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Vom Suchen und Finden

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Manchmal sieht es auch in unseren Herzen aus, als würden wir unter einem schweren Messie-Syndrom leiden: Überall türmen sich Gedanken, Vorstellungen, Gewohnheiten, die bei näherer Betrachtung ihre beste Zeit längst hinter sich haben, die man nicht mehr braucht oder die einem ohnehin noch nie guttaten. Der Traumprinz etwa, diese übergroße Pappfigur, mal als Werbemittel für ein gelebtes Märchen gedacht, war eigentlich noch nie zu irgendwas nutze. Außer dazu, sich an ihr die Seele blutig zu stoßen und ganz manierlichen Kerlen den Lebensraum streitig zu machen. Dann die Idee, dass eine Frau unbedingt einen Ernährer braucht, eine starke Schulter. Die verstaubt da bestimmt schon seit 1978. Seit man damals auf der Suche nach einem verantwortungsbewussten Vater für die zukünftigen Kinder war. Mittlerweile sind die Kinder aus dem Haus – ebenso der Mann. Längst steht man finanziell auf eigenen Beinen, ist erfolgreich und könnte sehr gut mit weniger Versorgerqualitäten leben. Kurz: Man sollte das Alte dringend gegen ein neues, zeitgemäßes Beuteschema austauschen. Vorschlag: »Suche netten, klugen und lustigen Mann, der – wie ich – für sich selbst sorgen kann.«

Sogar an der Sache mit den Online-Partnervermittlungen nagt mittlerweile der Zahn der Zeit. Hat sich irgendwie nicht bewährt, das Bandeln ausgerechnet Leuten zu überlassen, die damit ihr Geld verdienen. Weil sich die digitale Suche zur analogen wie das Bild von einer Mahlzeit zu einem wirklichen Essen verhält. Sieht gut aus, aber das Wesentliche fehlt: Geruch, Geschmack, die Gesellschaft, mit der man am Tisch sitzt. Selbst das beste Foto gibt nicht wieder, wie wir uns bewegen, wie wir sprechen, den Kopf total süß schräg halten, wie wir lachen und auf den Lippen kauen, wenn es kompliziert wird. Und auch der andere bekommt nicht diese riesengroße Chance noch mehr zu sein als bloß ein Bild und ein paar Angaben zu Hobbys, Vorlieben, Einstellungen und ein total unvorteilhaftes Outfit. Was damit gemeint ist, habe ich bei einer Fahrt in der Frankfurter Straßenbahnlinie 17 erlebt. Da stiegen am späten Nachmittag eine Menge Angestellte ein. Darunter ein total unspektakulärer Mann mit Glatze. Wo immer er mir auch im Internet begegnet wäre, ich hätte ihn sofort aussortiert. Hier saß ich aber nun fünf Stationen hinter ihm und hörte zu, wie er sich mit einer Kollegin unterhielt. Er war gebildet, lustig, interessiert, aufmerksam. Alles Qualitäten, die sich in einem Online-Fragebogen niemals angemessen darstellen lassen.

Umgekehrt kann man wochenlang die herrlichste WhatsApp-Konversation mit einem wirklich vielversprechenden Kerl führen, den man auf einem der Portale kennengelernt hat. Man kann sein Foto großartig finden, seinen Humor hinreißend und sich erfolgreich einbilden, dass diesmal wirklich alles passt. Dann geht man zum ersten Date und sieht schon – kaum ist man im Restaurant – an irgendeiner kleinen Bewegung, daran, wie er lächelt, dass er vermutlich Stunden damit verbracht hat, seine Haare so zu legen, dass man die kahlen Stelle nicht sieht, oder Nägel kaut, als bräuchte er sonst nichts zu essen. Mit DEM wird es auf keinen Fall klappen. Dabei kann man noch froh sein, dass es den Typen wirklich gibt. »Ich habe ewig mit einem gechattet, telefoniert, gemailt, der gar nicht der war, für den er sich ausgegeben hatte«, erzählt Marianne.

Und das ist nur eine von vielen Nieten, die man im Internet so ziehen kann. Wie natürlich auch im wirklichen Leben. Klar kann nur gelingen, was man auch versucht. Gerade deshalb sollte man die Hoffnung, die man auf Online-Portale setzt, nicht komplett entsorgen. Aber es lohnt sich, ihren Einfluss möglichst kleinzuhalten. Ganz egal, wie sehr die Partnersuchportale behaupten, dass sie besser wissen, wer zu uns passt. Ich kenne einige Paare, die würden es vermutlich nicht mal auf 25 Prozent Übereinstimmung bringen, und matchen dennoch ganz herrlich, leidenschaftlich und schon sehr lange. Im Internet muss es außerdem immer gleich ernst werden. Da ist die erste und oft letzte große Gemeinsamkeit, dass man auf der Suche ist und finden will. In der analogen Welt dagegen kann man sich ganz spielerisch einfach mal einen unverbindlichen Flirt leisten, erst mal nur das Interesse für moderne Kunst, fürs Joggen, Inlineskaten oder für gute Weine teilen. Erfahren, dass man wahrgenommen wird: als Mann, als Frau, als spannender Mensch. Einfach so, ohne nähere Angaben zu Einkommensstatus, Body-Mass-Index, Hobby und Bindungsfähigkeit. Spielt alles keine Rolle. Viel wichtiger ist ein Lachen, wie einer schauen kann und wie er zupackt, wenn wir den Pappprinzen und noch ein paar andere Flirtaltlasten ausmisten. Sätze wie diese nämlich:

Kann weg!

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