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Lektion 1:

DÄMONISCHE GEBUNDENHEITEN /1

1. Wie kommt es zur dämonischen Gebundenheit?

Die Bibel zeigt uns, dass der Mensch durch den Sündenfall aus seiner ungebrochenen Gemeinschaft mit seinem Schöpfer herausgefallen ist. Dennoch ist ihm vom Garten Eden her ein primäres Gottesbewusstsein mitgegeben. Das erklärt auch, warum der Mensch zu allen Zeiten und in allen Kulturen Religion gehabt hat. Der Mensch hat ein spirituelles Bedürfnis. Wenn das nicht durch eine lebendige Gottesbeziehung gestillt wird, wird er nach anderem suchen. Er kann versuchen, es durch materielle Ersatzbefriedigung zum Schweigen zu bringen. Das funktioniert aber nur vorübergehend. Wir sehen das sehr deutlich in unseren westlichen Industrieländern.

Nach dem Krieg waren die Menschen in unserem Land allgemein offen für den christlichen Glauben. Dann kam der Wohlstand und man hat Gott durch den Götzen Mammon ersetzt. Doch die Menschen blieben letztlich leer und unbefriedigt. Seit drei Jahrzehnten nun öffnen sich die säkularisierten Deutschen östlichen Religionen und dem Okkultismus, um darin eine Befriedigung ihres spirituellen Bedürfnisses zu finden.

Es liegt eben in der freien Entscheidung jedes Menschen, ob er dem Glauben an den lebendigen Schöpfergott in sich Raum gewährt, oder ob er der Abgötterei und dem Aberglauben verfällt. Die Antriebskräfte zur Beschäftigung mit dem Okkulten stammen aus den beiden grundlegenden psychischen Bedürfnissen des Menschen, die ja als direkte Folge des Sündenfalls anzusehen sind: dem Bedürfnis nach Sicherheit und dem Bedürfnis nach Bedeutung.

1.1 Sicherheit

Die Bedrohung des Lebens erzeugt Angst. Jeder Mensch merkt in gewissen Situationen seines Lebens, dass er das Leben nicht im Griff hat, dass er nicht seines eigenen Glückes Schmied sein kann. Er macht die Erfahrung von Unsicherheit, Unzulänglichkeit, Zukunftsangst. Dies lässt ihn nach Hilfe Ausschau halten.


Abb. 1-1

Der Psalmist drückt es so aus: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe?“ Und wir könnten ergänzen: „Woher kommt mir übernatürliche Hilfe?“ Vor allem dann, wenn man von Menschen enttäuscht wurde oder der Bedarf an Hilfe menschliche Möglichkeiten übersteigt, wird man sich nach übernatürlicher Hilfe ausstrecken.

Das Bedürfnis nach Sicherheit etwa treibt viele Menschen zum Wahrsager oder zum Astrologen. Andere haben ihren Talisman, der ihnen Schutz vermitteln soll, ein Maskottchen am Rückspiegel oder ein Hufeisen am Kühlergrill. Andere tragen ständig einen Schutzbrief in der Tasche rum. Damit meine ich jetzt nicht den vom ADAC! Ich kannte eine Russin, die hatte ein Amulett um den Hals, das sich öffnen ließ. Darin befand sich klein zusammengelegt ein Schutzbrief mit einem Zauberspruch, den sie aber nicht entziffern konnte.

Meine Frau erzählte mir einmal folgende Geschichte, die sie während ihrer Tätigkeit im Krankenhaus erlebt hatte. Eine Frau die neu eingeliefert wurde, hielt in ihrer Hand eine gusseiserne Gestalt fest. Nach ihrer Auskunft stellte die Gestalt den Sankt Antonius dar. Auch auf Bitte der Krankenschwestern hin war sie nicht bereit, den St. Antonius loszulassen. Während des Schlafes aber ist er ihr entglitten und als sie erwachte und ihn vermisste, geriet sie in helle Panik. Sie wurde erst wieder ruhig, als sie ihn wieder in Händen hatte.

Jedem dürfte klar sein, dass das Maskottchen, der Schutzbrief oder der St. Antonius niemandem Schutz geben können. Es sind tote Gegenstände. Von daher kann die Hilfe, die man erwartet, nur eine übernatürliche sein. Da Gott aber durch diese Dinge nicht hilft, kann die Hilfe nur vom Gegenspieler Gottes kommen, dem Satan und seinen Dämonen.


