Читать книгу Aktuelle Besteuerungsfragen für Krankenhäuser und Krankenhausträger - Ralf Klaßmann - Страница 28

5 Gebot der Selbstlosigkeit: Erfordernis der Erstellung einer Mittelverwendungsrechnung

Оглавление

Die Mittelverwendungsrechnung als Nachweis der Erfüllung des Gebotes der zeitnahen Mittelverwendung wird in der Abgabenordnung selbst ausdrücklich nicht gefordert. Die Finanzverwaltung schreibt die Erstellung einer solchen Mittelverwendungsrechnung aber von jeder steuerbegünstigten Körperschaft seit langem vor.435

Es ist angesichts dieser Regelung zu empfehlen, (künftig) zu jedem Bilanzstichtag eine Mittelverwendungsrechnung – wohl in der Form einer steuerlichen Nebenrechnung zum handelsrechtlichen, nach den Regeln der KHBV und des HGB aufgestellten Jahresabschluss436 – zu erstellen, um sie (auf Anforderung) dem zuständigen Finanzamt zum Nachweis der zeitnahen Mittelverwendung vorzulegen bzw. vorlegen zu können. Darüber hinaus wird empfohlen, in einer erläuternden Anlage oder als weitere Untergliederung die Zusammensetzung der Rücklagen aus steuerlicher Sicht aufzuzeigen.

Problematisch und mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden ist die Erstellung der Mittelverwendungsrechnung erfahrungsgemäß bei der erstmaligen Erarbeitung, und zwar im Hinblick auf die »Technik« ihrer Ableitung aus dem vorhandenen (handelsrechtlichen) Rechenwerk. Ist diese »technische« Hürde überwunden, kann zu späteren Stichtagen die Mittelverwendungsrechnung mit überschaubarem Zeitaufwand fortgeschrieben werden.

Dem Grunde nach stellt die Mittelverwendungsrechnung eine Mittelzu- und Mittelabflussrechnung dar. Sie beruht auf dem Zu- und Abflussprinzip.437 Die Überleitung der Bilanz bzw. der Vermögensaufstellung einer steuerbegünstigten Körperschaft in eine (gemeinnützigkeitsrechtliche) Mittelverwendungsrechnung ist schwierig, weil in der Bilanz nicht, jedenfalls nicht vollständig, erkennbar ist, welche Mittel (Vermögenswerte) bereits für satzungsmäßige Zwecke verwendet worden sind und welche nicht.

Bei einer erstmaligen Erstellung einer Mittelverwendungsrechnung z. B. im Jahre 2021 zum Stichtag 31.12.2020 kann eine Betrachtung des Vorjahres – 2019 – notwendig sein, beispielsweise um feststellen zu können, ob ein zum 31.12.2019 bestehender »Verwendungsrückstand« entsprechend der Bestimmung des § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO im Jahre 2020 »aufgeholt« worden ist. Möglicherweise ist eine zeitlich noch weiter zurückgehende Betrachtung erforderlich.

Eine solche rückgerichtete Betrachtung kann u. E. höchstens innerhalb der Aufbewahrungsfristen für Jahresabschlüsse gefordert werden. Eine Aufbewahrungspflicht besteht nach der Abgabenordnung nur für maximal zehn Jahre.438 Im Jahre 2021 könnte also eine »Rückrechnung« höchstens bis einschließlich 2010 gefordert werden, sofern der Jahresabschluss zum 31.12.2010 im Jahre 2011 erstellt worden ist. Auf der Basis des Jahresabschlusses zum 31.12.2010 müsste die Mittelverwendungsrechnung bis zum 31.12.2020 fortgeschrieben werden.

In vielen Fällen dürfte eine solche Rückrechnung aber entbehrlich sein, nämlich dann, wenn erkennbar keine »Verwendungsrückstände« aus Vorjahren zu berücksichtigen sind. Es kann dann stichtagsbezogen eine Mittelverwendungsrechnung erarbeitet werden.

Praktische Hilfestellung zur Ausgestaltung einer Mittelverwendungsrechnung gibt der Anwendungserlass des Bundesfinanzministers zur Abgabenordnung im Übrigen nicht. Üblicherweise wird seitens der Vertreter der Finanzverwaltung auf die insoweit grundlegende Darstellung von Thiel in der Zeitschrift »Der Betrieb« aus dem Jahre 1992 verwiesen.439

Diese Veröffentlichung fasst die grundlegenden Überlegungen im Zusammenhang mit einer Mittelverwendungsrechnung zusammen. Sie enthält auch einzelne Aspekte, die bei der »technischen« Darstellung der Mittelverwendung zu beachten sind. Sie hat sich für eine praktische Umsetzung allerdings vielfach als (zu) kompliziert erwiesen.

Für die Praxis wird ein praktikables und einfaches Modell benötigt, das ganz allgemein für die Ableitung der Mittelverwendungsrechnung aus dem handelsrechtlichen Jahresabschluss durch Krankenhausverwaltungen (oder ihre steuerlichen Berater) genutzt werden könnte. Einen Vorschlag hierzu enthält die Veröffentlichung von Buchna/Leichinger/Seeger/Brox.440

Für Krankenhausträger, die nach den Regeln der Krankenhausbuchführungsverordnung buchführungspflichtig sind, für die also im Bereich der handelsrechtlichen Rechnungslegung das in § 11 EStG verankerte Zu- und Abflussprinzip keine Rolle spielt, ist ein solcher Vorschlag, der von der Bilanz einer steuerbegünstigten Körperschaft ausgeht, von besonderem Interesse.

