurden ebenfalls wieder in großen Holzbottichen mit Salz und Kräutern vermengt. Die geschmückten Tierköpfe kamen auf den Wall, diesmal sogar mit dem dazugehörenden rechten Schenkel.

Loranthus stellte fest, dass alles exakt symmetrisch angeordnet wurde. Stierköpfe nach Osten und Westen, Schafsköpfe nach Süden und Norden, die jeweiligen Schenkel dazwischen und drum herum die ausladenden Blumengebinde: Aus Sicht der Götter musste es wie ein abstrakter Blütenkelch aussehen.

Afal breitete die Hände aus, senkte sie zur Mutter Erde, schwang sie hinauf zu Vater Himmel und rief dabei laut: „Sohn des Allvaters und unserer Mutter Erde, du schenkst uns dein Licht am Tage. Tochter des Allvaters und unserer Mutter Erde, du erhellst uns die Nacht. Achtung und Ehre gebührt euch immerdar, demütig neigen wir unser Haupt. Nehmt unser Opfer an, auf dass ihr uns nie eure Gunst entzieht. All ihr Götter! Wir, eure Kinder, huldigen eurer Macht! Kommt in unsere Mitte! Lasst uns eintreten in eure ewigen Sphären, auf das wir uns vereinigen, wie es seit Alters her geschehen ist.“

Mit geschickten Händen schabte Afal den Feuerstein über das Eisen, Funken spritzten, Qualm entstand, blaue Flammen züngelten empor und verschlangen die Opfergaben. Aufmerksam und erwartungsvoll sah jeder im weiten Kreis dem Rauch nach, der zum Himmel stieg – selbst der junge Mann aus Kreta, dem bei diesem Anblick plötzlich ganz wehleidig ums Herz wurde. Und das lag nicht an seiner arg strapazierten Zunge, denn der Mund stand ihm weit offen.

Am Anfang verlief das Fest noch so, wie es Loranthus schon kannte. Nur Elektra gesellte sich nach dem Essen nicht zu ihm, sondern blieb auf ihrem Platz neben Afal sitzen. Sie winkte ihm aber, dass er zu ihr kommen sollte. Also machte er sich gleich auf den Weg und grüßte Amaturix und den Barden ehrerbietig, die ebenfalls am Feuer saßen, ehe er sich neben Elektra nieder ließ.

Suchend schaute er sich um, weil König Gort und seine Frau verschwunden waren, genau wie Viviane. Da fiel es ihm wieder ein: Viviane war ja schon vor der Feier mit Lavinia und Robin bei Tinne gewesen und jetzt wollte sie ihr mit dem König und der Königin etwas vom Opfermahl bringen.

Während sie auf den König warteten, verteilten die Sklaven Met aus ihren riesigen Eichenfässern mit Eisenbändern so breit wie eine Handspanne.

Medan reihte sich seelenruhig in die Schlange der Erwachsenen ein. Loth, der Sklave, nickte ihm zu, nahm das dargebotene Horn entgegen, rief „Luis!“ und reichte es an seinen kleinen Bruder weiter. Der schöpfte für Medan Himbeersaft aus seinem Fass und reichte es wieder zurück, dabei zog er die Wangen ziemlich weit ein, bestimmt wegen dem Geruch des Safts.

Mit hängendem Kopf trottete Medan davon und brummte dabei fantasievolle Verwünschungen für den achtsamen Sklaven in seinen nicht vorhandenen Bart, bis er in die Nähe seiner Familie kam.

Sofort ging sein Stampfen in ein Schlendern über und er ließ sich schwungvoll neben Tarian fallen. Bis zum Aufschlag schielten seine Augen auf dessen übervolles Horn, seine Lippen verzogen sich zu einem Schmollmund. Den versteckte er nach der anderen Seite, wo es noch ein Horn zu inspizieren galt. Hier bot sich ihm eine ungeahnte Möglichkeit und schon zuckten seine Mundwinkel nach oben, jedoch gleich wieder ein Stück zurück, wegen der Tarnung.

Conall hatte sein halbvolles Horn in der Schlaufe stecken und hielt sein Töchterchen auf dem Arm. Er war perfekt abgelenkt. Also tat Medan einen langen, schlürfenden Zug, beugte sich über Belisama und zog Grimassen, bis sie quietschte, nebenbei tauschte er seinen Himbeersaft ganz sachte aus.

Beinahe hätte das auch funktioniert, wäre da nicht Arminius gewesen, und der kannte seinen jüngsten Sohn wie sich selbst. Er brauchte Tarian nur ansehen und schon packte der Medan am Arm, Arminius schnappte sich natürlich den anderen.

Vollkommen ruhig gab Conall seine kleine Belisama an Noeira ab, nahm Medan sein Horn aus der Hand, trank den Met bis zum letzten Tropfen aus und schmatzte genüsslich. Mit tadelndem Blick zog er übertrieben langsam das untergeschobene Horn voll Himbeersaft aus seiner Gürtelschlaufe und gab Medan einen brüderlichen Klaps auf die Finger.

Arminius und Tarian deuteten das als Zeichen und zerrten Medan zu Boden.

Medan strampelte sofort mit den Beinen und ruckelte mit den Armen, aber er kam einfach nicht frei. Arminius hechtete sich auch noch todesmutig auf die fliegenden Beine und dann war es ganz vorbei mit seinen Zuckungen.

Zur großen Erheiterung aller Schaulustigen im Umkreis von zweihundert Schritt zwängte ihm Conall die Kiefer auseinander und schüttete ihm den Himbeersaft in den Rachen. Sein „Ich will nicht!“, ging in Gurgeln und Husten über, bis er sich der Übermacht fügte und einfach nur schluckte. Kein Tropfen ging daneben, was darauf schließen ließ, dass er nicht das erste Mal auf diese Art verköstigt wurde.

Arminius klopfte ihm versöhnlich auf die Schultern.

„Nächstes Mal bekommst du deinen Met, mein Sohn. Und dann wirst du erfahren, dass es richtig war, ihn dir heute noch nicht zu lassen.“

Medan knurrte wie Ethmanja, wenn ihr jemand einen besonders leckeren Knochen wegnehmen wollte, rammte sein leeres Horn in die Gürtelschlaufe und verschränkte störrisch die Arme vor der Brust. Finster starrte er von einem zum anderen, und je mehr ihm seine Familie aufmunternd zulächelte, desto düsterer wurde seine Miene.

„Autsch! Bei Cernunnos!“ Conall klatschte sich die Hand ans Ohr. „Was war das? Au! Schon wieder!“ Seine andere Hand schlug auf seinen nackten Oberarm. „Mitten auf meine Narbe!“

Medan rubbelte sich begeistert die Hände.

„Da hast du’s! Unser Vater im Himmel sieht alles und rächt sich dafür, dass du mich so drangsaliert hast!“

„Hmpf. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Ha!“ Conall zeigte ins Gras. „Von wegen Rache der Götter …“ Er bückte sich und hob triumphierend zwei grüne Glasperlen hoch, zu genauerer Betrachtung kam er jedoch nicht.

