Читать книгу Afrika - Leben, Lachen, frei sein - Silas Jäkel - Страница 13

BRUTUS, JACOBI UND GUMBI (CHAPTER SIX)

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Der Staub rieselte von der Decke und wirbelte durch den ganzen Bus. Steine schlugen mit lautem Knall von draußen gegen die Fenster und hinterließen große Macken in der Scheibe. Der Sitz vor mir bebte und zitterte. Nur die Bodenhalterung mit den drei Schrauben verhinderte, dass er mit uns durch die Luft flog. Vor gut zehn Minuten hatten wir die ruhige asphaltierte Straße verlassen und waren auf einen Schotterweg eingebogen. Über Schlaglöcher und faustgroße Steine bretterten wir jetzt mit guten siebzig Sachen hinweg. Immer wieder wechselte unser Fahrer die Spur und fuhr zeitweise nach europäischer Straßenverkehrsordnung auf der rechten Fahrbahn. Gegenverkehr gab es nicht und wenn doch, dann konnte man ihn in der Ferne schon Minuten vorher erkennen. Beziehungsweise eine näherkommende graue Staubwolke, der man dann rechtzeitig ausweichen konnte. Ich drehte mich um in die letzte Reihe. Unser Anhänger war noch da. Ich hatte schon das Schlimmste befürchtet. Mit seiner nicht vorhandenen Federung hüpfte er die ganze Zeit auf der steinigen Offroad-Straße hinter dem Bus her. Sonderlich glücklich hörte sich seine Radachse dabei nicht an.

Rums. Ein Eierkarton war vorne gegen die Fahrerkabine gerauscht. Ein weiterer machte sich gerade von Jessis Sitzreihe auf dem Weg, es ihm gleichzutun. Ich klammerte mich an den Haltegriff vor mir und hielt mit den Beinen meine Tasche fest. Wo war eigentlich meine Jacke? Ich suchte den ganzen Boden ab, bis ich sie schließlich fand. Sie war auf dem Weg nach vorne einem Eierkarton in die Quere gekommen und bildete dort so etwas wie einen Staudamm. Ganz verstaubt und verdreckt sah sie aus. Es graute mir schon vorm Saubermachen.

Ein lauter Knall, gefolgt von McKenzies Lachen, ertönte und schreckte uns alle auf.

„Oh fuck“, sagte er lachend. „I think we gonna die, haha.“

„Ob wir die Fahrt überleben, weiß ich nicht, aber die Eier werden es auf jeden Fall nicht schaffen, wenn das hier so lange noch so weitergeht.“ Die 1080 Eier hatten sich gerade von meiner Jacke verabschiedet und rauschten gegen einen weiteren Karton.

„Jetzt weiß ich auch, warum er so viele Eier gekauft hat.“ Jessi schaute mich fragend an. Die Sache mit den Eiern hatte ihr echt den Stecker gezogen.

„Ja, weil nur zehn Prozent heil auf der Farm ankommen.“

„Das stimmt.“ Sie lachte. „Wenn überhaupt.“

„Dann gibt es heute Abend halt Rührei“, sagte Marlene freudig. „Gibt Schlechteres.“

Salz und Pfeffer hätten wir ganz sicher nicht mehr gebraucht. Der Staub wirbelte nur so durch die Luft. Ich hustete und trank danach ein wenig Wasser aus meiner Flasche. Meine Kehle war durch die staubige Luft ganz trocken geworden.

„Meint ihr, wir brauchen noch lange?“, fragte Marlene und schaute auf ihre Uhr.

„Keine Ahnung. Wie spät ist es eigentlich?“ Ich hatte gar kein Zeitgefühl mehr.

„Du hast doch selber eine Uhr …“

„Oh stimmt ja.“ Um meinen Orientierungssinn schien es durch das ganze Gerüttel auch nicht mehr so gut zu stehen. „Was, halb sechs?“ Ungläubig starrte ich auf meinen Arm. „Marlene, weißt du noch, wie ich am Morgen gehofft hatte, dass wir zum Mittagessen pünktlich auf der Farm ankommen?“ Sie lachte und nickte mit dem Kopf.

„Könnte knapp werden mit dem Essen, wenn du mich fragst.“ Ich gab ihr recht. Von nun an ging es nur noch darum, wenigstens zum Abendessen pünktlich anzukommen. Die Käsebrötchen waren bei den ganzen Schlaglöchern längst verdaut, sodass ich einer richtigen Mahlzeit mehr als offen gegenüberstand. Den anderen ging es nicht anders. Nur bei McKenzie war ich mir nicht ganz sicher. Manchmal lachte er plötzlich und murmelte in der Folge irgendwelche Sätze vor sich hin. Fünf Minuten später war er wieder am Schlafen oder machte irgendwelche Dehnbewegungen für seinen Nacken und Rücken. So richtig wurde ich aus seinem Verhalten nicht schlau.

