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It Happened in Hollywood (1937)

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Eine Ladung Ponys ist angekündigt, für die neue Ranch, aus der Tim Bart ein Freizeitressort für Kinder machen will, die aber noch gar nicht abbezahlt ist. Bart (Richard Dix) ist der ultimative Westernheld im Zeitalter des Stummfilms, als nicht nur im Western Worte nichts zählten. Filmstar Bart ist auf einer „Personal Appearance Tour“ und beglückt gerade die kleinen Patient:innen eines Kinderkrankenhauses; es ist das Jahr 1928, als in den USA die Prohibition herrscht und den Menschen die Great Depression noch bevorsteht. Ein Stummfilm der Perfect Pictures Production läuft, das Publikum kreischt beim Helden und buht die Banditen aus. Einem kleinen Jungen haucht der Filmstar noch Mut für die anstehende Operation ein, indem er ihm eine Plakette anheftet. Die Kinder in ganz Amerika himmeln den Westernheroen Bart an; einem Fanbrief entnimmt er, dass ein Kind allein seinen neuesten Film zwanzigmal im Kino gesehen habe. Sein PR-Berater (Charles Arnt) würde Barts soziales Engagement liebend gern in den Medien ausbreiten, doch der Cowboy winkt ab. Wer so viel Anstand hat, geht oft unter, und so verliert Bart mit einem Mal seinen Star-Status, als die Schlagzeilen schreien: „First talkie a success“.

Die Nachricht erschüttert Hollywood, ein Moment – zumindest hier in diesem Film –, in dem alle Karrieren und Gewissheiten urplötzlich zur Disposition stehen. Der Film, der diesen Epochenwandel damals auslöste, war „The Jazz Singer“ von Warner Bros. aus dem Jahr 1927. „It Happened in Hollywood“ spult die Ereignisse im Zeitraffer ab: Eine „School of Elocution“ öffnet ihre Pforten für die aufgeschreckten Schauspieler:innen, die jetzt Bücher wie „Voice Culture“ studieren und Dialoge aus dem Drehbuch auswendig lernen müssen; nun strömen auch die sprecherprobten Bühnendarsteller:innen in die verheißungsvolle Filmstadt mit dem vielen Geld („Stage Actors Trek to Hollywood!“ verkünden die Gazetten). Bart wird von seiner Publicity-Tour im eigenen Zug vom Studioboss Sam Bennett (Granville Bates) zurückbeordert. Der Star – ein waschechter Cowboy – gibt sich zunächst gelassen: „I ain’t an actor. I figure I’m just someone that the kids would like to be.“

Die aufwendige Tontechnik hält jetzt überall Einzug in den Studios, Western mit Außenaufnahmen wie die Hits von Tim Bart lassen sich nicht mehr drehen, da die Tonaufnahmen in der Anfangszeit noch geschlossene Räume erfordern. Tatsächlich verlangte die Einführung von Ton den Studios viel Geld ab: Sie mussten in technisches Equipment investieren, vor allem sensible Aufnahmegeräte, oftmals sogar neue Studiogebäude errichten, die schalldicht und störungsfrei waren. „The day of Westerns is over. We have to make the pictures indoors from now on. And you know, if you take the horse and cowboy outfit away from Tim, why, he couldn’t get a job as an extra“, sagt Bennett zu Barts Leinwandpartnerin Gloria Gay (Fay Wray). „Now he’s through“, lautet das typische Studioboss-Verdikt – eine hemdsärmelige Bemerkung, die läppisch das Ende einer glorreichen Karriere kommentiert. Mit zwei Pinselstrichen ist Barts Studiokarriere ausgelöscht, als ein Studiomitarbeiter seinen Namen an der Tür der persönlichen Garderobe übermalt; überschüssige Werbeaufsteller werden im Ofen verheizt.