Hinter den Feuern kreischte Lavinia wie eine Furie auf und Robin blökte wie ein Lämmchen, dem man die Beine lang zog. Sofort liefen alle in Hörweite herbei und bildeten einen Kreis, damit jeder die Ursache des Lärms gut sehen konnte, jedenfalls wer vorne stand.

Silvanus ließ sich bereitwillig nach hinten drängen. Arminius und Conall schoben sich jedoch mit Schwung ins Zentrum, wo mehrere Kinder ineinander verkeilt am Boden lagen und sich wie irre balgten.

Arminius betrachtete eine Weile das zappelnde Knäuel aus Armen und Beinen, dann griff er hinein und zog an einem Kräuterröckchen.

Er stellte Lavinia aber nicht auf die Füße, sondern ließ sie an ihrem Gürtel in der Luft baumeln, als hätte er eben einen Busch ausgerissen und wolle die Erde abschütteln. Conall hatte es da schon schwerer, denn er musste erst mehrere Kinder auseinanderzerren, um an Robin heranzukommen. Wadi, Rivu und noch ein paar andere griffen nach allem, was daneben flog und hielten ihre Beute triumphierend in die Höhe. Ein Busch sah besonders ramponiert aus. Diesen fauchte Lavinia sofort an und ihre Zuhörer konnten sich nun ein Bild davon machen, wie es zu der Rauferei gekommen war.

„Du Tollpatsch! Du hast mit deinem vermaledeiten Schilfrohr mein schönstes Armband kaputt gemacht!“

„Was heißt hier Tollpatsch, du dumme Gans!? Was kann ich dafür, wenn mich der Hornochse schubst!? Wegen dem hab ich ein ganzes Horn Himbeersaft verschüttet!“

Jetzt fuchtelte Robin wild mit den Fäusten und begann bedrohlich hin und her zu schwingen, doch Conall schien das nicht aufzufallen.

„Selber Hornochse, du Rindvieh! Hättest halt schneller austrinken sollen! Ich bin bloß über eine Wurzel gestolpert, weil mich dein hinterlistiger Bruder mit seinem Schilfrohr in den Rücken gestochen hat! Wenn ihr schon Krieger spielen wollt, dann macht das gefälligst unter euch aus und lasst uns damit in Ruhe!“

Jetzt schwang besagter Bruder an seinem Gürtel hin und her.

„Wehe, du nennst mich noch einmal hinterlistig, du Muttersöhnchen! Aus dir wird sowieso nie ein Krieger! Komm nur her, dann beweis ich’s dir!“

Lavinia verschränkte die Arme unter ihrem Bauch und sah säuerlich von einem zum anderen.

„Ruhe jetzt! So geht das nicht weiter! Unsinnige Beschimpfungen machen mein schönes Glasarmband auch nicht wieder ganz. Lasst uns wieder Freunde sein und helft mir suchen!“

„Such doch allein, du Furie! Vorhin waren dir die Glasperlen auch egal, als du mir eine reingehauen hast!“

„Du hast doch gesagt, das hätte gar nicht weh getan! Also brauchst du auch nicht beleidigt sein“, vermittelte Rivus Sohn ruhig und bedächtig.

„Ach, sei still! Du willst Lavinia ja nur Honig ums Maul schmieren.“

„Noch ein Wort und ich schmier dir was ganz anderes ums Maul!“

„Komm doch her, wenn du dich traust! Ich warte! Na los, du Feigling!“

„Du Trottel! Hast wohl keine Augen im Kopf?!“

Rivu sah zu Arminius und Conall hinüber und begann, seinen Sohn vor und zurück zu schwenken, als würde ihn das Ganze langweilen. Alle Männer machten mit und schon war ein neuer Wettstreit erfunden, denn Conall warf Robin am weitesten hoch und griente die anderen Väter provokant der Reihe nach an. Das reichte für höhere Sphären, nur Arminius hatte eindeutig verloren, schien aber nicht enttäuscht.

„Ich weiß ja nicht, wie es euch geht …“, meinte er fast gelangweilt. „ … aber ich, für meinen Teil, fand den Vorschlag von Lavinia recht plausibel. Wir können es natürlich auch so machen wie mein Großvater, als wir noch Kinder waren.“

Rivu wechselte seinen Sohn in die andere Hand und grinste listig.

„Was hat der denn gemacht, Arminius?“

„Ach, weißt du … wenn wir uns nicht einigen konnten, dann hat er immer seinen Gürtel abgeschnallt und uns der Reihe nach damit den Hosenboden versohlt. Was glaubst du, wie schnell wir uns wieder vertragen haben?!“

Rivus Miene verzerrte sich, als hätte auch er derlei Erziehungsmethoden kennengelernt, und lugte zu seinem Bruder. Wadi schnaubte jedoch verächtlich, warf seinen jüngsten Sohn hoch und fing ihn mit der anderen Hand wieder auf.

„Arminius, mein lieber Freund und Schwager“, tönte Wadi und tätschelte Arminius mit der freien Hand. „Das ist doch ein alter Hut und wer clever war, hatte natürlich immer eine Portion Wolle parat.“ Wadi reckte die Brust raus, sodass kein Zweifel bestand, wen er mit ‚clever‘ meinte. Um nicht gar zu sehr aufzutrumpfen, schürzte er die Lippen und überlegte: „Wenn wir einmal so schön in Schwung sind, könnten wir ihnen doch die Dickschädel zusammenstoßen. Bei den großen Hörnern, die ich hier sehe, wird das ordentlich krachen. Das bisschen Schnalzen von einem Lederriemen ist lachhaft dagegen.“

Wadis Sohn hörte sofort auf zu zappeln und tastete seine Stirn ab. Er hatte sich bisher noch nicht am Geschrei beteiligt und hing nur in der Luft, weil er Lavinia und Robin beschützen wollte, schließlich waren sie blutsverwandt.

„Ach nein, Vater, lieber nicht! In letzter Zeit geht das immer so daneben. Denk an Onkel Rivus Nase! Außerdem hat Lavinia recht. Wir sollten mit ihr gemeinsam die Glasperlen suchen. Seid ihr alle dafür?“

Alle baumelnden Kinder begannen synchron zu nicken und schon standen sie wieder auf ihren eigenen Füßen. Schwankend gingen sie aufeinander zu, gaben sich die Hände und gingen in die Knie, damit ihnen keine Perle im Schein der Feuer entging. Auch einige der Umstehenden suchten mit, sogar Elektra und Loranthus. Es dauerte jedoch nicht lange, und sie gaben es auf. Das Gras war einfach zu hoch und es wurde langsam dunkel.

Mit hängenden Köpfen trotteten Lavinia und Robin zum Feuer ihrer Familie zurück.

Lavinia schniefte.

„Alle liegen in den Flammen. Im Gras haben wir keine einzige mehr gefunden.“

Flora zog ihre kleine Tochter tröstend auf den Schoß und drückte sie an sich. Silvanus setzte sich davor und wischte ihr sanft die Tränen fort.

„Hör auf zu weinen, Lavinia. Die grünen hat Conall für euch gefangen oder besser: Sie haben ihn erwischt, aber egal. Guck mal!“ Er nahm die Glasperlen, hielt sie vor seine Augen und machte Grimassen, es half nicht viel.

