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9 Ende Juli

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Adam er­wacht und stellt er­leich­tert fest, dass er im ei­ge­nen Bett liegt und nicht Chris­ti­nas Drän­gen nach­ge­ge­ben hat. Sei­ne Träu­me ha­ben ein an­de­res Sze­na­rio ab­ge­bil­det. Er will nicht an den gest­ri­gen Abend den­ken und ver­drängt die Traum­bil­der, in de­nen Chris­ti­na eine tra­gen­de, re­spek­ti­ve lie­gen­de Rol­le in­ne­ge­habt hat.

»Schläfst du, Dada?« Sein rech­tes Au­gen­lid wird vor­sich­tig nach oben ge­zo­gen. Ben schaut ihn an. »Wach«, sagt er zu­frie­den.

Adam zieht den Klei­nen an sich. »Gut ge­schla­fen?«

Ben nickt eif­rig und gibt ihm einen feuch­ten Kuss.

»Und jetzt frisst dich das Kro­ko­dil«,

Adam greift blitz­schnell wie­der nach ihm und kit­zelt ihn durch, bis sie bei­de au­ßer Atem sind. Bens La­chen ent­schä­digt Adam für al­les, was er für ihn auf­ge­ge­ben hat.

Was ge­nau hat er ei­gent­lich auf­ge­ge­ben? Einen Job bei ei­nem Dok­tor­va­ter an der Uni, der sei­ne Er­kennt­nis­se bei der For­schung für sei­ne ei­ge­nen aus­gab? Fünf­und­zwan­zig über­teu­er­te Qua­drat­me­ter in der Schan­ze, eine Bude, vor der Tag und Nacht Ver­kehrs­lärm zu hö­ren war? Er er­in­nert sich an Tage, die nicht en­den, an schlaf­lo­se Näch­te, an Freun­de, mit de­nen er bis zum Mor­gen in den Knei­pen trank. Jetzt sinkt er am Abend tod­mü­de, er­schöpft und zu­frie­den ins Bett. Stil­le hüllt ihn ein. Er weiß, was er ge­tan hat. Ihm fehlt nichts, er sucht nichts, er hat et­was Neu­es ge­fun­den, das ihn völ­lig aus­füllt.

Flüch­tig sieht er Se­me­les lä­cheln­des Ge­sicht vor sich. Was wür­de sei­ne Schwes­ter sa­gen, wenn sie ihn jetzt sähe? »Ich habe im­mer ge­sagt, an dir ist ein Gärt­ner ver­lo­ren­ge­gan­gen.«

Nein, er hat nichts auf­ge­ge­ben, er hat et­was be­kom­men.

»Dada!« Ben zerrt an sei­ner Hand.

»Ich kom­me«, sagt Adam.

Er nimmt Ben auf den Arm und geht mit ihm in die Kü­che. Bel­la we­delt ihm ent­ge­gen. Von Chris­ti­na ist nichts zu hö­ren und zu se­hen, sie scheint noch zu schla­fen.

Sie wird Kopf­schmer­zen ha­ben, denkt er.

Adam füllt Bel­las Napf. Ben hockt sich ne­ben das Hünd­chen und schaut ihm beim Fres­sen zu. Adam be­rei­tet für Ben Jo­ghurt mit Obst zu. Für sich selbst legt er Speck in eine Ei­sen­pfan­ne und schlägt drei Eier dar­über.

»Das riecht sehr le­cker.« Han­nah er­scheint lä­chelnd in der of­fe­nen Kü­chen­tür.

»Moin«, sagt Adam.

Han­nah hat sich ein Tuch ums Haar ge­bun­den und sieht in ih­rem bun­ten Som­mer­kleid rei­zend aus.

»Gu­ten Mor­gen.« Chris­ti­nas Auf­tritt ist eher auf­rei­zend. Sie trägt nichts au­ßer ei­nem win­zi­gen Schlüp­fer und dunk­len Rin­gen un­ter den Au­gen. Sie drän­gelt sich an Han­nah vor­bei, geht auf Adam zu und küsst ihn auf den Mund. »Wo ist das Ba­de­zim­mer?«

»Zwei­te Tür links«, sagt er und reißt die Pfan­ne vom Herd. »Ver­dammt!« Er öff­net den Müll­ei­mer und kippt den ver­kohl­ten In­halt hin­ein. »Was gibt’s?«

Han­nah steht im­mer noch wie er­starrt in der Tür, als die Ba­de­zim­mer­tür sich hin­ter Chris­ti­na schließt. Sein Han­dy brummt auf der Tisch­plat­te. Jetzt nicht, denkt er. Han­nah be­wegt sich wie­der.

