Читать книгу Nachtschwester - Ein Norwegen-Krimi - Unni Lindell - Страница 7

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Helena Bjerke Sass auf der Veranda und zog den Zigarettenrauch tief in ihre Lunge. Sie hatte den Hinterkopf an die Wand gelehnt und die Augen halb geöffnet. Ihr Blick wanderte langsam hin und her, aber in Wirklichkeit nahm sie nichts wahr. Sie ließ die Landschaft, in der das Meer einen blaugrauen Streifen am Bildrand bildete, diffus vorübergleiten, ohne darauf zu achten. Sie zog noch einmal ausgiebig an ihrer Zigarette. Merkte, dass ihre Hand ein wenig zitterte, dann schloss sie die Augen wieder. Die Sonne beschien ihren Körper mit der abgenutzten Daunenjacke und den schwarzen Jeans. Sie spürte, wie das Licht ihr müdes Gesicht erwärmte.

Helena Bjerke war aufgefallen, dass ihr Körpergeruch sich verändert hatte. Sie roch nach Angst und nach Trauer. Was war mit Kathrine passiert? Das Bild ihrer Tochter wurde in ihrem Kopf immer größer. Vielleicht würde sie bald den Verstand verlieren. Ihr Gehirn lief im Leerlauf. Tag und Nacht. Dass ihre Mutter ermordet worden war, konnte sie einfach nicht fassen. Dieser Schock hatte sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen und das andere Chaos noch verstärkt. Sie lebte in einem Albtraum. Das hier war mehr, als ein Mensch ertragen konnte. Vor zehn Minuten erst hatte sie mit ihrem Bruder gesprochen. Er hatte geweint und war völlig außer sich gewesen. Sie konnte ihn nicht trösten, und Alf Boris hatte keinen Trost für sie. Er hatte gesagt, er werde nachmittags noch vorbeischauen.

Die Fahnder fanden Helena Bjerke so vor, sie saß auf der unordentlichen Veranda, wo alte Gartenmöbel vor der einen Wand aufgestapelt waren. Vor ihr auf dem Tisch stand ein Glas mit hellbraunem Inhalt. Ihr weißes Gesicht war von Tränen verschmiert.

Sie schaute hilflos zu dem blonden Polizisten auf, der jetzt vor ihr stand. Er sah freundlich aus. Er stellte sich und seinen Kollegen vor. Sie nickte kurz und hatte die Namen sofort wieder vergessen.

Cato Isaksen drehte sich um und schaute hinaus auf das Wasser. Die schöne Umgebung bildete einen grellen Kontrast zum Schicksal dieser Frau. Er nahm einen Stuhl von dem Stapel an der Wand. Er reichte ihn Roger Høibakk und nahm sich selbst auch einen. Helena Bjerke kam ihm fast apathisch vor. Wahrscheinlich war das auch kein Wunder, sie hatte ja gerade erst von dem Mord an ihrer Mutter erfahren. Cato Isaksen hasste solche Termine. Manchmal ertappte er sich aber auch bei der bitteren Freude darüber, dass es hier nicht um ihn selbst ging.

«Wir müssen Ihnen einige Fragen stellen», sagte er in bedauerndem Tonfall.

«Ich trinke Milch mit Cognac», sagte Helena Bjerke. «Das hat meine Mutter immer getan, wenn sie krank war. Sie hat es uns sogar gegeben, wenn wir erkältet waren. Alf und mir, als wir klein waren», fügte sie hinzu, beugte sich vor und schloss die Hand um ihr Glas.

«Das mit Ihrer Tochter ...»

Helena Bjerke trank einen Schluck, setzte das Glas dann hart auf den Tisch und ließ die Tränen kommen. Sie hatte mit so vielen über Kathrines Verschwinden gesprochen. Mit Freundinnen, Bekannten, Verwandten, Nachbarn und mit der Polizei. Es hatte nichts geholfen. Sie hatten sie nicht gefunden.

