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11. Kapitel

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Der Regen ebbte langsam ab und ließ nach einer Weile nach. Dunkle Wolken wechselten sich mit der Sonne ab, und schon bald zeigte sich der Himmel wieder in einem gleißend hellen Licht. Nur die Wasserpfützen und der schlammige Boden erinnerten daran, dass vor einigen Stunden noch die Hölle über dem Land getobt hatte. So verließ das Trio also die Höhle, abwechselnd auf dem Rücken des Schecken sitzend, während einer immer vorweg zu Fuß gehen musste. Letzteres übernahmen allerdings nur Brazos oder Bootsmann Goodnight. Sie waren ja schließlich Gentlemen. Die hübsche Marylee ritt weiter und fand das inzwischen deutlich angenehmer als einen Fußmarsch. Das zog sich bis zur Abenddämmerung hin. Dann erreichten sie die ersten Häuser von Stowell, einer kleinen Stadt mitten im Brasadaland von Texas. Sie lag in einer Talsenke, umsäumt von flachen, buschbewachsenen Hügelketten, durch die sich ein kleiner Fluss schlängelte.

Stowell war eine Stadt, in der zu jener Stunde kaum etwas los zu sein schien. Nur wenige Passanten hielten sich rechts und links der Gehsteige auf, ein paar Müßiggänger lungerten herum, starrten gelangweilt zu den Ankömmlingen herüber.

Völlig verdreckt kamen sie an, erschöpft, hungrig und höllisch durstig. Aber zu Brazos‘ Erstaunen hatte sich Marylee du Mauret prächtig gehalten. Als sie über die staubige Main Street zogen, blickte Brazos zu ihr auf, und sie lächelte ihm tapfer entgegen. Nichts, aber auch gar nichts erinnerte noch an die verwöhnte, arrogante Lady, die sie einst gewesen war. Sie hatte sich innerhalb rasant kurzer Zeit gewandelt, wie sich ein Mensch nur wandeln konnte. Trotzdem blieb sie für Brazos McCord immer noch ein Buch mit sieben Siegeln.

Goodnight wies mit ausgestreckten Arm schräg nach rechts. »Da drüben ist ein Saloon. Wenn ich den jetzt nicht ansteure, breche ich mitten auf der Straße zusammen und bin verdurstet. Wenn ihr beiden also nichts dagegen habt, werde ich jetzt dort hineingehen und mir ein mächtiges Bier bestellen. Nachdem Sie Miss du Mauret in einem Hotel untergebracht haben, könnten Sie ja dazu kommen, McCord. Was meinen Sie? Prächtige Idee, oder?«

Der Bootsmann machte wahrhaftig den mitleiderregenden Eindruck eines Halbverdurstenden, und Brazos bezweifelte, ob ein großes Glas Bier ausreichen würde, um Goodnights Durst zu stillen. Ein ganzer Eimer schien ihm eher angebracht.

»Wenn Sie sich an Bier halten, spricht nichts dagegen, Goodnight. Aber ich habe noch einen Job und keine Zeit für ein Besäufnis.«

»Aye, aye!«, kam es von Goodnights Lippen und der hünenhafte Kerl drehte eiligst bei.

Brazos blickte ihm kopfschüttelnd nach, bis er durch die Schwingtüren im Saloon verschwunden war. Er trat an den Schecken heran und sah zu Marylee auf. »Dich bringe ich jetzt in ein Hotel. Dann kannst du dich in Ruhe frisch machen und zu Abend essen.«

Sie nickte ihm zu. Aber etwas in ihrem Augenausdruck sagte ihm, dass sie nicht sehr glücklich über seinen Vorschlag war.

***

Es war gewiss alles andere als ein Nobelhotel, in dem Brazos McCord Marylee du Mauret einquartierte. Sie hatte in den letzten Stunden zu spüren bekommen, was es heißt, auf Luxus verzichten zu müssen. Luxus, der in ihrem bisherigen Leben eine wichtige, ja, fast die einzige Rolle gespielt hatte. An der Tür zu ihrem Zimmer blieb sie stehen, sah zu Brazos McCord auf.

»Wirst du wiederkommen?«, flüsterte sie.