Lavinia schob ihre zitternde Unterlippe vor und maulte: „Ausgerechnet die grünen. Da war doch nur ein brauner Punkt drauf. Meine anderen waren alle so schön bunt verziert …“ Sie schmiegte sich an Floras Hals und schluchzte: „Ich hätte hören sollen, Mama! Warum musste ich auch unbedingt mein allerschönstes Armband umtun?“

„Weil du Luis imponieren wolltest?“, kam es ganz leise von Robin. Sofort zog er den Kopf ein und drückte sich an Noeira, doch Lavinia putzte sich gerade die Nase.

Hanibu strich Lavinia tröstend über die nussbraunen Ringellöckchen. Robin wagte sich wieder heran und tätschelte sogar ihre Hand. Lavinia sah zu Robin, lächelte Hanibu an und dann fassten sie sich ohne Worte an den Händen und gingen zu dem Feuer, wo Lavinia die Perlen gesehen hatte.

Loranthus sah ihnen kopfschüttelnd hinterher und griff sich die grünen, die unversehrt geblieben waren.

„Wie macht ihr diese Farbe, Silvanus. Aus Blätterextrakten?“

Silvanus schüttelte den Kopf.

„Grün ist unsere Ausgangsfarbe. Wenn wir Eisenerz schmelzen, fällt Glas nebenbei ab. Es ist immer grün, mal mehr, mal weniger. Ich kaufe deshalb lieber durchsichtige Glasbarren beim Händler und mische die Farben unter. Ein grüner Unterton ist bei manchen dunklen Farben aber von Vorteil. Ich setzte auch gerne mal bunte Schlaufen und andere Verzierungen drauf. Die hier jedoch …“

„Ja, ich habe sie schon zu Beltaine bewundert. Perlenketten, Armbänder … lauter herrliche Muster … Du bist ein Künstler, Silvanus.“

Silvanus neigte dankend den Kopf, ruckte aber sofort wieder hoch und sprang mit einem Satz auf seine Füße.

„Robin! Nicht anfassen! Zu heiß!“

Robin winkte ausholend und deutete lachend ins Feuer. Hanibu zerrte ihn ein Stück weg, winkte ebenfalls herüber und nickte zum Zeichen, dass sie ihn gehört hatte. Sie hob ein Schilfrohr hoch, das dort im Gras lag und schwenkte es gut sichtbar. Silvanus schlug die Hände über dem Kopf zusammen.

„Oh nein! Sie hat mich falsch verstanden!“, murmelte er und trat unschlüssig von einem Fuß auf den anderen, um sich schon mal warm zu laufen. Vorerst brauchte Hanibu seine Hilfe nicht, sie stocherte hoch konzentriert mit dem Schilfrohr im Feuer herum. Hinter ihr hüpften Robin und Lavinia und zeigten begeistert auf die Stellen, wo sie noch hin stechen sollte.

Hanibu ließ sich von ihnen nicht aus der Ruhe bringen und hielt alsbald triumphierend ihre Ausbeute in die Höhe. Nebenbei klopfte sie Robin auf die Hand, weil er den Klumpen anfassen wollte und hob Achtung heischend den Finger.

Sofort standen die Kinder stramm und beobachteten mit großen Augen, wie sie in das Schilfrohr pustete und es dabei drehte. Kaum sichtbar, begann sich die Glasmasse aufzuplustern, genau wie Silvanus Wangen. Langsam setzte er einen Schritt vor den anderen und je mehr sich die Glasmasse nach außen wölbte, umso eiliger bewegte er sich vorwärts. Vollkommen fasziniert saugten sich seine Augen an dem bunten Klumpen fest.

Wie er sich aufblähte, unförmig wurde und dann mit einem gekonnten Dreh des Schilfrohrs weiter wölbte und Gestalt annahm … Wie im Traum bewegte sich Silvanus durch die Leute hindurch und jeder, der ihm verwundert in die Augen sah, schloss sich ihm sogleich an.

Hanibu schien von dem Auflauf um sie herum gar nichts mit zu bekommen. Voll konzentriert drehte sie die Masse weiter, immer weiter, dehnte das Glas noch mehr, noch dünner … so dünn, dass alle Zuschauer ungläubig die Augen aufrissen und hektisch mit den Armen durch die Luft fuchtelten, um noch mehr Leute auf dieses Spektakel aufmerksam zu machen.

Natürlich kamen fast alle Ahnungslosen angerannt und sahen gerade noch, wie Hanibu nachdenklich ihr Werk betrachtete, zufrieden nickte und einen brennenden Ast aus dem Feuer zog. Den hielt sie an den Übergang vom Schilfrohr zum Glas und machte es noch einmal heiß.

„Kannst du mit deinem Messer hier abschneiden, Silvanus?“, fragte sie leise.

Silvanus raffte eilig sein Zahntuch aus der Gürteltasche, zückte sein Messer und trennte das Glas mit geübter Hand vom Schilfrohr. Vorsichtig hielt er die entstandene Form mit seinem Wolllappen fest, setzte sie ins Gras und Hanibu nahm ein kleines Stöckchen, um der Schnittfläche ihre endgültige Form zu geben, bevor sie kalt wurde.

Alle Leute in der ersten Reihe hockten sich um die beiden herum, während die dahinter dafür sorgten, dass sie unten blieben und die dahinter ebenfalls … immer schön gestaffelt, bis es nur noch mit Hälse recken ging.

Silvanus, mit normaler Halslänge, deutete mit respektvoller Miene auf die kleine, farbige Glasfigur.

„Das ist wunderschön. So zart und bunt wie die Flügel von einem Schmetterling. Wo hast du eine solche Kunstfertigkeit gelernt?“

„Ich habe es nicht gelernt. Ich habe es bei einem Glasmacher in Massalia gesehen, als sie mich vom Hafen zum Sklavenmarkt geführt haben“, erklärte Hanibu in einem Kauderwelsch aus drei Sprachen.

Silvanus verstand sie trotzdem und nickte versonnen. Voller Bewunderung strich er über die Form und schüttelte langsam den Kopf.

„Ich kann Glasarmbänder aus einem Stück, aber so etwas habe ich noch nie … Ich weiß gar nicht, wofür das gut sein soll. Eine kleine Kanne ohne Henkel aus Glas. Ziemlich unpraktisch. Viel zu dünn. Die zerbricht bestimmt noch schneller, als meine Glasarmbänder. Selbst, wenn sie dickwandiger wäre … Mit der Haltbarkeit von Tonkrügen kann sie nicht mithalten. Lass mich mal nachdenken …“ Stirnrunzelnd betrachtete er das Gebilde von allen Seiten. „Hm. Zart, bunt … man kann was rein tun … wenn das Lavinia nicht aufheitert …“

Er sah sich in der Menge um und suchte Lavinia und Robin. Doch selbst als sich die Leute zerstreuten, waren sie nirgendwo zu sehen. Also ging er mit Hanibu wieder zu ihrem Feuer zurück, denn er konnte sich schon denken, wo sie abgeblieben waren.

Und wirklich, da lagen die beiden nebeneinander unter ihren Decken und schlummerten schon tief und fest. Armanu und Belisama lagen zwischen ihnen.

„Das ging aber schnell!“, murmelte Silvanus und drapierte die Kanne neben Lavinia im Gras. Sie bemerkte es nicht.

