Читать книгу Zugtiere in Trägerhosen - Phil Gaimon - Страница 10

Оглавление

KAPITEL 3

Der Rest des Sommers verlief nicht besonders gut für mich und meine Bissell-Mannschaft. Ich bekam hin und wieder ein »viel Glück« oder »gute Arbeit« von Mark Bissell zu hören, aber der Vorstand des Unternehmens hatte die Nase voll vom Radsport-Sponsoring. Bei unserer ersten Teambesprechung bei der Tour de Beauce in Quebec gab Omer Kem bekannt, dass man 500.000 Dollar von einem Co-Sponsor bräuchte, der im nächsten Jahr auf den Trikots neben dem Bissell-Logo prangen würde, ansonsten müsste das Team das Handtuch schmeißen.

»Wie wär’s mit Hoover?«, schlug ich vor. »Oder vielleicht Dyson?« Alle lachten, aber nur kurz. So witzig ist die Aussicht auf die eigene Arbeitslosigkeit dann auch nicht.

Da ich als einziger Fahrer einen Vertrag für die nächste Saison hatte, konnte ich verstehen, dass die Jungs nicht scharf darauf waren, sich für mich den Arsch aufzureißen, aber als das Teamwork eine untergeordnete Rolle zu spielen begann, hatten wir nicht mehr so viel Spaß zusammen wie noch im Frühjahr. Manchen Kollegen stieß es bitter auf, dass ich in die WorldTour aufsteigen würde, und sie sahen mit säuerlicher Miene zu, wie ich mit Fans für Fotos posierte (plötzlich hatte ich Fans). Ich hatte in einem Blog erwähnt, dass ich Kekse mochte, und die Leute backten welche für mich und überreichten sie mir bei den Rennen. Es war bizarr und wundervoll (und natürlich teilte ich mit den anderen), aber ich glaube, sogar Omer war eifersüchtig. Selbst ein gescheiterter Continental-Fahrer, hielt mir unser Sportlicher Leiter eine Standpauke, weil ich vergessen hatte, zur Tour de Beauce in Quebec mein Polohemd mit Teamlogo einzupacken.

»Wenn du in der WorldTour fährst, solltest du darauf achten, niemals dein Polohemd zu vergessen«, ermahnte er mich.

»Was zum Geier weißt du über die WorldTour?«, verkniff ich mir zu fragen.

Ich holte mir in dieser Woche eine Erkältung und diesmal hatte es keine emotionalen Gründe: Von Fieber und einem schlimmen Husten geschwächt, fiel ich an jedem Anstieg zurück und stieg auf der dritten Etappe schließlich aus, gemeinsam mit meinem Teamkollegen Carter Jones, der sich das Hotelzimmer mit mir teilte und sich angesteckt hatte. Zu verlegen, um uns abends beim Büfett blicken zu lassen, borgten wir uns das Teamauto und fuhren zu einem Restaurant, um Poutine zu essen, Quebecs fettige Spezialität aus in Käse und Bratensoße ertränkten Pommes. Omer händigte uns die Autoschlüssel aus, maßregelte uns am nächsten Morgen aber, von ihnen Gebrauch gemacht zu haben. Er sagte, dass Chris Baldwin, einer der Routiniers im Team, sich beschwert habe, wir hätten uns »unprofessionell« verhalten, als wir das »Rennen geschmissen« und »einen draufgemacht« hätten. Omer war bisweilen eine kleine Bazille. Ich hatte ihn damit prahlen hören, dass er seine Fahrer gegeneinander ausspielte, um sie anzustacheln, denn was ein Continental-Team, das vor dem Aus steht, wirklich brauche, sei ein Machiavelli.

Die alten Herren, die mir geraten hatten, meinen Träumen zu folgen, erzählten oft Geschichten über nervende Kollegen und beschissene Chefs, aber die gibt es im Profiradsport auch. Ein mieser Teamkollege kann dir den Tag ruinieren, und es ist der Sportliche Leiter, der bestimmt, wer verpflichtet wird, welche Rennen du fährst und welche Rolle du auf jeder Etappe zu erfüllen hast. Wenn er dich nicht leiden kann, lässt er dich zu Hause, degradiert dich zum Wasserträger oder noch schlimmer: Er schickt dich zu Kriterien.

Die meisten Sportlichen Leiter waren früher selbst Profis, aber es ist erstaunlich, wie schnell sie vergessen, wie es war. Nach Trainingsfahrten und Rennen auf holprigen Straßen tauchte ich meine Hände hinterher immer noch in Eiswasser, weil meine Handgelenke von der Fraktur im März schmerzten, aber nun wurde von mir erwartet, krank Rennen zu fahren, und ich wurde wie ein Schuljunge wegen eines vergessenen Polohemds gemaßregelt. Radprofi zu sein, erinnerte mich an das Computerspiel »Oregon Trail«, mit dem ich als Kind endlose Stunden verbracht hatte und bei dem es um die Pioniere ging, die im 19. Jahrhundert westwärts zogen. In dem Spiel erwarb man Zugtiere wie Ochsen oder Pferde, um die Planwagen zu ziehen. Man konnte sie verkaufen oder tauschen, aber meistens verheizte man sie einfach und kaufte ein neues, wenn sie verendeten. Wir waren so etwas wie Zugtiere in Trägerhosen.

Carter entschuldigte sich bei Omer, aber ich wollte meinen Stolz nicht runterschlucken und hatte nichts zu verlieren, also gab ich meinem Sportlichen Leiter zum ersten Mal Widerworte. Kontra zu geben und für meine Rechte einzutreten, bereitete mir so große Freude, dass ich den Rest des Jahres damit weitermachte und Omer bei jeder sich bietenden Gelegenheit ins Gesicht lachte. Was hätte er schon tun können? Seinen besten Mann nicht starten lassen?

Zugtiere in Trägerhosen

Подняться наверх