Brazos versuchte, in ihren Augen zu lesen, dann nickte er. Seltsame Frage, wie er fand und doch nickte er.

»Wenn du die Banditen suchst, kann ich dann nicht mit dir reiten? Brazos, ich könnte doch …«

»Nicht mal im Ansatz«, unterbrach Brazos sie.

Er wollte sich abwenden, aber sie legte ihre Hand auf seine Schulter und zog ihn zurück.

»Brazos, es gefällt mir nicht, allein zu sein. Allein in einer Stadt, die mir so fremd und unbekannt ist. Ich bin es gewohnt, dass viele Menschen um mich herum sind. Ich brauche das. Versteh mich. Aber ich …«

Brazos McCord verspürte jetzt keine Lust auf lange Debatten. Er wollte nach Brashear City. So schnell wie möglich. Je mehr Zeit verstrich, desto größer war die Chance, dass Cole Ketchum und diese Verbrecherbande irgendwo untertauchen könnte. Der Gedanke daran behagte ihm nicht. Nun, Marshal Hardesty würde reden, das stand für ihn fest. Und das sollte so schnell wie möglich passieren.

»Hör zu. Ich werde wiederkommen. Versprochen. Und ich werde deine Freunde mitbringen. Auch das ist versprochen. Aber jetzt will ich gehen. Also lass mich gehen, Marylee!«

Marylee wollte nicht, versuchte es auf anderen Wegen. Ein Ausdruck legte sich in ihre Augen, sündig wie die Nacht. Mit der Zungenspitze fuhr sie sich vielsagend über die Lippen, und ihre Hand strich an seiner Brust entlang nach unten. Doch diesmal funktionierte es nicht.

Brazos McCord atmete tief ein und wieder aus. Er ergriff ihre Hand, schob sie sanft beiseite. Ein zaghaftes Lächeln zog sich über seine Lippen. »Nicht jetzt, Lady. Das heben wir uns für später auf. Okay?«

Sie senkte enttäuscht den Kopf. Seine Rechte umfasste ihr Kinn, hob es sanft empor. Er küsste er Marylees Nasenspitze, wandte sich abrupt ab und ging eiligen Schrittes über den dämmrigen Korridor zur Treppe. Dort angekommen, drehte er sich noch einmal zu ihr um. Marylee stand immer noch vor der Tür. Er konnte ihr Gesicht nicht genau erkennen. Es lag im Schatten verborgen. Aber er war froh darüber. Denn er ahnte, dass Tränen in ihren Augen standen. So hob er noch einmal die Hand zum Abschied und schritt eilig die Treppe nach unten.

Noch als seine Schritte unten in der Halle verklungen waren, stand Marylee an der Tür. Ja, sie kämpfte mit den Tränen und dachte dabei: Was hätte ich jetzt dafür gegeben, ihn bei mir zu haben, ja, ihn zu spüren! Warum habe ich nur vorher nicht erkannt, was für ein Mann er ist! Oh, Marylee du Mauret, du verwöhnte, versnobte Göre! Was war nur los mit dir, in all diesen nutzlosen Jahren voller Luxus und Oberflächlichkeiten! Oh, ich bete zu Gott, dass du wiederkommen mögest, Brazos McCord! Und mit dir all meine Freundinnen und Freunde. Ja, dafür bete und hoffe ich. Lass mich nicht allein …

Erst nach diesen Gedanken drehte sie sich um, öffnete die Tür und trat ins dunkle Zimmer. Es roch muffig und ungelüftet. Aber das war ihr in diesem Augenblick völlig einerlei.

***

»Das Marshal-Büro, Mister?« Der Mann, den Brazos McCord auf dem Gehsteig angesprochen hatte, blickte ihn etwas mitleidig an. »Fremder, gehen Sie die Hauptstraße runter und dann auf der rechten Seite. Aber da werden Sie heute um die Uhrzeit nichts mehr werden. Marshal Emmerson Dodd sitzt jetzt gewiss im Half Pine bei seinem vierten oder fünften Whiskey. Wenn Sie Glück haben, treffen Sie ihn dort noch halbwegs nüchtern an. Aber die Wahrscheinlichkeit ist gering.«

So, wie dieser Mann das sagte und dabei abfällig grinste, wusste Brazos ganz schnell über den Marshal Bescheid. Brazos bedankte sich und der Mann verschwand.