Viviane kam mit Tinne über die Wiese, führte sie zu dem Feuer, wo die Krieger mit ihren Frauen saßen und gesellte sich zu ihrer eigenen Familie.

„So, jetzt kann es losgehen. Wenn sie Holz nachgelegt haben, kommt der Eröffnungstanz.“

Loranthus hob erwartungsvoll den Kopf.

„Wer macht den heute? Wieder die jungen Leute wie zu Beltaine?“

„Nein, Loranthus, heute ist ein Sonnenfest. Der König tanzt. Zuerst mit Elektra und dann mit … mir.“

Loranthus beugte sich erstaunt vor, Silvanus noch viel mehr und gab ihr einen Kuss.

Viviane wurde schlagartig rot und ringelte einen Grashalm um ihren Finger.

„Na ja, Loranthus, das ist so: Heute ist der längste Tag und die kürzeste Nacht des Jahres. In dieser Nacht wird aus dem ersten Weib des Sonnenkönigs das zweite.“

Loranthus zog verwirrt die Augenbrauen hoch, Viviane sah hilfesuchend zu Silvanus.

„Ich erkläre es dir“, meinte der auch sogleich, drehte sich zu Loranthus und musterte ihn wie ein Lehrer, der seinen ersten Schüler vor sich hatte.

„Du weißt doch, Loranthus: Der Sonnenkönig hat drei Weiber und sie stehen für ein und dasselbe. Sie symbolisieren den Jahreszyklus von Mutter Natur. Als erste die Jungfrau. Sie steht für die ruhende Erde vor der Aussaat, wenn die Natur erwacht und sich in ihren schönsten Farben zeigt wie eine junge Maid zur Hochzeit. Dann bestellen die Bauern die Felder und Mutter Erde trägt die Saat in sich. Durch sie gedeihen unser Korn, unser Gemüse und unsere Früchte wie ein Kind im Leib eines Weibes.“

„Aha! Jetzt weiß ich’s!“, jubelte Loranthus und wedelte aufgeregt mit den Händen. „Das ist wie bei dem Geisterflug, den Viviane zu Beltaine erzählt hat. Der König mit seinen drei Weibern! Sein zweites Weib hatte ein Kind im Arm und ein Ährenbündel!“ Stolz über seine schnelle Auffassungsgabe, hob er sein Horn und nahm einen Schluck.

Silvanus nickte anerkennend und zeigte auf Viviane.

„Kein Wunder, dass dich der König zum Tanz gebeten hat. Du hast den höchsten Rang. Jede andere Schwangere muss vor dir zurückstehen.“

Viviane nickte und schmunzelte wegen Loranthus. Der nuckelte immer noch an seinem Horn und saugte nebenbei auch jedes Wort in sich ein. Seine Augen huschten mit einem seltsam gierigen Glitzern zwischen ihr und Silvanus hin und her.

„Man munkelt …“, raunte Viviane verschwörerisch. „ … Königin Elsbeth solle ihren Sohn Lothaar beim ersten Göttertanz empfangen haben. Sie durfte ja damals immer für die junge Maid tanzen, obwohl sie vorher schon geboren hatte, nur leider …“

Loranthus spuckte seinen Met aus und schwang hastig das Horn darunter, um den Verlust möglichst gering zu halten.

„Welchn ersdn Gödderdans?“, nuschelte er, während er sich über den Mund wischte und in sein Horn lugte, um den Erfolg seiner Rettungsaktion zu überprüfen.

Viviane schüttelte nachsichtig den Kopf und wischte sich ein paar Tropfen Met von den Armen.

„Den zur Frühjahrstagundnachtgleiche, natürlich. Ihr Sohn Lothaar wurde drei Sonnenfeste später, zur Zeit des Apfelbaumes, geboren.“

Viviane machte ein Gesicht, als ob sie es ihm gleich noch vorrechnen wollte, doch Loranthus hob die Hand, und sie hielt inne.

„Wenn ich dich richtig verstanden habe, Viviane, also … äh …“ Loranthus lugte misstrauisch von einem zum anderen. „Was habt ihr denn hier für seltsame Tänze, von denen man schwanger wird?“

Sein Blick huschte zu Vivianes Kräuterrock und dann schnell wieder hoch zu ihren belustigten Augen, um Silvanus nicht auf falsche Gedanken zu bringen. Doch der prustete seinen Met auch zurück ins Horn und klopfte ihm dabei noch überschwänglich auf die Schulter. Beides tat seine Wirkung: Alle in seiner Umgebung blieben trocken, nur Loranthus musste schon wieder in seinem Horn nachsehen. Der gesunkene Pegel entlockte ihm ein „Bacchus steh mir bei!“ und besagter Bacchus tat natürlich prompt, wie ihm geheißen.

In göttlichem Tempo schlug Loranthus die Hand aufs Horn und machte sich steif … genau im rechten Moment, denn Silvanus wischte sich über den Mund und schlug noch einmal krachend zu. Er war allerdings stärker als Bacchus und Loranthus zusammen.

„Lass dich überraschen, mein griechischer Freund. Ich, für meinen Teil, bin froh, dass Viviane mit dem zweiten Tanz geehrt wird … und außerdem ist es sowieso recht praktisch, wenn zu den Sonnenfeiern die Weiber schon schwanger sind.“

Jetzt prustete Viviane ihren Tee zurück ins Horn, weil Loranthus aus seiner extremen Schräglage hochkam und dabei so komisch von einem zum anderen schaute. Er hatte aber dermaßen viel Schwung, dass er gleich weiter nach hinten kippte und mit Medan zusammenstieß. Der zuckte nicht und beschwerte sich auch nicht, sondern starrte mit finsterem Blick ins Feuer und zerpflückte ein paar Grashalme in winzige Schnipsel.

Loranthus deutete mit den Daumen auf Medan, sah Viviane fragend an und drehte den Zeigefinger neben seinem Kopf.

Viviane schaute strafend zurück, aber ihre Augen funkelten schelmisch. „Hat der Himbeersaft geschmeckt, Medan?“

Medan knurrte. Viviane ließ sich davon aber nicht in die Flucht schlagen. Sie setzte sich zu ihm und sah aufmerksam in seine Augen.

„König Gort meinte, der wäre dieses Jahr besonders gut gelungen. Willst du dir noch ein Horn voll holen? In deinem Alter kann man davon ruhig drei oder vier trinken.“

Medan schnaubte, stemmte sich grummelnd hoch und stapfte über die Wiese hinüber zum Fass. Dort standen schon seine gleichaltrigen Freunde und prosteten sich übertrieben laut zu. Auf die Entfernung hörte es sich an wie: „Die Tage sind gezählt. Auf das vorletzte Horn voll Himbeersaft … auf das letzte Horn voll Himbeersaft … Wer noch eins schafft, wird zum Himbeerkönig gekrönt.“ Medan wurde lauthals in der Runde willkommen geheißen und zum Wettsaufen aufgefordert. Johlend stellte er sich den Herausforderern und Silvanus wettete, das er der Himbeerkönig werden würde. Viviane hielt dagegen, die Konkurrenz war stark. Loranthus enthielt sich der Stimme. Sie hatten viel Spaß beim Zuschauen, bis die Hörner erschallten.

