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Aktien und Jetons

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Meine Aktivitäten an der Finanzbörse ließen indes nicht nach. Ich kann also wirklich sagen, daß zu dieser Zeit mir sieben Tage in der Woche der Kopf geraucht hat. Um mich selber zu belohnen, bestellte ich mir zur „G-Klasse“ noch einen SL-500 Mercedes. Wie wenig Zeit ich hatte, merkte ich, als ich das Auto im Herbst an Mercedes zurückgab. Eigentlich wollte ich damit den Sommer genießen.

Bei der Rückgabe hatte der Wagen gerade 3000 km gelaufen, von denen 2000 km noch ein Bekannter gefahren war.

Anfang 1998 war ich in Berlin. Unser Vertragspartner, das Technische Hilfswerk, hatte zum Frühjahrsempfang eingeladen.

Auf dem Rückweg, ich fahre gerade am Brandenburger Tor vorbei, klingelt das Autotelefon:

„Hier ist Doreen.“

„Welche Doreen, fragte ich?“

„Na, Doreen vom Fernsehladen.“

Da wusste ich, mit wem ich sprach. Als meine Frau auszog, musste ich mich ja ganz neu einrichten. Sämtliches Mobiliar hatte ich in einem Möbelhaus in Schwerin gekauft.

Da ich mir für private Dinge grundsätzlich nicht viel Zeit nahm und um die Firma nicht zu vernachlässigen, bin ich wie ein Wirbelwind durch das Kaufhaus gerast und habe alles in etwa 50 Minuten ausgesucht und gekauft. Die Auswahl des neuen Fernsehgeräts in Perleberg bei Doreen hat hingegen wohl fast drei Stunden gedauert.

Doreen war eine bezaubernde junge Frau:

27 Jahre alt, super Figur, hübsches Gesicht und lange braune Haare. Nun rief sie mich auf meinem Handy an. Die Nummer wurde ihr von Mitarbeitern aus meinem Büro gegeben. Sie wollte einen Werkstatttermin für ihren alten Golf. Und dafür rief sie mich auf dem Handy an?!

Die ganze Rückfahrt von Berlin nach Perleberg dachte ich darüber nach. In der Woche darauf brachte sie ihr Auto. Alle Schlosser verdrehten sich den Hals nach ihr...

Nachdem ich den Termin in der Werkstatt gespannt erwartet hatte, fragte ich sie, ob wir in der Zwischenzeit etwas essen gehen wollen. Sie sagte zu.

Nicht, daß ich es erproben wollte: Aber obwohl wir in eine Freizeitanlage gefahren sind, um ein Würstchen zu essen, zeigte sie sich kein bisschen pikiert. In dem kurzen Gespräch merkten wir wohl beide, daß wir komplett daß wir ähnlich gestrickt waren. So verabredeten wir uns ganz unumständlich für die kommenden Abende.

Doreen wohnte in einer Neubauwohnung. Ich holte sie abends ab und wir gingen essen. Wir redeten und redeten. Und das ist sonst gar nicht meine Art. Ich war so angefixt von Doreen, ich konnte gar nicht erwarten, daß etwas passierte. Und das ließ auch nicht lange auf sich warten. Bei ihrem zweiten Besuch bei mir zu Hause und von da an über Wochen und Monate jeden Abend.

Anschließend, oft morgens, fuhr sie dann zurück in ihre Wohnung. Es dauerte nicht lang und wir fassten den Entschluss, daß sie ja zu mir zieht.

Sie konnte die Miete sparen und ich musste nicht länger alleine in einem Einfamilienhaus wohnen. Sie stellte aber eine Bedingung: daß ich meinen Kontakt zu Igor abbreche. In der Stadt würde man schon über mich und „die Mädchen aus der Ukraine“ reden. Ich willigte ein und wir waren ein schwer verliebtes Paar.

Doreen war in ihrer Persönlichkeit ziemlich burschikos. Sie war für jeden Spaß zu haben. Ich versuchte -meiner Gewohnheit zuwider- schon um halb sieben zu Hause zu sein, wenn auch sie Feierabend hatte. Sie hatte Verständnis dafür, daß ich viel arbeiten musste.

Da samstags ihr Fernsehladen geöffnet hatte, konnte ich weiterhin zu meiner heimlichen Freude auch dann arbeiten gehen.

Kurz bevor ich sie kennen lernte, hatte ich mir ja den bereits erwähnten Mercedes SL 500 bestellt. Mit den ersten Sonnenstrahlen kam das Cabrio dann auch. Das hatte ich ihr nicht gesagt und ich dachte es könnte eine schöne Überraschung für sie sein.

Einen Tag vor Eintreffen des Autos klingelte es morgens um 6 bei uns.

Doreen sah aus dem Fenster. Dort stand Seika.

Sie war mit dem Taxi gekommen. Mir ist fast schlecht geworden. Aber Doreen hat das geregelt. Sie öffnete das Fenster und allein ihr Anblick hat Seika veranlasst, fluchtartig zu verschwinden.

Ich fühlte mich nicht gut, weil ich Seika wirklich mehr als gemocht habe. Aber da ich wegen Doreen wochenlang keinen Kontakt mehr zu ihr hatte, konnte ich ja nicht damit mit rechnen, daß sie von sich aus zu mir kommt. Sie tat mir richtig leid.

