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2 Portfolios – eine vertiefte Definition

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In diesem Buch wird ein relativ weiter und umfassender Begriff von Portfolios verwendet, der sich in der Definition von Paulson u. a. (1991, S. 60) ausdrückt:

Ein Portfolio ist eine zielgerichtete Sammlung von Arbeiten, welche die individuellen Bemühungen, Fortschritte und Leistungen der/des Lernenden auf einem oder mehreren Gebieten zeigt. Die Sammlung schließt die Beteiligung der/des Lernenden bei der Auswahl der Originaldokumente ein, enthält Beurteilungskriterien sowie den Nachweis von Selbstreflexion durch die Lernenden.[2]

Den Kern eines Portfolios bilden Originalarbeiten der Lernenden, die entweder etwas über ihre Lernprozesse aussagen oder deren Resultate belegen. Für die Erstellung eines Portfolios werden in der Regel gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern Ziele und Kriterien formuliert, an denen sie sich orientieren können, wenn sie für ihr Portfolio arbeiten und eine Auswahl von Dokumenten zusammenstellen. Ein Portfolio zeigt also, wie Lernende arbeiten und welche fachlichen Entwicklungen sie während des Lernprozesses durchgemacht haben.

Die schulische Portfolioarbeit in ihrer modernen Form stammt ursprünglich aus den USA, wird aber seit den 1990er-Jahren auch im deutschsprachigen Raum zunehmend angewendet (vgl. Brunner u. a. 2006; Schwarz u. a. 2008; Biermann und Volkwein 2010; Eisenbart u. a. 2012; Bräuer u. a. 2012). Da sich der Begriff aus der Praxis entwickelt hat, gibt es neben unterschiedlichen Definitionen auch vielfältige Formen von Portfolios, mit denen unterschiedliche Zwecke verbunden werden. Portfolios lassen sich nach bestimmten Kriterien einordnen, etwa:

•nach dem Zweck, dem das Portfolio dient (z. B. Entwicklungsportfolio, Talentportfolio, Bewerbungsportfolio);

•nach der Art der Qualifikationen, die darin nachgewiesen werden sollen (z. B. Sprachenportfolio, Kompetenzportfolio);

•nach der damit verbundenen Unterrichtsform (z. B. Projektportfolio, Selbstlernportfolio);

•nach dem Medium, in dem das Portfolio primär erstellt wurde (z. B. elektronisches Portfolio, Bildportfolio);

•nach dem Zeitrahmen, über den das Portfolio geführt wird (Epochenportfolio, Jahrgangsportfolio).

(Erweitert aus Häcker 2006, S. 30)

Portfolios lassen sich also für unterschiedlichste pädagogische Ziele einsetzen oder darauf anpassen. In den Praxisbeiträgen dieses Buches ist jeweils spezifiziert, um welche Art von Portfolio es sich handelt, wie dieses im Unterricht konkret verwendet wurde und welche Ziele damit verbunden wurden.

Man kann sich dem Begriff des Portfolios auch annähern, indem man sich die Metaphern ansieht, die in der Literatur für die Arbeit damit verwendet werden. Ein Portfolio kann sein:

•eine Geschichte des eigenen Lernens oder eine Reportage über eigene Lernprozesse;

•ein Behälter zur zweckorientierten Aufbewahrung von Lernprodukten und Leistungsnachweisen;

•ein Rahmen, in dem bestimmte Fähigkeiten und Kompetenzen entwickelt werden können;

•ein Spiegel des Lernens, ein Porträt eigener Leistungen oder ein Schaufenster der eigenen Arbeit;

•eine Brücke zwischen Lernen und Beurteilen;

•ein Dreh- und Angelpunkt einer erweiterten, dialogischen Feedback-Kultur;

•ein Ich-Buch der Erinnerung, des Stolzes und der Freude an der eigenen Arbeit.

(Erweitert aus Häcker 2006, S. 35)

An diesen Metaphern lassen sich bereits wesentliche Funktionen von Portfolios für den kompetenzorientierten Unterricht ablesen. Erstens sind sie ein Lerninstrument zum Aufbau von Kompetenz. Sie begleiten Lernende dabei, wenn sie in einen persönlichen Dialog mit einem Inhaltsstoff treten, und helfen, Vorwissen, Ideen und Konzepte dazu explizit zu machen. Sie dienen sodann dazu, die persönliche Auseinandersetzung der Jugendlichen mit den Lerngegenständen zu dokumentieren, die Spuren von eigenen Lernprozessen festzuhalten und der Wahrnehmung durch andere zugänglich zu machen. Damit können sie zum Anlass für Peer-Feedback, für Lerndiagnose oder formative Rückmeldungen durch die Lehrkraft werden.[3] Portfolios sind schließlich ein Instrument der Dokumentation von Lernprodukten und können damit auch der summativen Beurteilung dienen: Genauso breit und vielfältig wie die Art der Belege, die ein Portfolio enthalten kann, sind auch die Kompetenzen, die damit dokumentiert werden können. Dabei können auch Leistungen anerkannt werden, die durch Tests nicht erfasst werden und zum Beispiel die eigenen Stärken oder Interessen der Lernenden widerspiegeln (vgl. z. B. die Beiträge zu Talentportfolios von Simone Thomann und Beat Schelbert, S. 127 ff. und S. 167 ff.). Dabei kann es sich auch um Leistungen handeln, die teilweise außerhalb der Schule erbracht wurden, in den Fremdsprachen zum Beispiel um Kontakte zu Muttersprachlern oder Reisen in Länder, in denen die entsprechende Sprache gesprochen wird. Portfolios sind also Orte der Dokumentation, der Evaluation und der Reflexion von persönlichen Leistungen, an denen die Kinder und Jugendlichen vielleicht auch Freude haben und auf die sie stolz sein können.

Man kann den Beitrag des Portfolios zum Unterricht auch im Sinne des von Hattie (2013) formulierten Prinzips des »Lernen sichtbar machen« erklären. Nach Hattie ist es ein Qualitätskriterium von Unterricht, wenn Lehrkräfte das Lernen mit den Augen der Lernenden sehen und Lernende sich selbst als ihre eigenen Lehrerinnen und Lehrer betrachten: »Am wichtigsten ist, dass das Lehren für die Lernenden sichtbar ist und dass umgekehrt das Lernen für die Lehrperson sichtbar ist. Je mehr die Lernenden zur Lehrperson werden und je mehr die Lehrperson zum bzw. zur Lernenden wird, desto ertragreicher sind die Outcomes. […] Das Modell des sichtbaren Lehrens und Lernens kombiniert lehrerzentriertes Lehren und schülerzentriertes Lernen, statt beide gegeneinander auszuspielen« (Hattie 2013, S. 31). Das Portfolio kann man als Instrument dieses »Sichtbarmachens« von Lernen und als Ort der Zusammenarbeit sehen, an dem sich Lehrkräfte und Kinder gemeinsam um das Lernen bemühen.

Kompetenzorientierter Unterricht mit Portfolio

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