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IV Gebote der Selbstlosigkeit und Ausschließlichkeit 1 Gebot der Selbstlosigkeit: Verbot der vorrangigen Verfolgung eigenwirtschaftlicher Zwecke

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Das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht ist geprägt von den Grundsätzen der Selbstlosigkeit,Ausschließlichkeit und Unmittelbarkeit, welche in §§ 55 bis 57 AO gesetzlich normiert sind.

Das Gebot der Unmittelbarkeit (§ 57 AO) und dessen praktischen Umsetzungsprobleme waren bereits Gegenstand der Erläuterungen unter B.III.4.; das Gebot der Ausschließlichkeit wird unter B.IV.7. erörtert werden. Das Gebot der Selbstlosigkeit ist – in vielfältigen, aber nicht abschließend dargestellten Facetten – Gegenstand der Ausführungen unter B.IV.1. bis 6.

Das Gebot der Selbstlosigkeit, das im Grundsatz in § 55 Abs. 1 Satz 1 AO verankert ist, besagt, dass nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke, z. B. gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke, verfolgt werden dürfen. Die Tätigkeit einer steuerbegünstigten Körperschaft muss hiernach auf nicht-eigenwirtschaftliche Zwecke gerichtet sein.

Bis zu einer Neufassung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung durch das BMF-Schreiben vom 17.01.2012295 prüfte die Finanzverwaltung insoweit, ob eine Körperschaft bei einer Gesamtbetrachtung durch ihre wirtschaftliche Tätigkeit »geprägt« wurde oder durch ihre steuerbegünstigte Tätigkeit.296 Hierbei stellte die Finanzverwaltung insbesondere auf das Verhältnis der Einnahmen aus steuerbegünstigten Tätigkeiten zu den Einnahmen aus nicht-steuerbegünstigten Tätigkeiten sowie teilweise auch auf den jeweiligen Personaleinsatz in den beiden Bereichen ab. Diese » Geprägetheorie« ist grundsätzlich aufgegeben worden, was der Rechtsprechung des BFH entspricht und im Übrigen im Schrifttum einhellig begrüßt wird.297

Ob mit dem Beschluss des BFH vom 04.03.2020 (Az.: I B 57/18) möglicherweise eine »Rückkehr zur Geprägetheorie« verbunden ist, bleibt abzuwarten298. In der Entscheidung hat der BFH ausgeführt, dass die Unterhaltung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs um seiner selbst willen gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO verstößt.299 Ob eine wirtschaftliche Tätigkeit um ihrer selbst willen ausgeübt werde, könne sich nach dem BFH danach richten, wie viel Zeit und Personal im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eingesetzt wird.

In dem Entscheidungsfall hat eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), die mit Bescheid nach § 60a AO als steuerbegünstigte Körperschaft anerkannt war und nach ihrer Satzung Kunst und Kultur fördert, in erheblichem Umfang sog. »Dividendenstripping-Geschäfte« (»Cum-Cum«-Geschäfte) getätigt. Hierbei kaufte die UG kurz vor dem Dividendenstichtag von ausländischen Anteilseignern Aktien an, ließ sich die Dividende unter Vorlage des § 60a-Bescheides ohne Kapitalertragsteuerabzug ausbezahlen300 und verkaufte die Aktien anschließend wieder zurück an die ursprünglichen Anteilseigner.

Die Finanzverwaltung und auch der BFH sahen hierin einen Verstoß gegen die tatsächliche Geschäftsführung (§ 63 AO), da die UG den weit überwiegenden Teil ihrer personellen und sachlichen Ressourcen in die teilweise hochkomplexe Abwicklung der Dividendenstripping-Geschäfte einsetzte, während die Allgemeinheit, so der BFH, mit Ausnahme einer einwöchigen Kunstaustellung keinen Nutzen von den Tätigkeiten der UG gehabt habe. Die tatsächliche Geschäftsführung war daher nicht auf die ausschließliche Verfolgung der satzungsmäßigen gemeinnützigen Zwecke (Förderung von Kunst und Kultur) gerichtet, sodass die Steuerbefreiung zu versagen war.

Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung aus dem vorgenannten Urteil möglicherweise wieder eine Verschärfung des Gebots der Ausschließlichkeit (§ 56) ableiten und zukünftig wieder verstärkt den Zeit- und Personaleinsatz im steuerpflichtigen Bereich prüfen wird. Auszuschließen ist dies wegen der eindeutigen Aussagen des BFH in den Urteilsgründen301 u. E. jedenfalls nicht.