Das Feuer loderte blau auf. Afal stand daneben und breitete die Arme aus.

Alle Leute, die noch munter waren, setzten sich in weitem Kreis um das Opferfeuer, die Frauen auf die Ostseite, die Männer auf die Westseite. Medan und seine Freunde brauchten am längsten, sich einzuordnen.

König Gort wartete geduldig, bis alle zu ihm schauten, dann rutschte er von seinem Ziegenfell, ging im Gras auf die Knie und beugte demütig sein Haupt.

Afal drückte ihm einen Kranz aus Mistelzweigen auf den Kopf und überreichte mit erhabener Miene einen Langbogen, der mit herrlichen Schnitzereien verziert war, einen Köcher aus derbem Rindsleder und einen Pfeil, der komplett vergoldet war, oder gar selbst aus Gold bestand. König Gort nahm alles entgegen, ohne aufzusehen und ließ sich von Afal mit einem Birkenzweig schlagen. Klatschend spritzte geweihtes Wasser über ihn hinweg, doch er ertrug jeden Schlag klaglos, obwohl Afal ziemlich derb mit ihm umging, bis er endlich zufrieden schien und mit dem Daumen das Zeichen der vier Himmelsrichtungen auf König Gorts Stirn machte. Nun neigte Afal seinen Kopf vor dem König, machte exakt drei Schritte rückwärts, und der Barde begann zu spielen.

König Gort stellte ein Bein auf und erhob sich majestätisch. Den Bogen und den Köcher mit dem Pfeil hängte er sich quer über die Schulter, verneigte sich noch einmal vor Afal und ging gemessenen Schrittes um das Feuer herum auf Elektra zu, die gleich in der ersten Reihe saß.

Anmutig kniete er nieder und nahm ihre Hand. Elektra neigte demütig das Haupt und verschränkte ihre Finger mit den seinen.

Afal trat heran und streckte dabei einen Kranz aus Gänseblümchen und eine weiße Kuhhaut vor sich aus. Den Blumenkranz drückte er Elektra auf den Kopf, die Kuhhaut drapierte er mit ernstem Blick um ihre Schultern und verband die Enden mit einer vergoldeten Fibel in Form einer Kuh. Jede Bewegung, ja sogar die Mimik, schien vorgegeben, genau wie das Schlagen der Birkenruten, um auch Elektra zu weihen. Afals drei Schritte zurück mit geneigtem Kopf beendeten seinen Part.

König Gort zog Elektra hoch und streckte ihre verschränkten Hände gen Himmel. Bei dieser Bewegung wallte die Kuhhaut weich fließend bis zu Elektras Füßen herab und als sie nebeneinander einher schritten, sah es fast so aus, als würde sie schweben.

Beim Opferfeuer angekommen, nahmen sie die Hände herunter und stellten sich Rücken an Rücken.

Der Barde wartete, bis sie ruhig gerade aus schauten, dann legte er seine Leier zur Seite und nahm eine lange, kunstvoll geschnitzte Holzflöte. Darauf spielte er eine neue Melodie und die Leute klatschten im Takt die Hände zusammen, während König Gort und Elektra jeder einen Fuß vor sich setzten. Den zweiten Fuß schleiften sie auf den Zehen nach, blickten sich noch einmal über die Schulter hinweg an und schritten weiter vorwärts, immer Fuß für Fuß.

Es dauerte keine fünf Schritte, da wurde die Melodie rhythmischer und je mehr sie sich von einander entfernten, desto entschlossener wurde ihr Gang. Dabei bewegten sich nicht nur ihre Hände und Füße, nein, ihre kompletten Körper vollführten seltsame Verrenkungen, König Gort schwang dazu noch Pfeil und Bogen.

Loranthus hatte einige Mühe, jeden Fingerzeig und jeden Fußtritt zu verfolgen, denn er wollte keinen von beiden aus den Augen verlieren.

Silvanus schmunzelte und flüsterte: „Es dauert nicht mehr lange, dann kommen sie sich wieder näher. Du musst wissen, Loranthus: Sie erzählen die Geschichte der Götter. Wie sie die Erde geschaffen haben, wie sie miteinander gekämpft haben, bis sich Dis erhob und alle in die Unterwelt verbannte, die gegen ihn rebellierten. Danach zeugte er unser Göttergeschlecht und herrschte als unser aller Vater, denn auch wir entstammen seinen Lenden, genau wie unser Sonnengott und unsere Mondgöttin. Siehst du, wie König Gort seinen Bogen hält? Wie er seinen Pfeil anlegt? Jede Geste, jeder Wink mit den Fingern, jedes Aufsetzen der Füße, ja sogar jeder Augenaufschlag hat seine Bedeutung. Wenn man die kennt, dann kann man jede Geschichte damit darstellen.“

„Also eine Art Zeichensprache mit dem gesamten Körper.“

„Genau.“

Der Barde begann schneller zu spielen und die Leute schlugen die Hände kräftiger zusammen. König Gort hatte den Bogen wieder umgehängt und umkreiste Elektra hinter dem Feuer. Sie streckten sich die Hände entgegen, beugten sich zueinander und …

Loranthus reckte seinen Hals, doch er konnte es nicht genau sehen, weil das Feuer lichterloh brannte. Drei mal kamen sie zusammen, dann trennten sie sich wieder und tänzelten in den für ihn sichtbaren Radius. Er lauerte schon auf den Augenblick, wenn sie sich das nächste Mal begegneten.

Aha! Sie schritten wieder aufeinander zu, nein, sie schleiften die Füße, umkreisten sich, tänzelten und streckten sich mit eindeutig sehnsüchtiger Miene die Hände entgegen, bis sie sich erreichten. Bei Zeus und allen Göttern! Loranthus stöhnte auf. Der Unterkiefer klappte ihm herunter und seine Hände vergaßen zu klatschen.

König Gort zog Elektra an sich und umarmte sie sehr eng und sehr lange. Zu lange! Und sie bewegten sich noch dazu, als würden sie … Diese verdammte Kuhhaut wallte um sie herum! Nein. Oh, nein! Elektra hatte den König darunter geschoben und raffte die Kuhhaut hinter ihm zusammen. Was flüsterte da der König in Elektras Ohr, das sie zum Lachen brachte? Und ihr Kopf neigte sich nach hinten, ihr Mund öffnete sich und ihr weißer Hals wölbte sich seinen Lippen entgegen?! Jetzt riss sie die Kuhhaut nach hinten, doch kaum standen sie frei, presste der König Elektra noch stärker an sich. Und wieder warf sie die Kuhhaut vor und wieder wanden sich ihre Leiber, diesmal noch wilder. Mit einem Ruck hob er sie hoch, ihre Füße waren nicht mehr zu sehen, sein Oberkörper beugte sich langsam immer weiter nach unten, schwenkte sie dabei in wallenden Bewegungen … sie schrie auf und er zog sie wieder hoch, die Kuhhaut flog diesmal nicht weg …

Als sie sich nach der dritten Umarmung endlich trennten und die zweite Runde begann, sackte Loranthus in sich zusammen und glotzte der Kuhhaut hinterher, als würde er sie gerne in die Finger bekommen, um sie noch ein wenig zu gerben.