Abb. 1-2

Die biblische Antwort auf die Frage „Woher kommt mir Hilfe?“ gibt der Psalmist im folgenden Vers: „Mei-ne Hilfe kommt von dem Herrn, welcher Himmel und Erde gemacht hat.“ Indem der Mensch sein Vertrauen auf Gott setzt, kommt es zur Gemeinschaft mit Gott und aufgrund dieses Vertrauens wird Gott ihm dann Hilfe zuteilwerden lassen. Die Folge: Der Mensch wird nach oben, zu Gott hin ausgerichtet. Übernatürliche Hilfe zu erbitten oder zu erwarten von jemand anderem als dem lebendigen Gott, ist dagegen Abgötterei! Und Abgötterei bringt den Menschen in Kontakt mit Mächten der Finsternis, die ebenfalls Hilfe anbieten. Es kommt zur Gemeinschaft mit diesen Mächten und zur zunehmenden Einflussnahme dieser Mächte auf den Menschen.

Das Vertrauen richtet sich bei solchen Praktiken ja immer auf Satan statt auf Gott. Dadurch wird diesem aber eine Einflussnahme auf unser Leben eingeräumt. Genauso, wie göttliches Wirken in unserem Leben immer durch Glauben geschieht, so ist es eben auch bei Satan. Jedes Vertrauen, das in ihn investiert wird, erlaubt es ihm, in unserem Leben wirksam zu werden. Es ist hier im Grunde dasselbe Prinzip wirksam wie in unserer Beziehung zu Gott. Der Glaube bzw. das Vertrauen ist der Schlüssel. Gewiss: Die meisten Menschen denken nicht so weit, doch das ändert nichts an der Sache.


Abb. 1-3

1.2 Bedeutung

Das Bedürfnis nach Bedeutung weckt im Menschen das Streben nach Geltung, Anerkennung, Ruhm, aber auch nach Macht. Wo er diese Ziele nicht mehr durch seine eigene Leistungsfähigkeit und über andere Menschen befriedigen kann, wird er wieder fragen: „Woher kommt mir übernatürliche Hilfe?“

Das Streben des Menschen, Aufschluss über seine Zukunft zu erhalten bzw. zu ihm sonst unzugänglichem Wissen zu kommen und Einfluss auf sein Schicksal zu nehmen bzw. sein Glück selbst zu machen, macht sich Satan zunutze. Auf die existentielle Frage des Menschen „Woher kommt mir Hilfe?“ fährt der Diabolos eine Palette von Schein-Alternativen auf, um das Vertrauen des Menschen von Gott und Jesus Christus abzulenken und es letztlich für sich zu gewinnen. Der Mensch ohne Gott glaubt an seine

Autonomie und merkt es nicht, dass er weithin gesteuert ist. Die Mächte der Bosheit waren von jeher die Macher des jeweiligen Zeitgeistes.


Abb. 1-4


Abb. 1-5

2. Grundsätzliche Überlegungen zur dämonischen Beeinflussung

2.1 Die Flachländer-Theorie – ein hilfreicher Denktrick

Wir leben auf dieser Erde mit natürlich gesteckten Grenzen und Dimensionen und sind beispielsweise gut mit den drei Dimensionen des Raumes vertraut: mit Länge, Breite und Höhe (oder Tiefe). Weil wir uns in diesen drei Dimen-sionen bewegen können, sind wir auch in der Lage, Gegenstände im Raum genau zu lokalisieren. Sie alle können die Menschen um sich als dreidimen-sionale Körper mit entsprechender Ausdehnung wahrnehmen. Würde mir jemand mit den Augen zuzwinkern, dann könnte dieser das nur aufgrund einer weiteren Dimension erkennen: der Zeit. Man nennt daher die Zeit auch oft die „vierte Dimension“ unserer Welt. Alles Geschehen, jeder Vorgang in den Dimensionen des Raumes ist für uns nur wahrnehmbar, weil uns auch die Dimension Zeit gegeben ist, weil uns Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit vertraut sind. Dimensionen, die darüber hinausgehen, können wir weder begreifen noch erfahrungsgemäß nachvollziehen. Ein Geschehen beispielsweise, das gleichzeitig in der Vergangenheit und in der Zukunft stattfinden würde, wäre für uns „zeitgebundene“ Geschöpfe unvorstellbar. Es wäre tatsächlich „übernatürlich“, weil es innerhalb unserer Raum-Zeit-Dimension nicht vorkommt.

Um uns die Tatsache einer übernatürlichen Welt besser vorstellen zu können, ziehen wir den bekannten bildhaften Vergleich des „Flachland-Beispiels“ heran.