Roger Høibakk sagte etwas über die wunderschöne Aussicht. Er litt an der fixen Idee, dass er traurige Menschen von ihrem Kummer ablenken könnte, wenn er über Belanglosigkeiten sprach. Manchmal konnte das richtiggehend unpassend wirken. So wie jetzt. Cato Isaksen musterte ihn irritiert, dann drehte er sich pflichtschuldig um und sah eben noch die Fähre nach Dänemark, die gerade aus seinem Blickfeld verschwand, und Hurumlandet, das sich auf dem anderen Ufer dahinzog.

Roger Høibakk lächelte die Frau an. Und Helena Bjerke schien zu erwachen. Sie drückte energisch ihre Zigarette im Aschenbecher aus, zog ihre Daunenjacke fester um sich zusammen.

«Sie müssen das klären», sagte sie mit harter Stimme. Es war keine Bitte, es war eine Ermahnung.

«Wir werden tun, was wir können», sagte Cato Isaksen.

Helena Bjerke hielt seinen Blick fest.

«Sie sollte eigentlich Katharina heißen, nach ihrer Urgroßmutter», sagte sie. «Aber das war irgendwie so bombastisch. Meine Großmutter war Russin, wissen Sie. Kathrines Urgroßmutter.» Ein kleines, bissiges Lächeln spielte um ihre Lippen. «Sie war 1905 mit achtzehn Jahren nach Norwegen gekommen. In dem Jahr, in dem Norwegen unabhängig wurde. Sie bekam nur ein Kind, meine Mutter. Damals war sie vierzig.»

Die Fahnder betrachteten sie schweigend.

«Und deshalb haben wir sie Kathrine genannt», sagte sie und trank noch einen Schluck von ihrer Cognacmilch.

«Haben Sie noch andere Kinder?» Cato Isaksen füllte seine Lunge mit der frischen Seeluft.

«Nein.»

«In der Nacht, in der Kathrine verschwunden ist. Wieso war sie da so spät noch unterwegs?»

«Das weiß ich nicht.» Helena Bjerke musterte ihn müde. «Sie ist sonst immer spätestens um halb elf zu Hause.»

Cato Isaksen fand das ziemlich spät, mitten in der Woche und für eine Vierzehnjährige, sagte aber nichts dazu.

«Wir waren ziemlich sauer, Tage und ich. Mein Freund», fügte sie erklärend hinzu. «Wir konnten ja nicht schlafen gehen. Wir waren wirklich wütend auf sie. Erst so gegen eins oder halb zwei bekam ich es dann mit der Angst zu tun.»

«War das nicht arg spät?»

«Das schon, aber Sie kennen Kathrine nicht. Sie hat uns oft provoziert, und ich wusste, dass sie wütend auf Tage war.»

«Warum das?»

«Sicher hatte er ihr irgendwas verboten. Er ist strenger als ich. Und auch das kann ein Problem sein.»

«Aber gegen eins oder halb zwei, da ging Ihnen auf, dass etwas passiert sein könnte?»

«Ich wusste es ja nicht, und ich konnte doch so spät niemanden mehr anrufen und fragen, ob die etwas gehört hätten. Also haben Tage und ich uns angezogen und auf die Suche gemacht. Zuerst sind wir zu Kenneth gegangen.»

«Ihrem Freund?», warf Cato Isaksen dazwischen.

Helena Bjerke nickte.

«Bei ihm war alles dunkel. Deshalb haben wir es bei Maiken versucht, ihrer besten Freundin. Auch dort war alles dunkel. Ich konnte Mutter so spät nicht stören, also rief ich Alf an, doch der schlief wohl schon. Tage ging zum Boot, um zu sehen, ob sie dort war, ich ging nach Hause, weil ich dachte, sie könnte inzwischen gekommen sein. Eine Stunde darauf haben wir die Polizei alarmiert. Inzwischen war es kurz nach drei.»

«Sie haben also ein Boot?»

«Das gehört Tage. Es liegt hier unten im Hafen.»

«Was für eine Beziehung hatte Kathrine zu Ihrer Mutter?» Roger Høibakk merkte, wie trotz der Sonne die kühle Meeresluft seine Beine hochwanderte.

Helena Bjerke machte ein erschrockenes Gesicht und schien für einen Moment vergessen zu haben, dass ihre Mutter ermordet worden war.