Im Rahmen der Mittelverwendungsrechnung ist für sämtliche in einem Kalenderjahr zugeflossenen Mittel eines steuerbegünstigten Krankenhausträgers (z. B. Spenden, Beiträge, Mitglieder- bzw. Gesellschafterumlagen, Zuschüsse, Zulagen, Überschüsse aus Vermögensverwaltung, Gewinne aus Zweckbetrieben, Gewinne aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben) darzustellen, wofür sie verwendet worden sind. Hierbei ist zusätzlich auch ein etwaiger Überhang nicht verwendeter Mittel aus Vorjahren einzubeziehen. Letzteres wiederum hat zur Konsequenz, dass eine Mittelverwendungsrechnung nicht willkürlich zu irgendeinem Bilanzstichtag aufgestellt werden kann, sondern fortlaufend auf der Grundlage der Mittelverwendungsrechnung für das jeweilige Vorjahr fortgeschrieben werden muss.

Möglicherweise hat sich im Vorjahr – wohl ausnahmsweise – ein » Verwendungsüberhang« ergeben, der konsequenterweise durch Kreditaufnahme finanziert worden ist. Auch ein solcher »Verwendungsüberhang« müsste im Rahmen der Mittelverwendungsrechnung berücksichtigt werden.

Im Übrigen ist bei der Aufstellung der Mittelverwendungsrechnung zu berücksichtigen, dass bestimmte zugeflossene Mittel (ausnahmsweise) nicht zeitnah zu verwenden sind. Hierauf ist im Einzelnen im vorangegangenen Kapitel (unter B.IV.4.) eingegangen worden. Diese nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung unterliegenden Mittel sind im Rahmen der Mittelverwendungsrechnung vorab herauszurechnen.

Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass zum Jahresende »Mittel« in nicht unerheblicher Höhe noch verfügbar sind. Sofern diese Mittel im folgenden Kalenderjahr verausgabt werden, ist das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung, wie dargestellt, erfüllt. Ob es zu einer solchen (zeitnahen) Mittelverwendung im Folgejahr kommt, kann im Zeitpunkt der Erstellung der Mittelverwendungsrechnung möglicherweise aber noch nicht exakt festgestellt und/oder dargelegt werden. In jedem Fall kann aber angegeben werden, ob und ggf. in welcher Höhe Mittel für konkrete Vorhaben zurückgelegt werden können oder sollen.

Das Zurückbehalten von Mitteln ist in § 62 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4 AO441 unter bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich für zulässig erklärt worden. Der Gesetzgeber spricht insoweit von der Zulässigkeit von Rücklagenbildungen, mit denen »Vermögensbildung« betrieben werden kann.442 Hierbei ist zu beachten, dass der im Gemeinnützigkeitsrecht genutzte Begriff der Rücklagen mit dem Rücklagenbegriff des Handelsrechts inhaltlich nicht übereinstimmt. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass im Handelsrecht Gewinnrücklagen nur dann dotiert werden können, wenn die entsprechenden Gewinne (»Mittel«) auch vorhanden sind.443 Bei den gemeinnützigkeitsrechtlichen Rücklagen ist dies, wie nachfolgend noch darzulegen ist, anders.

Daneben eröffnet § 62 Abs. 3 AO bestimmte, bereits angesprochene Möglichkeiten für zulässige »Mittelzuführungen« von außen.

Im Rahmen der Mittelverwendungsrechnung ist vorab festzustellen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe (steuerliche) Rücklagen gebildet werden sollen oder können. In Höhe dieser Rücklagendotierungen ist das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung – entsprechend den bereits angesprochenen Ausnahmen vom Gebot der zeitnahen Mittelverwendung – durchbrochen.

Rücklagen sind zunächst zulässig im Rahmen steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe444, und zwar durch Zuführung des Gewinns.445 Diese müssen allerdings »bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet sein«.446 Es muss ein konkreter Anlass gegeben sein, der auch aus objektiver unternehmerischer Sicht die Bildung einer Rücklage rechtfertigt, z. B. eine geplante Kapazitätsausweitung.447 Die Rücklage kann im Übrigen nur aus den versteuerten Gewinnen aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben gebildet werden448, denn es geht hier nicht um Rückstellungen im handelsrechtlichen Sinne, die ergebniswirksam gebildet werden. Soweit im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb Rückstellungen gemäß § 249 Abs. 1 HGB bzw. entsprechend den einkommensteuerlichen Regelungen449 gebildet werden dürfen, sind diese deshalb prinzipiell den Rücklagen vorzuziehen. Derartige Rückstellungen spielen im Rahmen der Mittelverwendungsrechnung aber keine Rolle. Denn bei dieser Rechnung geht es um die Mittelverwendung, nicht um die (vorgelagerte) Mittelerzielung.