»Also, was willst du?«

»Papa hat Zahn­schmer­zen, er muss zum Arzt.«

Auch das noch! Adam seufzt. »Macht nichts. Ich fahr nach­her die Be­stel­lun­gen selbst raus.«

»Ich kann mit­kom­men, wenn …«

»Nee, lass mal. Küm­me­re dich um Hin­nerk. Sag ihm gute Bes­se­rung.«

»Hat sie dich rum­ge­kriegt?«

»Was meinst du?«

Han­nah nickt in Rich­tung Ba­de­zim­mer. »Der Hun­ger­ha­ken da.«

»Was geht das dich an?«

Han­nah sieht ihn wü­tend an, dreht sich um und ver­lässt mit stei­fem Rü­cken die Kü­che. Ihr Kör­per drückt ab­grund­tie­fe Ver­ach­tung aus.

»Bis mor­gen«, ruft Adam ihr hin­ter­her.

»Viel­leicht.«

»Wei­ber«, sagt Adam ge­nervt. Aber er weiß, dass Han­nah am nächs­ten Tag da sein wird. Er hört ein Mo­ped da­von­fah­ren.

»Wei­ber.« Ben wie­der­holt das neue Wort.

»Alle.«

Ben schiebt sei­nen Tel­ler von sich weg, steigt vom Stuhl und krab­belt un­ter den Tisch zu Bel­la. »Wei­ber«, sagt er zu der Hün­din.

Adam grinst in sei­nen Kaf­fee­be­cher.

»Ist sie weg, dei­ne Klei­ne?« Chris­ti­na be­tritt mit ge­schürz­ten Lip­pen, voll­stän­dig an­ge­zo­gen die Kü­che.

Bel­la knurrt lei­se un­ter dem Tisch.

Ben mur­melt: »Wei­ber.«

»Sie ist nicht mei­ne Klei­ne. Setz dich. Kaf­fee? Eier und Speck? Jo­ghurt?«

»Nur Kaf­fee.«

Er fragt sich, wie Frau­en es schaf­fen, so zu tun, als sei nichts ge­we­sen. Ihm ist der Abend noch pein­lich ge­nau in Er­in­ne­rung.

»Ha­ben wir … Ich mei­ne, du weißt schon …«

»Nein?«

»Ich war heu­te früh nackt und kann mich nicht er­in­nern, mich aus­ge­zo­gen zu ha­ben.«

»Ich habe dir das Kleid aus­ge­zo­gen, und nein, wir ha­ben nicht mit­ein­an­der ge­schla­fen.«

Adam stellt einen Be­cher Kaf­fee vor Chris­ti­na auf den Tisch. Ich schla­fe nicht mit be­trun­ke­nen, fast weg­ge­tre­te­nen Frau­en, denkt er.

Sie sucht in sei­nem Ge­sicht nach der Wahr­heit. »Zeigst du mir dei­ne Gärt­ne­rei?«

»Nein, Chris­ti­na, heu­te nicht. Wir ha­ben viel zu tun. Und nun ist auch noch Hin­nerk aus­ge­fal­len.«

»Wer ist das?«

»Der Va­ter von Han­nah. Er hilft mir, die Be­stel­lun­gen zu den Kun­den zu fah­ren. Heu­te muss ich das selbst ma­chen, und ich bin schon spät dran.«

»Dann ein an­der­mal«, sagt Chris­ti­na er­staun­lich sanft.

Erst als er ih­rem Wa­gen nach­sieht, merkt er, dass sie ihn über­töl­pelt hat. Sie hat »ein an­der­mal« ge­sagt und da­mit einen nächs­ten Be­such in Aus­sicht ge­stellt. Er hat nicht nein ge­sagt. Wir Män­ner sind manch­mal er­staun­lich blöd.

Adam nimmt Ben an der Hand und geht mit ihm in die Scheu­ne. Ohne Hin­nerk ist er auf­ge­schmis­sen. Die Kis­ten mit den Äp­feln kann er heu­te noch lie­fern. Aber die Kräu­ter und Bal­kon­pflan­zen müs­sen war­ten. Er wür­de je­den ein­zel­nen Kun­den an­ru­fen müs­sen, um die Lie­fer­ter­mi­ne zu ver­schie­ben.

Die Füchsin

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