Man stelle sich eine Welt von nur zwei Dimensionen vor: Länge und Breite (ohne Höhe). Eine solche Welt wäre reine Oberfläche ohne irgendwelche Tiefe oder Höhe. Wir könnten die Welt „Flachland“ nennen und uns dazu vorstellen, dass sie von Wesen verschiedener geometrischer Gestalt bevölkert sei, von Quadraten, Dreiecken, Kreisen usw.

Was wäre nun die Erfahrung der Flachländer, wenn ein dreidimensionaler Gegenstand zu ihrer Welt in Beziehung träte? Um uns ein solches Ereignis vorzustellen, denken wir uns den einfachsten Körper: eine Kugel, die „Flachland“ durchquert, indem sie von oben her auf dasselbe herabsteigt.


Abb. 1-6

Von den zweidimensionalen Wesen würde die Kugel natürlich nicht als Körper wahrgenommen werden können, sondern nur als ein dynamischer Prozess: sie würde plötzlich wie aus dem Nichts auftauchen und zwar zunächst als Punkt; dieser würde sich zu einem Kreis ausweiten und zwar bis zum maximalen Umfang der Kugel; dann, während die Kugel ihren Weg abwärts fortsetzte, würde der Kreis langsam schrumpfen und schließlich wieder als Punkt erscheinen, der dann – auf geheimnisvolle Weise – verschwindet.


Abb. 1-7

Nun stellen wir uns vor, ein Würfel durchquert „Flachland“, wobei er sich dreht. Beachten Sie die Veränderungen des Aussehens aus der Sicht der „Flachländer“, während der Würfel selbst in der Form konstant bleibt. Der Würfel erzeugt in Flachland seltsame und für Flachländer gänzlich unverständliche Konfigurationen: Dreieck, Quadrat, Raute usw. zeigt, wie ein dreidimensionales Wesen wie der Mensch zweidimensional aufgefasst würde. Beachten Sie, wie jede Bewegung des Menschen seine zweidimensionale Konfiguration verändert. Befindet sich die Kugel, der Würfel oder der Mensch außerhalb von Flachland, kann er von den Flachländern prinzipiell weder wahrgenommen noch mit wissenschaftlichen Methoden erfasst werden. Das dreidimensionale Objekt ist dem Flachländer prinzipiell unzugänglich, soweit dieses sich nicht selbst zugänglich macht. Doch selbst wenn sich das dreidimensionale Wesen im zweidimensionalen Raum bewegt und mit den Flachländern in Kontakt tritt, ist es den Flachländern unmöglich, die Wirklichkeit wahrzunehmen.


Abb. 1-8

Genauso geht es uns Menschen in Bezug auf die unsichtbare transzendente Wirklichkeit. Wir können sie nicht wissenschaftlich fassen und nehmen sie immer nur soweit wahr, wie sie sich uns von sich aus zeigt (bzw. offenbart). Engel, also höherdimensionale Wesen, sind Menschen in sehr verschiedener Gestalt erschienen. Es wäre naiv anzunehmen, dass Engel in ihrer mehrdimensionalen Welt genauso aussehen, wie wir sie in der Schrift beschrieben finden.

2.2 Macht es Sinn, Dämonen zu lokalisieren?

Ich denke, von unserer Flachländer-Theorie her ist diese Frage grundsätzlich schon beantwortet. Die Vorstellung, dass irgendwo im Körper ein Dämon sitze, im Bauch oder in der Schulter etc., scheint uns nun recht seltsam. Damit wird nämlich vorausgesetzt, dass Dämonen dreidimensionale Wesen sind wie wir. Die Welt der Dämonen ist nicht hier oder dort. Sie befindet sich weder in der Sternenwelt, noch im Erdinneren. Um das deutlicher zu machen, sollte ich vielleicht zunächst zwei Begriffe erklären, ohne die wir nicht auskommen: die Begriffe „Immanenz“ und „Transzendenz“. Mit „Immanenz“ ist die stoffliche, materielle und diesseitige Welt gemeint, mit „Transzendenz“ dagegen eine nichtstoffliche, immaterielle, jenseitige Welt. Die Begriffe „sichtbar“ und „unsichtbar“ beschreiben die Sache nur ungenau, denn nicht alles Unsichtbare ist Teil der transzendenten Welt (und manchmal tritt die Transzendenz auch in das Sichtbare ein (denken wir etwa an Engelerscheinungen).

Es gibt einen natürlichen sichtbaren Bereich und einen natürlichen unsichtbaren Bereich. Zum ersteren gehören etwa Menschen, Blumen, Berge, Häuser etc., zum letzteren z.B. unsichtbare Radiowellen, Energiefelder, magnetische Ströme. Darüber hinaus gibt es jedoch auch eine übernatürliche unsichtbare Welt, die Welt, in der etwa Gott existiert, die sog. „Transzendenz“. Nun: So wie die natürliche unsichtbare Welt den Bereich der natür-lichen sichtbaren Welt zum großen Teil zu durchdringen vermag, so vermag auch die übernatürliche Welt die natürlichen Bereiche zu durchdringen.