Das konnte ich Doreen natürlich nicht sagen und es hätte auch nicht viel geändert.

Sie zeigte mir zum ersten Mal, wie eifersüchtig, besitzergreifend und böse sie werden kann, wenn es um andere Frauen ging. Sie musste einige schlechte Erfahrungen gemacht haben.

Am Abend war dann aber alles wieder gut...bis zum nächsten Tag: Da kam der SL 500 in schwarz. Sie war außer sich: „Zuhälterauto, Schwanzverlängerung“ und vieles mehr schimpfte sie.

Später, nachdem sie sich beruhigt und wir vereinbart hatten, daß ich mit dem Auto nicht alleine wegfahren würde, konnte ich sie ein wenig besser verstehen: Doreen hatte nach der Wende Perleberg in Richtung Hamburg verlassen und war erst, kurz bevor wir uns kennen lernten, von dort wieder zurückgekehrt. Sie hatte in Hamburg als Laborantin gearbeitet. Da sie aber mit dem Lohn nicht auskam, jobbte sie nach Feierabend und an Wochenenden zusätzlich in einer Diskothek.

Diese Disko war wohl weit und breit bekannt.

Sie erzählte mir, daß dort Prominente, aber auch Zuhälter ein- und ausgingen. Auch von „steinreichen Leuten“ bzw. deren Kindern, die dort Partys feierten, als ob es kein Morgen gebe, sprach sie. Aber sie wäre nie involviert gewesen, obwohl sie überall mit dabei gewesen war und alle gekannt habe. Jedenfalls schien sie diese Klientel dergestalt abgeschreckt haben, daß sie etwa ein Anblick wie der meines neuen Autos in solche Rage versetzen konnte. Als ich um diesen Teil ihres Lebens wusste, kam es mir vor, als wäre sie ausgebrannt aus Hamburg nach Perleberg geflüchtet.

Es war vermutlich auch der Zeit in Hamburg zu schulden, daß sie kein Interesse an Diskothekenbesuchen hatte und keinen Alkohol trank. All das hatte aber auf unsere Beziehung keinen Einfluss, wir verstanden uns toll.

So verbrachten wir die Abende und Wochenenden zuhause und hatten richtig Spaß. Mir war das nur recht. Im Übrigen teilten wir bald auf das Leidenschaftlichste ein Hobby: Ihr war von Anfang an aufgefallen, daß ich damit beschäftigt war, an der Börse Geld zu „verdienen“. Plötzlich fieberte jemand mit mir, wenn ich bis tief in die Nacht zum Zerreißen gespannt Börsenticker verfolgte.

Gemeinsam suchten wir im Fernsehen, im Teletext und diversen Zeitschriften nach Anlagemöglichkeiten. Mit Doreen wurde es zur Sucht.

Aktien und Optionsscheine, die wir beide über das Wochenende auswählten, kaufte ich Monatag früh, um sie freitags mit satten Gewinnen zu verkaufen.

In der Firma lief alles hervorragend. Meine Arbeitszeit begann nach wie vor um 6.30 Uhr und endete um 18.30 Uhr.

Mittlerweile hatten wir die ersten Schlosserarbeiten in Hamburg bekommen und so jagte ich von einer Baustelle zur anderen.

Vormittags Berlin, nachmittags Hamburg und zwischendurch zu den Hochspannungsmasten in Mecklenburg. Die Gewinne wuchsen.

Zum Sommer 1998 ließ ich für Doreen und mich einen Swimmingpool in den Garten bauen.

Das war nicht ganz uneigennützig...

Aber Doreen störte es überhaupt nicht, daß wir unseren 'Sommerurlaub' damit verbrachten, am Pool zu liegen und Wirtschaftsmagazine zu wälzen.

Auf der Suche nach Penny-Stocks, also Aktien, die im Pfennigbereich dümpelten, kam ich in diesem 'Urlaub' auf Fokker-Aktien.

Fokker war ein angeschlagener niederländischer Flugzeugbauer. Über Wochen recherchierte ich alle Informationen über Fokker, ich trug wohl mehrere hundert Seiten zusammen.

Zwischenzeitlich hatte sich eine Gesellschaft in den Niederlanden gegründet, die „Rekkof“, also gewissermaßen „Fokker“ von hinten.

Ich telefonierte mit deren Geschäftsführer und bekam heraus, daß sie die Baupläne für eine neue Maschine gekauft hatten, vor deren Entwicklungskosten Fokker in die Knie zu gehen drohte.

Von einem holländischen Gewerkschafter habe ich auch erfahren, daß Fokker kurz vor dem Neustart stehen würde.

Ich habe die DASA angerufen, mit der Dresdner Bank gesprochen und –ein Parforceritt– nach tagelangen Versuchen sogar den Vorstandsvorsitzenden von Boeing, Phil Condit, ans Telefon bekommen. In meinem von CNN aufgefrischten Schulenglisch und mit der Frechheit, die Erfolge einem verleihen können, habe ich in dem kurzen Gespräch versucht, Condit davon zu überzeugen, daß Boeing sich aufgrund des rasant wachsenden Marktes für Flugzeuge mit ca. 100 Sitzplätzen an Fokker beteiligen müsse.