Auch im Bereich der Vermögensverwaltung dürfen Rücklagen gebildet werden, allerdings – außerhalb der nachfolgend zu diskutierenden sog. freien Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO450 – nur für die Durchführung konkreter Reparatur- und Erhaltungsmaßnahmen an Vermögensgegenständen i. S. d. § 21 EStG451, also an Vermietungs- bzw. Verpachtungsobjekten im Immobilienbereich. Die Maßnahmen, für deren Durchführung die Rücklage gebildet wird, müssen notwendig sein, um den ordnungsmäßigen Zustand des Vermögensgegenstandes zu erhalten oder wiederherzustellen (z. B. die geplante Erneuerung eines undichten Daches), und sie müssen in einem angemessenen Zeitraum durchgeführt werden können.452

Nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO darf ein steuerbegünstigter Krankenhausträger »höchstens ein Drittel des Überschusses aus der Vermögensverwaltung« einer sog. freien Rücklage zuführen.

Die Möglichkeit der Bildung derartiger sog. »freien Rücklagen« braucht nach dem Gesetzeswortlaut nicht in die Satzung der steuerbegünstigten Körperschaft aufgenommen zu werden. Satzungsregelungen mit dem Inhalt, freie Rücklagen gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO dotieren zu können, sind also grundsätzlich entbehrlich.453

Im Bereich der Rücklagenbildung nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO ist die Beurteilung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft entweder als Vermögensverwaltung

oder als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Zweckbetrieb hinsichtlich der Rücklagendotierungsmöglichkeiten von besonderer Bedeutung. Je nachdem, ob insoweit Vermögensverwaltung vorliegt oder ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, sind unterschiedlich hohe Rücklagendotierungen (ein Drittel oder nur 10 %) möglich.

Zu den Überschüssen aus der Vermögensverwaltung rechnen grundsätzlich auch die Überschüsse, die bei der Veräußerung der Wirtschaftsgüter der Vermögensverwaltung erzielt werden. Im Gegensatz zu den laufenden Überschüssen aus der Vermögensverwaltung gehören die sog. Veräußerungsgewinne jedoch nicht zu den zeitnah zu verwendenden Mitteln i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO. Sie werden deshalb auch nicht in die Bemessungsgrundlage für die Rücklagenbildung i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO – 1. Alternative – einbezogen454, sondern können in vollem Umfang den nicht zeitnah zu verwendenden Mitteln zugeordnet werden.

Seit dem 01.01.2000 können darüber hinaus höchstens 10 % der »sonstigen« – d. h. der nicht in der Vermögensverwaltung angesiedelten455 – nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO zeitnah zu verwendenden Mittel in eine (weitere) freie Rücklage gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO eingestellt werden. Mit dieser (zusätzlichen) Möglichkeit zur Bildung freier Rücklagen wird insbesondere solchen Körperschaften die Gelegenheit geboten, eigentlich zeitnah zu verwendende Mittel anzusparen, die über keine nennenswerten Einkünfte aus Vermögensverwaltung verfügen.456 Außerdem sollten hierdurch offensichtlich auch sog. »Endowments « erleichtert werden, also Weiterleitungen von (eigentlich) zeitnah zu verwendenden Mitteln als Ausstattungskapital an andere steuerbegünstigte Körperschaften.457

Fraglich ist, welche Bemessungsgrundlage bei der Bildung der 10 %-Rücklage anzuwenden ist. Nach Nr. 10 Satz 2 des Anwendungserlasses zu § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO ist zum einen auf die Gewinne aus Zweckbetrieben und aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben abzustellen458 und zum anderen auf die Bruttoeinnahmen des ideellen Bereichs, also z. B. auf die Spenden- und Mitgliedereinnahmen.459 Danach können freie Rücklagen aus dem ideellen Bereich auch dann gebildet werden, wenn der ideelle Bereich mit einer Unterdeckung abgeschlossen hat460, was aber tatsächlich nur ausnahmsweise gegeben sein dürfte, bzw. auch dann, wenn die steuerbegünstigte Körperschaft insgesamt im Veranlagungszeitraum eine Unterdeckung aufweist.461

Sollten verschiedene Zweckbetriebe unterhalten werden, z. B. neben dem Krankenhaus auch noch ein Altenheim oder ein Mahlzeitendienst (»Essen auf Rädern«) oder eine Kurzzeitpflegeeinrichtung, müssen Gewinne und Verluste dieser Zweckbetriebe zunächst saldiert werden. Darüber hinausgehende Verluste mindern die Bemessungsgrundlage der Rücklage nicht.462

Dies gilt entsprechend für Verluste aus dem einheitlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, z. B. aus einer Lieferapotheke und Besuchercafeteria.463 Ein Verlust aus der Vermögensverwaltung mindert die Bemessungsgrundlage für die freie Rücklage in Höhe von 10 % der sonstigen (zeitnah zu verwendenden) Mittel nicht.464

Es handelt sich bei beiden Varianten des § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO um sog. » freie Rücklagen«. Dies bedeutet, dass die Mittel, die in dieser Rücklage (in diesen Rücklagen) zurückgelegt worden sind, auf Dauer – und damit letztlich bis zur Auflösung oder Aufhebung der steuerbegünstigten Körperschaft – nicht für die satzungsmäßigen steuerbegünstigten Zwecke verwendet zu werden brauchen.

