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4 Gebot der Selbstlosigkeit: Gebot der zeitnahen Mittelverwendung

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Das Gebot der Selbstlosigkeit beinhaltet auch das Erfordernis, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke zeitnah zu verfolgen.

Der Beachtung der zeitnahen Verwendung aller Mittel für die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke kommt derzeit in der Praxis eine zentrale Bedeutung zu. Der Gesetzgeber hat dies im Rahmen des Ehrenamtsstärkungsgesetzes vom 21.03.2013 durch eine Zusammenfassung der diesbezüglichen Ausführungsregelungen in § 62 AO (»Rücklagen und Vermögensbildung«) zum Ausdruck zu bringen versucht.417 Die Finanzverwaltung weist ihrerseits in ihren Veröffentlichungen hierauf explizit hin.418

Dies ist in § 55 Abs. 1 Nr. 5 EStG ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben. Die Ergänzung des § 55 Abs. 1 AO um die genannte neue Nr. 5 stellte keine Rechtsänderung dar; auch vorher wurde – ohne dass dies in der Abgabenordnung ausdrücklich geregelt war – das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung als Ausprägung des Gebotes der Selbstlosigkeit angesehen, und zwar auf der Grundlage der BFH-Rechtsprechung.419

Eine »zeitnahe Verwendung« in diesem Sinne ist gegeben, wenn die Mittel der steuerbegünstigten Körperschaft spätestens in den auf den Zufluss folgenden zwei Kalender- oder Wirtschaftsjahren für die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden.420 Als »Verwendung« ist auch die Nutzung der Mittel für die Anschaffung oder Herstellung von Vermögensgegenständen, die satzungsmäßigen Zwecken dienen, anzusehen, § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 AO.

Bestimmte Mittel (Vermögenswerte) einer steuerbegünstigten Körperschaft unterliegen ausnahmsweise nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung.

Diese Ausnahme betrifft vor allem das sog. Grundstock- oder Ausstattungsvermögen einer Körperschaft, z. B. das Vermögen, mit welchem eine neu errichtete Stiftung vom Stifter ausgestattet wird, oder das Grund- oder Stammkapital einer (gemeinnützigen) Aktiengesellschaft oder GmbH.421

Nach dem Anwendungserlass des Bundesfinanzministers zum Selbstlosigkeitsgebot422 umfasst diese Ausnahme vom Gebot der zeitnahen Mittelverwendung auch solches Vermögen einer steuerbegünstigten Körperschaft, welches durch Umschichtungen entstanden ist, z. B. durch den Verkauf eines Grundstücks. Nicht zeitnah zu verwenden ist hierbei auch der den Buchwert übersteigende Teil des Veräußerungserlöses, sodass der Veräußerungserlös in voller Höhe auf Dauer dem Kapital der steuerbegünstigten Körperschaft zugeführt werden kann, ohne dass ein Verstoß gegen das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung eintritt.

Weitere Ausnahmen vom Gebot der zeitnahen Mittelverwendung enthält der Katalog des § 62 Abs. 3 AO423, der nach Auffassung der Finanzbehörden eine abschließende Aufzählung darstellt:424

• Zuwendungen von Todes wegen, wenn der Erblasser keine Verwendung für den laufenden Aufwand der Körperschaft vorgeschrieben hat,

• Zuwendungen, bei denen der Zuwendende ausdrücklich erklärt425, dass sie zur Ausstattung der Körperschaft mit Vermögen oder zur Erhöhung des Vermögens bestimmt sind,

• Zuwendungen aufgrund eines Spendenaufrufes der Körperschaft, wenn aus dem Spendenaufruf ersichtlich ist, dass Beträge zur Aufstockung des Vermögens erbeten werden,

• Sachzuwendungen, die ihrer Natur nach zum Vermögen gehören.

Gemäß § 62 Abs. 4 AO darf eine steuerbegünstigte Stiftung – für steuerbegünstigte Krankenhausträger in anderer Rechtsform gilt dies nicht – im Jahr ihrer Errichtung und in den zwei folgenden Kalenderjahren Überschüsse aus der Vermögensverwaltung und die Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben ganz oder teilweise ihrem Vermögen zuführen (sog. »Ansparrücklage «)426. Für sonstige Mittel einer Stiftung, z. B. für Zuwendungen (insbesondere Spenden) und Zuschüsse (der öffentlichen Hand), gilt diese Regelung dagegen nicht.427

Im Hinblick auf das Erfordernis der zeitnahen Mittelverwendung muss jede steuerbegünstigte Körperschaft prüfen, ob bestimmte Vermögenswerte nach Maßgabe der vorstehenden Regelungen ausnahmsweise nicht zeitnah zu verwenden sind.

Üblicherweise ist der überwiegende Teil der einer steuerbegünstigten Körperschaft zufließenden Mittel – hierzu zählen Mitgliedsbeiträge, Spenden, Zuschüsse, Gewinne aus Zweckbetrieben, Überschüsse aus Vermögensverwaltung, Gewinne aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben – zeitnah zu verwenden.