Mir ging es natürlich nicht um das Wohl und Wehe Boeings, sondern um die beschleunigte Mehrung der 100.000 Mark, die ich bis dahin bereits in Aktien von Fokker investiert hatte.

Das war der Stoff, aus dem unsere Träume und die langen Gespräche waren, Doreens und meine.

Ihr Credo war: „Immer auf der Jagd nach dem Glück. Aber wo Licht ist, ist auch Schatten!“

Da ich die ganzen Monate wie immer durch die Firma, nun aber auch durch Doreen voll ausgelastet war, hätte ich bald meinen Rechtsstreit mit der Volks- und Raiffeisenbank vergessen.

Das Landgericht tagte. Zunächst einmal verabschiedete sich in der Sitzung einer der Richter wegen Befangenheit. Er war der Stiefvater einer meiner Buchhalterinnen.

Fernsehanwalt Nieding kam mit dem Flieger aus Frankfurt nach Berlin und mit dem Mietwagen weiter zum Landgericht nach Neuruppin.

Mit den über Monate weiterlaufenden Zinsen für den verspäteten Einkauf der Bremer Vulkanaktien war das Minus auf meinem Anlagekonto bei der Volks- und Raiffeisenbank auf fast 400.000 Mark angewachsen. Es ging also nicht mehr nur um den mir genommenen Gewinn.

Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich justizerprobt war, konnte ich der Sache nur teilweise folgen. Am Ende hatte ich aber das mulmige Gefühl, daß die Richter der Meinung seien, wer Aktien kaufe, müsse eben auch verlieren können. Als wir einen Monat später zur Urteilsverkündung fuhren, sackten mir bald beim Aufstehen die Beine weg und mir wurde schlecht, als der Richter verlas:

„Die Klage ist abgewiesen!“

Jetzt kommen zu den 400.000 noch Prozesskosten, die Kosten der Gegenseite und die üppige Rechnung von Rechtsanwalt Nieding.

Zwei Tage habe ich gebraucht, um mich zu fangen. Dann habe ich, natürlich mit Doreens Zuspruch, 'entschieden': „Nicht mit mir, nicht mit uns!“

Über eine Börsenzeitschrift habe ich die Telefonnummer von Dr. Rodloff erhalten. Seine Kanzlei lag am Ku'damm in Berlin. Ich war von ihm ohne Einschränkung begeistert.

Er hatte zwar keine außergewöhnliche Medienpräsenz, war aber ein außergewöhnlich angenehmender Mensch – extrem sachkundig, zugleich aber sehr ruhig und gelassen.

Nachdem er sich das Urteil des Landgerichts und die Akten angesehen hatte, erklärte sich Dr. Rodloff bereit, mich in einem Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht in Brandenburg zu

verteidigen.

Ich beantragte also Revision und warteten auf einen Termin.

Weil mir meine Arbeit in den ganzen Jahre wenig Freizeit ließ, pflegte ich auch kaum familiäre Kontakte. Das änderte sich durch Doreen ein wenig.

Mein Bruder hatte sich mit seiner Frau auf dem Grundstück seiner Schwiegereltern wenige Kilometer vor Perleberg ein Haus gebaut.

Er hatte einen Groß- und Einzelhandel aufgebaut für alles was man so braucht in der Region...

Seine Frau fuhr einige Zeit als Betreuerin von Filialen einer Supermarktkette durch die Region und arbeitete später in Schwerin in der Kreditabteilung einer Bank.

Nach dem Babyjahr verlor sie ihren Job dort, hatte sich jedoch auch zuvor schon mehrfach bei der Volks- und Raiffeisenbank in Perleberg beworben.

Der Bruder meiner Schwägerin hatte ebenfalls ein Haus auf dem Grundstück seiner Eltern und lebte dort mit seiner Frau, die im Finanzamt Pritzwalk arbeitete.

Er war damals Prüfer bei der Steuerfahndung, hatte aber nebenher eine Zulassung als Steuerberater erworben und wollte sich in Perleberg selbstständig machen. Wir besuchten die Vier immer häufiger. Es wurde mir somit fast zur Pflicht, dem Schwager meines Bruder zu versprechen: „Wenn Du Dich selbstständig machst, komme ich mit meiner Firma zu Dir“!

So kam es dann auch. Ich verließ meinen alten Steuerberater. Der Beginn unseres neuen Verhältnisses verlief allerdings chaotisch.

Denn er machte zunächst gar kein eigenes Büro auf, sondern war in zwei oder drei Kanzleien innerhalb eines Jahres als Büroleiter tätig.

Jedes Mal schleppten wir unsere gesamten Akten von einem Büro zum anderen, bis er sich dann tatsächlich selbstständig machte.

Vielen Geschäftsfreunden empfahl ich, ihm ein Beratungsmandat zu erteilen. All dies hatte zur Folge, daß er mir gegenüber zu dieser Zeit mehr als nett und höflich war.