Die »Freiheit« dieser Rücklagen gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO hat letztlich drei Facetten:

• Zum einen ist die Gesamthöhe der freien Rücklage unbegrenzt (»Freiheit in der betragsmäßigen Höhe«).465

• Außerdem braucht die Körperschaft während der Dauer ihres Bestehens die freie Rücklage nicht aufzulösen (»Freiheit in der Dauer«).466

• Die angesammelten Mittel unterliegen schließlich nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung und sind (nur) final, d. h. spätestens im Zeitpunkt der Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft bzw. im Zeitpunkt des Wegfalls der steuerbegünstigten Zwecke, für steuerbegünstigte Zwecke zu verwenden (»Freiheit in zumeist langfristiger Nutzungsmöglichkeit auch außerhalb der unmittelbaren Verwendung für Satzungszwecke bis zur Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft«).467

Diese weitreichende »Freiheit« macht die Rücklagen i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO in der Praxis als Finanzierungsinstrument steuerbegünstigter Körperschaften überaus interessant, wenn eine Finanzierung über Eigenmittel gewünscht und eine Verwendung zeitnah zu verwendender Mittel nicht möglich ist. Sie sind damit ein zentrales Instrument der (Steuer-) Bilanzpolitik steuerbegünstigter Körperschaften.468 Dieser Umstand spricht für die dringende Empfehlung, die freien Rücklagen jährlich stets im höchstmöglichen Umfang zu dotieren. Die in »freien Rücklagen« i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO thesaurierten Mittel dürfen auch dem Ausstattungskapital zugeschlagen werden, eben weil ihre Bildung und Beibehaltung zeitlich unbegrenzt zulässig sind.469

Die in freien Rücklagen i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO angesammelten Mittel dürfen auf Dauer Ertrag bringend angelegt werden.470 Eine (endgültige) Verwendung im Sinne eines »Verbrauchs« im »steuerschädlichen Bereich«, z. B. zur Verlustabdeckung im Rahmen eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, ist aber unzulässig.471

Selbstverständlich kann eine solche freie Rücklage jederzeit aufgelöst werden, wenn die steuerbegünstigte Körperschaft dies wünscht bzw. wenn dies aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich ist. Eine Verpflichtung hierzu besteht aber, wie dargestellt, nicht.

Die freie Rücklage aus der Vermögensverwaltung ist zulässig in Höhe von maximal einem Drittel des Überschusses aus der Vermögensverwaltung. Die Bildung der Rücklage hat gemäß § 62 Abs. 2 AO »innerhalb der Frist des § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 AO« zu erfolgen, also (spätestens) in den beiden Kalender- oder Wirtschaftsjahren, die auf das Jahr der Erzielung der für die freie Rücklage maßgeblichen Mittel folgen. Wird der jährliche Höchstbetrag der Mittel, die in die freie Rücklage hätten eingestellt werden können, in einem Jahr nicht ausgeschöpft, können also Mittel in Höhe des nicht ausgeschöpften Betrages zusätzlich in den beiden Folgejahren in die freie Rücklage eingestellt werden.472

Wenn z. B. eine Körperschaft im Jahr 2019 30.000 in die freie Rücklage hätte einstellen können, tatsächlich aber nur 25.000 eingestellt hat, kann sie in den nächsten beiden Jahren zusätzlich zu dem für das jeweilige Jahr zulässigen Betrag nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO noch weitere 5.000 in die freie Rücklage des jeweiligen Jahres einstellen. Die Körperschaft kann diesen Betrag auf beide Jahre aufteilen (2020: 3.000, 2021: 2.000) oder den ganzen Betrag (entweder in 2020 oder in 2021) in die Rücklage einstellen.473

Aus der fristbezogenen Vorschrift des § 62 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 AO ergibt sich im Umkehrschluss, dass eine unterbliebene Entscheidung über die Bildung einer freien Rücklage grundsätzlich nicht nachgeholt werden kann (sog. »Nachholverbot «).474

Die Rücklagenbildung in Höhe bis zu einem Drittel des Überschusses aus Vermögensverwaltung setzt voraus, dass entsprechende Einnahmen erzielt werden.475 Es ist derzeit umstritten, was mit dieser Formulierung gemeint ist. Möglicherweise soll eine Rücklagenbildung voraussetzen, dass die Körperschaft im Zeitpunkt der Rücklagenbildung auch tatsächlich über entsprechende Mittel (im Sinne von Vermögenswerten) verfügt.476 Andererseits steht es steuerbegünstigten Körperschaften frei, satzungsmäßige Ausgaben auf Kredit zu finanzieren, sodass es auch möglich wäre, zu Beginn eines Jahres einen Beschluss über die Bildung einer Rücklage aus den zugeflossenen Mitteln zu fassen und dann »auf Kredit« weitere satzungsmäßige Ausgaben zu tätigen.477

Über die Zuführung von Mitteln zu einer freien Rücklage gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO müssen die entscheidungsbefugten Gremien der steuerbegünstigten Körperschaft478 im Zusammenhang mit der Feststellung der Vermögensaufstellung entscheiden, und zwar jeweils auf den Schluss eines Kalender- oder Wirtschaftsjahres.479 Es kommt dabei stets auf die verfügbaren Mittel zum Jahresende an, auch wenn unterjährig höhere Mittel verfügbar gewesen sein sollten.480

Es ist zu empfehlen, die freien Rücklagen nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO jährlich in der maximal zulässigen Höhe zu dotieren.481 Negative Konsequenzen können sich hieraus nicht ergeben. Über die in den Rücklagen zurückgelegten Mittel kann jederzeit verfügt werden, allerdings nur zur Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke, nicht etwa im Rahmen steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe, z. B. zum Verlustausgleich.

