Читать книгу Die vergessene Welt - Simone Lilly - Страница 4

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 4.

Schon die ersten zarten Sonnenstrahlen waren am Horizont zu erkennen. Zeichen für Slake, sich aus dem Staub zu machen. Breitbeinig stand er auf dem eroberten Schiff, inmitten von Männern der Besatzung, die verletzt, verängstigt oder tot auf dem Deck herumlagen.

Wohlwollend blickte er um sich. Seine Mannschaft hatte schon damit begonnen, die eroberten Schätze und Lebensmittel über Planken hinüber, auf die „Nebula“ zu bringen.

Slake selbst beteiligte sich eigentlich nie an diesem Treiben. Nein, er war der Kapitän, er war derjenige, der kämpfte, eroberte, Befehle erteilte und siegte. In den meisten Fällen jedenfalls. Selbst wenn er angestrengt nachdachte konnte er sich nicht erinnern auch jemals einen Raubzug verloren zu haben. Sicherlich waren schon etliche seiner Männer gestorben, aber das war ein Opfer, dass jeder Kapitän erbringen musste. Ob er wollte oder nicht. Seine Gesichtsmuskeln erstarrten noch mehr, als er einen toten Mann erblickte, der, niedergestochen über dem Steuerrad hing. Slake gehörte zu denjenigen, die es nicht wollten, aber doch machen mussten. Er erinnerte sich oft daran, wie er gelitten hatte, welche Albträume ihn geplagt hatten, als sein Vater ihn mit sechs Jahren zu seinen ersten Raubzügen mitgenommen hatte. Immer wieder, wenn er jemanden seine Klinge tief ins Fleisch gerammt hatte, oder bei Enthauptungen und Geiselnamen, hatte er sich geschworen niemals so wie er zu werden. Niemals. Und jetzt? Wenn er sich umsah, war er es, unwillkürlich. Man musste es sogar sein. Rechtfertigend stieg er über einen weiteren Leichnam hinweg und wies seine Crew an, sich zu beeilen. Ja, um zu überleben und sich Respekt zu verschaffen, musste man es sein. Verständnisvoll aber auch hart und brutal. Ein guter Herrscher, aber auch ein erbarmungsloser und gefürchteter Seemann. Das alles hatte sich über die Jahre von selbst ergeben. Er war abgehärtet worden, stumpf. Die Crew auf den Schiffen, die er überfiel und dem Erdboden gleich machte, bedeuteten ihm nichts mehr. Sie waren viel mehr eine Sache, eine Sache, die er wenn es sein musste auch ohne zu zögern töten konnte. Immerhin raubten sie nicht zum Spaß, jeder seiner Männer hatte eine Familie, Kinder, Frauen, die ernährt werden mussten.

„Slake, wir sind fertig.“, sagte sein engster Freund und sein Berater. „Wir können aufbrechen.“

Er nickte stumm, als er galant und so verhöhnend wie immer über die Planke schritt und sich majestätisch am Rumpf des Schiffes platzierte. So setzten sie Segel und waren schon bald weit von den anderen entfernt. Wie viel sie tatsächlich erbeutet hatten, war ihm egal. Seine Männer mussten es unter sich aufteilen. Sie durften es vielmehr. Natürlich erhielt auch Slake seinen Anteil. Jedoch war dies nicht viel. Das musste es auch nicht sein.

Unbehaglich rutschte sie immer weiter von Christjans warmen Körper fort. Ihn so dicht bei sich zu fühlen, war ihr unangenehm. Aber es ging nicht mehr weiter, bald stieß sie an den Rand seines Schlafplatzes. Warum hatte sie zugstimmt, sich mit ihm eine Koje zu teilen? Vielleicht weil sie keine andere Wahl hatte?

Es war früher Morgen, obwohl Leona eine schlaflose Nacht hinter sich hatte, war sie überhaupt nicht müde. Im Gegenteil, am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte irgendetwas getan.

Das Leben kehrte zurück. Jeder der Männer fing an, sich langsam zu regen und zu strecken. Einige waren schneller auf den Beinen als sie es erwartet hätte. Christjan schlief weiter. Was, wenn sie mit ihr reden wollte? Wie sollte sie sich verhalten? Sollte sie mit ihnen aufstehen? Oder einfach warten, was Christjan ihr riet? Da sie nicht wusste, wie sich Männer-besonders Seemänner verhielten, schloss sie krampfhaft die Augen und hoffte, dass sich alles von selbst regeln würde.

Die vergessene Welt

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