2.3 Wie kommt es zur dämonischen Einwirkung auf den Menschen?


Abb. 1-9

Zweidimensionale Wesen wie es die Flachländer sind, können voneinander nur die Grenzen wahrnehmen. Anders drei- oder höherdimensionale Wesen. Sie können das Innere der Flachländer sehen und prinzipiell auch dieses Innere einwirken. Ähnlich können wir uns die Situation auch bei uns vorstellen. Dämonen oder Engel als höherdimensionale Wesen können in uns hineinsehen und – unter bestimmten Umständen – auf uns einwirken. Prinzipiell wären wir Menschen ihnen völlig ausgeliefert. Da wir sie nicht wahrnehmen, könnten sie uns regelrecht beherrschen. Faktisch ist es aber nicht so. Das ist nur damit erklärbar, dass unser Schöpfer uns einen Schutz mitgegeben hat. Es liegt allerdings an uns, wieweit dieser Schutz wirksam ist. Es gibt Umstände und Voraussetzungen, die diesen Schutz aufheben können. Das sind im Wesentlichen folgende:

2.3.1 Eine Haltung des Vertrauens auf übernatürliche Hilfe

Diesen Punkt habe ich auf Seite 3 bereits näher ausgeführt. Vertrauen in positive Auswirkungen jeglicher Form von Okkulttätigkeit macht uns für den Feind Gottes angreifbar.

2.3.2 Ein bewusstes und fortgesetztes Sündigen

Gemeint ist damit ein Verharren in erkannter Sünde, Ungehorsam und Rebellion. Hier wäre das bekannte Schriftwort aus 1. Samuel 15,22-23a anführen, das Wort, das Samuel zu dem König Saul sagte, als er seinen Ungehorsam mit seiner Opferbereitschaft zudecken wollte. Samuel sagte zu Saul:

„Hat der HERR dasselbe Wohlgefallen an Schlachtopfern und Brandopfern wie daran, dass man der Stimme des HERRN gehorcht? Siehe, Gehorsam ist besser als Schlachtopfer und Folgsamkeit besser als das Fett von Widdern! Denn Ungehorsam ist wie die Sünde der Wahrsagerei, und Widerspenstigkeit ist wie Abgötterei und Götzendienst.“

Vor Jahren berichtete mir in der Seelsorge eine Schwester folgende Problematik: Sie habe nach ihrer Bekehrung in einer Gemeinde eine andere Schwester kennengelernt. Aus dieser Bekanntschaft entwickelte sich eine Freundschaft und schließlich eine sexuelle Beziehung. Sie sind deshalb in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Zwei bis drei Jahre lang haben sie diese Beziehung gelebt und gingen weiter in die Gemeinde. Nach außen vermittelten sie den Eindruck, dass sie ganz normale Freundinnen seien. Schließlich wurde diese Lüge ihnen zunehmend zur Last, so dass sie schließlich der Gemeinde fernblieben. Ein paar Jahre ging es so weiter, bis es in ihrer Beziehung immer mehr Streit gab. Eines Tages eskalierte ein solcher Streit so sehr, dass die Ratsuchende ihre Freundin krankenhausreif schlug. Weil sie völlig die Kontrolle über sich verloren hatte, kam sie daraufhin für ein paar Wochen in die Psychiatrie. Dieses Vorkommnis öffnete den beiden Frauen die Augen dafür, wohin sie Ihr Leben in der Sünde gebracht hat. Es wurde Anlass dafür, dass sie seelsorgerliche Hilfe suchten. Beide Frauen taten schließlich Buße und beendeten in gegenseitigem Einvernehmen ihre Beziehung. Beide sind wieder in Gemeinden integriert. Diese Geschichte zeigt auf, wie bei bewusstem Verharren in Sünde der Feind immer mehr Einflussmöglichkeiten gewinnt.

