Читать книгу Sammelband 3 Thriller: Neue Morde und alte Leichen - Thomas West - Страница 19

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Jerry Richards wohnte an der Ecke 3rd Avenue, Stuyvesant Street. Ganz in der Nähe der Grace Church, und schräg gegenüber der Cooper Union. Eine schöne Gegend eigentlich.

Die Cooper Union ist eine bekannte Universität, die mittellosen Studenten eine kostenlose Ausbildung ermöglicht. Ja, richtig – eine kostenlose Ausbildung. Auch so etwas gibt es bei uns in New York City.

Wir parkten auf dem Gelände der Universität, weil sonst weit und breit keine Parklücke zu finden war. Das Haus, in dem der Arzt wohnte, gehörte zu einem Block aus sechzehn recht ansehnlichen Häusern, über hundertfünfzig Jahre alt und im englisch-italienischen Stil gebaut.

Dieser Häuserblock heißt Renwick Triangle. Renwick hieß vermutlich der Architekt, aber dafür leg ich die Hand nicht ins Feuer. Und Triangle, weil der Block wie eine dreieckige Insel zwischen der 3rd Avenue, der 10th und der Stuyvesant Street liegt. Soviel zur Orientierung.

„Scheint gut zu verdienen, der Junge.‟ Milo blickte an der schmuckvollen Fassade des Hauses empor, in dem Richards wohnte.

„Oder seine Frau verdient gut.‟ Ich drückte den Klingelknopf neben dem Schild mit Richards’ Namen. Die Familie wohnte im zweiten Obergeschoss.

„Wer ist da?‟ Richards Stimme aus der Gegensprechanlage.

„Special Agents Trevellian und Tucker. Wir müssen Sie noch einmal sprechen, Dr. Richards.

„Kommen Sie hoch.‟ Der Türöffner summte. Es war gegen halb zehn. Die Konferenz der Sonderkommission hatte nicht lange gedauert an diesem Samstagmorgen.

Wir stiegen die Treppe hinauf. In einer offenen Apartmenttür erwartete uns ein dunkelhäutiger Junge von vielleicht sechzehn Jahren. Richards Sohn, nahm ich an. Er musterte uns mit einer Miene, die zwischen Scheu und Neugier schwankte. Nach einer einsilbigen Begrüßung ließ er uns in die Wohnung.

„Da haben Sie aber Glück gehabt, dass Sie mich erwischen.‟ Jerry Richards drückte uns die Hände. „Ich hab zufällig ein freies Wochenende, weil Amy verreisen musste.‟ Er führte uns in sein Wohnzimmer. Um einen Couchtisch herum nahmen wir Platz. „Amy ist meine Frau.‟

„Wir haben gestern mit Ihrer Frau gesprochen.‟ Milo, ganz der Profi, zückte schon Stift und Notizblock. „Sie sagte, dass Sie heute zu erreichen wären.‟

„Hat sie mir gar nicht erzählt. Wahrscheinlich vergessen vor lauter Stress.‟ Richards schlug die Beine übereinander. „Was kann ich noch für Sie tun, Gentlemen?‟

Es war das dritte Mal, dass wir dem Chirurgen begegneten. Schon während des ersten Gesprächs hatte ich den Eindruck gehabt, einen netten Kerl vor mir zu haben. Obwohl er angesichts seines zerstörten Wochenendhauses wirklich keinen Grund gehabt hatte, die Welt für einen Hort von Gerechtigkeit und Glück zu halten.

Die zweite Begegnung lag eine knappe Woche zurück. Wir hatten Richards über seine Familienverhältnisse, seinen Arbeitsplatz und seinen Bekanntenkreis befragt. Der Eindruck des sympathischen, freundlichen Menschen hatte sich vertieft.

Und entsprechend fiel das Ergebnis unserer Ermittlungen in seinem sozialen Umfeld aus: Niemand hatte ein kritisches Wort über Jerry Richards verloren. Mit wem wir auch sprachen: Zuvorkommend, hilfsbereit, humorvoll, zuverlässig – diese Attribute wiederholten sich schon fast stereotyp, wenn irgendjemand uns Richards beschrieb.

Kurz: Er hatte keine Feinde.

„Sie verfolgen die Presse?‟, fragte ich ihn.

„Klar doch. Sie glauben, irgendwelche Rassisten hätten meine schöne Wochenendklause auf dem Gewissen.‟

„Stimmt. Diese Spur verfolgen wir zur Zeit.‟ Mein Blick traf sich mit dem seines Sohnes. Der Junge lehnte im Türrahmen und beobachtete Milo und mich. „Unsere Ermittlungen haben kein anderes Motiv für den Anschlag ergeben. Rassismus wäre plausibel. Das hieße, die oder der Täter wollten nicht Sie persönlich treffen. In diesem Fall wären Sie rein zufällig zum Opfer geworden.‟

„Schöne Aussichten.‟ Richards entblößte ein perlweißes Gebiss. „Und genauso zufällig hat ein Einbrecher mich aus dem Haus getrieben und mir so das Leben gerettet.‟ Er unterbrach sich und wurde ernst. „Oder gehört dieser Kerl etwa zu den Rassisten?‟

„Wir können ihn frühstens heute Abend verhören‟, sagte ich. „Die Theorie vom zufälligen Opfer hat leider zwei Schönheitsfehler – einen kleinen und einen großen.‟