Wir passierten ein großes Tor auf der linken Seite und fuhren weiter durch den Busch. Begleitet wurden wir von einem Zaun, der mich an die Serie erinnerte, die ich vor Jahren im Fernsehen gesehen hatte. Aufmerksam versuchte ich, Tiere zu erkennen, die sich vielleicht dahinter im Gebüsch versteckten. Ich war mir nicht sicher, aber manchmal schien ich mir einzubilden, etwas im Busch gesehen zu haben. Jessi, Marlene und McKenzie taten es mir gleich und scannten mit ihren Augen die Landschaft hinter dem Zaun.

„Hä?“ McKenzie drehte sich überrascht zu Jessi. Jessi musste mehrmals schnipsen, bis er reagierte. Er war wieder am Träumen gewesen.

„What do you think? When will we arrive?“

„Well, I think …“, überlegte er. „Maybe twenty minutes. I guess.“ Wir erreichten ein weiteres Gatter. Auf ihm stand auf einem Schild geschrieben: „10 Kilometers.“ McKenzie lag mit seiner Vermutung gar nicht mal so falsch. Zwanzig Minuten konnte bei dem Tempo gut hinkommen. Wir fuhren mit vielleicht zwanzig Stundenkilometer zwischen den beiden Zäunen her. Die Straße war an einigen Stellen nicht allzu breit. Aufgeregt zählte ich die Minuten runter und versuchte mich an die Folge zu erinnern, in der Volontäre mit einem etwas kleineren, robusteren Bus die Farm erreichten und von den anderen empfangen wurden. Ich meinte, dass in der Folge ein grünes Haus vorkam.

„Leute, ich glaube, wir sind da“, sagte Marlene plötzlich. „Guckt mal: Da steht so ein grünes Haus. Da zwischen den Bäumen.“

„Wo?“ Gespannt schaute ich aus dem Fenster. Leider verdeckte gerade ein Dornenbusch die Sicht. „Ich sehe nichts.“

„Ich auch nicht.“

„Ja, wartet. Gleich müsstet ihr es sehen. Da …“ Jetzt sah ich es auch. Ohne Brille konnte man das gut getarnte Haus gar nicht erkennen. Kein Wunder, dass Marlene im Vorteil war und es zuerst sah. Umringt von Büschen stand es direkt unter einem großen Baum, dessen Äste fast bis zum Boden hingen. Es sah wirklich genauso aus wie in der Serie. Wir parkten wenige Meter vom Gebäude entfernt. Erst von Nahem fiel mir auf, dass das Gebäude keine Türen und Fenster hatte. „Hey Rico.“ McKenzie schien es nicht großartig zu interessieren, dass das Haus keine Fenster hatte. Wie aus dem Nichts sprang er plötzlich von seinem Platz auf und hämmerte seine Faust gegen die Fensterscheibe. Es fehlten nur Millimeter und er wäre volle Kanne gegen die niedrige Decke des Busses gedonnert.

„Hey Rico. Rico. What´s up, määäään? Hey Rico, haha.“ Euphorisch griff er im Stehen nach seinem Rucksack und sprang wie ein energiegeladener Flummi über die 1080 Eier. „Yeah. Rico haha.“

Er hörte gar nicht mehr auf mit seinen Rico-Rufen. Vielleicht war er bei einem großen Schlagloch doch gegen die Decke gekommen. Wir stiegen über die Eier-Kartons und folgten ihm nach draußen.

„Silas, schau, der Strauß dahinten.“ Jessi hatte zuerst herausgefunden, wen McKenzie so überschwänglich begrüßte. Sie zeigte auf einen Strauß, der gerade über die Wiese an zwei grasenden Gnus vorbei sprintete.

„Hey Rico. Why are you running? Stop it!“ Bei McKenzies Rufen hätte ich wahrscheinlich auch die Flucht ergriffen. Neugierig schaute ich mich in der Gegend um. Bis auf den panisch, flüchtenden Strauß hatte sie noch viel mehr zu bieten. Vom grünen Gebäude aus hatte man einen super Blick auf eine Wasserstelle, die gute zweihundert Meter von uns entfernt in der grünen Graslandschaft lag. An ihr versammelten sich gerade mehre Antilopen und Springböcke, die vom Lärm irritiert in unsere Richtung starrten. Mein Blick fiel auf einen Pool, der mir beim Aussteigen noch gar nicht aufgefallen war. Auf seiner Wasseroberfläche schwammen mehrere tote Motten, wenn sie nicht im Kies neben dem Pool lagen. Um den Pool standen mehrere Holzliegen bereit, wobei eine ziemlich kaputt und ramponiert aussah.

„Ich weiß schon, wo ich meine Freizeit in den nächsten vier Wochen verbringen werde.“

„Ich weiß es auch“, grinste Marlene.

„Wir brauchen nur so was wie einen Kescher. Ich sehe das Wasser vor lauter Motten nicht.“ Glücklicherweise lag direkt neben den Treppenstufen einer.

„Hey, guckt mal, Leute, da kommen zwei auf uns zu.“ Jessi hatte ein Mädchen und ein Junge entdeckt, die hinter einem Dornenbusch aufgetaucht waren. Auf einem schmalen Weg, der vorbei am Dornenbusch mitten aus dem Busch zum Gebäude führte, liefen sie in unsere Richtung. Sie lächelten von Weitem.

