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3. Das Problem mit der Demokratie

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Sie haben sicher schon vom Generationenvertrag gehört. Heute hört man viel weniger von diesem Begriff, weil dieser im Sturm der Single-, Scheidungs-, Obsorgestreits-, und Kontaktabbrüche, der oberflächlichen Welt der Social Netwerke keinen Wert mehr hat. Es ist ein fiktiver, nebuloser sozialer Vertrag, der ohne Einstimmung der Beteiligten in gewisser Weise die verschiedenen Generationen absichern sollte. Die Alten erwarten sinngemäß, dass sie von den Jungen betreut werden, sozusagen als Gegenleistung für ihre Arbeit der Aufzucht. In der Praxis, hat der Generationenvertrag faktisch (leider) keine Bedeutung und schon gar keine Verpflichtung. Dies hängt damit zusammen, dass die schwierige Wohnungs- und die Arbeitsmarkt-situation Großfamilien unmöglich macht. Mit der Demokratie ist es ähnlich. Ihre Auslegung ist unterschiedlich und so differentiert wird sie auch gelebt. Man beruft sich gerne auf sie, während sie ständig von allen Seiten untergraben wird. Dass man die Freiheit hat zu wählen, heißt nur beschränkt, dass man auch frei wählen kann. Die Schweizer Demokratie ist der ›echten Demokratie‹ am nächsten. Dort lockt die gelebte Volkssouveränität wie der Apfel des Wilhelm Tells. Gegen jedes Bundesgesetz wie auch gegen völkerrechtliche Verträge kann das Referendum ergriffen werden, wenn ein Prozent der Stimmberechtigten – sprich 50.000 Bürger – dies verlangen. Im Vergleich zu anderen Systemen gibt es kein Staatsoberhaupt, keine Verfassungsgerichtsbarkeit, das Parlament kann nicht aufgelöst werden. Ob man ds System 1:1 Deutschland oder Österreich bringen kann, ist fraglich. Jene, die die FPÖ gewählt haben, weil sie gehofft haben, damit keine Flüchtlinge mehr zu sehen, werden mit dem Strache-Versprechen Direkte Demokratie wieder enttäuscht werden. Nicht nur, dass er in dieser Koalition zu wenig Macht hat und Kurz genau dagegen steht – im Nachhinein wurde ohnehin zurückgerudert. Mit der Schweiz sind die Verhältnisse nicht vergleichbar. Das System ist alt, aus den Kantonen gewachsen und tief in die Mentalität eingegraben. Eine direkte Demokratie funktioniert nur bei hohem Bildungsgrad und hoher Wahlbeteiligung. In unseren Breitengraden ist mehr Gehirndumping notwendig, um zum Wähler vorzudringen.

Die Autorin Elisabeth Weling beschreibt in ihrem Buch ›Politisches Framing‹ sehr genau, warum demokratische Wahlen schon am Verständnis der Sprache scheitern. Framing ist der Kontext, die Färbung, in welche politische Themen eingebettet und transportiert werden. Also die Einbettung von politischer Information in einen Deutungsraster.

Als Wähler werden Sie zweimal geframt. Einmal durch die Politik, aber auch durch die Medien. Die zwei Themen Islam und Terror in Verbindung zu bringen, ist Framing. 3000 Burschenschafter mit Nazilieder und damit ein ganzes Volk in den Rechtsruck zu reden, wäre Framing. Der Kampf David gegen Goliath (Israel/Palestina-Konflikt) ist Framing. Letzten Endes spielt Framing auch in der EDV, vor allem dem Internet und sozialen Netzwerken eine Rolle. Sprich, auch wenn die Forschung zum finden künstlicher Intelligenz keine gefunden hat, kann man heute elektronische Systeme zu Wahlbeeinflussung bzw. zur Informationsfälschung benutzen.