Die Tätigkeit einer steuerbegünstigten Körperschaft darf zudem nicht in erster Linie auf die Mehrung ihres eigenen Vermögens gerichtet sein302, ebenso wenig auf die Verfolgung der wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder oder Gesellschafter.303

Die Formulierung – » gerichtet sein« – des § 55 Abs. 1 Satz 1 AO verdeutlicht, dass steuerbegünstigte Körperschaften ohne Verlust der Steuervergünstigungen durchaus (steuerpflichtige) wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhalten dürfen (jedenfalls soweit hierdurch Mittel generiert werden, die von der steuerbegünstigten Körperschaft für steuerbegünstigte Zwecke – grundsätzlich zeitnah – einzusetzen sind).

Insoweit sind (steuerpflichtige) wirtschaftliche Geschäftsbetriebe zulässig, soweit sie nicht als eigenständige – satzungsmäßige – Zwecke der Körperschaft betrieben werden, sondern nur » anlässlich« der Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke.

Steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe dürfen zudem nicht in der Satzung verankert sein, auch nicht als »Nebenzwecke«304, ebenso wenig die Vermögensverwaltung. Vermögensverwaltende Tätigkeiten unterliegen zwar – anders als die Tätigkeiten im Rahmen steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe – bei steuerbegünstigten Körperschaften gemäß § 64 Abs. 1 AO i. V. m. § 14 Satz 1 AO nicht der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer.

Vor diesem Hintergrund sind steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe bzw. vermögensverwaltende Tätigkeiten im Hinblick auf das Gebot der Selbstlosigkeit unbedenklich – wohl auch dann, wenn sie nachhaltig zu Gewinnen bzw. Überschüssen führen305 – sofern sie nicht in der Satzung als »ausdrückliche« Zwecke der Körperschaft genannt werden.306

Allerdings ist insoweit auch das Gebot der Ausschließlichkeit (§ 56 AO) zu bedenken.307 Dieses besagt, dass eine Körperschaft dann nicht steuerbegünstigt ist, wenn sie neben ihrer steuerbegünstigten Zielsetzung weitere Zwecke verfolgt und diese Zwecke nicht steuerbegünstigt sind.

Im Zusammenhang mit der Vermögensverwaltung und mit steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben – sog. »Nicht-Zweckbetrieben«308 – folgt daraus, dass deren Unterhaltung der Steuerbegünstigung einer Körperschaft entgegensteht, wenn sie in der Gesamtschau zum Selbstzweck wird und in diesem Sinne neben die Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks der Körperschaft tritt.

Die Vermögensverwaltung sowie die Unterhaltung eines Nicht-Zweckbetriebs sind aus der Sicht des Gemeinnützigkeitsrechts nur dann unschädlich, wenn sie um des steuerbegünstigten Zwecks willen erfolgen, indem sie z. B. der Beschaffung von Mitteln zur Erfüllung der steuerbegünstigten Aufgabe dienen.309

Ist die Vermögensverwaltung bzw. der steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetrieb dagegen nicht dem steuerbegünstigten Zweck untergeordnet, sondern ein davon losgelöster Zweck oder gar Hauptzweck der Betätigung der Körperschaft, so scheitert deren Steuerbegünstigung am Gebot der Ausschließlichkeit (§ 56 AO). In einem solchen Fall kann die Betätigung der Körperschaft auch nicht in einen steuerfreien und in einen steuerpflichtigen Teil aufgeteilt werden; vielmehr ist dann die Körperschaft insgesamt als steuerpflichtig zu behandeln.310

Bei steuerbegünstigten Körperschaften, insbesondere bei sog. »Mittelweitergabe-Körperschaften« (i. S. d. § 58 Nr. 1 AO), die sich im Rahmen ihrer tatsächlichen Geschäftsführung an die in ihrer Satzung enthaltene Pflicht zur Verwendung sämtlicher Mittel für die satzungsmäßigen Zwecke halten, ist das Ausschließlichkeitsgebot selbst dann als erfüllt anzusehen, wenn sie sich vollständig aus Mitteln eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs oder aus der Vermögensverwaltung finanzieren.311

Eine Körperschaft, welche steuerliche Begünstigungen wegen der Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke begehrt, hat im Übrigen ggf. nach den allgemeinen Beweislastregeln den Nachweis zu führen, dass sie nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt.312

Für einen Krankenhausträger dürfte sich wegen der überragenden Bedeutung der Einnahmen des eigentlichen Krankenhausbetriebes regelmäßig keine Probleme ergeben, es sei denn, das von ihm betriebene Krankenhaus erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 67 AO für einen Krankenhauszweckbetrieb.

Dann liegt insoweit zwingend ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor, der den Status der Steuerbegünstigung verhindert. Eine andere Zweckbetriebsvorschrift der AO (§§ 65 bis 68) kann nicht – auch nicht hilfsweise – in Anspruch genommen werden, insbesondere nicht die Regelung des § 66 AO für Einrichtungen der Wohlfahrtspflege. Dies ist durch § 66 Abs. 3 Satz 2 AO ausdrücklich ausgeschlossen.

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