Читать книгу Hochstaplerin des Jahrhunderts - Viktor Krebs - Страница 7

Kapitel 5

Оглавление

So mit Skandal überquerte Esther Feigenbaum – so ein Name stand jetzt in ihren falschen Papieren – die Grenze des Russischen Reiches. Es war Januar des Jahres 1866 Dana – Dora – Esther ging das neunzehnte Jahr. Wo ihr begeisterter Begleiter, ihr Fluchtgefährte Adam Feigenbaum geblieben ist, verschweigt die Geschichte. Wahrscheinlich, hat der weite Weg ihn ermüdet oder Esther gelang es ihn geschickt loszuwerden. Jedenfalls, figuriert dieser Mensch in der Geschichte ihres Lebens nicht mehr.

Russland erschütterte Esther. Dieses Land war so, wie sie es sich vorgestellt hat, und auch völlig anders. Zum ersten Mal in ihrem nicht langen Leben fühlte sich Esther verwirrt und hilflos. Erst jetzt hat sie verstanden, dass sie in den Hinterhöfen der Welt, in der Provinz lebte. In den märchenhaften und furchtbaren Kreislauf geraten, fühlte Esther, dass sie das Gefühl der Realität verliert. Alle Lebensorientieren, Prinzipien und Mittel der Erreichung der Ziele schienen ihr jetzt lächerlich und nichtsnutzig zu sein. Die Vorhaben, entstandene in ihrer Phantasie in der Heimat, waren in dieser Realität haltlos. Alles wird man von Anfang anfangen. Und das freute Esther irgend - warum.

Bis jetzt fühlte sie sich als erfahrene, erwachsene Frau und die viel gesehen hat. Letztendlich gab es in ihrem Leben so viele Ereignisse! In Russland angekommen, fühlte sie sich als Kind, dass in einen furchtbaren Wald geraten ist, wo immer noch nicht erforscht ist wo sich entweder ein Wunder oder eine Gefahr versteckt.

Man muss wieder lernen die Leute zu verstehen und Einfluss auf sie ausüben, die Situation einschätzen und sein Glück selbst errichten. Ester war der Meinung, dass es für ihre Hände nichts Unmögliches gibt, und begann sofort Lehren ziehen.

- Die Russen – sind edel, ehrlich und sehr naiv, - konstatierte sie, von der Stelle des nicht gelungenen Diebstahls wegfahrend. – Das ist gut.

Es gab aber auch negative Momente, daran hat sich Esther überzeugt, im Hotel angekommen, wohin sie der Fuhrmann gebracht, und von ihr, eigentlich, ein übriges Zehnkopekenstück abkassiert hatte.

Das größte Hotel, zu Esthers Überraschung, befand sich in einem unansehnlichen Holzgebäude mit schmutzigen Fenstern und versprach mit ihrer Fassade nichts Gutes.

Esther fragte den in Erwartung eines Kunden zögernden Fuhrmann nochmals, ob es wirklich das Haupthotel ist. Der Fuhrmann zeigte auf das verbleichte Schild: „Astoria - Lux“

Sich im Voraus schon betrogen fühlend ging Esther ins Vorzimmer. Dort musste sie eine halbe Stunde lang an der Glockenschnur ziehen, versuchend wenigstens jemanden zu erreichen. Der Raum, der durch seine Düsterheit mit dem Empfangszimmer einer Kasematte hätte streiten können, war leer. Ausschließend einer verwelkten Dattelpalme in der hinteren Ecke, war hier nichts, sogar kein Stuhl.

Endlich ging die Tür hinter dem Stehpult auf, und es erschien eine gähnende, knittrige Physiognomie eines grauhaarigen Alten mit roter Nase.

- Was lärmen sie denn, Fräulein? – erkundigte sich die Physiognomie bei Esther, einen zähnelosen Mund zeigend und kreuzend.

- Ist das ein Hotel? Bin ich hier richtig? – fragte sie vorsichtig.

- Wenn Sie nicht lesen können, so kann ich Ihnen dabei nicht behilflich sein, - brummte der Alte, ganz aus der Tür rauskommend.

Im Gehen, auf das zerknitterte unfrische Hemd genau so aussehende Weste angezogen, kam der Alte zum Stehpult und reichte Esther ein dickes Buch im fettigen Umschlag

Esther sah den Alten fragend an.

- Nimmt, tragen Sie sich ein.