So ist die Einbettung des Wortes Steuer im Zusammenhang mit Steuerlast negativ besetzt, eben eine Belastung. Der Begriff Steueroasen. Steuererleichterung ist dagegen ein Reizwort. Dass für den Wegfall von Steuern auch Gelder wegfallen, die für andere (z.B soziale) Zwecke verwendet werden können, wird dabei ausgeblendet. Rationale Handlungen lenken uns, verhindern damit aber auch, richtig zu wählen. Die Erkenntnisse beruhen natürlich aaus der Gehirnforschung, Verhaltens-psychologie und Profiling. Aber der Untertitel von Wehlings Buches, trifft die Lage schon im Kern: Wie eine Nation sich das Denken einredet und daraus Politik macht. Dieser Titel ist nun wirklich gelungen. In der Praxis kann gerade im Online-Bereich der User nicht zwischen echten Nachrichten und Fake-News unterscheiden. Manipulative, vorgetäuschte Falsch-meldungen werden nicht nur verbreitet, sondern oft sogar vom Journalismus aufgegriffen. Politik funktioniert genauso wie Werbung. Wenn wir Wahlplakate sehen, Slogans lesen oder Medien konsumieren, sind wir nicht in der Lage, umfangreiche Analysen anzustellen, die diese verbalen Botschaften mit den Hintergründen abgleichen. Und selbst wenn: was würde es ändern? Um Worte zu begreifen, aktiviert unser Gehirn ganze Vorratslager abgespeicherten Wissens. Daher macht es einen großen Unterschied, wo und unter welchen Voraussetzungen wir aufgewachsen sind. Menschen, die in Straßen oder Bezirken mit hohem Konfliktpotenzial aufgewachsen sind, werden anders zu dem Thema Ausländer stehen als Mensche, die in Privatschulen gewesen sind. Negative Erfahrungen werden gespeichert und begleiten uns als Trigger ein Leben lang. Bewegungsabläufe, Gefühle, Gerüche oder visuelle Erinnerungen werden simuliert, um linguistischen Konzepten eine Bedeutung zuschreiben zu können. Weil die sprachlichen Möglichkeiten begrenzt sind, ist es durchaus auch für die Politik schwer, gute Slogans zu finden. ›Freie Arbeit für alle‹ unterscheidet sich nicht wirklich von den bekannten Willkommenssprüchen der Nazilager «Arbeit macht frei‹. Arbeit macht tatsächlich frei, nämlich finanziell und auch emotional, wenn man sie mag, aber stattdessen wird der Slogan auf alle Zeiten mit dem Eingangstor von Auschwitz-Birkenau verknüpft werden. Er erinnert uns an die Bilder des KZ. Sprache hat einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung. Sie kann der Dreh- und Wendepunkt unseres Denkens und Handelns sein. Sprache bestimmt, wie wir unsere Umgebung und andere Menschen wahrnehmen. Und mit welcher Leichtigkeit Informationen und Fakten von unserem Gehirn registriert werden. Und sie wirkt sich direkt auf unser Handeln aus – zum Beispiel auf unsere Körperbewegung und unser soziales Verhalten. So deuten wir die Mimik von Menschen, die wir kennenlernen, und nehmen sie als Grundlage unserer Einschätzung. Gerade darin liegt auch der ewige Streit um Verhüllungsverbote moslemischer Bürger. In europäischen Ländern ist der Blick in die Augen, die Mimik des Gesichts seit Beginn der Geschichte ein wichtiges Mittel zur Konfliktvermeidung. Schon seit dem Mittelalter ist es Teil unser Kultur, dass sich nur verbirgt, wer etwas zu verbergen hat. Daher werden sich nur Moslems integrieren können, die von ihrer Verschleierung Abstand nehmen. Alle Versuche, die Mentalität der Zielländer unter dem Mantel der

Weil wir auch zur Nachahmung neigen, sind wir in der Lage, emotionale Regungen zu kopieren und zu erwidern. Bei manchen Krankheiten wie Parkinson oder Unfallverletzungen fällt es den Patienten mit Verletzungen des prämotorischen Zentrums schwer, Worte zu begreifen. Sie umzusetzen. Aber auch beim gesunden Menschen gibt es eine Reihe von motorischen Bremsen. Instinkte. Das ist der Grund, warum viele Nothebel industrieller Anlagen (ehemalige Hochdruckmaschinen z.b) zum Körper hingezogen werden mussten oder Stoppschalter moderner Maschinen mit der (Warn)-Farbe ›Rot‹ gekennzeichnet sind. Werden wir bedroht, versuchen wir uns zu schützen. Die kognitive Stimulation kann auch verwirrt werden, z.b wenn auf einer Tür ›Ziehen‹ steht, manaber ›Drücken‹ muss, um sie zu öffnen. Dieses Missverständnis hat in Brandfällen schon zu Todesopfern geführt, weil in einer Gefahrensituation selbst ein hochintelligenter Mensch damit überfordert ist. Entscheidungskonflikte spielen auch bei Wahlen eine große Rolle. Daher verkaufen sich Schlagworte in der Politik genauso gut wie in der Wirtschaft. Heute weiß man natürlich, dass im Erdbeerjoghurt mit saftig abgebildeten Beeren kaum Erdbeeren enthalten sind, weil es nicht mal annähernd so viele Früchte gibt, wie jede Woche tonnenweise Becher in die Regale geschlichtet werden. Besonders weiße Wäsche wird im Fernsehen mit Bleichmittel und strahlender Beleuchtung gezeigt. Bei manchen Milchwerbungen befindet sich sogar im Getränk die Beleuchtung, damit sie strahlt. Mit Politik ist es eigentlich genauso.

Es wäre schön, eine zufriedenstellende Lösung für die Pensionen zu erreichen, nur die Altersstruktur und die jahrelange Mißwirtschaft der Gelder machen dies unmöglich. So wie sich nicht hinter jeder Bio-Kennzeichnung ein gesundes, natürliches oder natürlich angebautes Produkt befindet, sind politische Slogans Halbwahrheiten oder Lügen. Der Gedanke, dass Lügen ein Verstoß gegen Moral und Ethik sind, spielt aber keine Rolle. Politik an sich ist oft unmoralisch. Das Vertrauensranking bei Politikern matcht sich mit dem Image von Finanzhaien, Immobilienspekulierer, Werbern oder Journalisten um die letzten Plätze. Ein Politiker, der ein grundehrlicher Kerl sein möchte, wäre aber auch eine Fehlbesetzung. Wie ein Arzt, der kein Blut sehen kann. Oder eine Wurstfachverkäuferin, die Fleischwaren aus veganer Überzeugung ablehnt. Es gibt Uneinigkeit, wo die Grenzen liegen. So sei einem Regenten nicht vorzuwerfen, wenn er im Trubel einer Finanzkrise die Ausmaße verschleiert, um Panik zu verhindern. Andere sehen dies anders, die Finanzkrise war schließlich politisch mitverschuldet. Politologen empfehlen, keine Lügen einzusetzen. Falsche Behauptungen könnten Politikern eine Wahl retten, doch hinterher drohe der Absturz.

Das Ende der freien Wahl

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