Als er dann erstmals meine Firmen- und Börsengewinne verbuchte, erstarrte er beinahe in Ehrfurcht. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte er sich zum knallharten Profi und leistete eine höchst präzise, oftmals übergebührliche Arbeit, weil er das meiste selbst machte und kontrollierte. Angefangen hat er mit einer Mitarbeiterin und von Monat zu Monat kamen weitere dazu.

Auch ich hatte personell aufgestockt. Die ständig größer werdenden Aufträge, die natürlich auch höhere Ansprüche an Kalkulation, Abwicklung und Abrechnung forderten, zehrten doch mächtig an mir. Nebenbei hatte ich ja auch regelmäßig zwölf bis fünfzehn, manchmal sogar zwanzig Werte in meinem Wertpapierdepot zu verwalten.

Wenn ich in Berlin von einer Baustelle losfuhr, telefonierte meistens nonstop, bis ich in Hamburg bei der nächsten Baustelle ankam: Über Realtime Kurse abfragen, mit meinem Anlageberater Strategien diskutieren, kaufen und verkaufen!

So kam ich zu vierstelligen Telefonrechnungen.

In Folge dieser Ausmaße machte ich mich dann zum wohl einzigen Landmaschinenschlosser weltweit, der einen Anlageprofi beschäftigt hat, um ihn alleinig für den Eigenhandel mit Aktien und Optionsscheinen in Anspruch zu nehmen.

Ich warb Herrn Mettenburg der Deutschen Bank ab. Er war dort der Leiter der Anlageabteilung gewesen. Ich kaufte zwei große leistungsstarke Rechner, zwei große Monitore, richtete ihm ein Konto ein und ließ ihn via Internet arbeiten.

Recherchieren, kaufen, verkaufen.

So hoffte ich meinen Kopf etwas frei zu kriegen, um dem Dauerstress nicht irgendwann zu erliegen. Gemeinsam untersuchten wir den Markt in Deutschland, in den USA und in Asien.

Zum Jahresende hatten wir gutes Geld verdient.

Den Hauptgewinn fuhr aber ich ein. Ich kaufte im Juli für 150.000 Mark Optionsscheine auf den Internet-Dienstleister Yahoo und verkaufte diese im November für 370.000.

An Mut und Selbstvertrauen fehlte es mir nicht...

Unsere Baustellen liefen hervorragend. Alle Aufträge waren versichert. Unsere Auftraggeber waren namhafte Konzerne.

Die PKW- und LKW-Abschleppwagen waren ununterbrochen im Einsatz. Die Fahrzeugwerkstätten waren ständig voller Kundenfahrzeuge.

Irgendwann im Sommer 1998 fuhren mein Steuerberater, seine Frau, Doreen und ich ein Wochenende zur Ostsee.

Mein erster richtiger Ausflug seit vielen Jahren.

Und dann noch über Nacht, in ein Hotel. Nach Stadtbummel, Strandspaziergang, ausgedehntem Abendessen und Kneipentour gingen wir in die Bar im obersten Stock des Hotels Neptun in Warnemünde. Ich weiß heute nicht mehr, wer es zuerst gesehen oder wer die Idee hatte.

Nebst der tollen Aussicht lag direkt vor unseren

Augen ein prächtiges Gebäude mit Leuchtreklame:

„CASINO“...

Nach Mitternacht sind wir zu viert raus aus dem Hotel und rein in die Spielhölle. Ich, der ich nur wusste, wie Arbeit und Börse funktioniert, hatte bis dahin lediglich mal Lotto gespielt.

Aber ich war schwer beeindruckt.

Meine Kleidung waren immer Jeans und T-Shirt, obwohl ich Gesellschafter und Geschäftsführer eines mittelständischen Betriebes war, legte ich keinen Wert auf teure Anzüge und aufälliges Erscheinungsbild.

Aber hier stand ich genau dem gegenüber. Elegante Frauen und Männer an Spieltischen, geschäftiges Tun – als sei es Arbeit, dachte ich.

Wir teilten uns auf, nachdem wir Geld in Jetons getauscht hatten. Doreen blieb bei mir.

Da wir vom Spielen wenig bzw. keine Ahnung hatten, beobachteten wir erst eine Weile und versuchten diesen oder jenen Spieler am Roulettetisch zu fragen.

Die meisten waren aber so konzentriert und angespannt, daß sie gar nicht reagierten. Nach einer Weile fingen wir dann an, zaghaft zu setzen.

Erst mal nur auf Rot oder Schwarz später auf Zahlen oder Kombinationen. Nach zwei Stunden wollten die anderen Beiden ins Hotel.

Doreen und ich blieben noch...

Sie war eben anders als die meisten anderen Frauen und hatte genau wie ich Spaß an der Sache gefunden. Zu diesem Zeitpunkt sprach auch noch überhaupt nichts dagegen, daß wir zwei Börsengurus mit einem dicken Mercedes vor der Tür und Konten voller Geld uns ein wenig amüsieren.

So blieben wir bis zum frühen Morgen. Das Spielen zog mich mehr und mehr in seinen Bann. Kein Gedanke an verzinkte Geländer, Kassenbücher, Aufträge oder Mitarbeiter. Es war eine andere Welt.