2.3.3 Eine Haltung der völligen Passivität

Wenn etwa durch Meditationspraktiken, Autogenes Training, Hypnose, Yoga u. ä. ein Zustand der Passivität oder gar der Trance mit völliger Entleerung von willentlichen Denkvorgängen erzeugt wird, öffnet man dämonischen Beeinflussungen Tür und Tor. Denn das Gehirn ist wie eine Maschine, die durch meinen Geist bedient wird. So jedenfalls hat es der weltbekannte Hirnforscher Sir John Eccles beschrieben. Normalerweise ist es mein Geist, der mein Gehirn bedient. Aber wenn ich mich in einen veränderten Bewusstseinszustand begebe und damit die Kontrolle einem anderen Geist überlasse, dann hindert diesen anderen Geist nichts, mein Gehirn zu steuern und darin Erleb-nisse hervorzurufen, die mir zwar real vorkommen, aber in Wirklichkeit gar nicht stattfinden. Ein Beispiel dafür wären etwa die sog. „Sterbeerlebnisse“, von denen heute so viel die Rede ist.

3. Dämonische Verstrickung bei Christen

3.1 Was ist „dämonische Verstrickung“?

Ein Mensch steht unter Einflüssen und Wirkungen, von denen wir annehmen, dass sie von Dämonen verursacht werden. Dabei gehen wir davon aus, dass es sich um Einflüsse handelt, die über das übliche Maß an Versuchung und Anfechtung hinausgehen. Wir merken hier schon, dass es sich nicht um etwas Abgrenzbares handelt, sondern um ein Kontinuum. Die Stricke, mit denen der Satan uns lahmlegen möchte, sind vor allem Stricke der Lüge. Überall da, wo wir als Christen in der Lüge leben – und das tun wir alle mehr oder weniger – sind wir bereits in die Stricke des Satans geraten.

Der Grund dafür, dass auch Christen unter den Einfluss dämonischer Mächte geraten können, liegt darin, dass sie es immer noch mit dem Fleisch zu tun haben, mit dem Wesen des alten Menschen, der zwar gestorben ist, der aber seine Prägung in unserem Fleisch zurückgelassen hat. Dieses Fleisch bekehrt sich nicht – es hat bestenfalls einen frommen Anstrich. Wo wir diesem Fleisch Raum geben durch einen fleischlichen Wandel, da wird die Sünde mächtig und da kann es eben auch bei Christen zur dämonischen Verstrickung kommen. Dasselbe gilt auch da, wo wir uns von dem Weltgeist (oder Zeitgeist) bestimmen lassen anstatt von der Hl. Schrift. Dass dämonische Verstrickung auch bei Christen einen hohen Grad annehmen kann, wird uns in der Bibel sehr deutlich aufgezeigt. In 1. Korinther 10 weist uns Paulus darauf hin, dass wir in Gemeinschaft der Dämonen geraten können (ja sogar am Tisch der Dämonen sitzen und der Dämonen Kelch trinken!). Wichtig ist dazu auch das Wort in 2. Timotheus 2,25-26: „Er soll mit Sanftmut die Widerspenstigen zurechtweisen, ob ihnen Gott nicht noch Buße geben möchte zur Erkenntnis der Wahrheit und sie wieder nüchtern werden aus dem Fallstrick des Teufels heraus, von dem sie lebendig gefangen worden sind für seinen Willen.“

Hier wird klar, was dämonische Verstrickung heißt: Für den Willen des Satans gefangen genommen sein, m.a.W. ohne es zu wollen und vielleicht auch ohne es zu wissen, den Willen Satans zu tun. Ich sehe das gerade heute in der endzeitlichen charismatischen Verführung, wo viele meinen, für Jesus zu wirken und doch den Willen Satans tun. Das klingt hart, aber es ist so: Wo Christen etwa die Zusammenarbeit mit Katholiken suchen und auf eine Vereinigung aller Kirchen hinarbeiten, da tun sie den Willen Satans, der dabei ist, seine eigene, alle Religionen umgreifende Weltkirche zu bauen.

Weitere Schriftworte, die von „dämonischer Verstrickung“ reden: Apostelgeschichte 5,3; Epheser 2,2; 4,17; 5,11; 1. Timotheus 3,7; 5,15. In diesen Versen wird gesagt, Christen können „Gemeinschaft haben mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis“, „der Schlinge des Teufels verfallen“; sich „von der Wahrheit abwenden dem Satan nach“; ja, der Satan kann sogar ihr Herz erfüllen, wie das bei Ananias und Saphira der Fall war. Das ist zwar noch nicht Besessenheit, aber es bedeutet doch, dass Satan auf ihre Entscheidungen Einfluss nehmen kann.