Zum Teufel mit einem Mann, der sich betrinkt, statt sich um seinen Job zu kümmern, dachte er grimmig. Dann erregte plötzlich etwas ganz anderes seine Aufmerksamkeit.

Ein Wagen kam über die Straße gerollt. Ein schwerer Planwagen, denn die Räder gruben tiefe Furchen in den Boden. Er wurde von einigen Reitern rechts und links flankiert, die ein beachtliches Arsenal an Waffen mit sich führten. Das fiel Brazos sofort auf. Der matte Schein der Straßenlaternen reichte für ihn zunächst nicht aus, ihre Gesichter zu erkennen.

Aber etwas warnte ihn, er zog sich instinktiv in die dunkle Nische zwischen dem Hotel und dem angrenzenden Gebäude zurück. Kaum ein paar Sekunden später wusste er Bescheid und staunte nicht schlecht. Denn jetzt gelang es ihm, einen kurzen Blick in das Gesicht des vorderen, rechten Mannes zu erhaschen. Seine Rechte legte sich instinktiv um den Kolben seines Remingtons, Staunen zog über sein Gesicht.

Cole Ketchum!

Wahrhaftig, kein Zweifel.

Brazos McCords Gedanken jagten sich, während der Trupp an ihm vorbei über die Main Street zog. War es nun purer Zufall, dass dieser Bandit nach Stowell kam? Ausgerechnet jetzt, zu dieser Stunde? Oder war es eine Bestimmung?

Brazos McCord hätte mit allem gerechnet. Nur nicht damit, Cole Ketchum hier über die Main Street vorbeireiten zu sehen. Zudem noch mit einigen Männern und einem schwerbeladenen Wagen.

Oh, er brauchte kein Hellseher zu sein, um zu wissen, was sich in diesem Wagen befand.

Brazos löste sich vorsichtig aus dem Schlagschatten, trat auf den Gehsteig und blickte dem Trupp hinterher. Vor dem Saloon verhielten die Reiter ihre Pferde und brachten auch den schweren Wagen zum Stehen.

Zum Teufel, was hatten diese Banditen vor? Ausgerechnet in so einem Nest wie Stowell?

Nun, es war müßig, sich jetzt großartige Gedanken zu machen. Etwas anderes war viel entscheidender. Eric Goodnight hielt sich im Saloon auf. Verdammt, und der Mann trug keine Waffe bei sich.

Lass dir jetzt ganz schnell etwas einfallen, Brazos McCord!, jagte es durch seinen Kopf.

***

Sie schreckten auf wie ängstliche Hühner, als die Plane von hinten aufgerissen und hochgeworfen wurde und sich das brutale Gesicht von Skeeter Blake zeigte, der ihnen übel grinsend entgegensah. Von diesem Burschen kam nichts Gutes. Er war einer, der gern üble Sprüche von sich gab und mit seinen Schießkünsten prahlte. Ein unangenehmer Kerl, wie sie allesamt festgestellt hatten. So, wie der Rest der Banditen auch, in deren Gewalt sie sich seit geraumer Zeit befanden. Sie waren acht Männer aus den besten Kreisen New Bedfords, und zudem vier Frauen, die in Don Miguel Ameches Augen nicht attraktiv genug gewesen waren. Don Miguel Ameche hatte schließlich ganz bestimmte Vorstellungen von seiner Ware. Lizzy Aberdeen, Lydia Sandowall, Sally Wyngardner und die quirlige, pummelige Maureen Atcherton gehörten nicht in die Rubrik Traumfrauen des fettleibigen Kerls, der seinen Lebensunterhalt mit einigen fragwürdigen Bordellen bestritt.

