Читать книгу Nachtschwester - Ein Norwegen-Krimi - Unni Lindell - Страница 12

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In Der Sonntagsausgabe der Zeitung VG wurde Kathrine Bjerkes Verschwinden mit dem Mord an ihrer Großmutter in Verbindung gebracht. Kathrines Oma ermordet stand als fette Schlagzeile auf der Vorderseite.

Die fünfundsiebzig Jahre alte Frau, die vor fünf Tagen in Ullevål Hageby auf offener Straße erschossen wurde, war die Großmutter der vermissten Kathrine Bjerke. Die vierzehnjährige Kathrine verschwand vor etwas über zwei Wochen von ihrem Zuhause in Drøbak. Die Polizei, Hilfsmannschaften des Roten Kreuzes, die Heimwehr und Freiwillige haben ausgiebige Suchaktionen unternommen. Seit acht Tagen wird im ganzen Schengen-Bereich nach ihr gesucht. Aber bisher sprach einiges für ein freiwilliges Verschwinden. Jetzt nach dem Mord an ihrer Großmutter, scheint es auf der Hand zu liegen, dass der Fall eine neue und ernste Wendung genommen hat. Die Polizei will sich hinsichtlich eines Zusammenhangs zwischen den beiden Fällen nicht äußern. Aber gut informierte Kreise meinen, dass es bereits mehrere konkrete Theorien über beide Ereignisse gibt.

«Leckage», sagte Roger Høibakk resigniert.

Abteilungsleiterin Ingeborg Myklebust musterte die Anwesenden unzufrieden. Sie strich ihre roten Haare glatt und machte sich für einen Moment am Kragen ihrer beigen Seidenbluse zu schaffen, ehe sie sich setzte und Cato Isaksen das Wort erteilte. Er verbreitete sich zuerst allgemein über die beiden Fälle und bat alle, sich nicht in eine bestimmte Theorie festzubeißen.

«Dass die Zeitungen schon in diese Richtung gehen, ist natürlich ärgerlich», fügte er hinzu. «Aber wir dürfen uns davon nicht beeinflussen lassen. Leider hat die Arbeitsruhe damit ein Ende. Zugleich hat die Zeitung aber damit Recht, dass wir Kathrine Bjerkes Verschwinden jetzt in einem anderen Licht sehen müssen. Wir werden feststellen, ob es einen Zusammenhang geben kann. Werden keine Theorie ununtersucht lassen. Uns auf keine bestimmte fixieren. Und dann werden wir ja sehen, wohin uns das führt. Der Presse gegenüber möchte ich das aber nicht überdramatisieren. In zwei Stunden haben wir einen neuen Termin mit den Kollegen aus Follo. Und morgen um neun gibt es eine gemeinsame Pressekonferenz.»

«Die übernehme ich», sagte Ingeborg Myklebust rasch.

«Schön», sagte Cato Isaksen.

«Wie wäre es mit einer ganz neuen Theorie», sagte Roger Høibakk. «Kann nicht Kathrine Bjerke ihre Großmutter erschossen haben?»

«Das haben wir uns alle schon überlegt», sagte Asle Tengs.

Roger Høibakk ließ seinen Blick durch die Runde schweifen.

«Das ist eine Theorie», sagte er und zuckte kurz mit den Schultern.

«Aber nicht sehr wahrscheinlich», meinte Randi Johansen. «Vierzehnjährige Mädchen lieben ihre Großmütter normalerweise. Sie erschießen sie nicht.»

«Sie kann drogenabhängig gewesen sein», meinte Roger. «Wer weiß. Vielleicht hat sie sie um Geld angebettelt und sie bestohlen.»

«Ich dachte, Rauschgift käme nicht in Frage», sagte Randi.

«Aber vielleicht wissen nicht alle alles. Vielleicht hatte Kathrine Geheimnisse, von denen ihre Freunde oder ihre Familie keine Ahnung hatten.»

«Da kannst du natürlich Recht haben.» Cato Isaksen runzelte besorgt die Stirn.

«Es gibt Doppelmenschen», sagte Roger Høibakk.

«Ja, aber sie ist erst vierzehn», sagte Randi Johansen.

«Alf Boris Moen, der Sohn des Opfers, sagt, seine Mutter sei einige Male von Skatern schikaniert worden», berichtete Cato Isaksen. «Wir holen uns die Jungs noch mal zur Vernehmung.»