Wir gewannen mal hundert Mark, um sie gleich wieder zu verlieren. Am frühen Morgen, das Casino wurde geschlossen, waren die 600 Mark, die wir dabei hatten, weg. Aber es tat nicht weh. Wir lachten und hatten sehr viel Spaß. Den beiden anderen erzählten wir natürlich, daß wir gewonnen hätten.

Insgeheim waren wir aber längst beschäftigt mit unserem Plan, uns das Geld natürlich zurückzuholen. Als Sonntag die Abreise anstand, redeten wir uns raus: Die beiden sollten doch ruhig schon losfahren, wir hätten noch etwas zu tun.

Ich hatte die 1.000 Mark, die ich nach Warnemünde mitgenommen hatte, für Übernachtung, Essen und Casino ausgegeben.

Kredit- und EC-Karten hatte ich zuhause. Als Eigentum eines Arbeitstiers wurden sie auch nie gebraucht. Doreen aber hatte eine EC-Karte dabei und holte 1.000 Mark ab.

Wie zwei Kinder am Heiligabend warteten wir vor dem Casino, bis geöffnet wurde. Es sollte alles ganz schnell gehen. Doreen blieb im Auto sitzen.

Ich lief schnell rein, stellte mich an einen der Spieltische und tauschte das Geld. Etwa zwei Minuten beobachtete ich das Geschehen und setzte dann ALLES auf Rot.

Dann schloss ich die Augen und hörte die Kugel rollen. Es war für mich sicher, daß ich den Verlust der letzten Nacht zurück bekommen und noch 400 Mark gewinnen werde. Anders! Es fiel Schwarz.

Mit versteinertem Gesicht ging ich raus und setzte mich zu Doreen ins Auto und fuhr, ohne ein Wort zu sprechen, los. Ich brauchte ja auch nichts zu sagen. Sie sah mir an, daß ihre 1.000 Mark weg waren.

Nach einer halben Stunde wortloser Autofahrt, wir waren gerade auf der Autobahn, sahen wir uns an und fingen an zu lachen. Fast wortgleich sagten wir: „Das holen wir uns zurück.“

Da ich nicht verlieren kann, setzte ich gleich alle Energie daran, mit Arbeit und Börse mehr Geld zu verdienen, als wir verloren hatten. Allerdings taten mir die Kosten dieses Wochenendes zu dieser Zeit wahrlich nicht weh.

Nach ein paar Wochen kam dann wieder einmal ein bedeutungsvoller Tag. Das Oberlandesgericht Brandenburg gab uns den Termin für die Berufungsverhandlung gegen die Volks- und Raiffeisenbank bekannt. Ich fieberte dem Termin entgegen.

Im Falle einer Niederlage hätte ich einschließlich Nebenkosten bestimmt nochmal 100.000 mehr als die bisherige Streitsumme, also etwa eine halbe Million Mark an die Bank zahlen müssen. Am Tag der Verhandlung traf ich mich dann mit meinem Rechtsanwalt, Dr. Rodloff, draußen vor dem Gebäude. Mit seiner Sachlichkeit und Ausgeglichenheit nahm er mir viel von meiner Nervosität.

In der Verhandlung fiel mir schnell auf, daß die Richter mit größeren Sachkenntnissen aufwarteten als jene am Landgericht. Als ich kurze Zeit später das Urteil in den Händen hielt, fühlte ich mich wahrhaft majestätisch.

Ich hatte die VR-Bank geschlagen!

Asche der Tag, an dem das Urteil in Neuruppin gegen mich gesprochen wurde! Und Asche das „Du kannst nicht gewinnen!“ des Bankvorstands.

Natürlich hatte ich in meinem Siegestaumel nicht bedacht, daß es nach Landgericht und Oberlandesgericht noch eine weitere Instanz, den Bundesgerichtshof gibt. Und mein Freudentaumel währte noch, als ich bereits von Dr. Rodloff mit Post bedacht wurde: Die Bank beantragte Revision und wollte das Urteil des OLG anfechten.

Bis dahin hatte ich schon reichlich an Anwaltsgebühren und Gerichtskosten gezahlt. Mit der Wiederaufnahme des Streits einem etwaigen Verlust könnten sich meine Kosten schon auf 600.000 Mark belaufen. Jedoch hätte mich in meiner finanziellen Situation auch dies nicht arg beuteln können. Und mit einer Entscheidung des BGH war vor Ende 1999 sowieso nicht zu rechnen.

So trat die Auseinandersetzung mit der Bank auch einstweilen wieder in den Hintergrund.

Ich war zur Genüge mit meiner Arbeit und der Börse beschäftigt. Es ging aber auch darüber hinaus: Eines Tages hörte ich im Radio, daß in Amerika ein reger Handel mit Domain-Namen für Internetadressen ausgebrochen sei.

Leute ließen sich bestimmte Namen schützen und im Glücksfall konnten sie diese sogar für mehrere Millionen Dollar bei ebay versteigern.

So ließ ich mir beim Marken- und Patentamt den Namen 'car-yoo.com' schützen. Mein Börsenprofi setzte den Domainnamen bei ebay USA in die Versteigerung, und zwar mit dem Startpreis von einer Million Dollar. Wir bekamen sehr viele E-Mails aus der ganzen Welt und ich rannte von Übersetzer zu Übersetzer und hoffte, es wäre von einem potentiellen Käufer. Zur gleichen Zeit hatte ich im „Handelsblatt“ eine Anzeige geschaltet, in der ich meine 180000 Aktien von Fokker zum Verkauf angeboten habe. Auch hier rief ein Beauftragter eines indischen Geschäftsmannes an, der angeblich Interesse hatte. Am Ende verliefen beide Aktionen leider erfolglos.