Esther verstand, dass in diesem unansehnlichen Aussehen ihr das Buch der Registrierung der Hotelgäste erschien, und, die Handschuhe nicht ausziehend, trug sie ihren Vorname und Nachname entsprechend dem falschen Pass ein.

- Zimmer vierunddreißig. Den Flur entlang rechts.

Danach, die Weste runterziehend, begab er sich zurück, nichts über den Service, ihre Preise gesagt und sogar keinen Begleiter gegeben.

- Und wenn ich Gepäck hätte? – empörte Esther, sich ekelnd die Schlüssel mit zwei Fingern am Schnürchen nehmend.

Zum Glück, reiste Esther unbeschwert. Nicht weil sie kein Geld hatte, um sich ein ordentliches Gepäck für eine junge Dame anzuschaffen, so eine Bewegungsart schien für Esther einfach am bequemsten zu sein.

Sich in „Astoria – Lux“ eingerichtet, begann Esther die nächsten Schritte zu überlegen. Die Stadt „Klein“ reizte sie nicht. In der Kutsche durch sie fahrend, machte sich Esther eine Meinung. Drei Hauptstraßen mit Holz gepflastert, unbequeme Häuschen, arme Einwohner, die einander ins Gesicht kennen. Wenn es hier auch eine Verbrecherwelt gibt, wird sie keine Konkurrenz ertragen. Man wird sie schnell der Polizei verraten, und dort…

Nein, solch eine Analoge gab es In Esthers Plänen nicht. Sie machte für sich noch eine unangenehme Entdeckung, das ihren ersten Vorstellungen über das große Reich, wo alles erstklassig sein soll, widersprach. In die feuchte Ecke des Haupthotelzimmers einer Kreisstadt schauend, begriff Esther, dass ihre Urteilungen falsch waren.

- Alles richtig, - sagte sie dem von Fliegen verschmutzten Spiegel. – Kann man in so einem großen Imperium zurechtkommen?

Überlegt, dass diese Entdeckung ihr noch nützlich sein kann, rieb sich Esther die frierenden Hände.

- Ausgezeichnet. Wie heißt es da? Im trüben Wasser gibt es Fische? Ja – ja – ja!

Auf diese Art, im düsteren Hotel, wo sie völlig von Insekten gestochen wurde, beschloss Esther, dass man in der Hauptstadt handeln muss, und nur in der Hauptstadt.

Am nächsten Tag aufgewacht, hat sie bewundert entdeckt, dass sie bestohlen wurde. Zum Glück, war das Hauptkapital nicht berührt – Esther versteckte es so am Körper, dass kein Dieb darauf nicht kommen konnte. Aber angenehme Kleinigkeiten, die sie unterwegs begleiteten, und die Silberuhr auf dem Kettchen verschwanden spurlos.

- Ich habe doch gesagt, Konkurrenten gibt es hier mehr als genug, - konstatierte Esther enttäuscht, die heilen Verriegelungen anschauend. – Es sieht aus, hier stielt die Bedienung. Wie sie nur noch lebend aufgewacht ist!

So, brummend, packte Esther und begab sich zum Bahnhof, zum Schluss noch den schläfrigen Portier beschimpft. Am Bahnhof kaufte sie eine Fahrkarte auf den Zug, der sie mit Abenteuern nach Sankt - Petersburg gebracht hat.

* * *

Als der nüchterne Kutscher mit dem schnellen Pferd sie zum bedeutendsten Hotel in der Stadt gebracht hat, verstand Esther, dass sie sich dieses Mal nicht geirrt hat. Sogar bei der äußeren Ansicht machte das „Imperial“ den Eindruck der Respektabilität und des Komforts. Die stolze Fassade stach sich vorteilhaft aus dem allgemeinen architektonischen Ensemble der Straße aus, und die hellen Fenster vollendeten das Bild des Gedeihens.

Ins Vestibül hineingekommen, das durch die Spiegel leuchtete und polierten Marmor glänzte, begab sich Esther erhaben schreitend zum Stehpult des Portiers. Dort stand ein ziemlich kahlköpfiger Herr, irgendwelche Unterlagen ausfüllend. Schritte gehört, erhob er den Kopf, beugte zur Seite und lächelte breit. Sein Lächeln wurde, eigentlich, sauer, als er die Person sah, die es vorhatte ihn zu stören. Allem entsprechend, war sie eine Ausländerin, Das leuchtete in ihren Manieren, mehr geschäftig, als bei einer würdigen Dame des Hauptstadtherkommens. Aber sie war eine nicht besonders berühmte Ausländerin, denn alle vornehme Ausländer in „Rivolje“ halt machten. Da auf der Dame ein Reiseanzug war, und im Gepäck nur ein Gobelinreisesack, war sie als Hotelgast nicht von Interesse.

