Читать книгу Franz, der etwas andere Superheld - Thomas Karl - Страница 7

Wer hoch fliegt, fällt auch tief

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Die Sonne lachte schon seit Stunden durch das kleine Fenster im Baumhaus. Franz wurde davon dennoch nicht wach. Selbst als sich ein paar Vögel auf seiner Fensterbank niederließen und fröhlich vor sich hin trällerten, schlummerte er weiter. Dabei hob sich die Kapuze seines Kostüms, die ihm im Schlaf über die Nase gerutscht war, bei jedem Atemzug lustig auf und ab. Anscheinend war es kein guter Tag für Helden oder zumindest ein müder. Der Junge schnarchte tief und fest vor sich hin. Gegen Mittag öffnete er zum ersten Mal seine Augen und blickte umher. Verschlafen rieb er sich durchs Gesicht. Nachdem er einige Minuten lang den vorbei fliegenden Vögeln gelauscht hatte und langsam zu sich kam, entschied er sich dazu aufzustehen. Mit einer schwungvollen Rolle, ließ er sich auf die Matratze unter sich fallen und schleuderte damit in den Stand. Nun war er wach. Gespannt blickte er erneut in den Spiegel und betrachtete sich zum ersten Mal bei Tageslicht. Gut, die Farben waren wirklich gewöhnungsbedürftig, aber wenn man es genau nahm, konnte der Junge auf seinen selbst genähten Anzug sehr stolz sein, auch wenn er an einigen Stellen nicht so richtig passte. Er wirkte, trotz seines Bauches, richtig muskulös darin. Voller Tatendrang machte sich Franz auf den Weg in die Stadt. Dort war Markttag und die Straßen waren voller Leute. Jeder redete mit jedem. Die Menschen, die an den Ständen etwas kaufen wollten, feilschten mit den Händlern um die Preise. Dort ging es nicht immer leise zu. Manche fuchtelten dabei aufgeregt mit ihren Händen umher und gestikulierten wild in der Luft herum. Viele Kinder rannten umher und spielten Fangen, dabei schrien und kreischten sie. Es war ein riesiges, aber nettes, Durcheinander. In der einen Ecke des Marktplatzes trötete eine Blaskapelle lustige Volkslieder in die Menschenmenge hinein. Man konnte kaum noch sein eigenes Wort verstehen. Als Franz in seiner Verkleidung das Stadttor passierte und den Marktplatz betrat, stoppte der ganze, pulsierende Betrieb. Die Musikanten der Kapelle hörten auf in ihre Instrumente zu blasen und kein Mensch kaufte mehr etwas ein. Sämtliche Blicke trafen gebündelt auf den kleinen Jungen, in seinem rosa Kostüm. Es war mucksmäuschenstill. Niemand wagte auch nur ein Wort zu sagen oder sich zu bewegen. Langsam kam eine gewisse Unruhe und etwas Gemurmel auf. Franz stand fest wie ein Fels in der Brandung auf seinem Platz zwischen den Menschen. Die Arme waren fest in die Hüfte gestemmt und ein Fuß stand, etwas erhöht, auf einem klobigen Stein. Die Brust schwoll ihm sichtlich voller Stolz an. Er posierte heldenhaft und genoss die neugierigen Blicke der übrigen Stadtbewohner, die er auf sich zog. Jeder auf dem Markt musterte ihn von oben bis unten. Der Bürgermeister, der von allen nur Lampi gerufen wurde, weil er eine dicke, rote Knollennase besaß, die im dunklen fast zu leuchten schien, schritt als erster auf das merkwürdige Kind zu. „W...W...Wer bist Du?“, stotterte Lampi ängstlich hervor. Franz nahm sein grünes Cape und verhüllte damit geheimnisvoll den Rest seines Gesichtes: „Wer ich bin, wollt ihr wissen? Erkennt ihr mich denn nicht?“. Nach diesen Worten schwang er seinen Umhang euphorisch hinter sich: „Ich bin es: SUPERFRANZ! Der Superheld eurer Stadt!“. Die Leute staunten nicht schlecht und das Getuschel nahm deutlich zu. Plötzlich schrie jemand aus der hintersten Reihe: „Ach, das ist doch nur unser Franz aus dem Baumhaus. Den erkenne ich. Guckt doch mal, selbst das „F“, auf seiner Brust, ist falsch herum geschrieben!“. Tatsächlich, die Menschen erkannten ihn und brachen in einem großen Gelächter aus. „Der hat ja gar keine breiten Schultern, da steckt ja nur der Kleiderbügel hinten drin!“, rief der Nächste und zeigte mit dem Finger auf den kleinen Jungen. „Oh nein, nur das nicht.“, dachte Franz bei sich und tastete vorsichtig an seinem Rücken entlang. Das war eine Blamage. Tatsächlich hatte er am Vorabend vergessen, den Kleiderbügel herauszunehmen, bevor er das Superheldenkostüm angezogen hatte. Nun erklärte sich auch sein breites Kreuz, welches gar keines war. Er schämte sich in Grund und Boden. Die Menge grölte und johlte, sie zeigten auf das arme Kind und lachten sich kaputt. Einige schlugen sich auf die Knie, wieder andere konnten gar nicht mehr aufhören und kugelten sich auf dem blanken Boden. „Was kann unser Superheld denn so Besonderes? Komm Junge, zeig uns was!