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Sich erinnern

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In jeder Erinnerung, und wenn man auch nur eine Randfigur war in der erinnerten Geschichte, ist man selbst enthalten, ob man will oder nicht, ob man es merkt oder nicht. Die eigene Dummheit oder Naivität, und auch die Hilfsbereitschaft, Offenheit, Empathie und Liebebedürftigkeit, die Sturheit, Borniertheit, Besserwisserei – kurz, alle Eigenschaften und Eigenheiten kommen zum Ausdruck, auch wenn vom ‘Ich’ nirgends die Rede sein sollte.

Auch ganz neue Geschichten, die jemand erfindet, erzählen viel von ihm, sind die seinen.

Wir tragen Erinnerungen in uns und mit uns herum, die sich im Lauf der Zeit auch verselbständigen können.

Jeder Mensch hat seine eigene Art, zu erinnern und zu vergessen.

Das Vergessen ist genauso wichtig wie das Erinnern. Vergessen ist der subjektive Beitrag zur lebenswichtigen Ungewißheit. Wir leben davon, daß wir vieles zumindest nicht genau wissen. Wir vergessen Vergangenes, Gegenwärtiges und vor allem Zukünftiges. Das Vergessen des Zukünftigen kann wichtig sein, aber oft auch bedeutungslos, das Vergessen des Vergangenen befreiend – aber mitunter auch verhängnisvoll.

Man vergißt auch nicht immer, was man vergessen will, ebensowenig entsprechen die Erinnerungen immer den eigenen Wünschen.

Auch das, was unvergessen bleibt, kann sich verändern. Manches verblaßt mit der Zeit, tut nicht mehr weh, beglückt nicht mehr, oder man weiß nur noch ein paar Einzelheiten, das erinnerte Geschehen ist keine runde Geschichte geworden.

Es gibt ausgedehnte Erinnerungen an fragmentarische Ereignisse, bei denen das meiste erst später hinzugekommen ist. Anderes erhält sich, ob es bedeutend war oder nicht, mit allen Nuancen, mit Farben, Formen, Gerüchen und Gefühlen, als wäre es erst gestern geschehen und nicht vor vielen Jahren.

Daß man Vergangenes auf sich beziehen kann, bringt einen in Verbindung mit der Zeit, ergibt eine Linie, die beliebig verlängert werden kann, ist erst einmal der Anfang gemacht. Ist erst einmal der Anfang gemacht, hat man mehr Zeit als vorher, und weniger.

Leidvolle Erfahrungen verlieren manchmal im Lauf der Jahre nichts von ihrer Bitterkeit, und andere Erlebnisse, die zunächst fast unscheinbar wirken, können in der Erinnerung immer heller strahlen und ziehen immer weitere Kreise, werden einem lieb und teuer und erhalten sich, vielleicht ein ganzes Leben lang.

Im Keller ist es dunkel

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