Der Versuch, Bart zum dramatischen Schauspieler umzuschulen, misslingt. Der Actionheld beherrscht seine Zeilen nicht, überhaupt ist ihm ein Set, zumal mit Mikrofonen, unbehaglich. Jemand kommt auf die Idee, ihn zum Zwanzigerjahre-Ganoven zu machen: „All the big actors play gangsters now.“ Aber als Bart vor der Kamera einen Polizisten abknallen soll, verlässt er den Set, denn er will in seinen Rollen den Kindern ein Vorbild, kein Gauner sein. Wie zuvor stellt er seinen moralischen Anspruch über die kommerziellen Chancen, die ihm das Filmgeschäft bietet. Das hat durchaus eine reale Grundlage, schienen gerade damals doch viele Menschen die Leinwandfigur mit der echten Persönlichkeit zu verwechseln bzw. gleichzusetzen.

Mit seinem Verschwinden vom Set begeht Bart freilich eines der größten Kapitalverbrechen der Hollywoodwelt: Er hält die Produktion auf, womit er in seinem Fall nicht nur unnötige Kosten verursacht, sondern auch das Ende seiner Schauspielkarriere besiegelt – „you’re done and forgotten as a hero on horseback“, redet ihm sein Agent Reed ins Gewissen. Vor seiner kleinen Mietwohnung begegnen Bart und Reed einer alten Dame, dem Symbol unzähliger Hollywoodkarrieren: „She was once the greatest actress on the American stage. Now look at her, a stand-in for Robson (Gemeint ist vermutlich May Robson (1858–1942), die 1934 für einen Oscar als Beste Hauptdarstellerin („Lady for a Day“, 1933) nominiert gewesen war und damals u.a. in „Anna Karenina“ (1935), „A Star is Born“ (1937) und „Bringing Up Baby“ (1938) mitgespielt hatte)“, warnt Reed seinen Noch-Klienten.

„It Happened in Hollywood“ – ursprünglich hatte der fast zur selben Zeit veröffentliche „A Star Is Born“ so heißen sollen – ist kein außergewöhnlicher, schon gar kein spektakulärer Film. Wenn überhaupt wird er auf Watchlists eher selten in vorderen Positionen auftauchen. Aber der Clou von „It Happened in Hollywood“ besteht in Richard Dix und Fay Wray, denen die hastige Einführung von Tonfilmsystemen im Jahr 1928 nur allzu vertraut war – also ebenjene Situation, die sie hier vor der Kamera zu spielen haben. Dix war der Hauptdarsteller in „Warming Up“ (1928), Paramounts erstem Tonfilm (wenngleich sich dies nur auf Soundeffekte und die Musik, nicht aber auf Stimmen bezog). Fay Wray sollte einst bei Paramount Ende der Zwanziger neben Gary Cooper die andere Hälfte der „Glorious Young Lovers“ bilden und hatte sich ein paar Jahre vor „It Happened in Hollywood“ in „King Kong“ (1933) im Antlitz des mittlerweile ikonischen Riesenaffen die Seele aus dem Leib geschrien. Paramount-Angestellte wie Dix und Wray machten damals bei Stimm- und Mikrofonproben erste Erfahrungen mit der neuen Technologie. Für ihre Leinwandfiguren geht es in „It Happened in Hollywood“ zunächst anders aus als bei Dix und Wray: Auf einer Party von Gloria Gay (die plumpe Alliteration deutet auf ein vom Studio ausgewähltes Pseudonym hin) tuscheln die Gäste über den „cowboy hero of the silent films“, der offenkundig „all through“ sei; und nach dem Verlust ihres Filmpartners schlittert auch Gay in ein Karrieretief.

