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2. Entstehung von Mehrrechtsstaaten

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Ursache für die Entstehung solcher Staaten waren auf dem europäischen Kontinent in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem Grenzverschiebungen und Ausdehnungen von Staaten, sowie zentralistische Staatenbildungen, die sich gegen Ende des 20. Jahrhunderts zum Teil durch Dismembration wieder aufgelöst haben.

So galt zB in Teilen Ungarns das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, in anderen Teilen alt-ungarisches Gewohnheitsrecht. Insbesondere die Gebietsverschiebungen im Zuge der Friedensverträge zur Beendigung des Ersten Weltkriegs führten zu einer starken Regionalisierung des geltenden Rechts auf dem Balkan.

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Solche interlokalen Rechtsspaltungen beziehen sich häufig nicht auf das gesamte Privatrecht, sondern umfassen nur bestimmte Rechtsgebiete. Es tritt dann Rechtseinheit in Teilen des Privatrechts neben Rechtsspaltung in anderen Bereichen.

In Spanien gilt das gemeinspanische Recht des Código Civil in einigen autonomen Provinzen nur mit Einschränkungen, die sich teils auf das Familienrecht, aber auch auf sachenrechtliche und schuldrechtliche Einzelfragen erstrecken (sog leyes forales – Foralrechte). Den Republiken der ehemaligen Sowjetunion war im Familien- und Erbrecht partielle Gesetzgebungshoheit eingeräumt, um die wachsenden ethnischen Spannungen zu beherrschen. Im früheren Jugoslawien (SFRJ) wurde sogar erst im Zuge von Unabhängigkeitsbestrebungen in den 70er Jahren eine solche Rechtsspaltung geschaffen. Infolge der Staaten-Auflösungen (Dismembration) in Osteuropa im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wurden viele dieser interlokalen Teilrechtsgebiete zu souveränen Staaten. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Lage, die von der staatlichen Einheit im bis zum 2.10.1990 geteilten Deutschland ausging, wurde auch die durch die Teilung und die nachfolgende Gesetzgebung der DDR, insbesondere das Inkrafttreten eines DDR-ZGB zum 1.1.1976, geschaffene Rechtsspaltung im Kollisionsrecht ganz überwiegend als eine interlokale Rechtsspaltung verstanden. Die DDR verstand das Verhältnis zur Bundesrepublik freilich auch kollisionsrechtlich als einen normalen Fall der IPR-Anwendung. Die Ausdehnung des BGB auf das Beitrittsgebiet zum 3.10.1990 hat mit wenigen Ausnahmen (Art. 230 Abs. 1 aF) die interlokale Rechtsspaltung durch Überleitung (Art. 231 ff) überwunden.

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Außerhalb Europas finden sich zahlreiche Staaten, die aufgrund ihres historischen Zusammenschlusses aus mehreren Einzelstaaten und Beibehaltung eigenständiger Gesetzgebungshoheit im Bereich des Zivilrechts zu interlokalen Mehrrechtsstaaten geworden sind.

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In den USA besteht in weiten Bereichen des Privatrechts Rechtsautonomie der einzelnen Bundesstaaten, wobei nicht nur zwischen den Gruppen der vormals englischen, französischen und spanischen Staaten Unterschiede bestehen, sondern trotz starkem Einfluss des Common Law auch von Staat zu Staat Rechtsunterschiede in Einzelfragen Bedeutung haben. Ähnliches gilt in Canada, Australien und Neuseeland. Auch in Mexico hat jeder Teilstaat einen eigenen Código Civil.

Literatur:

Länderberichte in Staudinger/Hausmann (2013) Anhang 1 ff zu Art. 4 EGBGB.

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