Übrigens, die Enkelin des alten Dieners erlaubte ihm nicht die Dame zu ignorieren.

- Was wünschen Sie? – machte er eine ironische Verbeugung, zeigend, wie beschäftigt er sei.

- Ich brauche ein Zimmer, - die Laune des Beamten begriffen, sagte Esther mit beeindruckender Stimme, mit dem Handschuh spielend.

- Zimmer? – noch mehr spöttisch wiederholte der Portier. – Gut. Aber folgendes: Wir haben keine Zimmer mehr für heute.

- Gar keine? – fragte Esther, die Selbstbeherrschung verlierend.

- Gleich erkundige ich mich, - versprach e höflich der Portier, sich in die Unterlagen vertieft.

Das hat er so lange gemacht, dass Esther nervöse Tickungen bekam. Ungeduldig mit dem Schuhspitzen gegen den Boden stoßend, fragte sie:

- Also was? Haben Sie ein Zimmer oder soll ich bei ihren Konkurrenten suchen?

Der Portier machte einen Ruck und lächelte wieder.

- Mir ist es wieder eingefallen! Wir haben eine Nummer. Ein Appartement, das die Hälfte des oberen Geschoss einnimmt. Aussicht auf den Finnischen Meerbusen, ausgezeichnetes Badezimmer mit Aufwärmung. Passt das?

Esther bekam ungute Vorahnungen.

- Oh – oh… Wunderbar. Ich, habe natürlich, etwas Bescheidenes erwartet, aber… Wie viel, haben Sie gesagt, kostet das?

Den Preis erfahren, wurde Esther verlegen. Nach Berechnung, stellte sich heraus, dass für drei Tage Aufenthalt wird sie ihr ganzes Bargeld abgeben müssen, und das war nicht in ihren Plänen.

- Ausgezeichnet, - sagte sie munter, ihre Niederlage nicht anerkennend. – Reservieren Sie, bitte, dieses Appartement auf meinen Namen. Ich fahre nur nach meinem Gepäck. Und bereiten Sie bitte das Badezimmer für sieben Uhr vor. Wünschenswert mit Meeressalzen. Die Handtücher müssen unbedingt weiß sein mit einem blauen Rand, und das Bett aufgewärmt. Gegen sechs Uhr Toastbrote mit Marmelade und gekochte abgekühlte Milch ins Zimmer. Alle Anrufe und Briefe auf meinen Namen stellen Sie mir ins Appartement zu. Die Besucher bitten Sie morgen zu kommen.

Diese Anordnungen dem überrumpelten Portier heruntergeplappert, drehte sich Esther um und ging stolz zum Ausgang. Draußen angelangt überlegte sie. In zwei russischen Hotels gewesen, machte Esther nützliche Erfahrung.

- Die Russen sind faul. Sie lieben Angesehene und Reiche, - resümierte sie am Kai der Newa spazierend.

* * *

Aus dem Hotel weggehend, hatte Esther auch nicht vor dahin zurückzukommen. Aber in der märchenhaft schöner Stadt spazierend, ist es ihr so kalt geworden, dass sie Zweifeln bekam. Die Stadt nicht kennend, konnte sie nicht begreifend, wo sie für die Nacht eine Unterkunft, wo es keine widerlichen Wanzen gibt und wo man nicht dreifach schindet, finden soll. Eine Kutsche nehmen wollte sie nicht, die waren nicht billig. Esther begann, auf der Suche nach einem passenden Hotel, alle unterwegs antreffenden Straßen durchzugehen: es muss hier doch etwas für die einfachen Reisenden geben!

Sie bog in irgendeine Gasse ein, hoffend durch sie auf eine große Straße zu kommen. Die Gasse war lang und Serpentine und zum Schluss noch dunkel Die zielstrebige Esther gab darauf keine Acht, enttäuscht nur dadurch, dass sie Zeit verliert und im leichten Mantel ganz erfroren ist.

- Schinder noch mal! - schimpfte sie stolpernd.

Sie musste Halt machen und den Absatz ansehen, der abbrechen drohte. Den Kopf hochgehoben, fuhr sie aus Überraschung zurück: vor ihr stand eine männliche Figur. Das Schattenbild war dunkel und nur die aufglimmende Zigarre behelligte ein teil des Gesichts. Dann verschwand auch dieses Lichtchen, versteckt in der breiten Handfläche.