„Hey, guys, nice to meet you. My name is Anna and that is Joschka.“

„Hi.“

„Can we help you with your baggage?“ Anna hatte blonde lange Haare und erinnerte mich vom Aussehen ein wenig an meine Schwester. Sie hatte einen richtigen Lockenkopf. Joschkas Haare waren dagegen ein wenig kürzer als ihre. Um einiges kürzer. Ich überlegte, ob mir sein Maschinenkurzhaarschnitt auch stehen würde, ließ den Gedanken jedoch schnell fallen, auch wenn kurz geschorene Haare bei den Temperaturen in Namibia sicherlich keine allzu schlechte Idee waren. Beide kamen wie ich aus Deutschland. Dankend nahmen wir ihre Hilfe an. Bei unseren ganzen Koffern, Taschen und Jacken konnten wir gut Hilfe beim Tragen gebrauchen. Vor allem McKenzie brauchte bei seinem XXL-Koffer Hilfe, den er kaum durch den ganzen Sand geschoben bekam. Voll bepackt folgten wir Anna und Joschka ins Gebäude. Im Inneren standen überall Holzbänke und Tische mit Soßen und Gewürzflaschen bereit.

„Hier essen wir immer zu Mittag und verbringen unsere Pausen. Wir haben hier sogar einen Kiosk, wo ihr Kaltgetränke und Chips kaufen könnt“, sagt Anna und deutete auf einen Tresen, hinter dem ein Kühlschrank mit Cola- und Fanta-Dosen stand.

„Is Hermän still the barkeepär?“, fragte McKenzie neugierig.

„Yes, haha“, lachte Joschka. „Why do you know him?“

„Well, it is my fourth time here. Last year I always ordered juice by him. What is with crazy Ädlin? Is he still coordinator on the farm?“

„Whaat, your fourth time?“ Joschka schaute ihn mit großen Augen an. „Sick. Yes he is …“ McKenzie grinste zufrieden. Wir setzten uns auf eine Bank, die direkt am Eingang stand. Von da aus ließ ich meinen Blick im Raum umherschweifen. Der Boden war mit Kieselsteinen bedeckt, während an den Wänden Bilder von ehemaligen Volontären hingen, die gemeinsam mit Affen auf den Schultern in die Kamera lachten. Oben an der Decke sah man mehrere Handabdrücke, die in den unterschiedlichsten Farben und Größen zu uns runterwinkten.

„Wie viele Volontäre sind momentan hier auf der Farm?“, fragte Jessi beim Anblick der Bilder.

Anna schaute Joschka fragend an, der bereits am Zählen war.

„Was meinst du? Wie viele sind wir momentan? Zwanzig, oder?“

„Kommt ungefähr hin. Neunzehn, zwanzig müssten wir etwa sein.“

„Und wo sind die alle?“, fragte Marlene. Bis auf Rico waren Anna und Joschka die einzigen Zweibeiner, die wir bisher gesehen hatten.

„Die sind auf der Farm und warten schon gespannt auf euch“, sagte Anna. „Ihr werdet sie beim Abendessen gleich alle kennenlernen.“ Abendessen klang gut, dachte ich mir und zwinkerte Marlene zu. „Wir warten jetzt hier noch auf Dossie. Dossie ist Headcoordinator auf der Farm und verantwortlich für alle Volontäre.“ McKenzies Augen fingen an zu leuchten.

„You know Dossie, right?“ McKenzie nickte.

„Ihr werdet sie auch mögen“, versprach uns Anna. „Genau, was ich euch noch sagen wollte. Dossie wird es euch wahrscheinlich gleich auch noch ans Herz legen. Die meisten Volontäre sprechen deutsch, jedoch gibt es auch ein paar, die kein Deutsch verstehen. Deswegen unterhaltet euch am besten auf Englisch, damit die anderen nicht ausgeschlossen werden.“ Sie schaute zu McKenzie. „I told them that we have to speak in English. Not all people understand German …“

„Oh, I know the rule, but in the last years the rule did not work very successful. The most people spoke German. I do not care.“ McKenzie zuckte lachend mit den Schultern. Wie sich in den nächsten Wochen herausstellte, mussten Anna und Dossie mehrmals die Englisch-Regeln vor allen wiederholen und uns ins Gewissen reden.

„Look, Dossie is coming.“ Wir schauten nach draußen zum Pool, an dem Dossie gerade vorbeiging. Mit einem großen Lächeln begrüßte sie uns wenig später herzlich in der Tür.

„Hey guys, nice to meet you.“ Sie reichte jeden von uns die Hand. „My name is Dossie and I am responsible for all volunteers with my team. Hopefully you had a good trip?“ Sie setzte sich neben Anna und Joschka auf die Bank und legte eine Mappe auf den Tisch. Dossie hatte eine etwas stämmigere Figur. Sie trug eine Kappe, unter der ein Pferdeschwanz zum Vorschein kam. Wie Anna hatte sie naturblondes Haar. An ihrem Hals trug sie ein kleines Tattoo, das wie ein Herzschlag aussah. Zumindest interpretierte ich die Linie hinter dem Herzen so. Auch Anna war tätowiert. An ihrem Unterarm stand „Hakuna Matata.“ Passte zu ihrer Person. Irgendwie bekam ich jetzt auch Lust auf ein Tattoo. Eines, das mich vielleicht an die Reise erinnern würde. Die Zahlen 800 und 1080 kamen mir gleich in den Sinn. Naja, die Auswahl war noch nicht so überzeugend. Vielleicht würde sich in den nächsten Wochen noch bessere Motive ergeben.