Die Erfüllung dieses Gebotes ist von der steuerbegünstigten Körperschaft nachzuweisen. Der Anwendungserlass des Bundesfinanzministers zu § 55 AO schreibt hierzu in Nr. 29 in Satz 3 wörtlich vor:

»Soweit Mittel nicht schon im Jahr des Zuflusses für die steuerbegünstigten Zwecke verwendet oder zulässigerweise dem Vermögen zugeführt werden, ist ihre zeitnahe Verwendung nachzuweisen, zweckmäßigerweise durch eine Nebenrechnung (Mittelverwendungsrechnung).«428

In Nr. 1 Satz 1 des Anwendungserlasses zu § 63 AO wird diese Vorgabe ergänzt durch den Hinweis, die Körperschaft habe den Nachweis, dass die tatsächliche Geschäftsführung den notwendigen Erfordernissen entspricht, durch ordnungsmäßige Aufzeichnungen (insbesondere Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben, Tätigkeitsbericht, Vermögensübersicht mit Nachweisen über die Bildung und Entwicklung der Rücklagen) zu führen.

In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass durch das Jahressteuergesetz 2020 in § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO eine weitere Regelung aufgenommen wurde, wonach das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung nicht für Körperschaften gilt, deren jährliche Einnahmen weniger als 45.000,00 Euro betragen, § 55 Abs. 1 Nr. 5 S. 4 AO429. In der Praxis dürfte diese Regelung jedoch in Anbetracht der relativ geringfügigen Betragsgrenze für steuerbegünstigte Krankenhausträger keine größere Rolle spielen.

Im Zusammenhang mit dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung – genauer: im Zusammenhang mit Gestaltungsmaßnahmen zur »Vermeidung« nicht gewünschter zeitnaher Mittelverwendungen – wird häufig in Erwägung gezogen, Gewinne von steuerpflichtigen Tochterkapitalgesellschaften, beispielsweise einer Service-GmbH, nicht im Wege der Ausschüttung an die steuerbegünstigte Körperschaft (als Anteilseigner) weiterzuleiten, also in der Tochtergesellschaft (versteuerte) Rücklagen zu bilden. Dies dürfte prinzipiell zulässig sein. Denn die gewerblich tätige Tochtergesellschaft unterliegt – anders als die steuerbegünstigte Körperschaft – nicht dem gemeinnützigkeitsrechtlichen Gebot der zeitnahen Mittelverwendung.

Zumindest bei einer Mehrheitsbeteiligung – erst recht bei alleiniger Gesellschafterstellung – muss aber bedacht werden, dass bei einer derartigen Gewinnthesaurierung die Finanzverwaltung Anlass dafür sehen wird, die Geschäftsführung (der steuerbegünstigten Körperschaft) hinsichtlich der Einhaltung der Gemeinnützigkeitsanforderungen zu überprüfen430, auch wenn die Tochterkapitalgesellschaft über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt und deshalb ein »Durchgriff« sogar bei einer Alleingesellschafterstellung nicht möglich ist.

Bei erkennbar missbräuchlichen Gewinnthesaurierungen bei der Tochtergesellschaft ist ein Verstoß der steuerbegünstigten Körperschaft jedenfalls nicht generell auszuschließen. Derartige Gewinnthesaurierungen müssen durch wirtschaftliche Umstände bei der Tochtergesellschaft begründet sein, um nicht als »missbräuchlich« qualifiziert zu werden.431

Eine im Gesellschaftsvertrag der Tochter-GmbH festgelegte generelle Gewinnthesaurierung – und damit letztlich ein gesellschaftsvertraglich festgelegtes Gewinnausschüttungsverbot (an den steuerbegünstigten Gesellschafter) – dürfte jedenfalls gemeinnützigkeitsrechtlich unzulässig sein, wenn die steuerbegünstigte Körperschaft alleinige Gesellschafterin oder Mehrheitsgesellschafterin ist.432

Eine gesellschaftsvertraglich festgelegte Gewinnthesaurierung auf Ebene der steuerpflichtigen Tochter-GmbH wäre demgegenüber wohl gemeinnützigkeitsrechtlich noch unschädlich, wenn die steuerbegünstigte Körperschaft nur Minderheitsgesellschafterin ist und die GmbH-Anteile im Übrigen von fremden Dritten gehalten werden.433

Nicht eindeutig geklärt ist bisher die Frage, ob liquide Mittel, die eine steuerbegünstigte Körperschaft von einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft nach deren Auflösung als satzungsmäßig vorgesehene Vermögensempfängerin erhalten hat, dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung unterliegen.

Diese Frage wird im Schrifttum mit dem Hinweis darauf bejaht, dass diese Mittel erst bis zum Ende des auf das Zuflussjahr folgenden übernächsten Jahres verausgabt werden müssen und deshalb ausreichend Zeit zur ordnungsgemäßen Mittelverwendung verfügbar sei. Außerdem müsste im Einzelfall die Gewährung einer längeren Frist (entsprechend der Regelung des § 63 Abs. 4 AO) zulässig sein.434

Aktuelle Besteuerungsfragen für Krankenhäuser und Krankenhausträger

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