3.2 Gibt es Besessenheit bei Christen?

Nun stellt sich die wichtige Frage, ob wiedergeborene Christen auch besessen sein können. Die Schrift schweigt zu diesem Punkt, sie zeigt uns kein einziges Beispiel und schon gar keine Lehraussage darüber. Das gilt es zunächst ernstzunehmen. Ohne Zweifel wäre es eine ernste Sache, wenn ein Christ besessen sein könnte. Das würde ja bedeuten, dass er ganz unter die Herrschaft Satans kommt. Alle Anweisungen der Schrift bezüglich der Heiligung des Lebens würden bei solchen Christen ihren Sinn verlieren, da sie ja nicht mehr Herr ihres Willens wären. Für mich ist es undenkbar, dass uns über eine für die Heiligung so bedeutsame Tatsache keine Anweisungen gegeben sein sollen.

Was versteht man unter Besessenheit? Besessenheit1 hat es mit Besitz, mit Kontrolle, mit Herrschaft zu tun. Unter Besessenheit versteht man, dass ein Mensch völlig unter die Herrschaft des Satans gekommen ist. Die Herrschaft Satans über Menschen ist auch bei Ungläubigen graduell verschieden. Besessenheit ist die weitestgehende Form dieser Herrschaft, die Besitzergreifung einer Person durch eine personfremde Macht. Diese Besitzergreifung umfasst die Kontrolle des Willens dieser Person, seines Verstandes und seiner Gefühle. Das schließt aber nicht aus, dass ein solcher Mensch zum Glauben an Jesus kommen kann. Wo ein Wille zur Umkehr vorhanden ist – mag er auch noch so schwach sein – da wird Gott eingreifen und Satan in die Schranken weisen. Ein solcher Mensch wird die Möglichkeit zur Bekehrung haben, auch wenn das Ganze nicht ohne Kampf ablaufen wird. Als wiedergeborene Christen gehören wir dem Machtbereich Christi an, dem Reich des Lichts. In diesem Reich herrscht Christus, nicht der Satan. Und Christus wird es Satan nicht erlauben, einen Menschen, der ihm gehört, unter seine Kontrolle zu bringen. Jesus sagte doch: „Niemand kann sie aus meiner Hand reißen!“ Und in Römer 8,38f. lesen wir: „Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch irgendein anderes Geschöpf uns zu scheiden vermag von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ Eigentums- und Besitzrecht ist in der Hand unseres Herrn. Wir können aber Satan Verfügungsrechte einräumen.


Abb. 1-10

Nehmen wir an, Sie besitzen ein Klavier und ihre Nachbarin, die kein eigenes Klavier hat, würde gern hin und wieder auf ihrem Klavier üben. Das können Sie ihr natürlich jederzeit erlauben. Es würde aber nichts an der Tatsache ändern, dass Sie der Besitzer des Klaviers sind. Und es läge nach wie vor völlig in Ihrer Gewalt, ihr dieses Recht zu nehmen.

Genauso liegt es letztlich an uns selbst, ob wir Satan Verfügungsrechte über unser Leben einräumen. Und es liegt immer in unserer Hand, ihm diese Rechte wieder zu entziehen. Das geschieht durch Buße und Abkehr von allem, was ihm Raum gibt und ein Leben im Glauben und Gehorsam zu unserem Herrn Jesus Christus.

3.3 Leiden wir unter den Bannwirkungen der Schuld unserer Vorfahren?

Die Annahme, dass es bei Christen dämonische Verstrickung gibt, die nicht auf eigene Schuld, sondern auf die Schuld der Vorfahren zurückgeht, ist heute weit verbreitet. Die Bibel unterstützt diese Auffassung meiner Meinung nach nicht. Man begründet diese Lehre in der Regel mit dem Wort in 2. Mose 20,5b-6: „Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott, der die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied derer, die mich hassen, der aber Gnade erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.“

Zunächst einmal gilt es zu registrieren, dass in dieser Stelle gar nicht von „okkulter Belastung“ die Rede ist, sondern von Heimsuchung bzw. Strafe. Leider wird der Begriff „Heimsuchung“ (hebräisch „paqad“) vorschnell mit Okkultbelastung gleichgesetzt. Tatsächlich aber kann er in diesem Zusammenhang eigentlich nur „Strafe“ bedeuten. Und diese Strafe war im Alten Bund ein zeitliches Gericht, das ja tatsächlich oft erst über spätere Generationen der Israeliten hereinbrach, sofern sie im Götzendienst verharrten. Dem frommen Hiskia hat Gott die Zusage gegeben, dass das längst fällige Gericht um seinetwillen noch einmal hinausgeschoben, aber nach seinem Tod unweigerlich über die nachfolgende Generation hereinbrechen würde (2Kön 20,16-19).