Der König schien nun langsamer zu tanzen als Elektra. Seine Schritte wurden kürzer und er brauchte mehr Zeit, um ihr wieder zu begegnen. Loranthus gab ein heißeres Krächzen von sich, stemmte sich von seinen Fersen hoch, um sie besser sehen zu können und zerrte ein Büschel Gras hinterher.

Diesmal umarmten sie sich nicht, sondern hielten sich nur an den Händen und umkreisten sich wieder. Beruhigt glitt Loranthus zurück und lächelte boshaft, als der König noch kürzere Schritte machte und das Gras in seinen Händen ziemlich zermatscht aussah.

Beim dritten Zyklus konnte der König gerade noch eine Hand von Elektra erreichen. Die hob er in die Höhe, führte sie zu ihrem Platz zurück und verbeugte sich zum Abschied. Dann ging er gemessenen Schrittes auf Viviane zu.

Afal stand schon neben ihr, mit einem neuen Blumenkranz und neuer weißer Kuhhaut.

Viviane kniete demütig nieder und ließ sich mit Weihwasser bespritzen. So eine Kuhhaut hatte durchaus auch seine guten Seiten, stellte Loranthus der Fairness halber fest und schielte zu Silvanus.

Der schaute Viviane verliebt hinterher und machte einen mächtig stolzen Eindruck.

„Meine Viv“, seufzte er inbrünstig und griente, als hätte er ein Fass Met allein getrunken. „Sieht sie nicht wunderschön aus? Sie ist mit Abstand das schönste zweite Weib vom Sonnengott, was es bis jetzt zu den Sonnenfeiern gegeben hat.“

Loranthus beäugte ihn misstrauisch von der Seite her und beeilte sich mit dem Nicken. Ehrlich anerkennend, ja, sogar fasziniert, betrachtete er Vivianes Bewegungen und versuchte sich an der Deutung. Ob wohl der Blumenkranz auch etwas zu sagen hatte?

„Die blauen Kornblumen auf ihrem offenen Haar sehen einfach genial aus … azurblau und rotbraun wie … aber Elektras Gänseblümchen haben mir auch sehr gut gefallen.“

„Das kann ich mir vorstellen“, gluckste Silvanus und wackelte mit den Augenbrauen.

Loranthus lugte auf sein Kräuterröckchen herab und zupfte schnell am Beifuß, doch Silvanus sah nicht mehr auf das, was da hervorlugte. Er war jetzt mit Schwanken im Sitzen beschäftigt.

Viviane übernahm in der ersten Runde den Schrittrhythmus von Elektra, gleich darauf drehte sie sich in immer größeren Abständen um den König herum. Trotzdem verrenkte sich Silvanus den Hals und alles was man sonst noch verrenken konnte, um Viviane hinter den Flammen besser sehen zu können.

Loranthus zog einen Schmollmund.

„Warum gehen sie denn nicht wieder so zusammen wie vorhin bei Elektra?“, maulte er in möglichst interessiertem Tonfall.

„Weil der König unsere Sonne symbolisiert. Viviane tanzt für die Mondgöttin. Sie sind der Tag und die Nacht. Zur Sommersonnenwende ist der Tag viel länger als die Nacht. Deshalb berühren sie sich nicht.“

Silvanus leckte sich über die Lippen, als Viviane in ihrer Nähe vorbei zirkelte, jawohl zirkelte, denn sie streckte ihr rechtes Bein weit aus und drehte sich um sich selbst. Prompt geriet Silvanus in extreme Schräglage, was Loranthus zu einen verständnislosen Blick animierte, bis er diesen anmutigen Tanzschritt auch einmal aus dieser Perspektive betrachtete.

„Bei Artemis!“, quiekte er und zuckte wieder hoch. „Als der König vorhin mit Elektra getanzt hat, war das also die Zeit um die Frühjahrstagundnachtgleiche“, versuchte er sich abzulenken.

„Genauuu“, grunzte Silvanus, schmatzte „Früh … jahrs … tag … und … nacht … gleiche“ und schnalzte vergnügt mit der Zunge. „Zur Sommersonnenwende kommt immer der zweite Tanz hinzu.“

„Der mit Viviane.“

„Ja. Oder mit einer anderen Schwangeren. Es ist eine hohe Ehre, für die Mondgöttin zu tanzen.“

„Kann ich mir vorstellen“, hauchte Loranthus schlapp und ließ dazu passend die Schultern hängen. Doch da ruckte er plötzlich hoch und fasste sich ins Genick, als habe ihn etwas gezwickt.

„Dann müsstet ihr zur Herbsttagundnachtgleiche ja drei Tänze haben! Und beim dritten ist der Tag wieder gleichlang mit der Nacht!“

„Ja“, bestätigte Silvanus und erhob sich. „Königin Elsbeth ist dabei immer die Mondgöttin.“

Loranthus sackte zusammen und atmete erleichtert aus, doch da zuckte er schon wieder. Diesmal allerdings mit eindeutiger Schräglage, denn König Gort hatte ihm einen derben Klaps auf die Schulter verpasst.

Loranthus war so verdattert, dass er ihm nur mit offenem Mund hinterher starren konnte, während er verzweifelt um sein Gleichgewicht rang. Der König bekam seine Notlage nicht mit.

Er bewegte sich durch die Reihen hindurch und klopfte jedem Mann auf die Schulter. Keiner kippte zur Seite und Loranthus wurde sich wieder einmal bewusst, dass er nur ein dürres Ästchen unter Knüppeln war. Nein, er war eine Weidenrute, biegsam und geschmeidig! Immerhin hatte er es gerade in die Vertikale geschafft. Und außerdem waren es die anderen Barbaren-Männer gewohnt, einen Klaps vom König verpasst zu bekommen, denn sie feierten schließlich jedes Jahr die Sommersonnenwende auf Barbarenart.

Dass er in seinen Überlegungen richtig lag, zeigte ihm der rabiate Umgang seiner Gastgeber mit ihresgleichen. Johlend schleiften sie alle Leute weg, die eingeschlafen waren. Conall und Tarian zerrten den selig schlummernden Medan besonders grob über die Wiese.

Ganz anders Viviane. Anmutig tänzelte sie durch die Frauenabteilung und berührte jede von ihnen sanft an der Schulter. Sie lächelte auf eingeschlafene Maiden herab, ihre langen Haare wallten über die weiche Kuhhaut, rotbraun auf weiß, alles schwang und wehte … und die Beine … so graziös, so … „Was?“

Silvanus zog Loranthus mit einem Ruck auf die Füße, denn er hatte ihn jetzt schon das dritte Mal aufgefordert, mit zu den Fässern zu kommen, wo die Sklaven den Met austeilten. Als er es endlich begriffen hatte, ging er auch ohne Hilfe, wollte aber tatsächlich zum Himbeersaft abschwenken. Silvanus musste ihn quasi vor sich her schieben. Wenn das Medan gesehen hätte … vor allem, dass er sein Horn auch noch nur halbvoll wollte.

Da erklärte Silvanus seinem griechischen Schüler sehr geduldig, dass er einen Teil den Göttern opfern sollte. Sofort ruckten Loranthus’ Augenbrauen nach oben und sein Horn nach vorne über das Fass Met.