- Hallo, Fräulein, - hörte sie aus der Dunkelheit eine niedrige spöttische Stimme. Etwas spät spazieren Sie.

Esther fand nichts was sagen.

- Wissen Sie nicht, dass es gefährlich ist?

- Ich bin neu in Ihrer Stadt, - murmelte Esther fröstelnd, versuchend ihrer Stimme mehr Festigkeit zu geben.

- Zugereiste, also? Sehr gut, - konstatierte der Unbekannte. - Wird auch niemand suchen.

Das erklang bösartig, Esther trat zurück, den kaputten Absatz verfluchend, der ihr die Fluchtmöglichkeit raubte. Die dunkle Gestalt lachte ungut.

- Was, Schätzchen, zitterst du?

Sie zitterte wirklich, aber das war nicht so wichtig.

- Brauchst mir keine Angst zu machen, - sagte Esther frech überraschend für sich. – Du greifst die falsche an.

- Ha – ha – ha -ha! – lachte der Räuber erneut. – wo kommen denn solche tapfere her?

Plötzlich zündete er ein Streichholz an und trug es an ihr Gesicht, Esther versuchte ihrem Gesicht den Ausdruck verachtender Gemütsruhe zu geben, und nur das zitternde Augenlid verriet ihr wahres Gefühl. Sie richtig angeschaut krächzte der Räuber.

- Na, wenn so tapfer, ehrt es sich nicht, dich der Möglichkeit, die Stadt näher kennen zulernen, zu berauben. Ansonsten kommst du dann doch nicht, was?

Esther schwieg.

- Gut, Liebes. Für diese braunen Augen mache ich eine Ausnahme, begleite dich, sonst schlachtet dich noch jemand. Fürs erste Mal wirst entschuldigt, bist fasch hineinspaziert, wusstest nicht. Aber! Belohnung in Art großen Geldscheines oder einen Diamant zum Andenken bist du mir schuldig. Ansonsten wie?

- Schon gut. Begleite, und weiter werden wir sehen.

Sich noch einmal über die Frechheit der Unbekannten entzückt, fasste sie der Räuber an der Taille und schleppte die Gasse entlang. Sich wehren war sinnlos, die Hände waren stark. Esther, die Augen zusammengekniffen, verabschiedete sich von den Absätzen.

Die Warnungen des Unbekannten waren nicht umsonnst. Unterwegs kamen ihnen mehrmals genau so dunkle Persönlichkeiten, mit eineigen von ihnen der Räuber manchmal einige Worte wechselte.

- Hallo Mischer, wen schleppst du? – rief man ihm.

- Na ja, habe ein Fräulein geklaut, reines Gold! – antwortete er.

- Teile mit uns, schneide wenigsten das kleine Fingerchen ab!

- Nei – n, gehört mir allein!

Und sie rannten weiter in die Tiefe der Gassen, die kranken Katzen verjagend. Als schon keine Kraft mehr war so schnell die Füße zu bewegen, schleppte der seltsame Begleiter Esther auf den Prospekt, reich von Laternen beleuchteten und voll von festlichen Publikum.

Hier konnte Esther ihren neuen Bekannten erst richtig ansehen. Wie sie noch in der Dunkelheit festgestellt hat, war er hoch und breitschulterig. Außer allem anderen sah er wie ein Mensch aus, den das Leben immer nur anlacht, so offen und lustig war er.

Er hatte so helle Augen, dass es schien, als ob man in ihnen den Boden der Seele sieht. Aber es schien nur so. Die strenge nordische Linie der Backenknochen des Blonden war ziemlich merkbar für eine Frau, welche sich meistens mit ihren gleichgläubigen und in seltenen Fällen mit Slawen unterhielt. Im Allgemeinen, sie gefielen einander.

- Also, Lady, ich habe Sie begleitet. Hier rührt Sie niemand an, außer wenn irgendein Herr Ihnen auf den Fuß tretet, und das nur deswegen, um die Möglichkeit zu bekommen, sich eine Kugel in die Stirn zu jagen. Ich habe mein Versprechen erfüllt, jetzt sind Sie an der Reihe.

Esther sah nachdenklich auf die saubere Stirn des Räubers und entschloss sich:

- Diamanten habe ich keine. Mit Geld so einen angenehmen Menschen zu beleidigen ist nicht in meinen Regeln…

Der Unbekannte lächelte und wollte ihr widersprechen, aber Esther hielt ihn mit einer Geste an.