Aber ich wollte nichts unversucht lassen um Geld zu verdienen, mit dem ich so bald wie möglich meine Kredite abzahlen konnte. Auch Doreen war natürlich noch da. Aber peu a peu nahm ich mir auch von der Zeit mit ihr wieder mehr für meine Arbeit zurück. Statt 18.30 Uhr wurde es jetzt immer öfter 19.30 oder 20 Uhr, bis ich abends nachhause kam. Und aus Samstagmittag wurde schon mal der ganze Tag.

Um dem entgegenzusteuern und weil wir in der ganzen Zeit, in der wir zusammen waren, das erwähnte Casinowochenende unser einziger Ausflug war, beschlossen wir, daß ich in der Woche arbeiten kann, soviel ich will bzw. muss, und wir dafür die Wochenenden für gemeinsame Unternehmungen nutzen.

Um meiner Mutter etwas Gutes zu tun, die ja seit dem Tod meines Vaters 1987 alleine lebte, spendierte ich ihr eine Woche am Timmendorfer Strand. Doreen und ich brachten sie dorthin und auch wir blieben für ein Wochenende da.

Bei einer kleinen Rundfahrt sahen wir ein Gebäude mit einem Schriftzug, der uns beide gemeinsam, zum Lachen brachte:

„CASINO“ !

Wir sahen uns an und wussten, was zu tun war. Die schuldeten uns noch was. Wir brachten unsere Sachen ins Hotel und es ging los. Hier war es noch interessanter – man könnte auch sagen, noch bizarrer – als in Warnemünde. So spielten etwa ältere Damen, behängt mit Schmuck wie kleine kostspielige Weihnachtsbäume, mit einzelnen Einsätzen von mehreren tausend Mark. Als wir Sonntagabend nachhause fuhren, ging nichts mehr. Die Limits unserer Kreditkarten waren erreicht und das Bargeld war ausgeschöpft. Frustriert fuhren wir nach Hause – der Lachkrampf stellte sich diesmal nicht ein.

Im Nachhinein glaube ich, daß sich das Ende unserer Beziehung schon hier deutlich abzeichnete.

Die kommenden Monate fuhren wir alle Casinos in Berlin, Hamburg, Travemünde und Schwerin an. Es war wie eine Flucht aus dem Alltag, in dem ich mich wie noch nie zuvor in meine Arbeit stürzte.

Wenn ich spät heim kam, gab es kaum noch Gespräche zwischen uns. Ich wollte abschalten und oft fuhren wir gegen 20 Uhr auch in der Woche nach Schwerin ins Casino und spielten, bis um 1 Uhr geschlossen wurde. Zwischenzeitlich hatten wir zum Glück vom Roulett abgelassen und uns auf Spielautomaten 'spezialisiert'. Doreen hatte ihr gesamtes Geld schon lange verspielt und saß stundenlang neben mir. Für mich war das Geld kein Problem. Die Firma warf genug ab und die Gewinne an der Börse stiegen. Das Spielen im Casino war das Einzige, was uns noch aneinander band. Doreen hat die Atmosphäre und die Dramaturgie unserer Abende bzw. Nächte in den Spieltempeln genauso fasziniert wie mich. Wir haben gewonnen und verloren. Manchmal, wenn wir am Samstagnachmittag in Schwerin spielten und kein Glück hatten, sind wir abends nach Berlin gefahren, um am Potsdamer Platz weiterzumachen. Unser Spiel am Timmendorfer Strand war nicht das letzte Mal, daß wir so lange gezockt haben, bis wir keinen Pfennig mehr in der Tasche hatten. Einmal sind wir in den Morgenstunden beinahe nicht mehr aus dem Parkhaus gekommen, weil wir die Parkgebühren nicht bezahlen konnten. Wenn ich nicht zufällig noch DM 10,00 im Auto gefunden hätte, wären wir wohl betteln gegangen.

Ich hasste mich für meine Idiotie und zweifelte immer mehr, daß Doreen die richtige Frau ist. Sie saß stundenlang völlig konzentriert und begeistert neben mir und sah zu, wie ich einen Hunderter nach dem anderen in den Automaten schob.

Natürlich gab es auch Höhepunkte. Mal gewann ich 5.000, mal 10.000 Mark und einmal sogar noch mehr. In der Regel aber verbrannten wir bei einem Casinobesuch zwei- bis dreitausend Mark und fuhren in den Morgenstunden wortlos und verbittert nach Hause.

Zu dieser Zeit war ich sicherlich spielsüchtig. Während des Spielens vergaß ich den gesamten Stress der Woche und den jahrelangen Raubbau an meinem Körper. Erst auf den Rückfahrten in den Morgenstunden hielt der Realitätssinn wieder Einzug in mich: Wut auf mich! Wut auf Doreen, die das Ganze ja begleitete. Insgesamt verspielten wir in anderthalb Jahren fast 300.000 Mark!