„Ein Trankopfer?!“, johlte er und verrenkte sich den Hals, bis er gefunden hatte, was er suchte. „Sehr schön. Mach nur ordentlich was rein, Loth! Wir Griechen lieben Trankopfer! Ach, was sag ich! Wir Griechen sind die Erfinder des Trankopfers, oder präziser: die Nachkommen der Erfinder des Trankopfers!“

„In deiner Heimat gibt es bestimmt viele Sümpfe, Loranthus!“ rief einer irgendwo hinter ihm.

„Oder präziser: In deiner Heimat laufen alle den ganzen Tag mit einem Fass Wein auf dem Buckel rum, damit sie jederzeit für ein Trankopfer gerüstet sind!“ wusste ein anderer.

„Ganz genau. Und weil ihr immer so viel Wein verschüttet, bekommt ihr den Hals nicht voll!“ sinnierte ein weiterer.

„Ja, und deshalb habt ihr auch Sandalen! Da läuft alles besser ab, wenn ihr durch all den vergossenen Wein waten müsst!“

Loranthus nahm vom grinsenden Loth sein Horn entgegen, drehte sich um, reckte die Brust und sagte pikiert: „Wie ich höre, habt ihr eine sehr praktikable Art, Ursache und Wirkung in Einklang zu bringen, bis auf die Fässer. Wir Griechen haben Amphoren aus bruchsicherem Graphittongemisch. Aber Fakt ist eines: „Die Götter selbst haben uns das Trankopfer gelehrt, und überhaupt haben …“

„ … alle anderen auch noch ein leeres Horn, genau wie ich.“

Silvanus schob Loranthus zur Seite und hielt Loth sein Horn hin. Diese Aktion dauerte einen Wimpernschlag, und schon ging Loranthus bereitwillig vor ihm her, ohne weiter zu diskutieren. Dabei machte er ein Hohlkreuz, was an Silvanus’ Finger lag, der ihm ins Kreuz pikte und ihn gleichzeitig zum Opferfeuer dirigierte. Dieses Ursache-Wirkung-Prinzip funktionierte so gut, dass Loranthus seine Augen nicht brauchte und prompt seinen Kopf nach hinten drehte.

„Warum stehen Viviane, Flora, Noeira und Taberia beim Kräutertee?“

„Es ist egal, mit welchem Getränk du den Göttern opferst. Schwangere und stillende Weiber sollten lieber auf den Met verzichten. Du wirst bald selbst erkennen, warum. Komm, wir müssen zur Opfergabe. Afal und König Gort warten schon.“

Loranthus sah zu den beiden und erkannte gleich, dass sie in einer bestimmten Linie am Feuer standen. Afal genau im Osten und der König gegenüber im Westen – jeweils exakt an den Stellen, wo am Morgen die Sonne aufgegangen und gerade eben untergegangen war.

Als alle Erwachsenen mit erwartungsvollen Mienen um den brennenden Wall standen, hob Afal sein Horn.

„Entsprungen euren Lenden, bitten wir euch laut: Kommt zu uns, ihr allmächtigen Götter!“, rief er feierlich und goss einen Schluck Met ins Feuer, dass es zischte.

Auf der anderen Seite hob König Gort sein Horn.

„Vereint seit Anbeginn der Zeit, erwarten wir euch sehnsüchtig. Kommt zu uns, ihr allmächtigen Götter!“

Auch er schüttete Met ins Feuer, und eine neue Dampfwolke quoll zischend empor und stieg zu den Göttern auf.

Nun traten alle Männer von der Westseite vor und gaben aus ihren Hörnern einen Schluck ab, dann waren die Frauen an der Reihe. Der Met schwappte von allen Seiten in die Flammen, es zischte und qualmte unablässig, bis endlich das Feuer die Oberhand bekam.

Als es wieder richtig hoch loderte, streckten alle ihre Hörner gen Himmel, riefen im Einklang: „Erhört unsere Bitte! Kommt zu uns, ihr allmächtigen Götter!“ und tranken.

Plötzlich flammte das Feuer grün auf und goldene Funken stoben hinauf in den Abendhimmel.

Der Rauch hatte jetzt seltsamerweise einen metallischen Geruch.

Loranthus schnupperte und schnupperte. Er wollte unbedingt wissen, nach was es roch, doch er kam einfach nicht drauf. In seine Überlegungen hinein hörte er ein Prasseln, oder eher ein Dröhnen, das in seinen Kopf eindrang, auf seine Brust drückte und sein Herz zum Rasen brachte. Es waren Töne, die er fühlen konnte. Sie beeinflussten seinen Körper und seinen Geist.

Einen Augenblick dachte er, alle Kräuterfrauen des Clans würden hinter ihm gemeinsam die Trommeln schlagen, schneller und schneller. Doch er konnte sich nicht umdrehen; das Dröhnen kam auch von vorne, aus dem Opferwall, wurde immer lauter und greifbarer; sogar die flirrende Luft um das Feuer vibrierte, bis sie plötzlich in einem Gestöber aus Myriaden goldener, grüner, blauer und roter Funken zerbarst.

Ehrfürchtig starrte Loranthus gen Himmel, reckte seine Hände, schrie und staunte mit offenem Mund, genau wie alle anderen um ihn herum. Ein tausendfacher Sternenregen sank schillernd auf die Erde hernieder, ein paar Funken schwebten in seine dargebotenen Hände. Es tat nicht weh, es fühlte sich gut an, so warm, so …

Loranthus wollte sich bei Silvanus erkundigen, ob er es auch so interessant fand, drehte sich also um, riss die Augen auf und schrie noch einmal.

Die Götter waren da.

Sie hoben die Hand zum Gruß und kamen auf ihn zu. Allen voran schritt Apollo, umgeben von einer riesigen, schillernden Aura aus Gold. Er hielt Artemis an der Hand, deren silberne Haare ihr gütiges Gesicht umrahmten und weich wallend ihren schlanken Hals umspielten. Dahinter ging Zeus mit langen nussbraunen Haaren und drückte Hera an seine enorm muskulöse Brust. Besitzergreifend schob er seine kräftigen Hände in ihre üppigen kupferroten Locken, und Thera, die alte Göttermutter, tätschelte ihnen die strahlenden Gesichter.

Loranthus kniff die Augen zu, riss sie erneut weit auf − sie lachten ihn an! Die Götter lachten ihn an, und sie waren zum Greifen nahe! Demeter, Eos, Poseidon, Persephone, Hades, Iris, Hephaistos … Fassungslos starrte er in die Runde, lachte, jauchzte, schüttelte Zeus die Hände, Hera … Sie legte einen Finger auf die Lippen, damit er innehielt und hinhörte, denn es flötete, schellte, rasselte, klopfte, röhrte und heulte schrill oder kehlig …

Er wirbelte herum.

Hinter ihm wiegten sich grauhaarige Musen neben dürren Satyren und spielten eine wundersame Melodie. Einen Lidschlag lang beäugte er die Schellen an ihren Armen und Beinen, die verschiedenen Flöten, Trommeln, Kinnaren, Klanghölzer … und dachte, dass diese verwelkten Kinder der Götter zu alt zum Tanzen sein mussten und deshalb musizierten, sehr gut sogar.