- Also, so. Kann ein Lux - Nummer im Hotel „Imperial“ anbieten. Mit Wanne und Champagner ins Zimmer. Passt?

Der neue Bekannte sah Esther aufmerksam an, sie, wahrscheinlich, für ein sehr seltsames Mädchen haltend. Dann lächelte er wieder:

- Passt!

* * *

Marmelade auf ein Toasterbrot schmierend, lag Esther unter der warmen Decke und hörte, wie i der Wanne Mischer wie ein Delfin planschte. Er hieß Mischa, aber Esther wollte aus irgendwelchen Gründen ihn so nicht nennen, und nannte ihn Mischer. Schmunzelnd darüber, wie er pustet und singt, erinnerte sich Esther mit Vergnügen an die erschütternde Szene in dem Vestibüle, welche alle ihre Leiden mit Überfluss deckte.

Der Portier Sah Esther mit vor Empörung und Hilflosigkeit herunterhängender Lippe mit Verachtung an, die in Begleitung einer dunklen Persönlichkeit kam. Es gab keine Möglichkeit sie fortzujagen, denn in dem gleichen Moment legte die Dame unter dem spöttischen Lächeln ihres Begleiters, die knisternden Geldscheine raus. Ihr Häufchen wuchs und wuchs, den Potier in tiefes Entsetzen zwingend.

- Hier, haben Sie die Bezahlung für die nächsten drei Tage, - sagte die Dame mit ruhiger Stimme. – Ist mein Zimmer fertig?

Der Portier nickte.

- Ausgezeichnet. Komm, Mischer. – Die Dame schwebte in Richtung Fahrstuhl.

Die Prozession schloss der Gepäckträger mit beeindruckend aussehenden Koffern.

Der Portier raffte langsam das Geld zusammen, wessen Hälfte von sich selbst in seine Taschen kam und überlegte darüber, ob er nicht die Polizei über die verdächtigen Gäste benachrichtigen soll. Dann fiel ihm die Politik des Hotels ein – Nichteinmischung und ausgezeichnete Service – und beschloss darüber zu vergessen, dass das Luxus – Appartement irgendwelches Pack einnimmt.

Der andere Moment, der Esther freute, war der entzückende Blick des Räubers aus der dunklen Gasse, der jede Handgeste beobachtete, die das Geld aus dem Reisesack rauslangte.

Esther, die durch ihre eigene breite Geste entzückt war, wusste nicht, dass dieser Mensch ganz aus einem Anderen Grund begeistert war. Mischer Leuchter, ein talentierter, frecher Dieb, freute sich darüber, dass er auf so eine Dumme gestoßen ist. Sehend, wie sie das Geld hinwarf, stellte er sich vor, dass in dem Reisesack noch viele grelle Scheine, von denen es auf der Seele so warm wird, geblieben sind.

„Die Dame ist wohlhabend, - dachte er, - und auch noch dumm. Und ich gefalle ihr, siehe an, gleich aufs Zimmer geschleppt. Hungrig etwa, was?“

Mischer, auf Esthers appetitliche Figur schielend, leckte sich in Gedanken die Lippen ab

Jetzt, sich im Zimmer eingerichtet, das wie eine der „Eremitagehallen“ aussah, begaben sie sich ihren Vergnügungen jeder auf seine Art. Mischer setzte sich sofort in die warme Wanne mit aromatischen Salzen, die für Esther, vorbereitet war, sie zuvor benachrichtigt:

- Weißt du, ich habe mich schon zwei Wochen nicht gebadet.

- Warum? – interessierte sich die naive Ausländerin.

- Weil es im Eisloch kalt ist, - zuckte Mischer mit den Schultern, das Hemd von sich ziehend.

Den Muskulösen Körper sehend, mit Narben bedeckten, drehte sich Esther verlegen ab. Mischer ihre Geste bemerkt, lachte belustigt:

- Wie, hast noch nie einen Mann gesehen, was?