Eine weitere Rücklagenbildungsmöglichkeit i. S. d. steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts bietet § 62 Abs. 1 Nr. 4 AO.

Hiernach darf ein steuerbegünstigter Krankenhausträger Mittel zum Erwerb von Gesellschaftsrechten zur Erhaltung der prozentualen Beteiligung an Kapitalgesellschaften ansammeln. Diese Rücklagenbildungsmöglichkeit spielt für Krankenhäuser bzw. -träger eine eher geringe Rolle. Sollte im Einzelfall eine solche Rücklage gebildet werden, wird hierdurch aber nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift die Höchstgrenze für die Zuführung zu der freien Rücklage gemindert.482

Bei der Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 4 AO handelt es sich um eine zweckgebundene Rücklage, also nicht um eine freie Rücklage wie bei § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO.

§ 62 Abs. 1 Nr. 4 AO ist im Übrigen nicht anwendbar bei einem erstmaligen Erwerb eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft483, ebenso wenig beim Erwerb von Anteilen zur Erhöhung der prozentualen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft.484

Für die Erhöhung der Beteiligungsquote käme aber eine evtl. vorhandene freie Rücklage im Sinne von § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO in Betracht.485

Die Verwendung von Mitteln zum Erwerb bzw. zur Erhaltung der Beteiligungsquote an einer Personengesellschaft ist nicht durch § 62 Abs. 1 Nr. 4 AO gedeckt. Derartige Mittelverwendungen sind prinzipiell unzulässig und werden nicht durch § 62 Abs. 1 Nr. 4 AO »geheilt«.486

Umstritten ist im Schrifttum, ob § 62 Abs. 1 Nr. 4 AO anwendbar ist, wenn eine steuerbegünstigte Körperschaft die Kapitalerhöhung aufgrund der Bedeutung ihrer Beteiligung de facto erzwingen kann. Ist sie z. B. zu mehr als der Hälfte am Kapital der Kapitalgesellschaft beteiligt, könnte sie bei ihrer Beteiligungsgesellschaft eine Kapitalerhöhung veranlassen, um eigene Mittel, die sie nicht zeitnah verwenden kann oder will, auf diese Weise »zu parken«.487 Möglicherweise reicht hierfür sogar schon eine Beteiligung von 25 % aus.488

Eine derartige Zielsetzung für eine Kapitalerhöhung dürfte den Regelungen des § 55 AO zum Gebot der Selbstlosigkeit widersprechen. Für die Kapitalerhöhung bei der Kapitalgesellschaft müssen deshalb in jedem Falle nachprüfbare wirtschaftliche Gründe vorliegen, die bei der Kapitalgesellschaft eine Kapitalerhöhung durch die Gesellschafter letztlich unumgänglich machen. Je höher die Beteiligungsquote der gemeinnützigen Körperschaft ist, umso sorgfältiger wird man prüfen müssen, ob die Kapitalerhöhung bei der Beteiligungsgesellschaft wirtschaftlich sinnvoll ist.489

§ 62 Abs. 1 Nr. 1 AO eröffnet die Möglichkeit der Bildung sog. » zweckgebundener Rücklagen« (sog. »Projektrücklagen «).490 Bei der Bildung einer solchen Rücklage kommt es – anders als bei der freien Rücklage – nicht auf die Herkunft der Mittel an. Der Rücklage dürfen also alle Arten von Mitteln zugeführt werden, z. B. auch Spenden.491

Gemeint sind bei § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO – wie bei § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO – nicht die Rücklagen im handelsrechtlichen und bilanzsteuerlichen Sinne. Vielmehr wird auch durch diese (steuerliche) »Rücklagenbildung« die (gemeinnützigkeitsrechtliche) Möglichkeit der Ansammlung von Mitteln eröffnet. Der hier verwendete Rücklagenbegriff ist rein steuerlicher Natur; er steht prinzipiell in keiner Beziehung zu etwaigen Rücklagen, die gemäß §§ 266 Abs. 3, 272 HGB in der Handelsbilanz zu bilden sind oder gebildet werden dürfen.

Eine solche (gemeinnützigkeitsrechtliche) Rücklagenbildung braucht in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehen zu sein, sie darf allerdings durch die Satzung auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen werden.

Die Rücklagen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO sind zweckgebunden. Dies unterscheidet sie maßgeblich von den freien Rücklagen nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO. Voraussetzung für die Bildung einer Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO ist in jedem Fall, dass ohne die Rücklage die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke nachhaltig nicht erfüllt werden können. Das Bestreben, ganz allgemein die Leistungsfähigkeit der steuerbegünstigten Körperschaft zu erhalten, reicht für eine steuerlich unschädliche Rücklagenbildung nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht aus.492

Im Rahmen einer zweckgebundenen Rücklage nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 AO müssen die Mittel der steuerbegünstigten Körperschaft für bestimmte, die steuerbegünstigten Satzungszwecke verwirklichende Vorhaben angesammelt werden, für deren Durchführung bereits konkrete Zeitvorstellungen bestehen.493 Nach Auffassung der OFD Frankfurt494 sollte ein Zeitraum von sechs Jahren grundsätzlich nicht überschritten werden. Diese zeitliche Restriktion ist abzulehnen; sie führt tendenziell zu einer Abkehr von der Beurteilung des konkreten Einzelfalles.

