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Dabei fing alles so schön und harmlos an...

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In der DDR besuchte ich die zehnklassige polytechnische Oberschule. Danach folgte eine Lehre zum Landmaschinen- und Traktorenschlosser, und später die Qualifikitationen zum Meister für Metallbau und für Kfz-Reparaturen. Auch Schweißerpässe und Großmaschinenberechtigungen waren Teil meiner Ausbildung.

Seit dem Abschluss meiner Lehre 1981 habe ich im Werkstattbetrieb der gärtnerischen Produktions- genossenschaft Perleberg gearbeitet.

Die ersten Jahre war ich Leiter des Rationalisierungsmittelbaus und habe Traktoren, PKW und LKW repariert und Johannisbeervollerntemaschinen entwickelt und gebaut.

Danach war ich bis zur Wende Einkaufsleiter des 350 Mitarbeiter zählenden Betriebes. Das war eigentlich meine Welt. Ich habe mit allem was der Betrieb her gab Geschäfte gemacht: Mit Erdbeeren, Spargel, Äpfeln oder Kirschen war ich gern gesehener Einkäufer und konnte im Tausch Ersatzteile und Material besorgen.

Wie wichtig gute Geschäfte sind, habe ich bereits im zarten Alter von zehn Jahren gelernt. Damals habe ich die bei einer westdeutschen Schokolade beiliegende Fußballsammelbilder für 20 Ostmark je Stück verkauft.

Dafür bekam ich von der Schulleitung Titel wie „Kapitalist“ oder „Geschäftemacher“.

Die Mangelwirtschaft hatte auch ihre Vorteile:

Bis zur Wende war ich Stammgast auf allen ostdeutschen Automärkten – Rostock, Berlin, Magdeburg... Es verging kaum ein Wochenende, an dem ich nicht einen Trabant, einen Wartburg oder einen Lada zu Markte getragen und dort mit schönem Gewinn weiterverkauft habe.

Doch auch in der Woche war ich fleißig. Ob ich nun mit Ponykutschen, Kreissägen, Kerzenständern und ähnlichem gehandelt habe, oder den Abend bis spät in die Nacht mit Karosseriearbeiten an Autos zubrachte, ich habe einfach alles getan, um zu Geld zu kommen.

1987 verstarb – mit 47 Jahren – mein Vater.

Er vererbte mir einen Bauplatz am Plauer See für ein Wochenendhaus. Ich bin, so oft es möglich war, die 70 km zur Baustelle gefahren und habe mit eigener Hand und, wie es zu Ostzeiten üblich war, mit zusammengeschachertem Baumaterial ein zweistöckiges Feriendomizil geschaffen.

Leider konnten meine Frau, mein Sohn und ich es nicht mehr nutzen. Mit der Grenzöffnung lief meine gärtnerische Produktionsgenossenschaft auseinander. Viele Kollegen gingen in den Westen. Die Abteilungsleiter aller Bereiche wollten privatisieren. Nur die Werkstatt wollte keiner. Ein Freund von mir sagte damals: „Handwerk hat goldenen Boden.“ So entschloss ich mich, die Ärmel hoch zu krempeln und das Wochenendhaus am Plauer See habe ich für 100.000.00 Westmark zu verkaufen,

um Startkapital zu haben.

Nicht so gut lief mein letztes Autogeschäft. Kurz vor der Wende hatte ich für 28.000 Ostmark einen Wartburg Kombi gekauft, den ich mit Sicherheit für 35.000 hätte weiterverkaufen können. Aber es kam anders:Ich sehe heute noch die beiden Vietnamesen vom Hof fahren, die das gute Stück für 400 Westmark mitnahmen...

Meine Frau Petra, mein Sohn Michael und ich wohnten im 5. Stock eines Neubaublocks.

Hier entschied ich, das Unternehmen zu starten.

Ich war 27. Nach Gesprächen mit der GPG-Leitung sollte mir das Werkstattgrundstück mit Gebäude zunächst vermietet und später verkauft werden. Der Name für den Betrieb war auch schnell gefunden: „KfZ-Reparatur-und Stahlbau GmbH“. Mit sieben Mitarbeitern habe ich angefangen. Die Zeit, die damit begann, war härter als alles, was ich mir damals vorstellen konnte. Aufträge gab es bis dahin nur von der alten gärtnerischen Genossenschaft. Die Genossenschaften gab es aber von einem auf den anderen Tag nicht mehr. Ich war auf mich allein gestellt. Ich musste Arbeit besorgen, und zwar sowohl für die Fahrzeugschlosser als auch für die Metallbauer. Mein Arbeitstag begann um 6.00 Uhr und endete um 22.00 Uhr. Wenn ich nach Hause kam, schliefen Petra und Michael schon. Ich lief über Wochenmärkte und versuchte, die Markthändler zu überzeugen, daß sie Ihre Transporter am besten bei uns reparieren lassen, ich legte Visitenkarten hinter Scheibenwischer im gesamten Stadtgebiet und ich telefonierte stundenlang mit Fuhrparkchefs von der Telekom, der Post, der Bundeswehr, des Technischen Hilfswerks und aller ortsansässigen Baubetriebe und Firmen.

In Schaafhausen bei Dannenberg lernte ich den Autohändler Rolf Deinert kennen. Er verkaufte im Jahr 1991 ca. 2000 Gebrauchtwagen. Die Ostdeutschen standen bei ihm Schlange, um alles was Räder hatte zu ergattern. Viele dieser Autos waren gelinde gesagt reparaturbedürftig...