Tim Barts vorläufiges Scheitern dokumentiert der Flyer des Immobilienmaklers, der Barts „Luxurious Western Ranch House“ zum Verkauf oder zur Miete anpreist: „Fully Furnished 19 Rooms : 500 Acres Formerly Owned by the Western Star, Tim Bart“. Der Westernstummfilmstar Tim Bart und sein Pferd Toby spielen natürlich auf den Westernstummfilmstar Tom Mix (1880–1940) und dessen Pferd Tony („The Wonder Horse“) an. Mix war ein Wild-West-Showman, der seine Stunts selbst ausführte und – aus heutiger Sicht – als Beispiel dient, wie einst ungemein bekannte Stars über die Unerbittlichkeit verstrichener Jahrzehnte nahezu völlig in Vergessenheit geraten können. Tom Mix, der zu den produktivsten und bestbezahlten Schauspielern der Filmgeschichte gehört, wird gespielt von Dix (im Unterschied zu Mix ein für die Filmkarriere erfundener Name), der seine Schauspielerlaufbahn ja ebenfalls zu Stummfilmzeiten begonnen hatte. Dix glückte indes der Übergang ins Zeitalter des Tonfilms zunächst, Anfang der 1930er Jahre war er sogar das kassenträchtige Zugpferd der RKO, bis kurz darauf sein Abstieg einsetzte – insofern dürfte ihm das, was im Film Tim Bart widerfährt, in mancher Weise vertraut gewesen sein. Dix verstarb 1949 mit Mitte fünfzig an den Folgen eines Herzinfarkts.

Auch die Karriere von Tom Mix war mit dem Ende der Stummfilmära keineswegs vorüber, wie manchmal suggeriert wurde. Zu Beginn der 1930er Jahre drehte er noch eine ganze Reihe von Western, war aber irgendwann so ramponiert, dass der Westernstar und Reitvirtuose abdankte und zum Zirkus ging. Sein Tod im Oktober 1940 gehört zu den makabren Anekdoten der Hollywoodgeschichte: In Arizona, nördlich von Tucson, kam er mit seinem Cabrio von der Straße ab, wobei ihm ein Metallkoffer voller Bargeld, Travellerschecks und Juwelen ins Genick krachte.

Ohne allzu viel Zeit darauf zu verwenden, zeigt „It Happened in Hollywood“, wie das Aufkommen des Tonfilms schlagartig die Voraussetzungen des Filmemachens verändert und manche Karriere auslöscht (wenngleich keineswegs in dem Ausmaß, das oft angedeutet wird). Die technische Infrastruktur der Studios wandelt sich: Tontechniker sitzen in einer Kabine, über dem Set wird mit einem Kran ein Aufnahmegerät bewegt. Der Kinematograf lamentiert: „Every time I place a light, I get shadows from those microphones of theirs.“ Der Regisseur antwortet: „Yeah, these sound people think they own the place, but we’ll show ’em.“ Als sich die Star-Aktrice beklagt, dass ihr Make-up geändert wird, erwidert jemand: „I don’t know, Miss Gay. The talkies are changing everything.“

In den späten 1930er Jahren, als „It Happened in Hollywood“ herauskam, mochte die Entstehung eines Films noch etwas Mystisches gewesen sein. Jedenfalls zeigt der Film die Routinen und Prozeduren des Filmemachens in Hollywood: das hektische Treiben am Set, wo gerade eine neue Szene vorbereitet wird; wie der Kamerawagen auf einem Gleis gezogen wird; wie die professionellen Kommandos lauten („Speed“, „Cut“, „Print that one“); oder wie der Regisseur (William B. Davidson) sich passende Vogellaute vorpfeifen lässt und die Windstärke des großen Gebläses reguliert, das eine sanfte Brise statt eines Orkans erzeugen soll. In einer Szene trägt er, als Repräsentant der Regiezunft, ein kurzärmeliges Hemd, Krawattenschal und Baskenmütze. Zwischen zwei Szenen entscheidet der Regisseur kurzerhand, vom Drehbuch abzuweichen („who wrote this junk anyway?“), und denkt sich spontan etwas Neues aus. Das sind Akte, denen die Filmgeschichte einige ihrer größten Regisseur:innen verdankt – weil sie als Drehbuchschreiber oft genug erlebt hatten, die Kontrolle zu verlieren, und dann hofften, auf dem Regiestuhl die Umsetzung ihrer Skripte überwachen zu können.