«Meine Mutter war», begann sie und musste sich gewaltig zusammenreißen, um nicht wieder in Tränen auszubrechen. Energisch rieb sie sich die Augen. «Meine Mutter war der liebste Mensch auf der Welt», sagte sie dann. «Und sie liebte Kathrine. Ihr einziges Enkelkind. Und Kathrine liebte sie», fügte sie traurig hinzu. Sie verstummte für einen Moment. Nicht schon wieder weinen, dachte Cato Isaksen resigniert. Ihm ging auf, dass er im Laufe der Jahre immer ungeduldiger wurde, wenn er es mit Betroffenen zu tun hatte. Roger konnte damit besser umgehen.

Helena Bjerke wandte sich ein wenig ab. Ihr Gesicht hatte jetzt eine maskenhafte Prägung. Ihre Augen waren leer.

«Besteht vielleicht ein Zusammenhang zwischen beiden Fällen? Sind Sie deshalb gekommen?»

«Das wissen wir nicht», sagte Roger Høibakk vorsichtig.

«Aber deshalb sind Sie gekommen», wiederholte sie.

«Wir müssen wohl zugeben, dass wir uns vor allem um den Mord an Ihrer Mutter kümmern», sagte Cato Isaksen. «War Kathrine am Tag vor ihrem Verschwinden oder in den Tagen davor mit ihrer Großmutter zusammen?»

«Nicht am Tag ihres Verschwindens, aber zwei Tage vorher hatte sie sie besucht. Dabei hatte sie sich den Knöchel gebrochen. Sie war die Treppe hinuntergefallen.»

Die Ermittler tauschten einen Blick.

«Wir haben ja gelesen, dass sie Krücken benutzte», sagte Cato Isaksen. «Bitte, machen Sie uns eine Liste, wenn Sie die Kraft finden, über den Bekanntenkreis Ihrer Mutter. Über Freunde ... und Feinde.»

«Meine Mutter hatte keine Feinde», fiel Helena Bjerke ihm empört ins Wort.

«War sie wirklich mit keinem Menschen zerstritten?»

«Nein, ganz und gar nicht.»

«Aber wenn Sie an frühere Zeiten denken, könnte es dann sein ...»

«Meine Mutter hatte keine Feinde», wiederholte Helena Bjerke mit scharfer Stimme. «So war sie nicht.»

«Trinkt Ihr Bruder?» Cato Isaksen hörte selbst, wie brutal diese Frage klang, aber es gehörte zu seiner Vernehmenstechnik, rasch von einem Thema zum anderen überzuspringen.

«Ob er trinkt?» Helena Bjerke blickte ihn verständnislos an. «Wie meinen Sie das?»

«Wir hatten gestern Abend, als wir ihn über den Tod Ihrer Mutter informiert haben, den Eindruck, dass er nach Alkohol roch», sagte Roger Høibakk begütigend.

«Nein», sagte sie. «Das glaube ich nicht. Er trinkt nicht.»

Vielleicht wollte er seine Nerven beruhigen, dachte Cato Isaksen.

«Aber es wäre vielleicht möglich, dass er wegen der Sache mit Kathrine ein Glas gebraucht hatte», sagte sie nachdenklich. «Das macht ihm gewaltig zu schaffen.»

«Natürlich», sagte Roger Høibakk. «Was für eine Beziehung haben Sie zu Ihrem Bruder?»

Helena Bjerke drückte energisch ihre Zigarette aus. Für einen Moment wirkte sie unsicher und schien zuerst einmal nachdenken zu müssen.

«Alf ist der beste Bruder, Onkel und Sohn, den Sie sich vorstellen können», sagte sie dann voller Überzeugung. «Ich weiß nicht, was ich ohne ihn getan hätte. Seit Kathrines Verschwinden hat er mich jeden zweiten Tag besucht. Alf Boris kümmert sich immer. Er ist derjenige, der die Familie zusammenhält. Natürlich gibt es da nicht viel zusammenzuhalten.» Sie schloss die Augen und ihr Mund zitterte wieder bedrohlich. «Jetzt sind nur noch er und ich übrig», fügte sie traurig hinzu.

Die Fahnder schwiegen. Die Frau vor ihnen verzog wütend das Gesicht, unter ihre Trauer schien sich nun auch Wut zu mischen.