Esther hat Männer gesehen, und nicht einmal, aber so eine grell ausgeprägte tierische Kraft und Schönheit traf sie zum ersten Mal. Die andere erschienen gewöhnlich als parfümierte, in Batist gekleidete Verführer. Aber das Aussehen dieses Körpers schreckte und zog an mit gleicher Kraft, bis zum Zittern in den Knie

Esther beschloss vernünftig die Tür ins Schlafzimmer zu schließen, sich in das hintere Zimmer begeben. Hier beschäftigte sie sich mit dem aufessen der Toastbrote mit Marmelade. die Toastbrote waren knusperig, die Marmelade dick und die Milch schmeckte sehr gut. Zudem heulte draußen der Schneesturm, und hier war es warm, hell und gemütlich. Das alles bedeutete nur eins: das Leben regelt sich. Eingewiegt durch Sattheit und angenehmen Gedanken, schlief Esther ein. Aufgewacht ist sie, Gefahr fühlend. Jemandes sorgvolle Hand hat das Licht ausgemacht, im Zimmer war es dunkel, nur die Silhouette des Fensters verdünnte die Dunkelheit der Nacht. Plötzlich erschien in diesem hellen Schein eine Figur, sich geräuschlos zur Tür bewegende.

Esther, sich schnell von den Kissen erhoben, zündete die Lampe an und rief:

- Stehen bleiben!

Mischen drehte den hellen Kopf zu ihr.

-Was?

In seinen Händen waren ihr Reisesack und ein Paar Kerzenständer vom Kamin. Unter dem Kissen den Revolver gezogen und ihn mit beiden Händen hebend, Richtete Esther ihn auf den Dieb.

- Stell die Armleuchter auf den Platz. Und wenn es dir gefällt Frauenunterwäsche zu tragen, kannst den Reisesack dir lassen, dort ist auch weiter nichts drin.

Leuchter, mit Verwunderung seinen eigenen Revolver erkannt, Sah Esther mit großen Augen an.

- Gib das „Spielzeug“ her, - befahl er drohend.

- Kannst lange warten.

- Du kannst doch gar nicht schießen.

- Tasten? – Esther bewegte den Lauf

- Nicht. – Mischer erhob die Hände, seine Beute auf den weichen Teppich geschmissen.

Er sah die düstere Esther fragend an und begann plötzlich zu lachen. Dieses Lachen war so ansteckend, dass Esther ungewollt lächelte. Mischer warf sich inzwischen wegen Unmöglichkeit auf den Boden, krächzte:

- Ei, sieh dich mal an!

- Warum?

Anstatt einer Antwort kriech Mischer auf allen vier ins Nebenzimmer und schleppte von da einen Spiegel, ihn aus den Nuten im Bad genommen.

- Nimm, bewundere dich. – Er steckte Esther den Spiegel unter die Nase, und sie hat verstanden, worüber er sich so lustig machte.

Aus dem Spiegel sah auf sie eine junge Person mit einem vom Schlaf etwas aufgeschwollenen Gesicht, zerzaustem Haar, komisch drohend. In ihren dünnen Händchen, die aus den Ärmeln des Seidenmantels rausschauten, sah der große Revolver sinnlos aus.

Schon gut, - wurde Esther mit dem Lustigkeitsanfall fertig. – Spaß gehabt, und gut. Lege raus, die Tasche – Dieb, was wolltest du gewinnen, eine junge Dame verraten und beraubt?

- Du leg raus, - ging Leuchter in die Konterattacke. – Warum schnüffelst in den Hosen unbekannten jungen Herren? Warum hast einen unbekannten Mensche ins Zimmer gelassen? Wo ist dein Geld, wenn nicht im Reisesack? Wann legst die Kanone weg, Bei mir läuft es schon vor Angst, dass du aus Dummheit noch auf den Haken drückst, an den Schenkeln hinunter?

- Zu viele Fragen, - widersprach Esther, den Revolver nicht aus den Händen lassend. – Der Reihe nach. Wozu in den Hosen? Siehst doch selbst, was geschehen wäre, wenn eine junge Lady ihre Nase nicht in Sachen steckte, herum geschmissene von leichsinnigen diebischen Persönlichkeiten im ganzen Zimmer.

- Einverstanden, - seufzte Leuchter unterdrückt, verstehend, dass er Esther unterschätzt hat.

- Warum ins Zimmer gelassen, das war meine Laune. Ich kenne niemanden, und mir ist es jetzt langweilig. Und du bist der erste Bekannte, den ich hier kennen lernte.

- Auch mir einen Bekannten gefunden! – lachte Mischer. – Ich hätte dich doch zu Stücke schneiden und ins Fenster hinauswerfen können, was hättest du dann gesagt?

- Nicht doch. Du siehst nicht aus wie ein Mörder. Eher ein Dieb und Zuhälter, aber Mörder… Du hast ein zu sorgenloses Aussehen für einen Wahnsinnigen.