Besteht noch keine konkrete Zeitvorstellung, ist eine Rücklagenbildung zulässig, wenn die Durchführung des Vorhabens glaubhaft und bei den finanziellen Verhältnissen der steuerbegünstigten Körperschaft in einem angemessenen Zeitraum möglich ist.495 Was als » angemessen« in diesem Sinne angesehen werden kann, ist nicht eindeutig geregelt bzw. geklärt. Im Schrifttum werden Zeiträume von zwischen drei bis fünf Jahren einerseits oder bis zu zehn Jahren andererseits genannt.496 Darüber hinausgehende Zeiträume dürften bei der Finanzverwaltung regelmäßig nicht durchsetzbar sein.

Soweit die Körperschaft mehrere Vorhaben gleichzeitig beabsichtigt, sind nebeneinander mehrere Rücklagen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO zulässig.497 Eine Rücklagenbildung nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO ist ausgeschlossen, wenn bei einer Körperschaft die Überlegungen zur Mittelverwendung schlicht noch nicht abgeschlossen sind, die Rücklagenbildung also rein vorsorglich geschehen soll.498 Die fehlende Entschlusskraft der zuständigen Organe kann kein Grund für eine Rücklagenbildung sein.499

Die » Erforderlichkeit« der Rücklagendotierung ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes500 hinsichtlich des Grundes, der Höhe und des zeitlichen Umfanges nach objektiven Kriterien im konkreten Fall zu prüfen.501

Eine zweckgebundene Rücklage kann möglicherweise nur mit dem abgezinsten Betrag dotiert werden.502 Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung schreibt dies aber nicht ausdrücklich vor; im steuerlichen Schrifttum werden überzeugende Gründe gegen eine Abzinsung formuliert.503 Sollte eine Abzinsung notwendig sein (oder freiwillig vorgenommen werden), müsste der abgezinste Betrag konsequenterweise jährlich entsprechend der Entwicklung des Kapitalmarktzinses angepasst werden. Aus Vereinfachungsgründen kann dann allerdings wohl auf den in § 12 Abs. 3 Bewertungsgesetz genannten Zinssatz von (jährlich) 5,5 % abgestellt werden.504 Die Finanzverwaltung fordert in der Praxis vielfach eine solche Abzinsung aber nicht.505

Nach herrschender Auffassung sind insbesondere folgende Rücklagen als nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO zulässig anzusehen:

• Rücklage zur Erfüllung des steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zweckes, z. B. zur Errichtung oder Erweiterung oder Instandsetzung von für die gemeinnützigen Zwecke genutzten Immobilien, soweit der hierfür zu tragende Aufwand nicht aus dem Ertrag eines Jahres finanziert werden kann (sog. » Projektrücklage«),

• Rücklage zur Bezahlung von Steuern außerhalb eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, solange Unklarheit darüber besteht, ob die Körperschaft insoweit in Anspruch genommen wird.506

Von besonderer Bedeutung im Rahmen der zweckgebundenen Rücklagen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO ist die sog. Betriebsmittelrücklage. Sie wird von der Finanzverwaltung ausdrücklich anerkannt.507

Mit der Betriebsmittelrücklage können Mittel für periodisch wiederkehrende Ausgaben, z. B. Löhne, Gehälter, Mieten, in Höhe des Mittelbedarfs für eine angemessene Zeitperiode zurückgehalten werden.

Die Länge der Periode, die bei der Ermittlung der Betriebsmittelrücklage zu Grunde zu legen ist, ist nicht eindeutig geklärt. Die Finanzverwaltung stellt prinzipiell auf die Verhältnisse eines jeden Einzelfalles ab, wobei die Zeitspanne aber höchstens ein Geschäftsjahr umfassen können soll.508 Ein längerer Zeitraum als ein Jahr sollte deshalb nicht für die Bildung der Betriebsmittelrücklage zu Grunde gelegt werden, es sei denn, in einem besonderen Einzelfall könnten überzeugende Gründe für eine längere Frist geltend gemacht werden. Solche Gründe dürften, wenn überhaupt, nur selten vorliegen.

Nach Buchna/Leichinger/Seeger/Brox509 kann keine allgemeingültige Zeitperiode, beispielsweise »der Mittelbedarf für ein, zwei oder ggf. bis zu 12 Monaten« für die Berechnung der (noch zulässigen) Höhe einer Rücklage dieser Art angegeben werden. Eine steuerbegünstigte Körperschaft muss sich stets an den Verhältnissen ihres Einzelfalls orientieren und darauf abstellen, in welchem Maß bzw. in welcher Höhe sie mit regelmäßigen Einnahmen rechnen kann und in welchem Umfang sie nach den bestehenden Erfahrungen tatsächlich mit einer Gefährdung der Einnahmen rechnen muss.

Anhaltspunkte dafür können u. a. auch die tatsächlichen eingetretenen Forderungsausfälle in den abgelaufenen Veranlagungszeiträumen geben. Dabei ist die Zeitperiode umso weiter zu fassen, je »unsicherer« die Einnahmen sind. Werden fast ausschließlich »sichere« Einnahmen erzielt, kann nach dieser Auffassung allenfalls der Betriebsmittelbedarf für einen Monat in eine Betriebsmittelrücklage eingestellt werden. Finanziert die Körperschaft den laufenden Betrieb neben »sicheren« Einnahmen auch mit sonstigen Einnahmen wie Zuschüssen, Spenden etc., ist je nach Einzelfall von einem 2- oder 3-monatigen Mittelbedarf auszugehen. Nur dann, wenn überwiegend »unsichere« Einnahmen vorliegen, kann über die vorgenannte Größenordnung hinausgegangen werden.