«Ich habe ein Valium genommen», sagte sie. «Deshalb kann ich hier sitzen und mit Ihnen reden.»

Cato Isaksen wandte sich ab und vertiefte sich wieder in den Anblick der Landschaft. Vor allem, um in den Gesprächspausen etwas zu tun zu haben, sonst hätte er die Lage unerträglich gefunden.

Ein Windstoß stahl sich unter seine Jacke und sein Rückgrat hinauf.

«Wissen Sie, was das Schlimmste ist?» Helena Bjerke rutschte unruhig hin und her. «Bald, in einigen Wochen, werden hier an allen Fahnenstangen die Flaggen wehen. Am 13. Mai. An Kathrines Konfirmationstag. Wir wollten ein großes Fest feiern. Die Gästeliste war schon aufgestellt. Ich hatte sogar Servietten gekauft. Rosa, mit Schmetterlingen. Sie wollte sich konfirmieren lassen, nicht zur Jugendweihe gehen, wie viele aus ihrer Klasse das machen.»

«Bis zum 13. Mai ist es noch lange hin», sagte Cato Isaksen.

Helena Bjerke schüttelte den Kopf. «Das glauben Sie doch selbst nicht», sagte sie leise.

Cato Isaksen wartete ein Weilchen, ehe er wieder etwas sagte.

«War sie denn religiös?» Sein Blick fiel plötzlich auf die Zeitung, die Kathrine auf der ersten Seite zeigte. Die Zeitung steckte halbwegs unter dem Kissen, auf dem ihre Mutter saß.

Helena Bjerke schüttelte den Kopf.

«Sie war überhaupt nicht religiös», sagte sie. «Ihr Vater hat sie zur Konfirmation überredet, er fand, sie solle sich an die Familientraditionen halten. Für ihn war die Etikette immer das Wichtigste.»

«Wir haben noch nicht mit ihm gesprochen», sagte Cato mit ernster Stimme. «Ich werde mich morgen an ihn wenden.»

«Er kann Ihnen auch nichts sagen.» Kathrines Mutter nahm sich noch eine Zigarette. Sie zog ausgiebig daran und legte das rosa Feuerzeug auf den abgenutzten Verandatisch. «Aber lassen Sie Tage in Ruhe. Es gibt so viele Gerüchte», fügte sie dann hinzu.

«Was für Gerüchte?» Roger Høibakk zog eine Ray-Ban-Sonnenbrille aus seiner Lederjacke und setzte sie auf.

«Es gibt so viele törichte Gerüchte», sagte sie noch einmal. «Dass er etwas damit zu tun haben könnte und so.»

«Mit Kathrines Verschwinden, meinen Sie?»

«Ja. Aber das ist nur Unsinn. Dorfklatsch. Er hat nichts damit zu tun», erklärte sie. «Er war zu Hause an dem Abend, an dem Kathrine verschwunden ist.»

Cato Isaksen zögerte kurz.

«Sind Sie verheiratet?», fragte er dann.

«Ich habe doch schon gesagt, dass er mein Freund ist. Wir wohnen seit fünf Jahren zusammen.»

«Warum gibt es aber solche Gerüchte?» Roger Høibakk spielte entwaffnend an seiner Sonnenbrille herum.

«Ja, warum.» Helena Bjerke zuckte resigniert mit den Schultern. «So ist das wohl einfach. Die Leute reden. Ich meine, die anderen Bekannten von Kathrine, deren Eltern neue Partner haben, finden das ja auch schwierig. Das ist nun einmal so.»

«Ja, ich verstehe», sagte Cato Isaksen und dachte an seine älteren Söhne und deren Beziehung zu Sigrid.

«Und der Stiefvater», sagte Roger Høibakk. «Wie ist seine Beziehung zu Kathrine?»

«Er ist nicht ihr Stiefvater. Dieses Wort benutzen wir nicht. Tage ist mein Freund. Und ich finde, er geht ihr gegenüber viele Kompromisse ein. Er ist immer für sie da.»

«Erzählen Sie uns ein wenig über Kathrines Freund», bat Cato Isaksen.