„Yes, thank you Dossie“, sagte Marlene.

„Nice to hear.“ Dossie lächelte. „McKenzie nice to see you. How are you, my friend?“

„Hi Dossie. I am good. Thänks.“

„Nice that you are here guys. There is a lot of work on the farm, and we really appreciate your help.“ Anna und Joschka nickten. Ihren dreckigen Beinen und Armen zufolge hatten sie heute schon ordentlich angepackt.

„Did Anna and Joschka already tell you something about the rules and the AM-Tour?“

„The English rule?“

„Exactly.“

„They did, but not about the AM-Tour.“

„Alright. You must know that we have people from all over the world here. People from France, New Zeeland, Norway, Germany, Switzerland and Namibia. I really thank you when you respect it. Speak English. That’s the language everyone understands.“ Wir nickten brav, wobei wir uns keine Illusionen über unsere mangelnden Sprachkenntnisse machten.

„Tomorrow you will be part of the AM-Tour. Anna, did you tell them about the breakfast time?“

„No. Do you want?“

„You can do it.“

„Okay. McKenzie, I guess you know the times, right? McKenzie?“

„Hä?“ McKenzie war mit seiner Aufmerksamkeit schon wieder woanders. Er hatte Rico entdeckt, der gerade neugierig um unseren Bus schlich und nach Nahrung suchte. Wahrscheinlich hatte er den Geruch von Eiweiß aufgenommen. Ich schaute auf seine aufgepumpten, muskulösen Beine. Ein Tritt von ihm und ich hätte mein afrikanisches Tattoo.

„The times, yes. I can remember.“

„Perfect. Breakfast is always from seven to quarter to eight. After breakfast, all volunteers have a meeting with Dossie and her team. In the meeting we normally speak about the day, the upcoming work and yes …“ Sie überlegte, ob sie irgendwas vergessen hatte.

„… the AM-Tour tomorrow.“

„Ah yes, thanks, Dossie. As Dossie said before all of you will be part of the AM-Tour tomorrow. Please be at quarter to six at the farm. My advice: Wake up against five, then you have enough time to walk over.“ Fünf Uhr. Ich schaute zu Jessi, die wie ich mit Ausschlafen morgen gerechnet hatte. Zumindest sehnten wir uns jetzt schon danach, auch wenn wir noch keinen Tag gearbeitet hatten. Das Volontär- und Farmleben - nichts für Langschläfer.

„How the tour looks like you will see tomorrow.“ Ich war beeindruckt von ihrem einwandfreien, flüssigen Englisch. Beim Koffertragen zu unseren Schlafplätzen erzählte uns Anna später, dass sie schon seit Weihnachten auf der Farm lebe. Davor war sie für mehrere Wochen in Kapstadt gewesen und hatte dort ein Kinderprojekt betreut. Kein Wunder also, dass sie so gut Englisch sprach.

Dossie reichte uns Neuankömmlingen jeweils einen Umschlag mit der Bitte, das Schreiben darin unterschrieben samt Umschlag bis spätestens Montag im Farmoffice abzugeben. Irgendein Schreiben mit einer Einverständniserklärung. Das Schreiben fasste mehrere Seiten. Neben dem Schriftstück, das bestimmt in Schriftgröße 6 verfasst war, lag in dem Umschlag eine Karte, die unser Zahlungsmittel für all unsere Käufe auf der Farm sein sollte.

„You have to pay 500 Rand when you lose your card“, ergänzte Dossie und schaute in meine Richtung. Sie schien zu ahnen, wer von uns Neuen wahrscheinlich am ehesten seine Karte verlieren würde. Damit lag sie auch gar nicht mal so falsch. Neben Schlüsseln, die ich auch gerne mal im Haustürschloss von draußen stecken ließ, ging mir meistens irgendwas verloren. Vorsichtig steckte ich die Karte erst mal zurück in den Umschlag.

„Anna und Joschka will show you the accommodations where you sleep. After that you will meet all volunteers and the staff by dinner. I think that’s all information for this moment.“ Sie kontrollierte ihre Liste. „Oh no. Maybe one word to the rooms. Marlene, you share a room with Jessi, Adelle and Flo. And Silas you …“ Gespannt schaute ich zu ihr. „You will share your room with Mckenzie. Alright?“ Bitte nicht … Mir schossen sofort die beiden Erdnussbuttergläser in den Kopf. Ich konnte nur drauf hoffen, dass McKenzie keine Erdnussbutterunverträglichkeit hatte. Aber er war Amerikaner. Stolzer Amerikaner. Er konnte Erdnussbutter bestimmt gut ab. McKenzie grinste mich glücklich an.