Es reichte mir vollständig.

Ich sah in Fernsehberichte über Spielsucht, wie Professoren, Doktoren und Unternehmer alles verspielten und zwar mehrere Millionen Mark, ganze Firmen gingen Pleite. Wie es mir gelungen ist, mich davon zu lösen, kann ich heute nicht mehr nachvollziehen.

Es war wohl meinem Ehrgeiz geschuldet, der Aversion gegenüber der Vorstellung, meine Firmen- und Börsengewinne mithilfe von Spielautomaten vernichten zu können.

Auch das Auseinanderleben mit Doreen hat wohl dazu beigetragen, daß ich ziemlich prompt ohne ärztliche Hilfe und ohne Rückfall aus der ganzen Sache herausgekommen bin.

Daß es mit Doreen zu Ende war, hätte ich wissen müssen, als sie nach dem abrupten Abbruch der Casinobesuche in der Woche abends bis spät zum Fitness ging und sich am Wochenende mit verschiedenen Bekannten traf, von denen ich nicht nicht mal wissen wollte, um wen es sich handelte.

Ich selbst jagte wie immer zwischen Baustellen in ganz Norddeutschland hin und her. In den ersten Jahren bekamen wir auch viele regionale Aufträge. Dies hatte inzwischen stark nachgelassen. Anfangs verschwanden nur Firmen, deren Inhabern man eine Selbstständigkeit ohnehin nicht zugetraut hat. Mittlerweile ging es aber auch den Arrivierten an die Substanz.

Als ehemaliger exzellenter Schüler der „Staatsbürgerkunde“ habe ich mich intensiv mit dieser Misslage auseinandergesetzt. Im Bundestagswahljahr 1998 erhoffte ich mir, aus welchen Gründen auch immer, viel von der SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder. Ich sah Schröder im Fernsehen bei Gesprächen mit Wirtschaftsbossen witzige Sprüche dreschen und Siebzig-Mark-Zigarren rauchen. Er imponierte mir.

Am Wahltag fuhr ich mit Doreen zum Wahllokal und bat sie, ihr Kreuz zu Schröders Gunsten zu machen. Ich selbst ging gar nicht wählen. Das war vielleicht eine Vorahnung.

Jahrelang wurde über den Bau eines TRANSRAPID zwischen Hamburg und Berlin debattiert. In meiner Stadt sollte gegebenenfalls das Wartungswerk entstehen. Die Trasse war bereits abgesteckt und es wurden sogar schon Probebohrungen durchgeführt.

Von diesem Projekt hätten wir alle profitieren können, das hatte ich über Jahre eindrucksvoll mitbekommen. Egal, ob es sich um Gasleitungen, Erneuerungen im Schienennetz oder Hochspannungsmasten handelte, wann immer solche Bau-maßnahmen durchgeführt wurden, waren unsere Leute vor Ort und schweißten rund um die Uhr oder lieferten Stahlteile.

Zusätzlich brachten die Baufirmen ihre Fahrzeuge in unsere Werkstätten zur Reparatur.

So hoffte ich für einige Jahre auf den Baustart zur Transrapidstrecke. Bis zum damaligen Zeitpunkt hatte ich schon etwa 7.000.000 Mark in Werkstattgebäude, Ausrüstungen und Fahrzeuge investiert.

Wir hatten den „großen Eignungsnachweis“ als Schweißfachbetrieb und die Zertifizierung nach ISO 9002 erreicht. Es konnte losgehen...

Nachdem Schröders SPD gewählt wurde, stand er – ich sehe ich ihn noch heute – bei der SPD-Wahlparty mit einem breiten Grinsen auf der Bühne und formte beidhändig das Victory-Zeichen.

Einer seiner Kommentare: „Die deutschen Aktienindizes, DAX und NEMAX, feiern mit neuen Höchstständen den Rot-Grünen Wahlsieg.“ Ich war mir sicher, das Geldverdienen an der Börse gehe weiter und der Transrapid werde gebaut. Das hätte Arbeit im großen Stil bedeutet, und zwar endlich mal vor der eigenen Haustür. Als dann kurze Zeit später das Aus für den Transrapid kam, war ich außer mir vor Wut und Enttäuschung.

Ich empfand dies als Ungerechtigkeit, nicht nur gegen mich, sondern gegen die anderen Menschen in unserer Region. Auch dies hat mich veranlasst, die Sache nicht auf sich beruhen zu lassen.

Ein wenig später war Bürgermeisterwahl in unserer Stadt. Der langjährige Bürgermeister Zigan, zu dem ich ein ganz ausgezeichnetes Verhältnis hatte, sollte abgelöst werden. Auch er war glühender Anhänger des Transrapid-Projektes.

Sein Gegenkandidat bei der Bürgermeisterwahl war ein Landtagsabgeordneter von der PDS, der PDS die in den vergangenen Monaten auf 'meinem' Transrapid herumgehackt hatte.

Da ich nach Rücksprache mit einem großen privaten Radiosender keine Erlaubnis erhielt, Direktwerbung für den Amtsinhaber zu schalten, dachte ich mir etwas anderes aus. Ich kannte eine junge Mutter und sie willigte ein, daß mir ihr kleiner Sohn hilft. Florian fuhr mit mir ins Tonstudio nach Erkner und wir nahmen einen Jingle auf.