Dass etliche Stummfilmstars im Tonfilm scheiterten, ist ein Klischee. Aber wenn jemand scheiterte, konnte es ihm ergehen wie Tim Bart. Dass das Studio sämtliche Starprivilegien entzieht und die Prominenz verfliegt, das hat viele Hollywoodianer:innen kaputtgemacht – den seinem ganzen Naturell nach bescheidenen Tim Bart lässt das weitgehend kalt. Nur dass er seine Ranch verliert, bekümmert ihn dann doch, da er dort ja ein kleines Paradies für Kinder schaffen wollte. An diesem Punkt steuert die Handlung des Films denn auch auf ihren dramatischen Wendepunkt zu: Billy (Bill Burrud) steht plötzlich vor der Tür von Tim Barts Appartement – gerade als der gescheiterte Schauspieler die Zelte abbrechen und Hollywood verlassen will. Der Junge, den er einst beim Krankenhausbesuch auf seine Ranch einlud, ist nun genesen und fordert Barts Versprechen ein. Bart will den Jungen nicht hängen lassen und holt sich Hilfe: Die zum Verkauf stehende Ranch wird einfach für eine spontane Party requiriert; und um dem kleinen Billy ein unvergessliches Hollywooderlebnis zu bescheren, bestehen die Gäste aus der Crème de la Crème der Stars: Charlie Chaplin und W.C. Fields, Greta Garbo und Marlene Dietrich, Joan Crawford und Mae West, Bing Crosby singt. Der Clou von Barts Show – und des Films – besteht freilich darin, dass dies allesamt bloß Doubles sind, quasi Illusionen der Illusionen.

„It Happened in Hollywood“ verblasst vor unzähligen anderen Filmen; bereits im Ausstoß seiner Zeit war er ein allenfalls durchschnittlicher Film – schon allein, weil kurz zuvor „A Star Is Born“ (1937) im Subgenre des Hollywoodfilms die ganze Aufmerksamkeit von Publikum und Kritiker:innen auf sich zog. Heute erinnert man ihn vor allem als die erste veritable Drehbucharbeit des späteren Regisseurs Sam Fuller (1912–97), Schöpfer des verstörenden „Shock Corridor“ (1963, eines der besten Psychiatriefilme), des feministischen Western „Forty Guns“ (1957, eines der besten Western) oder des epischen „The Big Red One“ (1980, eines der besten Antikriegsfilme) – ein Filmemacher, dem wie Robert Aldrich oft der Beiname „Maverick“ angeheftet worden ist, da er sich von Hollywood nicht verbiegen ließ. Aber wie bei Aldrich begann auch Fullers Filmkarriere natürlich nirgendwo anders als in Hollywood. Als 1936 in der Komödie „Hats Off“ das erste Mal Fullers Name als Drehbuchautor über die Kinoleinwände flimmerte, da war von seinem ursprünglichen Skript kaum etwas übrig geblieben, weshalb Fuller „It Happened in Hollywood“ als seine erste ernst zu nehmende Drehbucharbeit betrachtete.

Als Fuller das Skript zu „It Happened in Hollywood“ verfasste, war der Journalist und spätere Filmemacher noch ein Hollywoodgreenhorn. In New York hatte er als Kriminalreporter gearbeitet, hatte über Morde und Exekutionen berichtet. Bereits 1931 wollte ihn MGM als Drehbuchschreiber anheuern, weil er der Autor einer Reportage über den seltsamen Doppelmord an einem Geschäftsmann und seinem Sekretär (beide starben durch dieselbe Kugel) war – nur sollte sich Fuller ein passendes Ende für den ungelösten Fall ausdenken. Viele Journalist:innen verließen damals den Big Apple in Richtung Kalifornien; Fuller indes lehnte ab und reiste lieber durch die USA. Er sah in Sing Sing Leute auf dem elektrischen Stuhl verrecken, sah die elendigen Lebensbedingungen der Great Depression-Opfer oder in Chicago Al Capone mit seinen Schergen Poolbillard spielen. Aber von Hollywood verstand er nichts. Zumindest nicht viel: Anlässlich eines Besuchs in L.A. traf Fuller ein paar Drehbuchautor:innen, die in ihren stattlichen Honoraren schwelgten, und schaute sich Studios von innen an. In seinen Schreibarbeiten vermischten sich nun immer stärker Realität und Fiktion, sodass sich der Journalist allmählich zum Romanautor wandelte.