“, schallte es fordernd aus der Menschentraube heraus. Dies war ein heikler Punkt und Franz musste schleunigst etwas einfallen. Irgendetwas, das die Meute beeindruckte und beruhigte. Er wollte schließlich nicht als Clown vor den ganzen Leute enden. Selbstbewusst hob er beide Arme und winkte um Aufmerksamkeit: „Wenn ihr es genau wissen wollt...“, begannen seine Worte: „...ist es nämlich so: Ich kann fliegen!“. Plötzlich kehrte Ruhe in die Menschenmenge ein und alles wartete gespannt. Die Hälse der Zuschauer wurden lang und länger, jeder reckte sich soweit er nur konnte. Keiner wollte diese Vorstellung verpassen. Der Junge hindessen ging schnurstracks auf eine Kutsche zu, kletterte an ihr empor und stellte sich auf den Kutschbock. Mit einem kleinen Anlauf und einem riesigen Satz, sprang er drauf los, breitete sein Cape aus, schwebte mit einem ausgestrecktem Arm durch die Lüfte und... und landete direkt auf seiner Nase im Matsch. Der Hohn und der Spott nahmen gar kein Ende mehr, die meisten der Bürger hatten Tränen in den Augen und mussten sich diese sogar mit ihren Taschentüchern trocknen. „Das nennt man nicht fliegen, das nennt man hüpfen, was Du da machst!“, lachte es aus jeder Ecke. Die Menschen trieb es langsam auseinander und sie gingen wieder ihren Geschäften oder Einkäufen nach. Franz lag noch immer im Dreck und ärgerte sich: „Wie konnte ich nur so dumm sein und behaupten das ich Fliegen könnte?“. Völlig beschämt rappelte er sich aus der Matschkuhle auf und klopfte sich den Dreck von seinem Kostüm. Wütend stapfte er davon und schnaubte dabei übertrieben durch die Nase. Wenn man nicht genau hinsah, hätte man ihn fast mit einer qualmenden Dampflokomotive verwechseln können, so sehr brodelte es in und aus ihm heraus. Als er das Stadttor erneut passierte, drehte er sich noch ein allerletztes Mal um, drohte schwingend mit der Faust und verkündete: „Ihr werdet schon sehen. Ich bin ein echter Superheld! Wartet es nur ab!“. Damit stiefelte er davon und verschwand. Der Junge sprang erst einmal gleich in den See. Zum einen, um sein Gemüt abzukühlen, zum anderen musste er dadurch nicht mehr seine Wäsche waschen. Als er bei seinem Baumhaus ankam, war zwar seine Kleidung sauber, jedoch wetterte und schimpfte er immer noch so sehr über die Menschen in der Stadt, dass er fast ein eigenes Stück Seife für seinen Mund gebraucht hätte, solch schlimme Wörter kamen über seine Lippen. Am späten Nachmittag besuchte ihn Max. Franz hatte sich mittlerweile wieder ein bisschen beruhigt. Seine Kapuze hatte er nach hinten auf seine Schulter abgestreift. Traurig starrte er vor sich hin. Wenn er eines nun wirklich nicht sein wollte, dann war es das Gespött der ganzen Stadt zu sein. Seine Haare standen in alle Himmelsrichtungen ab. „Ach, was ist denn schon passiert?“, fragte Max voller Anteilnahme: „Eigentlich haben die Erwachsenen doch nur über dich gelacht. Das vergessen die bald wieder. Dann ist es wieder wie früher.“ Max wollte seinen besten Freund ein wenig aufheitern, aber es schien ihm nicht recht zu gelingen. „Nur gelacht? Nur gelacht?“, wiederholte sich Franz: „Ich habe mich zum größten Trottel aller Zeiten gemacht. Das werden die mir nie vergessen. Ich werde doch für alle nur noch „Franz, die Superpfeife“ sein.“ „Ach Quatsch!“, entgegnete ihm sein Freund: „...und weißt Du was?“ „Was?“, fragte Franz niedergeschlagen nach. „Für einen kleinen Augenblick, habe ich wirklich geglaubt, dass Du ein Superheld bist… und Fliegen kannst!“. „Ehrlich?“, mit einem Mal wirkte Franz schon wieder fröhlicher und schaute Max tief in die Augen. „Ehrlich!“, antwortete dieser und hob seine Hand zum Indianerschwur. „Weißt Du was Max?“, brach es aus Franz heraus: „Wenn das so ist, dann werde ich dir und der ganzen Welt beweisen, dass ich doch ein echter Superheld bin! Das verspreche ich hiermit hoch und heilig!“. Damit das Versprechen auch wirklich galt, hoben beide ihre Hände und reckten sie sich flach zum Gruß entgegen, dann spuckte jeder dem anderen in dessen Handfläche. Danach wurde kräftig eingeschlagen und die ganze Spucke wirbelte durch die Luft. So war halt ihr eigener Indianerschwur.

Franz, der etwas andere Superheld

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