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Diagnose: Die soziale Marktwirtschaft auf dem Prüfstand

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Entsprechend der allgemeinen – oben erläuterten - Erkenntnis, dass ein Mehr an Marktwirtschaft ein Mehr an allgemeinem wirtschaftlichem Wohlstand bedeutet, muss man den Reformern im linken Lager(99) Recht geben, die den Sozialstaat begrenzen wollen. Gleichzeitig jedoch stellt sich die Frage, ob eine in dieser Weise vorgenommene Reduzierung überhaupt realisierbar ist. Die Reaktionen der verschiedenen Verbände, insbesondere der Gewerkschaften, haben bereits deutlich gemacht, dass eine Reduzierung sozialer Leistungen bzw. sozialstaatlicher Errungenschaften von weiten Teilen der Bevölkerung ganz einfach nicht hingenommen wurden(100).Wie zu erwarten war, wurden die meisten Reformen überhaupt nicht in die Realität umgesetzt und stellten so lediglich eine „Attraktionsfunktion“ für bestimmte Wirtschaftskreise dar. Nachdem die rotgrüne Bundesregierung abgewählt und durch eine große Koalition ersetzt worden war, zeigte sich, dass auf diese Weise eine Ausuferung des Sozialstaatsprinzips nicht beizukommen war, weil so eine erhebliche Strapazierung des Sozialgefüges schließlich dazu geführt hat, dass auch die schwarz-rote („Große“) Koalition beendet wurde. Die nachfolgende schwarz-gelbe Koalition brachte eine regelrechte Abkehr von den ursprünglich rot-grünen Zielen(101). Sollte jedoch tatsächlich aufgrund zweifelhafter Mehrheitsverhältnisse in dieser Weise einer "Ausuferung" des Sozialstaatsprinzip beizukommen sein, würde dies in jedem Fall eine erhebliche Strapazierung des Sozialgefüges bedeuten, die unter Umständen in einer regelrechten Revolution enden könnte(102). Getreu dem Modell des Sperrklinkeneffekts (Ratchet-Effect) lässt sich das allgemeine Niveau sozialstaatlicher Entwicklung nicht zurückdrehen, ohne dass der Hebel (die Sperrklinke) bricht(103).

Es stellt sich daher als nächstes die Frage, ob überhaupt eine derartige Reduzierung von Sozialleistungen im weitesten Sinn in diesem vorgesehenen Umfang erforderlich ist.

Zur Beantwortung dieser Frage muss weiter ausgeholt werden. Rufen wir uns ins Gedächtnis zurück, dass das Sozialstaatsprinzip in erster Linie die Aufgabe hat, Fehler marktwirtschaftlicher Strukturen zu korrigieren(104). Menschen, die mit den marktwirtschaftlichen Prinzipien, sei es aufgrund ihrer Ausbildung, ihrer Herkunft, sei es aufgrund ihrer körperlichen Konstitution bzw. ihres Alters, nicht zurechtkommen, müssen im Rahmen staatlicher Wohlfahrtspflege vor schädlichen marktwirtschaftlichen Konsequenzen geschützt werden. Die Regeln für diese Korrektur dürfen begrifflich nicht die gleichen sein, wie die des zu korrigierenden Systems. Sonst bestünde die Gefahr, dass man sich als besonders weltoffen darstellen will und Menschen von außerhalb als gleichberechtigt aufnimmt und am marktwirtschaftlichen System partizipieren lässt(105). Sobald sich bei ihnen Unverträglichkeiten mit dem System der freien Markwirtschaft einstellen, spannt sich über ihnen den “Schirm des Sozialstaatsprinzips” unter Hinweis auf den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes(106) auf, als ob diese Menschen hier immer gelebt hätten. Der Sozialstaatsgedanke nimmt marktwirtschaftliche Züge an, wenn ein Zuzug bzw. Einwanderung gerade im Hinblick auf das hiesige Sozialsystem erfolgt: Das gesamte System des Sozialstaats wird als Angebot verstanden, das von Gebietsfremden angenommen wird, indem sie ihren Lebensmittelpunkt hierher verlegen. Die Entscheidung, hier leben und arbeiten zu wollen, zieht unweigerlich die Konsequenz einer Partizipation am hiesigem Sozialstaatsprinzip nach sich. Damit aber ist die Überlegung, mit Hilfe des Sozialstaatsprinzips systemimmanente Fehler des marktwirtschaftlichen Prinzips korrigieren zu wollen, in ihr Gegenteil verkehrt: Mit marktwirtschaftlichen Prinzipien wird nunmehr das Sozialstaatsprinzip in einem Markt dargeboten, was dazu führt, dass fast ohne Gegenleistung von Anfang an alle in den Genuss der Früchte dieses Systems gelangen. Der Ausnahmecharakter entfällt, die Ausnahme wird zur Regel.