„Sounds good“, sagte ich diplomatisch. Hoffentlich ging das mit ihm auf einem Zimmer gut …

„Joschka, gehst du mit Silas und McKenzie? Ich zeig dann Marlene und Jessi, wo ihre Hütte ist.“

„Machen wir so.“ Dossie hatte sich mittlerweile von uns verabschiedet. Mit einem weißen Geländewagen fuhr sie schon mal Richtung Farm vor. Wir sollten sie nachher wiedertreffen.

Der Weg, den Joschka einschlug, führte vorbei an mehreren Büschen und Bäumen. Die Holzhütten, die wir passierten, sahen alle gleich aus. Zu jeder Holztür führte eine dreistufige Treppe mit einer Holzreling. Neben den Hütten waren Wäscheleinen gespannt, auf denen Socken und Unterwäsche im Wind hin und her baumelten. Wenn sie nicht schon am Boden im Sand lagen. Jede Hütte hatte ihren eigenen afrikanischen Namen. Manche kamen einem Zungenbrecher gleich. Unsere Hütte hatte einen vergleichsweise einfachen Namen …


„Ovambo ist eure Hütte, Silas.“ Joschka blieb vor einer Hütte stehen, die etwas abseits gelegen war. „Moment: Wo ist McKenzie hin?“

„Keine Ahnung.“ Ich drehte mich um. „War er gerade nicht noch hinter uns? Ah, da ist er ja …“ McKenzie tauchte plötzlich hinter einem Dornenbusch auf. Sichtlich angestrengt zog er seinen Koffer durch den Sand. Seine Körperhaltung sah dabei alles andere als gesund aus. Er machte sich selbst das Leben schwer.

„Carry, McKenzie, carry. Not pulling.“

„What?“

„Not pulling. Carry …“

„Ah.“ Er warf seine Durch-den-Sand-zieh-Taktik über den Haufen, hob den Koffer mit beiden Armen ein Stückchen in die Luft und freute sich, dass er jetzt viel schneller vorankam. „Thääänks for your äädvice, määän.“ Wild schnaubend erreichte er die Treppe, an der Joschka und ich warteten. Ich wollte gar nicht wissen, was McKenzie alles in seinem Koffer hatte.

Die Hütte war gemütlich und einfach eingerichtet. Es gab mehrere Holzbetten und Schränke, sogar der Boden war aus Holz. Er knackte und knarrte bei jedem Schritt. Ich hievte mein Koffer auf das hintere Bett und hing meine verstaubte Jacke auf einem Bügel in den Schrank. Von der Decke hing über jedem der vier Betten ein großes Netz. Ein Blick auf die Glühbirne genügte, um zu wissen, warum sie über den Betten aufgehängt waren. Mehrere Moskitos schwirrten dort wild durcheinander. Die reinste Orgie aus summenden Moskitos. Beim Blick auf die schief im Rahmen hängende Eingangstür ahnte ich, dass es wahrscheinlich noch mehr Mücken werden sollten, wenn wir abends vorm Schlafengehen das Licht anhatten.

„Yes, mosquitos“, sagte Joschka. „Auch wenn ein paar Löcher im Netz sind, möchte man die Netze beim Schlafen nicht missen. Ich zumindest nicht, haha.“

Joschka meinte, wir könnten unsere Koffer später auspacken, schließlich war es gleich sieben Uhr und Zeit fürs Abendessen.

„Damn mosquito bites“, nuschelte McKenzie, während er seinen Koffer ausräumte. Jetzt wusste ich auch, warum dieser so schwer war. Er hatte eine komplette C&A-Filiale in seinem Koffer. Anziehsachen en masse. Hemden, Hosen, T-Shirts, Pullis, elektronische Geräte. Und Erdnussbutter natürlich. Auch im Koffer grinste mich eine Erdnuss mit Sonnenbrille an.

„Wow, McKenzie.“ Joschka rieb sich beim Anblick der vielen bunten Klamotten verwundert die Augen. „Tell me: How long do you want to stay? Crazy.“

Ich hatte ebenfalls mit dem Auspacken begonnen. Neben dem großen Koffer und den ganzen Einkäufen lagen schon mehrere Anziehsachen verteilt über meinem Bett. Eine Sache hatte es Joschka besonders angetan.

„Sag bitte nicht, dass da ein Brötchen drin ist?“ Er zeigt auf die Tüte vom Spar.

„Da ist noch ein Käsebrötchen drin, das Jessi nicht gegessen hat. Magst‘s haben?“

„Boah geil, gib her. Ich habe seit einem Monat nur Toast gegessen. Ich würde alles für ein Weizenbrötchen mit überbackenem Käse geben.“ Ich schmiss Brötchen samt Tüte in seine Richtung. „Kannst haben. Hier.“

„Danke, Mann.“ Gierig verschlang er es mit mehreren großen Happen.


Von unserer Hütte aus waren es etwa dreißig Meter bis zu den Duschen und Toiletten. Dort standen auch schon Anna, Jessi und Marlene.

Die Toiletten und Duschen erinnerten von der Qualität an einen Ein-Stern-Campingplatz. Zu mehr Sternen reichte es bei den vielen Insekten, Spinnen, Ameisen und Käfern nicht, die die einen Quadratmeter große Toilette für sich beanspruchten. Neugierig krabbelten sie über die Klobrille.