- Du hast wohl schon viele Wahnsinnige gesehen?

- Keinen einzigen.

- Alles klar. Fahre fort.

- Du besitzt dazu noch Gottes Gabe gefallen, und ich brauche gerade so einen Menschen.

- Na das ist unstreitbar.

- Was das Geld betrifft, das, was ich gestern rausgelegt habe, war das letzte. Nach vergehen der drei Tage, werde ich nicht nur keinen Groschen mehr haben, sondern auch kein Dach über dem Kopf.

- Lady lebt nicht den Mitteln entsprechend, - resümierte spöttisch Leuchter, dem Luxus – Appartement einen Blick werfend.

- Dafür gibt es eigene Gründe. Ich habe nirgendwohin zurückzutreten, also, muss man unbedingt handeln.

- Klingt überzeugend, - bemerkte Leuchter immer noch spöttisch. – Ist aber nicht ganz klar, was du meinst.

- Mir ist auch selbst nicht ganz klar, - gestand Esther. – Aber das ist Zufallssache, so meine ich es. Ich werde mich zu passender Zeit am passenden Ort befinden, und ich werde Glück haben… Und was die letzte Frage betrifft: den Revolver lege ich in dem Moment ab, wenn du das Zimmer verlässt, und ich verschließe die Tür. Los, schaff dich fort.

Mischer erfüllte Esthers Bitte und ging hinaus, die die Tür mit dem Riegel verriegelte und sich ruhig schlafen legte, den Revolver unter das Kissen gelegt.

* * *

Aber in dieser Nacht auszuschlafen war ihr nicht gegönnt. Es sind noch keine zwei Stunden vergangen, als Esther wieder aufwachte, Anwesenheit eines Menschen fühlend.

- Wer ist hier? – sprang sie auf

- Ich. – hörte sie aus der Dunkelheit eine spöttische Stimme. – Scheibe dich, ich will auch schlafen. Oder nicht schlafen.

- Bist du verrückt? – fragte Esther drohend, die Hand unter das Kissen schiebend.

Der Revolver war nicht da.

- So, lieber Herr! Gehen Sie raus! Und den Revolver auf den Platz.

- Noch was. – Mischer kletterte unter die Decke.

Esther begann unzufrieden zu pusten, aber sie hatte keine Kraft, um ernst zu widersprechen. Schon im Schlaf hörte sie:

- Apropos, wozu hast du Pflastersteine in den Koffern?

* * *

Am nächsten Tag sind sie ziemlich spät aufgewacht und bestellten sofort Champagner und Pfannkuchen mit Kaviar, den Esther zuvor nie gegessen hat, aufs Zimmer.

Auf schneeweißen Betttüchern frühstückend und die Sonne, die sich in den verschneiten Eisschollen des finnischen Meerbusens widerspiegelte, bewundernd, fühlte sich Esther echt glücklich. Mischer lag nach dem Frühstück auf dem Bauch und kniff die Augen zusammen, wie ein zufriedener, satter Kater.

- Apropos, wie bist du hier rein gekommen? – interessierte sich Esther, sich an den Riegel erinnernd.

- Ganz einfach, - sagte Leuchter, die Augen nicht öffnend. Soll ich es dir beibringen?

- Natürlich! – freute sich Esther, die Hände an der Serviette abputzend. – Jetzt gleich.

- Wie ungeduldig! – Mischer öffnete ein Auge. – jetzt werden wir liegen.

- Aber nein.

- Aber doch

- Wir dürfen keine Minute verlieren.

- Wir haben hier noch ganze anderthalb Tage zu wohnen.

- Wir haben hier nur anderthalb Tage zu wohnen, und ich bestehe darauf, nicht so stur zu sein und mir beizubringen dahin hineinzukommen, wo mich niemand erwartet.

- Na gut, gut, - brummte er unzufrieden, aufstehend. – Gleich habe ich es dir im Nu…

- Und woher hast du die furchtbaren Narben? – Esther steckte die Haare fest, beobachtend, wie Leuchter sich anzieht.

- Ach so… Einen Nervenberuf habe ich. Man muss manchmal wegen der höchsten Ziele mit sich opfern.

- Höchste Ziel den Gouverneur auszurauben?

- Leuchter lachte.

- Dann schon den Imperator, - korrigierte er sie. – Jetzt schließe dich ab, und ich zeige dir, wie man die Schlösser an den Türen nutzlos macht.