Wenngleich die Geschichte von Myles Connolly stammt und Fuller in Ethel Hill sowie Harvey Fergusson noch zwei Co-Autor:innen hatte, ist „It Happened in Hollywood“ letztlich auch das Resultat eines kurzen, aber intensiven Reifeprozesses. So kam der jahrelang auf Wahrheitssuche und Realitätstreue gedrillte Fuller schnell zu der ernüchternden Erkenntnis: „The only truth that mattered in the movie business was selling a helluva lot of tickets to see your finished film.“ (Fuller, Samuel: A Third Face. My Tale of Writing, Fighting, and Filmmaking, New York 2002, S. 86.) Als ihn Hollywood das erste Mal rief, war Fuller noch nicht reif für die Fließbandarbeit in der Traumfabrik gewesen. Bis er dann selbst den Mut fasste und an die Westküste reiste, vergingen noch ein paar Jahre. In New York engagierte ihn dazwischen ein Verleger als Ghostwriter für einen Bestsellerautor, der nicht so viel liefern konnte, wie die Leserschaft abzunehmen bereit war. Fuller wich also als Bestandteil eines kleinen Fakes selbst etwas von seinem Wahrheitspfad ab und schärfte zugleich seine als Reporter ohnehin schon geschulte Fähigkeit, unter Zeitdruck schnell und effektiv Geschichten zu verdichten.

Fullers Einstieg in die Hollywoodwelt ist ein Paradebeispiel für die Spontaneität und Geschwindigkeit, mit der damals Filme entstanden. Der Freelancer Fuller war nur wenige Tage in der Stadt, besaß keinerlei Drehbucherfahrung, da arbeitete er bereits für Columbia an seinem ersten Film. Durch seinen alten Mentor Gene Fowler, den Fuller als 16-Jähriger bei der Zeitung kennengelernt hatte, war er mit einem Columbia-Produzenten zusammengekommen, der ihn sogleich mit zum Studio nahm und gemeinsam mit dem Neuankömmling eine Filmidee ventilierte. Myles Connolly saß gerade an einem Film über Tom Mix.

Fuller und Connolly machten den Protagonisten quasi zu einer Anti-Hollywoodfigur, indem sie jemanden erschufen, der bereit war, seine Integrität gegenüber seinen Kinderfans über seine Karriere und sein Bankkonto zu stellen. „It Happened in Hollywood“ markierte damit den Beginn der Karriere eines der originellsten US-amerikanischen Regisseure – gleich nach dem Kinostart des Films erhielt Fuller das Angebot, für komfortable Honorare anonym Skripte zu verfassen. Bis das erste Drehbuch entstand, das Fuller als sein eigenes Werk betrachtete und auch als solches präsentieren konnte, vergingen allerdings noch ein paar Monate (der Krimi „Gangs of New York“ von 1938); und seine erste Regiearbeit ließ noch bis 1949 auf sich warten (der historisch inspirierte Western „I Shot Jesse James“).

„It Happened in Hollywood“ hieß zuerst „Once a Hero“, aber Columbia sah im späteren Titel wohl eine zugkräftigere Variante, welche die Leute mit dem „Hollywood“-Label an die Ticketschalter locken sollte; der ursprüngliche Titel ist im Vorspann unterhalb des neuen als Alternative aufgeführt – vermutlich, da mit „Once a Hero“ die Credits in Form eines seitenweise geblätterten Buches bereits eingespielt worden waren.