Die Musik fuhr ihm in alle Glieder, riss ihn mit.

Sein Herz wummerte im Takt der Schläge, seine Füße hoben sich von ganz allein und stampften synchron, seine Fingerspitzen zuckten zu jedem Schellenschlag und seiner Kehle entsprangen Laute, die er noch nie gehört hatte. Wie ein lauter Rufer antwortete er den göttlichen Tönen. Seine Beine, Arme, Hände, Hüften … ja, sein ganzer Körper bewegte sich ohne sein Zutun und wurde zum Abbild der Klänge.

Auch die Götter lachten, jauchzten und tanzten um ihm herum.

Sie gebärdeten sich wie toll: zuckten, hüpften, drehten, wiegten, beugten, verrenkten sich und schwangen dabei wild ihre Haare. Ihn überkam der Gedanke, dass alle Götter des Olymps und sämtliche Nymphen gekommen sein mussten, um ihren Schützling so weit weg von Kreta zu besuchen, also schob er sich durch die Menge, schwankte von einem zum anderen und dankte ihnen für ihre Gunst.

Sie waren erfreut ihn zu sehen, verneigten sich ebenfalls, umarmten ihn, küssten ihn, besonders Iris, die Götterbotin. Sie hatte den anderen bestimmt erzählt, wo sie ihn finden konnten.

Plötzlich schritt Cernunnos mit graziöser Anmut auf ihn zu und wiegte sein majestätisches Hirschhaupt.

Loranthus verneigte sich tief und fragte, ob er sein Geweih berühren und die Enden zählen dürfe. Doch er schaffte es nur bis zu zwei Dutzend und Cernunnos stolzierte weiter, um Esus, Epona, Hall und Ogmios zu begrüßen.

Loranthus sah, wie sie sich gegenseitig voreinander verneigten und lachten, berührten und miteinander bewegten … Epona kam zurück und zog ihn mit sich … Esus drückte ihn fest an sich und zerquetschte ihm fast die Rippen … doch es tat nicht weh, nein, er gab ihm etwas von seiner Kraft ab und da fühlte Loranthus sich so stark … so wild, so unbesiegbar. Er war die pure Energie … er musste tanzen, tanzen und die Götter wollten das auch …

Sie waren so in Verzückung, dass sie genießerisch die Augen schlossen, also tat er es ihnen gleich.

Ja, das war wirklich etwas ganz Besonderes, nun fühlte er die Klänge der Musik sogar auf seiner Haut, auf seiner Zunge, überall … so intensiv.

Die Götter berührten ihn, raunten ihm zu. Sie kannten all seine Fragen, Probleme, Ängste, Sorgen … trösteten ihn, versprachen Schutz, Hilfe für alle Zeit … Sie waren so freundlich, so einfühlsam, so …

Eine Göttin ließ ihre weichen Hände über seinen Rücken gleiten und schmiegte sich von hinten an ihn. Als er sich umdrehte und sie anlächelte, warf sie ihre langen roten Haare über seinen Kopf und drückte ihn zwischen ihre herrlich duftenden Kleider. Ein junger Gott mit Wolfskopf schob aber seine Hände zwischen ihre Leiber. Mit der einen Hand drückte er Loranthus weg, mit der anderen strich er über ihre Schenkel. Die Göttin ließ Loranthus los und schmiegte sich an den Wolfsmann.

Der war nur wenig größer als er! Loranthus wollte sie zurückerobern, doch in diesem Moment presste sich eine schwarzhaarige Göttin seitlich an seinen Rock. Eine Hand ließ sie über seine behaarte Brust wandern und die andere schob sie in sein Gewand.

Loranthus wurde es so warm wie an einem heißen Sommertag in seiner Heimat. Er wandte sich ihr zu, riss sie fest an sich, damit ihm keiner dazwischen kommen konnte, sie lächelte verheißungsvoll, ihre Zunge glitt sanft über seine Lippen, ihre Fingernägel strichen an seinem Bauchnabel entlang.

Da erblickte er eine wunderschöne Göttin mit feinen langen Haaren, so zart und hell wie Mondlicht. Sie lag schlafend unter einem weißen Fell und ihr anmutiges Gesicht war so liebreizend, so herrlich anzuschauen … das konnte nur Aphrodite sein. Er betrachtete sie verlangend, streckte eine Hand nach ihren sanft geschwungenen Lippen aus, doch nein – er wollte ihren göttlichen Schlummer nicht stören. Also folgte er der schwarzhaarigen Göttin.

Hand in Hand rannten sie über die Wiese, da kam ihnen eine üppig gebaute Göttin entgegen, breitete ihre Arme aus und lachte so klangvoll wie Glöckchenklingeln. Sie berührte seine freie Hand mit ihrem heißen Mund und bat ihn um Kühlung. Er half ihr gerne, die schrecklichen Qualen zu lindern und fühlte selbst Hitze in sich aufsteigen. Die schwarzhaarige Göttin erbot sich, ihn abzukühlen und saugte das Feuer von ihm ab, doch dann stand sie selbst in Flammen und Loranthus benetzte ihren zuckenden Leib, um die Flammen zu löschen.

Die Schwarzhaarige erhob sich lächelnd, ließ ihre Zunge wieder über seine Lippen gleiten und hauchte einen Dank in sein Ohr, dann liefen die beiden Göttinnen Hand in Hand davon. Loranthus lehnte sich zufrieden zurück, kraulte seine dichte Brustbehaarung und schaute ihnen selbstgefällig nach, da sah er mehrere Göttinnen über die Wiese schreiten. Er sprang auf und rannte auf sie zu, weil er die Vorderste erkannt hatte.

„Athene! Wo willst du hin? Komm zu mir!“

Athene lächelte ihn freundlich an und drückte ihm die Faust gegen die Brust.

„Loranthus, Zeus hat mir eine wichtige Aufgabe anvertraut. Ich muss mich ihrer würdig erweisen.“

Loranthus fiel nieder, beugte sein Haupt und umschlang ihre Knie. „Oh, Göttin der Weisheit und der Kriegskunst! Aus dem Haupt des Allvaters geborene! Bitte sage mir nur eines: Weißt du, wie es meinem Vater in der Heimat geht? Ist er wohlauf? Ich habe schon Iris gefragt, aber sie hat gesagt, sie hätte ihn noch nicht wieder gesehen.“

Athene sah in weite Ferne, nickte und legte ihre Hand auf seinen Kopf.

„Deinem Vater geht es gut, Loranthus. Er wird dir zu Lugnasad eine Nachricht senden.“

Loranthus jauchzte und küsste ihr vor Freude überschwänglich die Füße. Sein Mund bewegte sich aufwärts, doch er kam nur bis zu Athenes Knöcheln, schon zogen ihre Gespielinnen sie lachend weiter.

Loranthus winkte ihnen strahlend nach und rieb sich dabei die Brust und den Kopf.

Die Stellen, die von Athene berührt worden waren, brannten wie Feuer. Athene war eine mächtige Göttin und bald loderte sein ganzer Körper. Er brauchte Kühlung. Da sah er eine Göttin aus Athenes Gefolge umkehren, eine zweite folgte ihr, eine dritte.

Der mondhelle Pfad

Подняться наверх