So fuhr ich dann für lange Zeit jeden Samstag von Perleberg nach Dannenberg und habe von Rolf Deinert Autos mitgenommen und damit für meine Schlosser in der Woche Arbeit besorgt.

Aber auch im Stahlbau stellten sich Erfolge ein.

Sämtliche Architekten, Baubetriebe und Bauämter der Region wurden zunächst mit Faxen und Anrufen von mir bombardiert. Wo auch immer in der Region ein Baustellenschild errichtet wurde: Ich war wohl der erste, dem es auffiel.

Da sich auf den Schildern die jeweils ausführenden Firmen verewigt hatten, konnte ich rasch erste Kontakte knüpfen. So kamen wir langsam, aber stetig zu ersten Aufträgen.

Waren es anfangs noch einfache Fenstergitter und Treppen, die wir fertigen konnten, kamen später Hochregallager für unseren Autoteilelieferanten, Stahlrahmenkonstruktionen für Supermärkte und große Altbausanierungen hinzu.

Bevor der seinerzeit neue Golf III vom Band lief, hatten wir für den werksinternen Transport der Rohbaukarosserien die benötigten Gestelle gefertigt. In Dallmin baute die damals noch existierende „Walter-Bau AG“ eine Stärkefabrik.

Dabei haben wir uns als Expresslieferant für Stahleinbauteile im 24-Stunden- und Wochenenddienst einen Namen gemacht, so daß die „Walter-Bau AG“ uns als Subunternehmer gleich mit auf ihre nächste Baustelle in unserer Region nahm.

Ein Bekannter aus Wittenberge hat uns seinen neuen Arbeitgeber, die VARIO Bauelemente GmbH in Quickborn, als weiteren Auftraggeber vermittelt.

VARIO hatte in Quickborn und Berlin in großem Ausmaß Treppen und Balkongeländer hergestellt und angebaut. Wir sollten nun auch für den boomenden Markt in Berlin arbeiten.

Bis „VARIO“ 1998 pleite ging, hatten wir pro Jahr etwa 15 km Geländer gefertigt und montiert.

Inzwischen hatten auch die regionalen Baufirmen Vertrauen gewonnen und wir waren teilweise bis in die Nacht und am Wochenende mit der Ausführung von Aufträgen beschäftigt.

Ich war wie süchtig nach Arbeit. Neben 16 Stunden täglicher Arbeit, habe ich selbst Geländer mit dem LKW ausgeliefert, in Berlin beim Montieren geholfen, nachts restliche Büroarbeit gemacht und am Samstag Autos geholt oder auf Knien den Beton auf dem alten Werkstatthof gereinigt, der aus DDR Zeiten ölverschmiert war.

Sonntags habe ich dann den ganzen Tag geschlafen oder ich bin in der Gegend herumgefahren, um nach neuen Baustellenschildern Ausschau zu halten oder Autofahrer mit Pannen darauf hinzuweisen, daß sie doch zu uns in die Werkstatt kommen könnten. Es wurde von Jahr zu Jahr mehr Arbeit.

Petra und Michael habe ich kaum noch gesehen.

Einmal, ich glaube, es war 1994, sollte ich dann mit kommen auf eine Urlaubsreise. Missmutig stimmte ich zu. Wir fuhren zur Nordse. Nach Feierabend natürlich. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen und bin zum Ärger meiner Frau am nächsten Morgen zurück zur Arbeit.

Unsere Baustellen wurden immer größer. Erst haben wir Berlin Karow, und dann Potsdam-Kirchsteigfeld, Europas damals wohl größte Baustelle, mit Geländern ausgerüstet.

Aber das sollte erst der Anfang sein. Um mich herum habe ich kaum etwas wahrgenommen, das nicht mit Arbeit zu tun hatte.Auch der Fahrzeugbereich entwickelte sich prächtig. Die alten „GPG Werkstattgebäude“ hatte ich inzwischen gekauft. Durch den ständigen Drang mehr zu machen hatte ich mich beim Polizeipräsidium um einen Vertrag zum Abschleppen beworben. Anfang 1992 bekamen wir den Zuschlag. Da ich permanent gewillt war, Kosten zu sparen, wollte ich auch persönlich die Abschleppaufträge ausführen. Ab sofort hieß es, rund um die Uhr für die Polizei, sowie für Schutzbriefversicherer, DKV und andere Kunden erreichbar und schnell einsatzbereit zu sein.

Nachdem ich ab um 6 Uhr morgens Aufträge beschafft, Ausschreibungen bearbeitet, Angebote kalkuliert, Geländer zu Baustellen gefahren, in Berlin an Auftragsverhandlungen teilgenommen, Arbeiten in der Werkstatt überwacht, Montageabläufe kontrolliert. Abends und bis spät in die Nacht prüfte ich die Buchhaltung, gab Rechnungen frei und erledigte andere Dinge.

Nun wurde mein Arbeitstag durch den Abschleppdienst um eine zusätzliche Belastung erweitert. Ich habe es aber nicht als Belastung empfunden.

Ob am Werktag, am Samstag, am Sonntag oder an einem Feiertag, ich habe sechs Jahre lang wie gebannt darauf gewartet, daß mein Handy auf dem Nachtisch klingelt und mir ein Abschleppauftrag erteilt wird. Meistens kam dies allerdings, kurz nachdem ich um 22 Uhr nach Hause gekommen und beim Fernsehen eingeschlafen war.

Zusätzlich zur 70 – 85 Stundenwoche habe ich Nachts und am Wochenende nochmal zwischen 600 – 700 Stunden pro Jahr mit Abschleppen auf Bundesstraßen und Autobahnen zugebracht.


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