„Jetzt bin ich aber gespannt, Mr. Trevellian.‟

„Der kleine Schönheitsfehler: Der oder die Täter müssen gewusst haben, dass Sie das Wochenende in Coney Island verbringen wollen. Also hat man Sie beobachtet. Die Wochenendpläne eines Menschen erfährt man nur, wenn man sein Telefon überwacht, oder wenn man in direktem Kontakt zu ihm steht.‟

Richards beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf die Knie. „Mein Telefon?‟ Er runzelte die Stirn. Plötzlich wirkte er alles andere als entspannt. „Direkter Kontakt?‟ Nachdenklich blickte er in irgendeine Ferne. „Das klingt nicht gut. Dann gingen die Kerle davon aus, dass die ganze Familie sich in dem Wochenendhaus aufhält ...‟

„Keine Sorge.‟ Beschwichtigend hob ich beide Hände. „Wir haben es überprüft – niemand hat Ihre Leitung angezapft. Allerdings durchleuchten wir zur Zeit jeden Mitarbeiter des Beekman Downtown Hospitals, der mit Ihnen zu tun hat. Es kann nichts schaden, wenn Sie das wissen.‟

„Egal, wem man eine Bombe ins Haus schmuggelt – man muss ihn vorher ausspionieren‟, sagte Richards. „Selbst wenn man sein Opfer rein zufällig ausgewählt hat. Oder täusche ich mich?‟

„Sie täuschen sich nicht. Deswegen ist das ja auch nur ein kleiner Schönheitsfehler an der Zufallstheorie.‟

„Und der große?‟, drängte Richards.

„Tja, Mr. Richards.‟ Milo schaltete sich ein. „Wir haben ein bisschen in den Datenbanken des NYCPD gewühlt. Und ob Sie es glauben oder nicht – wir haben Ihren Namen dort ausgegraben.‟ Er blätterte in seinem Notizblock. „Mitte Juli haben Sie beim Polizeirevier in der 5th Straße einen Einbruch angezeigt.‟

Richards fasste sich an die Stirn. „Stimmt. Wir kamen von einem Kurzurlaub zurück. Und die Apartmenttür war nur angelehnt.‟ Er schüttelte den Kopf. „Das hatte ich schon völlig vergessen.‟

„Vergessen? Einen Einbruch?‟ Das überstieg mein Vorstellungsvermögen.

„Es ist nichts gestohlen worden, verstehen Sie?‟ Er wandte sich an seinen Sohn, der noch immer im Türrahmen stand. „Stimmt doch, Jayy, oder?‟ Der Junge nickte.

„Die Apartmenttür war aufgebrochen, aber aus der Wohnung wurde nichts gestohlen?‟ Milo notierte schon wieder.

„Wenn ich’s Ihnen sage. Ich weiß nicht mal, ob sie aufgebrochen wurde. Sie war nicht beschädigt oder so. Der Kühlschrank stand offen, und eine wertvolle Vase lag zerbrochen neben dem Telefontisch, das war alles.‟

„Ich geh dann mal, Dad.‟ Richards Sohn winkte und verschwand aus unserem Blickfeld. Wir hörten die Apartmenttür.

„Macht keine Dummheiten, hörst du, Jayy?!‟

„Schon klar, Dad.‟

„Und wenn du später als elf kommst, rufst du an, verstanden?‟

„Schon klar.‟ Die Tür fiel ins Schloss.

„Wo hängt der Schlüssel zu Ihrem Wochenendhaus gewöhnlich, Dr. Richards?‟, erkundigte sich Milo.

„Am Schlüsselbrett über dem Telefontisch ...‟ Richards verstummte. Eine steile Falte grub sich zwischen seinen Brauen ein. „Sie meinen ...‟

Ich zuckte mit den Schultern. „Irgendwie müssen die Bombenleger in Ihr Wochenendhaus hineingekommen sein. Ein nachgemachter Schlüssel ist eine bewährte Methode für so was.‟

„Jesus!‟ Er vergrub das Gesicht in den Händen. „So lange sollen die schon hinter mir her sein?‟

„Deswegen sprach ich von einem großen Schönheitsfehler an der Zufallstheorie.‟

„Aber – aber was haben diese Leute gegen mich? Jesus ...‟ Er stöhnte.

Ich kann keine Gedanken lesen, trotzdem glaubte ich zu wissen, dass dieser Mann sich plötzlich Sorgen um seine Familie machte. Und ehrlich gesagt: Ich machte mir auch Sorgen.

„Nur weil ich ein erfolgreicher Schwarzer bin? Und so was in New York City?‟ Er schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht glauben.‟

In meiner Hemdtasche vibrierte das Handy. Ich zog es heraus. „Trevellian?‟

Jonathan McKee persönlich war am Apparat. „Sie müssen nach Brooklyn fahren, Jesse. Nach Benson Hurst – dort ist vor einem Privathaus eine Bombe explodiert.‟ Er gab mir die genaue Adresse durch.

Milo beobachtete mich mit hochgezogenen Brauen, während ich das Handy wieder in der Hemdtasche versenkte. „Nitroglycerin?‟ Keine Ahnung, wie er darauf kam.

„Vielleicht!‟

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