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Logos: Die Triebkraft des Universums

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Wenn du dich auf die so wunderbar freudvollen, nährenden Eigenschaften von Eros einschwingst, könnte die Frage auftauchen: »Können wir es nicht einfach dabei belassen? Dieser ozeanische Frieden ist doch alles, was wir brauchen.«

Das stimmt nicht ganz. Denn um Eros bewusst zu erfahren, brauchst du Abstand und Reflexion! Dies schenkt dir Logos. Gäbe es nicht beide Kräfte, wäre unser Universum nicht entstanden und du würdest jetzt nicht dieses Buch lesen können. Um es mal punkig auszudrücken: Ohne Logos wäre die große Stille nicht aus dem Arsch gekommen. Wir wären nicht hier. Alles wäre immer noch ein unendlich potentes, aber formloses Nichts. Logos ist die Kraft, die in die Dunkelheit ruft: »Und es werde Licht!«

Wenn Eros das Wissen um den Ursprung und die Einheit bewahrt, drängt Logos nach Ausdehnung und Kreation. Es verlangt spielerisch: »He, lass uns schauen, wie weit wir das kosmische Pony dieses Mal reiten können!«

Eros, zurückhaltend: »Lass uns einfach das Paradies in seiner Vollkommenheit genießen.«

Logos, euphorisch: »Nein, lass uns in den Apfel vom Baum der Erkenntnis beißen. Lass uns vergessen, woher wir kommen. Wir verlassen das Paradies. Wir ziehen in die Welt. Wir erschaffen selbst Welten. Wir vergessen dabei, woher wir kommen. Irgendwann werden wir umkehren und uns erinnern.«

Eros, betörend: »Alles ist schon da. Genieß die Sinne. Liebe die Liebe. Feiere die Ekstase. Bewundere die Schönheit. Gott ist in allem, jetzt und hier. Wenn du innehältst und dich hingibst, wirst du es spüren.«

Logos, ungestüm: »Ich muss raus. Ich will nachdenken. Ich will Grenzen überschreiten. Ich will die Frage finden, die noch nie gestellt wurde. Ich suche Gott im Werden. Mit Fausts Worten: Ich will erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält.«

Je nachdem, was du in deinem Leben gerade mehr brauchst, wirst du eventuell eine Seite und ihre jeweiligen Qualitäten bevorzugen. Vielleicht bist du sogar versucht, die andere zu negieren. Einmal sagst du dir: »Denken bringt nichts. Lass uns fühlen und die Gegenwart genießen.« Ein anderes Mal sagst du: »Immer diese Gefühlsduselei. Denke mehr nach und beweg deinen Hintern!« Doch keine Seite ist besser als die andere. Sie bedingen sich! Ohne Logos wird Eros zum Sumpf. Ohne Eros wird Logos zu einem Feuer, das nur noch verbrennt. Es ist die kreative Spannung zwischen den beiden, die Universen erschafft und dein Bewusstsein zur Entwicklung anregt. Menschsein bedeutet, jetzt zu sein und stetig zu werden.

Ein bemerkenswerter Mensch, der sich in seinen Werken intensiv mit dem Wirken beider Kräfte auseinandersetzte, war Johann Wolfgang von Goethe. Hier einige Zitate aus seinem Faust:

»Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen, er liebt sich bald die unbedingte Ruh; Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu, Der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen.« 13

Wir brauchen die stimulierende und reflektierende Wirkung von Logos, sonst erschlaffen wir in einem unbewussten, sumpfigen Eros.

»Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, Und leider auch Theologie! Durchaus studiert, mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor.«

Wenn Logos sich nicht über das pure intellektuelle Verstehenwollen hinaus entwickelt, verrennt er sich in seinen Gedankenblasen.

»Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, Die eine will sich von der andern trennen.«

Das Ringen von Eros und Logos existiert in jedem von uns. Logos ist das erste Licht, welches sich immer weiter ausdehnt und ganze Galaxien erschafft. Logos erwacht im Einzeller zu Leben, drängt weiter, regt sich in der Pflanze, atmet im Tier und beginnt sich im Menschen Fragen zu stellen. Logos ist keine Idee, es ist ein evolutionärer Drang. Er wird nicht stoppen, nur weil du gerade müde bist und dich in deine Couch verliebt hast. Diese Kraft wird sich aus deinem Leben zurückziehen, wenn du dich weigerst, ihr Raum zu geben. Doch wenn du sie bewusst einlädst, wird sie dein Bewusstsein stetig erweitern und dich animieren, auch im Außen zu erschaffen. Logos drückt sich durch rohe Kraft aus, dann etwas weiter entwickelt in der Tat, noch feiner im Wort und letztendlich im Sinn. Doch Logos allein verliert den Kontakt zum Ursprung. Er verrennt sich in seinen eigenen Konstruktionen und findet einsam und manisch den Ausgang nicht mehr. Lucifer war in der biblischen Mythologie der Lieblingsengel Gottes. Der Überbringer des Lichts. Doch er verlor sich in seinen eigenen Welten und wendet sich von seiner Quelle ab, die er aber in Wahrheit nie verlassen hat.

Logos braucht einen starken Eros an seiner Seite, um egal, wie weit er in die Dunkelheit des Weltalls reist, zu wissen, woher er kommt und dass er diesen Ursprung nie wirklich verlassen hat. Eros schenkt ihm Ruhe, Wärme und Verbundenheit. Doch so sehr er es liebt, sich im Schoß von Eros auszuruhen, fürchtet sich Logos davor, vom Nichts verschluckt zu werden und für immer einzuschlafen. Es ist die universelle Aufgabe von Logos, Leben herauszufordern, Grenzen einzureißen und gleichzeitig auch geistig zu begreifen.

Ohne Logos würden wir das Feuer immer noch fürchten. Ohne Logos gäbe es keine Sprache, keine Kultur oder Wissenschaft. Ohne den Trieb nach Freiheit würde das Baby den Full Service Tank im Mutterleib nie verlassen wollen und das Kleinkind würde sich weigern, sich aus der Symbiose mit der Mutter zu lösen. Doch so sendet uns Logos auf unsere individuelle Abenteuerreise. Er entwickelt ein Ego in uns und schleudert uns in die Erfahrung von Trennung. Wenn unsere Bewusstseinsreifung organisch verläuft, stärken und verfeinern wir unser Ego bis zu einem Punkt, wo sich unser Logos interessiert einer größeren, transzendenten Wirklichkeit zuwenden kann. Wir benutzen unser Ego noch wie ein gutes, treues Fahrzeug, doch wir lassen es innerlich wieder langsam los. Wir toben uns zuerst in der Welt aus, erreichen Meisterschaft in dem, was wir tun, und dann lassen wir unsere Werke wieder los. Logos hat gefunden, wofür er kam, und zieht nun weiter. Wir tauchen wieder in den ozeanischen Frieden ein, doch dieses Mal bewusst.

Logos wird mit männlichen Qualitäten assoziiert. Ich möchte es noch einmal betonen, weil dies für das gesamte Buch von Bedeutung ist: Männlich ist nicht gleich Mann. Es sind Eigenschaften, die unserem inneren Logos entspringen. Es gibt in dem Sinn männliche Frauen, mit einem sehr starken Logos und weibliche Männer mit der Betonung eher auf dem Eros. Lies dir die folgenden Worte langsam und vielleicht sogar laut vor. Schau, ob und wie sie dich berühren.

selbstbewusst werden erwachen ausdehnen erheben begreifen wollen infrage stellen wachsen Leistung Wettkampf Visionen trennen Aggression differenzieren Weiterentwicklung Grenzen einreißen männlich Feuer Nutzen Yang in Konzepte fassen befruchten Licht kämpfen ringen Unruhe auswählen Hierarchien Logik Ratio Intellekt penetrieren herrschen strukturieren Form geben bedingt lieben erkennen reflektieren Freiheit loslösen Individualisierung ICH Triebkraft Potenz herausfordern Sinnfindung bewusstes Erschaffen Sprache Wort Theorie Intellekt Kreation

Meditationstipp

Du findest im Downloadbereich (siehe Anhang) unter »Power of Logos« eine geführte Meditation, die dich einlädt, eine direkte Erfahrung deines inneren Logos zu machen. Sie ist ein Geschenk für dich und wird dich angenehm inspirieren.

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