Читать книгу Westside Blvd. - Entführung in L.A. - Torsten Hoppe - Страница 27

Kapitel 20 (Steve Delaney)

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Ich ging durch die offene Wohnungstür wieder zurück ins Haus und blieb im Durchgang zum Wohnzimmer stehen. Niemand bemerkte mich, alle waren in ihre eigene Welt versunken. John und Pamela Simms saßen schweigend auf dem Sofa, während Peter Warren am Schrank lehnte und eine Münze zwischen den Fingern jonglierte. Der diensthabende Police-Officer saß im Sessel vor den Abhörgeräten und betrachtete seine vor dem Bauch gefalteten Hände. Die Stille im Hause war unerträglich, doch niemandem war nach Reden zumute. Es war mittlerweile kurz nach neunzehn Uhr und ganz allmählich legte sich eine gleichmäßige Dämmerung über den Vorgarten der Familie.

In Gedanken ließ ich die seltsamen Entwicklungen der letzten zwei Tage noch einmal Revue passieren: Es begann als eine ganz ‘normale’ Entführung und wurde urplötzlich zu einer heißen Spur in einem ungelösten Mordfall. Ein vermeintlich gesetzestreuer Familienvater wurde unerwartet von einem Kindesentführer als Mörder und Vergewaltiger geoutet. Der Anruf warf die Frage auf, wer der Böse und wer der Gute in diesem Spiel war – oder ob dies vielleicht das Spiel ‘böser Mann’ gegen ‘noch böseren Mann’ war. Wie dem auch sei, die Auswirkungen dieses vulkanähnlich ausgebrochenen Konfliktes musste nun plötzlich ein unschuldiges Mädchen ertragen. Sie war zu einem Spielball zweier konkurrierender Interessen geworden und konnte bei diesem ungewöhnlichen Zweikampf eigentlich nur verlieren. Wenn es dem Entführer wirklich um eine – wenn auch groteske – Form von Gerechtigkeit ging, dann war sie zur Zeit wahrscheinlich nicht in akuter Lebensgefahr.

Mein Blick fiel auf John Simms, der noch immer reglos vor sich hinstarrte. Ich spürte förmlich die panische Angst, die sich in den Augen des Familienvaters spiegelte. Angst um seine Tochter oder Angst vor der Entlarvung als Mörder? Mit zunehmender Berufserfahrung lernte man automatisch, andere Leute einzuschätzen und teilweise hinter die äußere Fassade der Menschen zu sehen. Aber bei John Simms versagte meine Menschenkenntnis auf der ganzen Linie. Dieser Mann wirkte dermaßen übertrieben harmlos, dass er in einer schwer zu beschreibenden Weise schon wieder sehr auffällig war.

Die Stille war so durchdringend, dass man das Fallen einer Stecknadel in jedem Winkel der Wohnung gehört hätte. Als Peter Warrens Münze zwischen Zeigefinger und Mittelfinger seiner rechten Hand hindurch glitt und auf dem gefliesten Boden aufschlug, war die Wirkung um ein vielfaches höher. Alle zuckten zusammen und starrten nervös auf das Geldstück, das in schwankenden Bewegungen über die Fliesen rollte. Peter bückte sich schuldbewusst, hob die Münze auf und steckte sie in seine Hosentasche.

Jetzt bemerkten sie mich und ich atmete tief durch. Als ich das Wohnzimmer betrat, blickte ich in die fragenden, weit aufgerissenen Augen der anderen Anwesenden.

»Wir haben Ihre Fingerabdrücke mit denen auf der Tatwaffe verglichen, Mr. Simms. Sie stimmen nicht überein. Außerdem hat Ihre Bank uns bestätigt, dass Sie am Tag des Mordes ganz normal ihren Dienst verrichtet haben. Es existieren zahlreiche Papiere, die definitiv an diesem Tag von Ihnen gegengezeichnet worden sind. Es gibt somit keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Sie etwas mit dem Mordfall Casparido zu tun haben. Es tut mir leid, dass wir Sie in dieser schwierigen Situation damit konfrontiert haben, aber wir müssen nun mal allen Hinweisen nachgehen. Ihr Mann ist kein Mörder, Mrs. Simms.«

Ich blickte beiden abwechselnd in die Augen und ließ die Sätze ganz bewusst ein paar Sekunden lang im Raum stehen. Ich wollte sichergehen, dass sich jenes Spannungsfeld, das sich zwischen uns gebildet hatte, auflösen konnte. Wir mussten an einem Strang ziehen, und dabei durfte es keine Konflikte oder Probleme zwischen den beteiligten Personen geben. Sowohl Pamela, als auch John Simms nickten mir schließlich zaghaft zu. Nun konnten wir uns wieder auf die eigentliche Sache konzentrieren.

»Abgesehen davon haben wir keinen anderen Mordfall gefunden, bei dem das Opfer Jennifer heißt. Die Akte 'Casparido' ist somit die Einzige, die bisher zu den sehr spärlichen Informationen passt, die uns der Entführer gegeben hat. Für uns stellt sich nun allerdings die Frage, was der Entführer mit dieser Aktion bezweckt. Wir müssen im Moment davon ausgehen, dass er in irgendeiner Beziehung zu Jennifer Casparido steht und haben aus diesem Grund die Kollegen in Fresno eingeschaltet. Er hat Ihnen vierundzwanzig Stunden Zeit gegeben, um sich zu stellen, Mr. Simms. Das heißt, er wird vermutlich morgen früh gegen neun Uhr wieder anrufen. Bis dahin werden Detective Turner und ich noch einmal sämtliche Unterlagen des 'Casparido'-Falles durchgehen. Gleichzeitig werden sich unsere Psychologen noch ein weiteres Mal mit der Fanpost Ihrer Tochter beschäftigen. Sie haben die Briefe zwar bereits überprüft, um Ansätze für ein kriminelles Potenzial zu finden, aber vielleicht stoßen wir unter Berücksichtigung des Mordvorwurfes noch irgendwo auf andere Hinweise, die uns auf die richtige Spur führen können.«

John Simms erhob sich langsam und gab mir schweigend die Hand. »Danke, Lieutenant«, murmelte er leise, als ich schon an der Haustür stand. Er wirkte in diesem Moment seltsam unbeteiligt, als wäre die Entlastung vom Vorwurf des Mordes völlig unwichtig. Vielleicht war sie es in diesem Augenblick auch. Ich nickte ihm kurz zu und verließ die Wohnung.

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