„Ihh.“ Jessi war begeistert. Sie gehörte zu den Menschen, die schon zusammenzucken, wenn sie in ihrer Nähe nur ein Insekt mit den Flügeln schlagen hören.

„Manchmal kann man sogar den anderen beim Geschäft von der Nachbartoiletten hören“, lachte Anna. „Ganz witzig, aber auch nicht immer, haha.“ Wieder musste ich an diese grinsende Erdnuss denken.

Vorbei an den Toiletten gingen wir weiter durch den Busch. Es dauerte bestimmt zehn Minuten, bis wir von der Volunteer Village das Farmgelände erreichten. Nicht selten scheuchten wir auf dem Weg durch den Busch zur Farm Gnus auf, die uns erst irritiert anschauten und dann wild und mit panischem Gesichtsausdruck davonstürmten. Während die Gnus mit ihren langen Gesichtern ziemlich bescheuert dreinschauten, sahen die vielen Mangusten mit ihren Knopfaugen und feuchten Näschen richtig süß aus. Neugierig schauten sie unter einem Busch hervor. Vor allem die Jungtiere und Babys brachten einen fast zum Dahinschmelzen. „Brrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr.“ Anna machte uns den Mangusten-Lockruf vor. Der wurde zur Fütterung verwendet. „Brrrrrr“, und schon sprinteten dreißig hungrige Mangusten auf einen zu, um die besten Leckereien abzubekommen.


Bild von Marlene Handler

Das Farmgelände konnte man von Weitem schon gut sehen. Entlang eines Bolzplatzes liefen wir direkt auf ein rotes Gittertor zu, hinter dem bereits mehrere Hunde ihre Nasen durch die Gitterstäbe streckten. Ihr Bellen hörte man schon aus weiter Entfernung. Rechts vom Tor standen unter einem Vordach mehrere Geländewagen, Safarijeeps und Autos, auf deren Ladeflächen Käfige gebaut waren. Sogenannte „Cage-Cars.“ In der Serie hatte ich bereits gesehen, wie in Cage-Cars Geparden gemeinsam mit Volontären durch den Busch kutschiert wurden. Verrückt, dass ich bald einer von ihnen sein würde.

„In dem linken Backsteinhaus wohnt Dossie mit ihrer Family. Und in dem rechten Teil des Gebäudes …“

„Meinst du das Gebäude mit dem bunten Spielzeuggerüst im Vorgarten?“, unterbrach ich Anna.

„Ja genau, da wo die Schaukeln und Rutschen sind. Da ist die Schule der Buschmänner.“

„Heißen die wirklich Buschmänner?“, fragte Marlene.

„Yes. Die Buschmänner arbeiten hier auf der Farm und bekommen neben einem kleinen Lohn Brot und eine Unterkunft gestellt. Und ihre Kinder gehen halt hier zu Schule. Manchmal dürfen wir Volontäre sogar den Unterricht übernehmen, wenn wir für School-Interaction eingeteilt sind.“

„Kids do not like me“, erwiderte McKenzie und fing an zu lachen. „They don´t understand me.“ Ach, echt? Ich konnte mir ein Lachen nur schwer verkneifen. Selbst Anna musste bei seinem Massachusetts-Englisch oft nachfragen, was er von einem wollte.

Wir schritten durch die kleine Eingangstür im roten Gittertor. Eigentlich rechnete ich fest damit, beim Durchtreten von gleich mehreren Wachhunden besprungen zu werden. Doch weit gefehlt. Nachdem sie uns vor wenigen Minuten aus der Ferne noch wild angebellt hatten, lagen sie jetzt faul auf dem Boden und streckten alle vier Beine von sich.

„Denkt bloß dran, die Tore immer zu schließen“, sagte Joschka mahnend. „Sonst kommt Ham von draußen rein.“

„Wer ist Ham?“

„Ein Warzenschwein. Es versucht immer, die Farm zu stürmen und hier was Essbares zu finden. Wenn es sich einmal irgendwo einnistet, dann dauert es Stunden, bis man ihn von der Stelle bekommt. Letztens lag Ham einen ganzen Tag am Klo und versperrte den Durchgang mit seiner Plauze.“ Irgendwie stellte ich mir diese Situation ziemlich witzig vor. Erst Wochen später begriff ich, dass ein aufgedrehter Ham in einer Toilette mit seinen Hauern gar nicht mal so ungefährlich war. Dann war reinste Vorsicht geboten, um nicht wie die Hyänen von Pumbaa durch die Luft geworfen zu werden.

„Vor allem die Tore zur FoodPrep. In der FoodPrep bereiten wir das ganze Essen für die Tiere vor. Die Tore müssen dort immer, immer, immer geschlossen sein!“

„Was kann den passieren, wenn wir aus Versehen mal das Tor zu FoodPrep nicht schließen?“ Ich fragte aus reinem Eigeninteresse nach. Wenn man Schlüssel von außen an Haustüren stecken lässt, dann ist man in der Regel grundsätzlich auch ein potenzieller Kandidat dafür, Tore zur FoodPrep offen stehen zu lassen. Besser, sich der möglichen Konsequenzen bereits im Vorfeld bewusst zu werden. So schlimm konnte es schon nicht sein. Oder doch?