Der stärkste Teil des Films – er strahlt weit über die übrigen Sequenzen hinaus und macht „It Happened in Hollywood“ dann doch sehenswert – ist sein Finale, dem ein bemerkenswerter Sarkasmus innewohnt. Der pleitegegangene Tim Bart, der seiner ebenfalls bankrotten Liebe, Gloria Gay, helfen und mit ihr ein unbeschwertes Leben führen will, erinnert sich an den Gangsterfilm, in dem er mitspielen sollte und der ihm die Karriere hätte retten können. Bart beschließt, die Szene des fiktiven Raubüberfalls einfach in die Tat umzusetzen, und begibt sich mit seinem Revolver in die Bank. Als ihm diese düstere Idee kommt, die seine ganze bisherige Moral mit einem Mal korrumpiert, da blicken seine entschlossenen Augen aus dem Fenster und man hört den Donner grummeln, während es zu regnen beginnt – Karrieretiefpunkte in Hollywood scheinen hier selbst den wahrhaftigsten Charakter verderben zu können.

Die folgende Sequenz am verregneten Bankgebäude atmet all die triste Kriminalstimmung eines James-Cagney-Prohibitionsgangsterfilms aus den frühen Dreißigern: Im durchnässten Trenchcoat betritt der gefallene Schauspieler Tim Bart die Hollywood Central Bank und man sieht ihm die tiefe Verzweiflung an, mit der er gleich sein Verbrechen begehen will. Während Bart seinen Überfall vorbereitet, fährt draußen eine Limousine vor – der Fluchtwagen echter Gangster, die zum Bankschalter schreiten und Bart zuvorkommen. Der genuine Cowboy Bart zückt daraufhin seinen silbernen Revolver und erledigt mit drei präzisen Schüssen die türmenden Gangster, deren Fluchtwagen in ein geparktes Fahrzeug kracht – die eben noch als Verbrecherwerkzeug vorgesehene Waffe wird so zum Instrument einer Heldentat, der potenzielle Täter eines bewaffneten Raubüberfalls zum Mann der Stunde. „Film hero real hero in gun battle“ jubiliert die Abendzeitung.

Weil Bart nun im ganzen Land auf den Titelseiten als Ganovenkiller und Polizistenretter gefeiert wird, beeilt sich das Studio, seinen geschassten Star so schnell wie möglich zurückzuholen. Als er wieder unter Vertrag genommen werden soll, da das Kinopublikum nun unmissverständlich nach Tim Bart und „outdoor pictures“ zu verlangen scheint, da hängen im Büro des Studiobosses plötzlich überall gerahmte Tim-Bart-Aufnahmen, wo noch zuvor, als man ihn fallen ließ, die Porträts anderer Darsteller die Wände zierten. „It’s grand to see you again“, wird er in Sam Bennetts Büro, dem Entscheidungszentrum von Perfect Pictures, empfangen, wo man ihn längst abgeschrieben hatte. „You know how we’ve always felt about you around here“, heuchelt man ihm – „Just like home, isn’t it, Tim, huh?“

Diese Szene, in der sich oberflächlich alles in Wohlgefallen auflöst, zeigt in Wirklichkeit die Studios – und ihre Angestellten – als Sklaven von Medienkonjunkturen und Nachrichtenwerten. Als der Westerndarsteller seiner Filmfantasie entschlüpft und wie ein echter Revolverheld die Banditen zur Strecke bringt, avanciert er mit einem Mal zum Medienereignis, das die PR-alerten Studioprofis sofort kommerziell ausbeuten wollen. Analog zu Fullers unvermitteltem Engagement, als Drehbuchnovize einen Film zu schreiben, manifestiert sich im Finale ebendieses Films die Kurzlebigkeit von Entscheidungen und Prämissen, der spontaneistische Charakter Hollywoods. Der eben noch mit der Begründung, niemand wolle mehr Western sehen, fallengelassene Bart wird nun mit der gegenteiligen Aussage – das Publikum lechze nach Outdoor-Filmen wie eben Western – zurückgeholt und erneut zum Star aufgebaut. Auf der Plakatwand rufen dicke Lettern: „Tim Bart Rides Again!“


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