Für Krankenhäuser könnte diese Auffassung bedeuten, dass seitens der Finanzbehörden eine Betriebsmittelrücklage, deren Bestand den Mittelbedarf für mehr als einen Monat – gemessen an den ausgabewirksamen Aufwendungen des Vorjahres – abdeckt, als in ihrer Höhe unzulässig, da nicht mehr angemessen, beurteilt wird.

Angesichts der derzeitigen Unwägbarkeiten im Finanzierungssystem der Krankenhäuser – nicht nur in der Psychiatrie – dürfte eine derart restriktive Beurteilung nicht sachgerecht sein. Die praktisch gegebenen Vorfinanzierungsnotwendigkeiten im Krankenhausbereich (über einen Zeitraum von einem Monat deutlich hinaus) lassen es geboten, wenn nicht sogar notwendig, erscheinen, eine Betriebsmittelrücklage in Höhe eines Mittelbedarfes von drei Monaten im Krankenhausbereich zu bilden.

Ist zunächst (zulässigerweise) eine Rücklage i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO gebildet worden, der Grund für die Rücklagenbildung aber im Nachhinein weggefallen oder hat die Körperschaft ihr ursprüngliches Vorhaben aufgegeben, muss sie gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 AO die Rücklage unverzüglich auflösen, d. h. die frei werdenden Mittel unverzüglich für satzungsmäßige Zwecke verwenden oder eine (zulässige) neue Rücklage (für ein neues Vorhaben) i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO bilden. Ansonsten droht der Verlust der Gemeinnützigkeit.

Zweckgebundene Rücklagen i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO dürfen im Übrigen auch dann gebildet werden, wenn eine steuerbegünstigte Körperschaft über für eine konkrete Investition ausreichend hohe sog. »freie Rücklagen« i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO verfügen sollte.510

Die Betriebsmittelrücklage ist nach h. M. als Rücklage i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO511 als solche auszuweisen bzw. zu dokumentieren.

Im Rahmen der Mittelverwendungsrechnung wird in der Praxis die Betriebsmittelrücklage gelegentlich als » Sammelbecken« für solche nicht zeitnah verwendeten Mittel genutzt, die auch im nächsten Jahr nicht zur Verausgabung anstehen. Diese Vorgehensweise ist so lange unschädlich, als die Mittel, die auf diese Weise letztlich dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung jedenfalls zunächst entzogen werden, einen Mittelbedarf abdecken, der die im Anwendungserlass zur Abgabenordnung angesprochene »angemessene Zeitperiode« nicht überschreitet.

Mit Hilfe der Betriebsmittelrücklage ist es den meisten steuerbegünstigten Körperschaften möglich, im Rahmen der Mittelverwendungsrechnung zu dokumentieren, dass keine Verstöße gegen das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung vorliegen.

Reicht die Betriebsmittelrücklage im Einzelfall ausnahmsweise nicht aus, um eine zeitnahe Mittelverwendung (buchmäßig) sicherzustellen, ist eine alsbaldige (unverzügliche) Verwendung zu satzungsmäßigen Zwecken erforderlich. Dies kann eine aus betriebswirtschaftlichen Gründen unsinnige Verausgabung von Mitteln zur Folge haben.

Vor diesem Hintergrund sollte in derartigen Fällen untersucht werden, ob eine darlehensweise Überlassung derartiger Mittel an andere steuerbegünstigte Körperschaften erfolgen kann (die Zulässigkeit derartiger Darlehensgewährungen wird im folgenden Kapital diskutiert).

Die aktuell nicht für eigene satzungsmäßige Zwecke verwendbaren Mittel könnten dann – entsprechend der Handhabung bei der Betriebsmittelrücklage – vorübergehend »geparkt« werden, allerdings nur in den nachfolgend noch darzustellenden relativ engen Grenzen der zulässigen Darlehensgewährungen.

Scheitert im Einzelfall auch die »Darlehensgewährungsgestaltung«, kann zur Sicherstellung des eigenen Gemeinnützigkeitsstatus noch eine (endgültige) Weitergabe von Mitteln an andere steuerbegünstigte Körperschaften erfolgen.

Derartige »Zuwendungen« (Spenden) einer steuerbegünstigten Körperschaft an eine andere steuerbegünstigte Körperschaft sind nach § 58 Nr. 1 AO (in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2020 vom 21.12.2020) zulässig.

Eine weitere gemeinnützigkeitsrechtliche Rücklagenbildung ist in § 62 Abs. 1 Nr. 2 AO vorgesehen, und zwar die sog. » Rücklage für Wiederbeschaffung« oder » Wiederbeschaffungsrücklage«.