„Dann bringt Brutus alle Wachhunde hier draußen um!“

Uff! Mit dieser Konsequenz hätte ich jetzt nicht wirklich gerechnet. „Wer bringt hier wen um?“

„Brutus“, wiederholte Joschka. „Ihr werdet ihn noch früh genug persönlich kennenlernen.“ So richtig wusste ich nicht, wie ich das interpretieren sollte. Irgendwie löste dieser Name leichte Unruhe und Nervosität in mir aus. Brutus. Der Name klang schon gefährlich und brutal. Ein grauer Hund schien den Namen Brutus mitbekommen zu haben und streckte erschrocken den Kopf in die Luft. Ich schluckte. Auch wenn die Wachhunde sich gerade in einem faulen, trägen Zustand befanden, waren sie von ihrer Statur durchaus muskulös und kräftig gebaut. Ihre Zähne blinkten in der Sonne. Wer zu Hölle musste Brutus sein, der es gleich mit mehreren muskelbepackten Wachhunden aufnehmen konnte?

„Ihr werdet Brutus spätestens morgen vor der AM-Tour kennenlernen. Am besten, ihr kommt gut mit ihm aus“, empfahl uns Joschka grinsend.

Er behielt recht. Am nächsten Morgen lernten wir Brutus kennen und lieben. Mit seiner Freundin Beati, ebenfalls eine große Dogge, war er als persönlicher Bodyguard für die Volontäre in der FoodPrep, der Futtervorbereitungsstation tätig. Auf der Farm lebten nämlich auch Paviane, die gerne aus ihren Gehegen ausbrachen und die Farm und ihre Arbeiter auf Trab hielten. Und damit die Volontäre nicht schutzlos einem ausgewachsenen Pavian gegenüberstehen mussten, gab es in der FoodPrep den Brutus-Beati-Doggen-Security-Service. Neben seinem Beruf als Bodyguard war Brutus aber vor allem eine liebe Dogge, die es liebte, am Bauch und hinter den Ohren gestreichelt zu werden, Volontäre beim Fleischschneiden zu beobachten und ihnen das ein oder andere Stück Eselfleisch wegzufuttern.

In Gedanken an den blutrünstigen, gefährlichen Brutus beschloss ich mit mulmigem Gefühl, Joschkas Empfehlung nachzukommen und immer die Tore zu schließen.

Wir stiegen über ein, zwei schlafende Wachhunde und gingen an einem rostfarbenen Käfig vorbei. Die Sonne stand mittlerweile tief am Horizont und warf ein schlechtes Licht auf das Innere des Geheges. Im Dunkeln konnte man das dort wohnende Tier nur vermuten. Vor den dicken Stahlstangen stand ein elektrischer Zaun, auf dem zwei Schilder angebracht waren: „Jacobi“ und „Keep Distance“ stand dort jeweils geschrieben. Jacobi - klang niedlich.

„Bämmm.“ Ein dumpfer, lauter Ton schreckte uns alle auf. Er kam aus dem dunklen Gehege. Er klang gar nicht niedlich. Es war ein Ton, der nur dann entsteht, wenn etwas mit voller Wucht auf Stahl trifft. Ich zuckte zusammen, als ich zwei Augen im Dunkeln entdeckte, die von einem behaarten Körper umgeben waren. Schnell folgte ich den anderen. Was leben hier bitte nur für Monstertiere? Jacobi, Brutus ...

„Gumbi“, ergänzte McKenzie meine Aufzählung.

„Gumbi?“ Ich runzelte fragend die Stirn. Wer war den jetzt schon wieder Gumbi?

„Gumbi ist unsere Hyäne“, erklärte Anna und zeigte auf ein Gehege, dass unmittelbar an Jacobis Gehege grenzte.

Hyäne - ach du meine Güte. Auch das noch … Wie viele Jacobis, Brutusse und Gumbis sollte es hier den noch geben? Ich sah meinen Körper bereits nach der ersten Woche von Tattoos übersät.

„Hey Gumbi. You still living. Nice to see you, haha.“ McKenzie schaute freudig ins Gehege von Gumbi. Ich tat es ihm gleich. Man musste schon genauer hinschauen, um ein Tier im Gehege zu erkennen. Anstelle einer Hyäne sah ich nur ein graues Fellknäuel, das mitten im Gehege in der Sonne lag und sich nicht rührte. War das die Hyäne? Bis auf ein zuckendes Ohr und leichtes Bauchheben beim Atmen konnte ich kein Lebenszeichen erkennen. Anna erzählte, dass Gumbi einer der Stars auf der Farm war und mit seinem Alter von zwanzig Jahren eine der ältesten Hyänen weltweit sein musste. Man konnte ohne Probleme in sein Gehege gehen und ihn am Bauch streicheln. Gedanklich strich ich das hyänenartige Wollknäul aus meiner Brutus-Jacobi-Liste. Von ihm ging wirklich keine Gefahr aus.