Florian beschwor in dem Spot mit niedlicher Kinderstimme, wie schön Perleberg sei, was in den letzten Jahren alles saniert wurde, daß wir ein Schwimmbad, einen Tierpark und ein Kino hätten und die Straßen fast alle neu seien, daß Mutter Arbeit habe und sein Kindergarten ganz toll sei.

Den Jingle ließ ich dann in den drei Wochen vor der Wahl von regionalen Radiosendern täglich rauf und runter spielen. Unmittelbar vor der Wahl habe ich dann einen großen Koffer-LKW meiner Firma beidseitig groß plakatieren lassen: „Liebe Perleberger, hört was Florian im Radio sagt! Geht am Sonntag zur Wahl und wählt Zigan!“ Ich organisierte einen Fahrer und ließ den LKW eine Woche von morgens bis abends durch die Stadt fahren. Die PDS hatte natürlich auch eine Werbekampagne gestartet. Selbst Aushängeschild Gregor Gysi kam in unsere Region. Das Ergebnis der Wahl musst jedoch selbst ihn beeindruckt haben. Bei relativ hoher Wahlbeteiligung gewann den amtierende Bürgermeister mit etwa 70 Prozent. Das ganze hatte mich etwa 10.000 Mark gekostet. Als Genugtuung für den abgesagten Transrapid war mir der Wahlerfolg aber noch nicht genug. Richtig motiviert hat mich dann eine Radiosendung, in der Gerhard Schröder interviewt wurde:Angesprochen auf die Entlassungen von mehren hunderttausend Beschäftigten antwortete er lässig: „Da werden Überkapazitäten abgebaut. Und die neuen Medien, wie Internet und dergleichen, werden das schon richten!“ Als könnten Maurer, Schlosser und Baggerfahrer über Nacht zu Computerspezialisten mutieren. Ich war wütend!

Mit einem Anwalt setzte ich mich zusammen und wir schrieben alles, was zum Transrapid Hamburg-Berlin zu finden war, nieder und reichten am Ende ich eine dicke Klageschrift beim Bundesverfassungsgericht ein. Wir wollten die BRD auf Schadenersatz verklagen oder eben den Bau des „Transrapid“ erzwingen. Zur Begründung verwiesen wir auf die Verpflichtung zum Schutz des eingerichteten Gewerbebetriebes am Standort und die verfassungsmäßige Pflicht der Bundesregierung, alle Regionen gleichmäßig wirtschaftlich zu entwickeln. Ich bekam ein großes-Echo in den Medien. 1999 bekam ich aber dann die Antwort vom Verfassungsgericht. Meine Beschwerde wurde abgewiesen. Begründung: „Politische Entscheidungen sind nicht justiziabel, ich könne mich aber an die Fachgerichte wenden!“ - Ich gab auf. Die Prozesskosten hätten meinen Rahmen gesprengt. Jemand schrieb dann noch anonym in der Regionalpresse einen Artikel und griff meine Wahlkampfunterstützung für den Bürgermeister an. Um der Sache einen Abschluss zu verleihen, schaltete ich einen Tag später ein großes Inserat, in dem ich meine Freude über den Sieg zum Ausdruck brachte, und schrieb, daß es unerträglich gewesen wäre, von Leuten regiert zu werden, die auf der einen Seite den Verlust von Arbeitsplätzen bedauerten und auf der anderen Seite gegen eine Jahrhundertchance für unsere Region ankämpften. Darauf bekam ich von meinem Banker Martin Brödder einen Anruf, in dem er mir sagte, „ich möchte jetzt Ruhe geben, denn die Transrapidgegner wären auch Kunden seiner Bank“. Dieser Einflußnahme hätte ich besser mehr Bedeutung beimessen sollen...

1994 fuhr ich mit einem Klein-LKW voller Geländer nach Berlin gefahren, um diese auszuliefern.

Ich fuhr gerade über eine sechsspurige Brücke auf der Mittelspur, da tauchte hinter mir ein Tanklastzug auf, welcher hupte und Lichthupe gab.

Da ich alles richtig machte, ignorierte ich ihn. Da überholte er mich auf einmal rechts und scherte fast mit Vollbremsung links vor mir ein und drängte mich auf die schraffierten Sperrstreifen zwischen den Spuren.

Ich hielt an und sah, wie der Fahrer des LKW aus seinem Fahrerhaus sprang und auf meinen LKW zulief. Er hatte eine Pistole in der Hand und zielte auf mich. In dem Moment dachte ich kurz:

„Gleich knallt es und das war's mit Dir.“

Dann aber schmiss ich Kopf und Oberkörper auf die Beifahrerbank und gab Gas. Mein Glück war, daß niemand im Gegenverkehr kam.

Ich gab weiter Gas und war weg.

In meinem Büro hing die ganzen Jahre eingerahmt das alte japanische Sprichwort:

´Geschäft ist Krieg`.

Ob der Anruf vom Banker oder der Irre mit der Pistole... irgendwie begann sich in meiner Welt allmählich Unheil anzudeuten.

Geschäft ist Krieg

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