Steuerbegünstigte Körperschaften können hiernach ihre Mittel einer Rücklage für die beabsichtigte Wiederbeschaffung von Wirtschaftsgütern zuführen, die zur Verwirklichung der steuerbegünstigten, satzungsmäßigen Zwecke erforderlich sind. Die Höhe der Zuführung bemisst sich dabei – anders als bei den zweckgebundenen Projektrücklagen i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO – grundsätzlich nach der Höhe der regulären Absetzungen für Abnutzung eines zu ersetzenden Wirtschaftsguts, § 62 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 AO. Eine höhere Rücklagendotierung wird im Übrigen durch das Gesetz ausdrücklich zugelassen; dann sind aber die Voraussetzungen für eine höhere Zuführung nachzuweisen, § 62 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 AO.

Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung behandelt die Anwendungsmöglichkeiten dieser Rücklage für Wiederbeschaffung eher restriktiv:

Eine Wiederbeschaffungsrücklage für Fahrzeuge und andere Wirtschaftsgüter, für deren Anschaffung die laufenden Einnahmen nicht ausreichen, wird zwar für generell zulässig erklärt, wenn eine Wiederbeschaffungsabsicht vorliegt, wenn also tatsächlich eine Neuanschaffung des einzelnen Wirtschaftsguts geplant und in einem angemessenen Zeitraum möglich ist. Dabei ist als Nachweis für die Wiederbeschaffungsabsicht »im Regelfall« ausreichend, dass die Rücklage gebildet wurde.

Diese Nachweiserleichterung soll aber nicht für Immobilien gelten.512

Eine derartige differenzierte Behandlung von beweglichen Wirtschaftsgütern und Immobilien sieht das Gesetz allerdings nicht vor; die unterscheidende Handhabung der Finanzbehörden hat demgemäß keine Rechtsgrundlage und ist abzulehnen. Für alle Wirtschaftsgüter müssen dieselben Vorgaben gelten.

Im Übrigen hat die OFD Frankfurt in einer Verfügung vom 13.02.2014513 weitere, gesetzlich nicht vorgegebene bzw. vorgesehene Beschränkungen (nicht nur für Immobilien) bezüglich der Rücklage für Wiederbeschaffung formuliert: Eine Einstellung von Mitteln in Höhe der Abschreibungen in die Rücklage soll danach nicht gerechtfertigt sein, wenn ein Fuhrpark verkleinert oder ein Gebäude während unabsehbar langer Zeit nicht durch einen Neubau ersetzt werden soll. Auch soll die Zuführung dann überhöht sein, wenn die steuerlich zulässigen (Sonder-) Abschreibungen nicht mit dem tatsächlichen Wertverlust übereinstimmen.

Eine Mittelverwendungsrechnung könnte – mit umfangreichen Anlagen bezüglich der steuerlichen Rücklagen – wie folgt aufgebaut werden (wobei nachfolgend rein fiktive Beträge gewählt werden):










Sofern entsprechend der vorstehenden Darstellung am Ende des Kalenderjahres noch nicht verwendete Mittel (sog. » Verwendungsrückstand«) ausgewiesen werden sollten, ist zu prüfen, ob möglicherweise weitere zweckgebundene Rücklagen für geplante Projekte gebildet werden können oder ob die Betriebsmittelrücklage höher dotiert werden kann.514

Denn grundsätzlich wird dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung nur dadurch entsprochen, dass nach der Mittelverwendungsrechnung am Ende eines jeden Kalenderjahres keine noch nicht verwendeten Mittel mehr ausgewiesen werden.

Ist dies nicht der Fall, müssen im folgenden Kalenderjahr Maßnahmen ergriffen werden, durch die der sog. » Mittelüberhang« abgebaut wird, und zwar sicherlich in nennenswertem Umfang.

Anderenfalls droht die Gefahr, dass die Finanzverwaltung von einem schwerwiegenden Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit des § 55 AO – in der Form des Gebotes der zeitnahen Mittelverwendung – ausgeht und die Gemeinnützigkeit aberkennt, jedenfalls in besonders bedeutsamen Fällen.

Sollte es – z. B. im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung – dazu kommen, dass ein Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit festgestellt wird, kann das zuständige Finanzamt der betroffenen Körperschaft aber (einmalig) gemäß § 63 Abs. 4 Satz 1 AO eine Frist für die Verwendung der Mittel einräumen, worauf schon hingewiesen wurde. Die tatsächliche Geschäftsführung gilt dann gemäß § 63 Abs. 4 Satz 2 AO als ordnungsgemäß mit der Konsequenz, dass es nicht zur rückwirkenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit kommt, wenn die unzulässigerweise angesammelten Mittel innerhalb der eingeräumten Frist satzungsgemäß verwendet werden.

Die Dauer dieser Frist steht im Ermessen des zuständigen Finanzamtes515; sie soll aber regelmäßig zwei bis drei Jahre nicht übersteigen.516

Das zuständige Finanzamt hat das ihm zustehende »Ermessen« pflichtgemäß und unter Beachtung des Regelungszwecks der Vorschrift auszuüben.517 Das Ermessen des Finanzamtes dürfte sich allerdings im Regelfall auf eine Pflicht zur Fristsetzung reduzieren, sofern keine Anhaltspunkte für absichtliche oder vorsätzliche Verstöße vorliegen.518 Es ist im Übrigen stets eine Ermessensausübung im konkreten Einzelfall unter Beachtung der Gesichtspunkte der Billigkeit, Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit vorzunehmen.519

Aktuelle Besteuerungsfragen für Krankenhäuser und Krankenhausträger

Подняться наверх