«Über Kenneth?» Helena Bjerke hatte die vielen Fragen deutlich satt. «Eigentlich mag ich ihn leiden», sagte sie und drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus.

«Eigentlich?»

«Ja, er ist vielleicht ein bisschen träge», sagte sie müde. «Aber er ist nett. Ich habe nichts gegen ihn.»

«Sie glauben also nicht, dass er auf irgendeine Weise mit der Sache zu tun haben kann?»

«Natürlich nicht.»

Cato Isaksen und Roger Høibakk musterten sie schweigend. Nach einer kleinen Weile redete sie weiter.

«Es kann schon sein, dass er ein wenig zuviel trinkt und zuviel feiert. Aber so sind die jungen Leute heute eben. Kathrine hängt jedenfalls sehr an ihm.»

«Aber sie ist doch erst vierzehn.»

«So ist das heute», sagte sie resigniert.

«Was haben sie für eine Beziehung, was glauben Sie?», fragte Cato Isaksen und setzte sich bequemer hin.

«Sie hat gesagt, dass sie noch nicht miteinander im Bett waren, wenn Sie das meinen sollten.» Helena Bjerke wirkte plötzlich unsicher. «Sie haben doch nicht etwa irgendetwas festgestellt?» Sie setzte sich gerade. «Wissen Sie etwas, das ich nicht weiß?»

«Nein», sagte Cato Isaksen freundlich.

Helena Bjerke atmete erleichtert auf. «Sie ist auch im Fjord gesucht worden. Und in ziemlich weitem Umkreis im Wald.»

«Dass ein Kind auf diese Weise verschwindet, ist das Schlimmste, was passieren kann», sagte Roger Høibakk entgegenkommend.

«Ich habe seither sieben Kilo abgenommen. Ich kann einfach nichts essen. Ich rauche nur. Und ich laufe die ganze Zeit hin und her. Suche und suche. Tage hat mich oft begleitet, aber jetzt hat er es satt, und deshalb ziehe ich allein los.»

«Es werden immer viele Jugendliche vermisst», sagte Roger Høibakk und nahm die Sonnenbrille ab.

«Im Moment sind es vierundzwanzig», fügte Cato Isaksen hinzu. «Die allermeisten finden sich wieder ein», sagte er dann noch tröstend.

Helena Bjerke wandte sich ab und schaute hinaus auf den Drøbaksund.

«Ich habe so schreckliche Angst, sie plötzlich zu finden, wenn ich unterwegs bin», sagte sie. «Dass sie vor mir auf dem Boden liegt und tot ist.»

Beide Ermittler schlugen die Augen nieder.

«Sie muss tot sein.» Helena Bjerke leerte ihr Glas. «Sie wird seit sechzehn Tagen vermisst. Ich habe mich krankschreiben lassen müssen. Ich kann einfach nicht zur Arbeit gehen.»

Cato Isaksen musterte sie mit ernster Miene. «Sie arbeiten in einer Reinigung, nicht wahr?»

«Ja, oben im City Drøbak.»

«Hat Kathrine Bekannte im Ausland?»

«Im Ausland?»

«Leute, die sie zum Beispiel in den Ferien am Mittelmeer kennengelernt hat?»

«Wir waren noch nie am Mittelmeer. Und sie ist nicht freiwillig verschwunden, wenn Sie das meinen sollten. So ist sie nicht. Sie hätte mir Bescheid gesagt, sie hätte nicht gewollt, dass ich mich um sie ängstige.»

Roger Høibakk suchte Cato Isaksens Blick. Die Stille wurde nur vom Autolärm aus der Ferne und einigen kleinen Vögeln unterbrochen, die in ihrer Frühlingslaune in einer Kiefer jubilierten.

Als Helena Bjerke sie durch das Wohnzimmer zur Haustür führte, fiel Cato Isaksen ein Kinderbild der vermissten Tochter auf. Es hing hinter dem Sofa an der Wand und befand sich in einem dicken braunen Rahmen. Ihre Augen lächelten in die Kamera. Sie hatte oben keine Zähne und ihre blonden Haare waren zu zwei starren Zöpfchen geflochten.

Nachtschwester - Ein Norwegen-Krimi

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