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Kapitel 5: Zurück in die Gegenwart

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Cassandra lag entspannt auf dem breiten Steingeländer der Brickrow Grammar School und betrachtete Nick beim Drehen seiner nadeldürren Zigarette. Der letzte Schüler hatte den Schulhof verlassen, und sie blieben allein zurück.

“Oh Toby, wo bleibst du?”, stöhnte Cassandra.

Nick steckte sich die Zigarette in den Mund und kramte nach einem Feuerzeug. “Entspann dich”, sagte er. Die Zigarette tanzte zwischen seinen Lippen auf und ab.

Cassandras Stimmung war in diesen Tagen am Tiefpunkt. Sie fühlte sich zunehmend gereizter. Sie hasste sich dafür, konnte aber nichts dagegen tun.

Nick fand sein silbernes Marlboro Sturmfeuerzeug, und ließ es aufschnappen. Er zündete die selbstgedrehte Zigarette an, ließ das Feuerzeug wieder zuschnappen und gab sich ganz seinen fünf Sekunden Rauchgenuss hin, denn so lange dauerte es, bis dieses zahnstocherdünne Ding abgebrannt war.

“Na das hat sich ja gelohnt”, kommentierte Cassandra.

Nick warf einen Blick auf die Eingangstür der Schule. Dort war es, bis auf ein paar leise, knallende Echos, ganz still geworden.

“Geben wir ihm noch ein paar Minuten. Wenn er nicht kommt, gehen wir uns was zu essen holen, was meinst du?”

Cassandra zuckte die Schultern. Sie überlegte, ob sie Nora einen Besuch abstatten sollte. Nora hatte diese fröhlich zurückhaltende Art, die Cassandra optimistisch stimmte.

Beinahe wie Lara.

Sie verdrängte den Gedanken. Stattdessen konzentrierte sie sich auf die Gegenwart.

Seit dem vorletzten Sommer und dem gemeinsamen Beschluss, das Westcott Manor nicht zu betreten, war

der Alltag in all seiner Wucht über sie hereingebrochen. Die Sommerferien waren vorübergegangen, und Cassandras Leben hatte seinen gewohnten Lauf genommen. Die bedrohlichen Erscheinungen des unsichtbaren Künstlers waren seltener geworden, bis sie nach einigen Tagen vollständig versiegt waren. Scheinbar hatte der unsichtbare Künstler das Interesse an ihnen verloren, und sich abgekehrt. Doch hatte er die Initialzündung zu einer Freundschaft geliefert, die unter sorgsamer Pflege zu verschwörerischer Intensität heranwuchs. Cassandra hatte zwei Freunde fürs Leben gewonnen. Zusammen bildeten sie die stabilste Form überhaupt: Ein Dreieck aus Liebe, Demut und Transzendenz. Ein selbsterhaltendes System, dass es sogar vermochte, Cassandras Seele langsam zu heilen. Und womöglich würde sie ganz geheilt, wenn Cassandra nicht vorher einen großen Fehler beging.

Sie sagte: “Was wenn ich wüsste, wo Ron Hauser sein Gras versteckt?”

Nicks Kopf ruckte herum. “Du verarscht mich.”

“Nein, wirklich.”

“Woher willst du wissen, wo er den Stoff bunkert?”

“Ich weiß es einfach. Willst du den Stoff haben oder nicht?”

“Klar will ich ihn haben. Ron braucht ihn sicher nicht mehr.”

Cassandra sah ihn an. “Sehr nett von dir. Kümmert es dich nicht, was aus ihm geworden ist?”

Nick zuckte die Schultern. “Die Polizei wird ihn schon finden. Hey, vielleicht ist es sogar besser, wenn wir den Stoff wegschaffen, sonst stecken die ihn noch wegen Rauschgiftbesitzes in den Knast. Von wie viel Stoff reden wir hier eigentlich?”

“Das weiß ich auch nicht”, gab Cassandra zu.

“Und woher weißt du dann, wo er ist?”

Diese Frage konnte sie auch nicht beantworten. Sie überlegte, wie sie auf den Gedanken kam, dass Ron sein Gras im Westcott Manor versteckte, aber ihre Erinnerung brachte ihr keine brauchbare Antwort. Sie wusste es einfach. Der Stoff war dort. Und Ron möglicherweise auch.

Dass sie schon einmal in dem Haus gewesen war und die Päckchen voller Gras gesehen hatte, daran erinnerte sie sich nicht mehr. Diese Tatsache war im selben geistigen Tresor verschlossen, in dem auch Laras Schicksal lag. Und dieser Tresor stieß Cassandras tastende Gedanken ab wie ein magnetischer Pol einen gleichartigen Pol abstieß. Ihre Erinnerung glitt einfach seitlich ab.

“Ist das jetzt wichtig, woher ich das weiß?”, fragte sie.

Nick betrachtete sie misstrauisch. “Nein...”, sagte er, “...wahrscheinlich nicht.”

“Dann komm. Toby muss heute alleine nach Hause.” Sie stand auf und ging zur Busstation, ohne zu schauen, ob Nick ihr folgte.

Der Traum des Stiers

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