Überhaupt wird bei der Auslegung dieses Verses der Akzent verschoben: Die Betonung dieser Aussage liegt ja nicht auf der Heimsuchung, sondern auf der Gnade. Den drei bis vier Generationen, die Strafe für die Sünden der Vorväter zu befürchten haben, werden tausende Generationen gegenübergestellt, die Gnade erfahren, wenn ihre Vorväter Gott gefürchtet haben! Somit wird uns hier Gott als langmütig und gnädig vorgestellt. Leider wird gerade dieser zweite Teil des Verses beim Zitieren oft unterschlagen. Aber setzen wir doch mal gerade an diesem Teil an. Was heißt das, wenn dasteht, dass Gott „Gnade erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten“? Ist das so zu verstehen, dass ich Gottes Gnade und Segen erfahren werde, wenn 50 Generationen (oder gar Tausend!) vor mir in meinem Stammbaum einer war, der Gott geliebt und seine Gebote gehalten hat – und zwar unabhängig von meinem eigenen Gehorsam? Das können wir uns doch kaum vorstellen. Im Übrigen sind es bis auf Adam ganz sicher keine tausend Generationen. Somit wäre dann ja jeder Mensch Empfänger dieser Gnade.

Wir brauchen uns nur die Könige Israels vor Augen zu halten. Denken wir an König Hiskia: welch ein gottesfürchtiger Mann! Von ihm wird gesagt: „Er tat, was recht war in den Augen des HERRN, nach allem, was sein Vater David getan hatte.“ Sein Sohn war Manasse, von allen Königen Israels wohl der schlimmste Götzendiener und Okkultist. Stand er wegen seines Vaters Hiskia unter dem Segen Gottes? Ganz gewiss nicht. Es heißt in 2. Chronik 33,11: „Da ließ der HERR die Heerführer des Königs von Assyrien über sie kommen; die fingen Manasse mit Haken, banden ihn mit zwei ehernen Ketten und führten ihn nach Babel ab.“ Manasse erfuhr dann zwar noch die Gnade Gottes, aber weshalb? Weil er selbst Buße tat, sich vor Gott demütigte und sich dann radikal von allem trennte, was mit seinem früheren Götzendienst zu tun hatte!

Also ist es doch offensichtlich so gemeint, dass der Segen eines gottesfürchtigen Menschen auf alle die übergeht, die in seinen Fußstapfen wandeln, aber eben nicht automatisch auch auf die anderen. Wenn wir nun aber den zweiten Teil des Verses so interpretieren, dann müssen wir den ersten Teil ebenso interpretieren. Das heißt konkret: Gott sucht die Missetat der Väter bis ins dritte und vierte Glied derer heim, die in den Fußstapfen der Väter wandeln. Diese Gerichtslast hat sicher auch damit zu tun, dass die Kinder sich an den Vätern orientieren und von daher leicht in dieselben Sünden geraten. Ein klares Licht wirft auf unser Problem eine zu 2. Mose 20,5 parallele Stelle im Buch Jeremia (32,18-19):

„Du erweist Gnade vielen Tausenden und vergiltst die Missetat der Väter in den Schoß ihrer Kinder nach ihnen, du großer und starker Gott, dessen Name „HERR der Heerscharen“ ist, groß an Rat und mächtig an Tat; dessen Augen über allen Wegen der Menschenkinder offenstehen, um jedem Einzelnen zu geben gemäß seinen Wegen und gemäß der Frucht seiner Taten.“

Hier wird es klar ausgesagt, dass sich die Strafe an dem eigenen Tun orientiert. Wenn auch die Folgegenerationen nicht Buße tun, sondern wie die Väter im Götzendienst und im Ungehorsam gegenüber den Wegen Gottes verharren, trifft sie schließlich die angekündigte Gerichtslast. Aber diese Gerichtslast wird doch nicht mehr diejenigen treffen, die sich von den Sünden der Väter abgewandt haben. Sehr deutlich wird diese Tatsache auch in Hes 18,20-21 aufgezeigt:

„Die Seele, welche sündigt, die soll sterben! Der Sohn soll nicht die Missetat des Vaters mittragen, und der Vater soll nicht die Missetat des Sohnes mittragen. Auf dem Gerechten sei seine Gerechtigkeit, und auf dem Gottlosen sei seine Gottlosigkeit! Wenn aber der Gottlose umkehrt von allen seinen Sünden, die er begangen hat, und alle meine Satzungen bewahrt und Recht und Gerechtigkeit übt, so soll er gewiss leben; er soll nicht sterben.“

Siehe auch Jeremia 31,29-30. Wenn das schon im Alten Bund so war, wie viel weniger kann es sein, dass Menschen, die sich zu Jesus Christus bekehrt haben und ihm nachfolgen, unter den geistlichen Auswirkungen der Sünden ihrer Eltern zu leiden haben! Denn das schließt ja immer auch ein, dass sie in ihrem geistlichen Leben blockiert wären. Solch eine Vorstellung schmälert die Erlösungstat unseres Herrn! Wenn eine Blockade besteht, dann doch nur deshalb, weil diese Christen in ihrem fehlgeprägten Denken dem Teufel eine Macht einräumen, die er objektiv nicht hat.