Am Montagmorgen sammelten sie sich gegen acht in Cato Isaksens Büro. Alle waren dabei, nur nicht Ingeborg Myklebust, die mit den Kollegen aus Follo und von der Kripo die Pressekonferenz vorbereitete. Im Kielwasser der letzten Zeitungsmeldungen war ein neuer Strom von Tipps eingelaufen. Außerdem bestätigte sich der Verdacht, Brenda Elise Moen sei auf offener Straße mit einer Militärwaffe ermordet worden.

Ellen Grue legte einen Bericht vor, aus dem hervorging, dass das Opfer mit zwei 9-mm-Geschossen getötet worden war. Aller Wahrscheinlichkeit nach stammten die aus einer Glock P-8o-Militärpistole, es konnte sich aber auch um eine MP-5-Waffe handeln. «Wir haben uns bei der Armee erkundigt», sagte Ellen Grue. «Allein in Oslo sind 728 Waffen auf Abwege geraten. Und zwar automatische Gewehre vom Typ AG 3, Maschinenpistolen vom Typ MP-5 und dann noch eine Reihe Glock-Pistolen. Vor zwei Wochen ist in ein Waffenlager in Rud in Bærum eingebrochen worden, aber wir wissen ja, dass immer wieder Waffen aus solchen Lagern verschwinden und nie wieder auftauchen. Am 9. Februar sind am Fliegerhorst Rygge zwei Waffen vermisst gemeldet worden. Da draußen schwimmt ein ganzer Ozean von Waffen herum.»

«Da könnten wir auch nach der berühmten Nadel im Heuschober suchen», sagte Roger Høibakk und gähnte.

«Haufen», korrigierte Randi Johansen. «Heuhaufen.»

Roger antwortete mit einer Grimasse.

«Vielleicht sollten wir uns nicht zu sehr auf die Militärszene konzentrieren», sagte Randi dann. «Wir wissen doch, dass diese Waffen in alle möglichen Szenen weiter verkauft werden. Drogenszene, Zuwanderer, überall.»

«Vielleicht hast du Recht. Aber ich will alles über den Bekanntenkreis von Kathrine und ihrer Großmutter wissen. Vor allem über Leute, die auf irgendeine Weise etwas mit dem Militär zu tun haben», sagte Cato Isaksen und schaute sich im Raum um. «Preben, du schaust dir Alf Boris Moens Umgebung gründlich an, beruflich und privat. Thorsen, du nimmst dir Kathrine Bjerkes Kreis vor, und zwar absolut alles. Väter von Freundinnen, die bei der Heimwehr sind, Nachbarn, Arbeitskolleginnen der Mutter und des Stiefvaters, ihr wisst schon.»

Die Pressekonferenz verlief problemlos, und für den Rest des Tages wurde in kleinen Gruppen gearbeitet. Cato Isaksen beschloss Brenda Moens Freundinnen zu besuchen. Er hatte sich bereits telefonisch mit einer verabredet, und die wollte der anderen Bescheid sagen.

Während er auf Randi Johansen wartete, überkam ihn wieder seine vertraute Unruhe. Der Fall war noch so neu, dass er nicht glaubte, ihn im Griff zu haben. Es gab keine konkreten Anhaltspunkte. Er ging hinaus auf den Flur und entdeckte Ellen Grue. Sofort wandte er sich ab und verschwand wieder in seinem Büro.

Er hörte, dass Randi mit einem der Skater in einem Verhörraum saß. Die beiden anderen warteten auf dem Gang.

Cato Isaksen klopfte leise an die Tür. Er nickte der Kollegin zu, deren Spezialität die Vernehmung von Jugendlichen war.

«Hallo», sagte er und begrüßte den Jungen kurz. «Wie geht’s?»

«Das stimmt nicht», sagte der. «Wir haben niemals alte Damen mit Apfelsinenschalen beworfen.» Er wirkte aufrichtig betroffen. «Wir sind auch nicht die einzigen Skater in der Gegend», fügte er hinzu. «Aus der ganzen Stadt kommen Leute zur Rampe auf dem Damplass.»

«Viele ärgern sich über den Lärm, den ihr dabei macht, nicht wahr», sagte Cato Isaksen mit einem Lächeln. «Dürft ihr wirklich so spät noch unterwegs sein? Mittwoch war doch ein ganz normaler Werktag.»

«Eigentlich nicht», sagte der Junge mit düsterer Miene.

Nachtschwester - Ein Norwegen-Krimi

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