Die folgenden Stunden waren den Einbruchgrundsätzen gewidmet. Dabei waren die Hauptarten von Verschließungen durchgenommen: Türklinken, Schnappverschlusse, Haken, Schlüssellöcher und Methoden ihrer Liquidierung mit Hilfe der Werkzeugen - Handlangern und ohne ihnen. Der Unterricht beendete mit Befestigung der erlernten Kenntnisse. Schon bei heller künstlicher Beleuchtung beherrschte die ermüdete, verschwitzte Esther alle im Zimmer vorhandene Schlösser und auch noch einige im Flur.

Die Manipulationen seines Treuhandlehrlings beobachtend, blieb Leuchter zufrieden.

- Für den Anfang ziemlich gut.

- Beleidigt kichernd, zog Esther die Handschuhe aus.

- Mit Klappfenstern, Türen des Schlafzimmers und oberen Tischschublade kommst du schon fertig, - setzte Mischer fort.

- Ich glaube, das wird für mich vollkommen ausreichen, - resümierte Esther.

- Wahrscheinlich, - willigte Leuchter ein, anrauchend. – Wenn es da nur noch diese angenehme Sachen, wie Safes und Schaufenstern der Juweliergeschäften nicht gäbe.

Das letzte gehört, hielt Esther auf einen Moment den Atem an.

- Du meinst, Einbruch - ist das einzige Mittel der Bereicherung auf Kosten des Nächsten? – erkundigte sie sich.

- Oh, nein, es gibt tausende solche Mittel. Jeder findet sich etwas nach seinem Geschmack. Mir ist das näher.

- Klar. – Ester, sich aufs Sofa niedergesetzt, überlegte.

Der entspannte Leuchter, im Zimmer einwenig hin und her spaziert, fragte:

- Ist es nicht Zeit zu Mittag zu essen?

Esther schwieg angespannt. Auch Leuchter erstillte, etwas bestürzt durch das Benehmen der neuen Freundin, die zuvor lebendig und lebenslustig war. Nach etwa fünf Minuten fragte Esther als ob nichts gewesen wäre:

- Hör mal, erzähle mir über dein Leben

- Wie jetzt, das ganze? – lächelte Leuchter.

- Aha, -nickte Esther

- Dann höre. Als ich geboren wurde, sagte meine Mutter dem Vater: „ Aber er sieht doch einem großen Halunke ähnlich, der Schindersoll ihn holen…“

* * *

Einander ihre Geschichte erzählt, fühlten sie sich Seelenverwandt und begannen darüber nachzudenken, was damit weiter machen. Esther lag auf dem Teppich, verträumt in die Decke schauend.

- Es ist nur ein Tag geblieben, - sagte sie plötzlich

- Und dann? - genau so nachdenklich fragte Mischer

- Und dann vorwärts und nach oben. – Sich auf den Bauch umgedreht, sah Esther Leuchter aufmerksam an. – Nimm mich mit. Ich werde dir nützlich sein

Mischer antwortete nichts. Dann zog er sich an und ging hinaus.

Esther blieb im Zimmer ihre gewachsene Nägel anschauend sitzen. Danach vergnügte sie sich damit, dass sie die Pflastersteine aus den Koffern nahm und sie vom Balkon hinunterwarf, beobachtend, wie sie auf der Straße kullern.

Am Morgen beschloss Esther, dass es nichts gibt auf was zu warten, brachte ihre Haare in Ordnung, zog die beste Tracht an und nahm den Hut in die Hand. Kaum wollte sie den Diener rufen, um die schwer gewordene Koffer hinunter zutragen, als die Tür aufging und auf der Schwelle erschien Leuchter, seine Ohren waren rot vor Frost.

- Oh, du bist schon bereit? Dann komm. – sagte er heiser, Esther als reisende gekleidet anschauend.

Hinuntergegangen gaben sie die Schlüssel dem Portier, empfahlen das Zimmer für sie reserviert halten, aber Geld im Voraus haben sie nicht bezahlt. Dann luden sie das Gepäck auf die Kutsche und fuhren in unbestimmter Richtung davon. Sie mit einem süßen Lächeln begleitet, schickte der Portier nicht lange überlegend, das Zimmermädchen in die Nummer. Die kam zurück, bleich, mit zitternden Wangen und erzählte dem Herr Verwalter darüber, wie unansehnlich die Lux – Nummer aussieht, aus der sogar die Betttücher verschwunden sind. Die Politik der Nichteinmischung hatte ihr Negatives.

Hochstaplerin des Jahrhunderts

Подняться наверх