Unzweifelhaft hat Sünde Auswirkungen, die auch folgende Generationen betreffen können und zwar in verschiedener Hinsicht. Denken wir nur etwa an Erbschäden wie die Alkoholembryopathie, mit denen Kinder geboren werden, weil die Mutter während der Schwangerschaft Drogen- oder Alkoholmissbrauch betrieben hat oder weil der Vater Syphilitiker war. Oder denken wir an die Folgen einer mangelnden oder schädlichen Erziehung aufgrund eigener moralischer Defizite. Hier wäre auch die Auswirkung des elterlichen Vorbilds zu nennen. Sündiger Lebensstil wird nicht selten an die Kinder weitervermittelt. Nicht ohne Grund haben bei einem hohen Prozentsatz der Alkoholiker schon der Vater oder die Mutter getrunken. Doch das hat mit okkulter Belastung nichts zu tun.

Weiter ist es nicht von der Hand zu weisen, dass bei Kindern, deren Eltern Zauberei betrieben haben, manchmal schon in frühem Alter eine außergewöhnliche Sensibilität für übernatürliche Phänomene beobachtet werden kann. Dass Medialität über Generationen weitergegeben werden kann, wurde von Dr. Kurt Koch mit einer Reihe von Fallbeispielen begründet. Durch praktische Ausübung der Okkulttätigkeit wird diese Fähigkeit verstärkt.

Ein Beispiel dafür ist etwa der Psychologe Carl Gustav Jung. Jung war schon als Kleinkind ein überaus begabtes Medium. Beide Großväter wie auch die Mutter waren dem Okkultismus verfallen. Jungs Mutter hatte das sog. „zweite Gesicht“ und war Spiritistin. Jung selbst befasste sich früh schon mit Spiritismus und bezeugte selbst, dass er aus zwei Personen bestehe. Auch seine Schwester war von klein auf medial begabt. Diese mediale Begabung verliert sich aber, wenn ein Mensch sich Christus zuwendet und von neuem geboren wird. Manchmal bleibt allerdings eine erhöhte Sensibilität für okkulte Dinge, die aber, wenn der Betroffene ihr keinen Raum gibt, ebenfalls nachlässt und ganz verschwinden kann.

Doch alle diese Auswirkungen von okkulter und anderer Sünde auf das Leben der Nachkommen begründet nicht die Auffassung, dass Christen unter einer Belastung leiden müssten, die ihre Vorväter auf sie gebracht haben. Denn die Schrift macht unmissverständlich klar, dass der wiedergeborene Christ, der die Erlösung in Christus angenommen hat, um die Befreiung von den Bannwirkungen der Vorfahren wissen darf. In 1. Petrus 1,18 heißt es: „Denn ihr wisst ja, dass ihr nicht mit vergänglichen Dingen, mit Silber oder Gold, losgekauft worden seid aus eurem nichtigen, von den Vätern überlieferten Wandel, sondern mit dem kostbaren Blut des Christus, als eines makellosen und unbefleckten Lammes.“

Letztlich geht es um die Frage: Ist die Erlösung, die Christus uns erwirkt hat, vollständig oder bedarf sie der Ergänzung durch unser Tun? Halten wir also fest: Wir brauchen keine Ahnenforschung zu betreiben, um ein Gott wohlgefälliges und heiliges Leben führen zu können. In Christus ist uns dazu alles schon gegeben (2Petr 1,3). Nichts und niemand kann uns daran hindern, in der Freiheit der Kinder Gottes zu wandeln, als nur wir selbst. Unsere Gebundenheit kommt daher, dass wir nicht die Wahrheit verstehen, denken und glauben, sondern die Lüge. Wo es dem Vater der Lüge gelingt, unser Denken in die Lüge hineinzuführen bzw. vorhandenes lügenhaftes Denken zu nähren, da gelingt es ihm, uns im Blick auf die uns in Christus geschenkten Möglichkeiten zu binden. Notwendig ist daher ein Umdenken und Neudenken auf der Grundlage der Wahrheit der Heiligen Schrift.

1 Dem deutschen Wort „Besessenheit“ entspricht im Griechischen „daimonizomenos“, ein Wort, dessen Bedeutung am ehesten mit dem deutschen Wort „Dämonisierung“ wiedergegeben wird.

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