„Wenn ihr ihn füttert, dann müsst ihr ihm zum klein geschnittenen Fleisch - seine Zähne sind nicht mehr so gut - drei Eier und zwei Vitamintabletten in den Napf legen“, erklärte Joschka. „Aber das lernt ihr alles in den nächsten Tagen. Auch was Jacobi und die anderen Paviane zu essen bekommen.“

Angekommen an einem weiteren Tor, stiegen wir erst über zwei schlafende Hunde und erreichten dann eine große Wiese. Bedächtig schloss ich das Gatter hinter mir. Auf der grünen Wiese bot sich uns ein interessantes Schauspiel. Mehrere Tiere liefen wild durcheinander, meckerten sich an oder beschnupperten sich gegenseitig am Hintern. Ein kleiner Steinbock namens Max duellierte sich gerade mit den Hörnern eines Lämmchens, während Melanie, eine gefühlt drei Meter große Babyantilope, neugierig den Panzer einer Schildkröte beobachtete, die langsam über das grüne Gras krabbelte. An einem kleinen Wasserloch versuchten zwei Gänsemännchen laut schnatternd herauszufinden, wer mehr Testosteron in den Flügeln hatte. Die Damenwelt schaute ihnen dabei interessiert aus dem Wasser zu und gab erste Wetten ab. Von den weißen Gänsen fiel mein Blick auf einen seltsamen Vogel. Wir liefen gerade über mehrere Steinplatten zu einem beleuchteten Gebäude, das am Ende der großen Wiese erbaut war. Noch nie hatte ich einen so hässlichen Vogel in meinem Leben gesehen. Sein Kopf war rosa gefärbt und ganz schrumpelig. Pickel übersäten sein ganzes Gesicht und er schrie wild durch die Gegend. Seine Augen waren vom Schreien ganz rot unterlaufen.

„Anna, was ist das für ein Vogel dahinten?“

„Meinst du den Vogel da?“

„Den mit dem rosa Kopf.“

„Ach den. Das ist ein Truthahn. Sag bloß, du hast noch nie einen Truthahn gesehen.“

„Ähm, schon, aber nicht in der Form …“ Ich dachte an das Truthahn-Baguette, das ich in Zürich gegessen hatte. Bei dem schrumpeligen langen Lappen, der ihm über den Schnabel hing, hatte ich plötzlich einen ganz komischen Nachgeschmack im Mund. Ich hoffte, dass das auf dem Baguette nicht das gewesen war, das dem Truthahn da im Gesicht baumelte.

„Ah, McKääääääänzie.“ Der Nachgeschmack und die Gedanken an das Truthahn-Baguette verschwanden, als wir den Restaurantbereich erreichten.

„Hey, McKäääääänzie. Huhu.“ Zwei dunkelhäutige Frauen in weißer Küchenkleidung standen hinter der Restaurantbar und hatten McKenzie entdeckt. Aufgeregt winkten sie lachend in seine Richtung. Sie wirkten wie zwei Teenager, die gerade Harry Potter persönlich gesehen hatten, wie dieser lässig zur Filmpremiere über den roten Teppich schritt. Ihr Gekreische deutete zumindest darauf hin.

„Nice to see you, McKenzie. How are you?“

„I äm good, thäääänks“, antwortete er lässig. „Girls, how are you?“ Beide Frauen kicherten aufgeregt. Langsam erwachte in mir der Eindruck, dass McKenzie auf der Farm der zweite Star neben Gumbi sein musste. Jeder kannte ihn und grüßte ihn lachend.

„Essen die Volontäre auch immer im Restaurant?“, fragte Marlene erwartungsfroh. Der Restaurantbereich mit den schön dekorierten und gedeckten Tischen hatte etwas und lud zum Verweilen ein. Über den Tischen hingen in den Baumkronen überall Lichterketten, die mit ihrem warmen Lichtschein das schöne Ambiente mit Blick auf die Tiere abrundete. Leider musste Anna sie enttäuschen:

„Leider nein. Hier essen meistens nur die Farmgäste, die draußen bei den Paviangehegen entweder campen oder dort einen Bungalow beziehen. Einmal in der Woche dürfen aber die Leaver hier essen.“

„Leaver?“

„Die in der Woche dann abreisen. Die dürfen sich eine Gästeliste zusammenstellen und dann hier den Abend ausklingen lassen. Ist immer was Besonderes, so ein Leaver-Dinner.“ Anna lächelte.

„Oft ist das Restaurant aber auch leer, weswegen wir nicht verstehen können, dass wir dann nicht hier essen dürfen“, ergänzte Joschka.

„Warum nicht?“, fragte ihn Jessi. „Wenn ihr da essen geht, dann sind das doch auch Einnahmen für das Restaurant. Weswegen haben wir sonst eine Kreditkarte bekommen?“

„Ist halt nicht gewollt. Aber gut - was soll man machen?“ Joschka zuckte mit den Schultern. „Ist deren Problem.“

„Man muss nicht alles verstehen. Wir essen immer dort hinten. Kommt mit. Die anderen warten schon auf euch.“ Wir folgten Anna an den Restauranttischen vorbei und näherten uns immer mehr den Stimmen, die rechts vom Restaurant zu hören waren.

Sie verstummten, als sie uns kommen sahen.

Afrika - Leben, Lachen, frei sein

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