Die Verriegelungen flogen nach oben, und der schwere Wagenkasten polterte nach unten. Dann drang Blakes unsympathische Stimme zu ihnen ins Dunkel des Wageninneren: »So, ihr versnobten Gecks und dämlichen Putas. Hier endet eure Reise. Raus aus dem Wagen. Schön der Reihe nach, einer nach dem anderen. Und ihr wisst; eine falsche Bewegung und es knallt. Vamonos! Pronto! Pronto!«

Zu Blake gesellte sich Cole Ketchum. Der hielt zwei Revolvern in den Händen. Er stellte sich Blake gegenüber, ließ die Hähne nach hinten schnappen, während die Angesprochenen langsam aus dem Wagen krochen. Erst die vier Frauen. Dann die Männer. Ihre Hände zitterten, die blanke Angst lag in ihren Gesichtern, als sie abwechselnd zu Blake und Ketchum starrten. Sie wussten, was ihnen blühte, und sie konnten nichts dagegen tun.

Gar nichts.

Als auch der letzte den Wagen verlassen hatte, warf Blake die Plane herunter, starrte sie der Reihe nach an, sein Grinsen wurde noch hässlicher.

Cole Ketchum rief: »Fein gemacht, ihr blöden Hammel. Und nun geht’s da rein in den Saloon. Schön hintereinander im Gänsemarsch. Und ihr wisst ja. Benehmt euch anständig und macht dem lieben Vetter von Don Ameche keine Schande. Wenn‘s nicht funktioniert, knallt‘s! Comprende? Und nun voran!«

Zögernd setzten sie sich in Bewegung, einer nach dem anderen. Sie hielten ihre Köpfe gesenkt, keiner wagte, auch nur einen Ton von sich zu geben. Ketchum trieb sie mit seinen Colts im Anschlag vor sich her, Richtung Saloon.

Die anderen Männer waren inzwischen aus den Sätteln gestiegen und folgten der Kette und Ketchum hinterher.

***

Brazos McCord hatte sich im Schutz der Dunkelheit näher ans Geschehen herangearbeitet und beobachtete von der gegenüberliegenden Straßenseite aus, wie auch der letzte Mann durch die Schwingtüren glitt, die hinter ihm heftig vor und zurück pendelte.

Was immer auch die Bande auch vorhatte, es waren zu viele, um sie im Alleingang aufs Korn zu nehmen. Zudem bereitete ihm der Gedanke an Bootsmann Eric Goodnight dort drinnen heftige Kopfschmerzen. Der stand gewiss am Tresen, kippte sein Bier und erlebte in diesen Augenblick eine heftige Überraschung. So, wie Brazos McCord wenige Augenblicke zuvor.

Was würde dieser hünenhafte Bootsmann tun? Eine Waffe hatte er nicht dabei.

Viele Möglichkeiten gab es nicht.

Brazos McCord schüttelte grimmig den Kopf. Er blickte zum Wagen, aus dem vorhin die Männer und Frauen gestiegen waren. Längst wusste Brazos McCord, dass es sich nur um einen Teil der damaligen Passagiere handelte, die auf der Kreuzfahrt unterwegs gewesen waren.

Doch darüber machte er sich zunächst weniger Sorgen. Er hatte ganz andere.

Nun, der Wagen stand verlassen da. Im Saloon war es ruhig. Möglich, dass Goodnight die Kerle noch nicht erkannt hatte. Oder umgekehrt. Oder dieser Hüne von Bootsmann hatte sie erkannt, verhielt sich aber vorerst ruhig. Vielleicht die beste Variante.

Wie auch immer!

Brazos McCord entschied sich zum Handeln. Er hatte keine andere Wahl. Mit ein paar langen Sätzen rannte er über die Straße, direkt auf den Planwagen zu. Er schob sich dicht an ihn heran und riss den Remington aus dem Holster. Leises Stimmengemurmel drang aus dem Saloon. Vorsichtig spähte er ins geteilte Fenster. In diesem Augenblick drang Hufschlag an seine Ohren. Ein Reiter preschte in scharfem Galopp über die Main Street, hielt genau in Richtung Saloon.

Ein Nachzügler der verdammten Bande?, dachte er und zog sich hinter dem Wagen zurück. So weit, dass er den Reiter noch sehen konnte.

Wieder staunte er nicht schlecht. Denn auf dem schweißnassen Pferd saß eine Frau, deren schwarzes Haar im Wind des scharfen Ritts nach hinten wehte. Mit einem verzerrten Gesichtsausdruck saß sie im Sattel und verhielt ihr Pferd dann direkt vor dem Saloon.

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