Und wie jede gelungene marktwirtschaftliche Marketingoperation ist auch hier plötzlich der Erfolg die Leitlinie für zukünftige Entscheidungen: Der Segen des hiesigen Sozialsystems, der Fremden hier zuteil wird, führt dazu, dass weitere Fremde das großzügige Angebot des Sozialstaatsprinzips annehmen; auf diese Weise werden nicht ein hohes Lohnniveau und ein angeglichener Lebensstandard zum Maßstab für eine intendierte Immigration, sondern ein allgemeines hohes Sozialleistungsniveau, das über die reine Sozialhilfe hinaus als Determinanten insbesondere Arbeitslosengeld, Gesundheitswesen, Kindergeld und die oben erwähnte Sekundärsozialstaatsstruktur wie Mietgesetzgebung und Arbeitsgesetzgebung einschließt. Marktwirtschaftlich ausgedrückt, bedeutet dies den Ausverkauf des Sozialstaats. Der mit Familie „zugezogene“ Ausländer erhält von Anfang an alle Vergünstigungen des Sozialstaats wie Kindergeld, Wohngeld etc. und sieht sich gleichzeitig nicht nur unter dem Schutz einer sozialen Mietgesetzgebung und Arbeitsgesetzgebung, sondern hat die Gewissheit, dass ihm nach eventuellem Verlust seines Arbeitsplatzes, vor dem ihn vielfach großzügig gewährte Prozesskostenhilfe schützen kann, ein Anspruch auf Arbeitslosengeld und nach Ablauf desselben auf Arbeitslosenhilfe (ALG 2) sicher ist.

Die hier aufgezählten Auswirkungen auf den Sozialstaat sind jedoch in keiner Weise abschließend. So ist in Zeiten einer wirtschaftlichen Rezession bzw. einer Massenarbeitslosigkeit klar, dass jeder zusätzlich in den Wirtschaftskreislauf integrierte ausländische Arbeitnehmer einem inländischen Arbeitnehmer entweder potentiell oder aktuell den Arbeitsplatz kostet. Dieser fällt dann zunächst der Arbeitslosenversicherung und im Fall von Dauerarbeitslosigkeit der Sozialhilfe (Arbeitslosenhilfe)(107) zur Last. Mit anderen Worten: Ein hier integrierter ausländischer Arbeitnehmer verweist einen verdrängten inländischen Arbeitnehmer auf das Arbeitslosengeld und somit wieder an den Sozialstaat. Darüber hinaus wird der verdrängte Arbeitnehmer unter Umständen hinsichtlich Wohngeld und weiterer Sozialleistungen sozialhilfeberechtigt. Die Auswirkungen werden um so gravierender, je weitergehend der Einfluss des „Zuwanderers“ unter markwirtschaftlichen Gesichtspunkten wird(108). Steigender Bedarf an Wohnraum führt zu steigenden Mieten, die vom verdrängten Arbeitnehmer wiederum über Sozialleistungen (Wohngeld) kompensiert werden. Steigende Nachfrage auf heimischen Märkten führt - bei zunächst gleichbleibendem Angebot - zu steigenden Preisen. Hieraus resultierende soziale Spannungen schlagen sich als höhere Sicherheitskosten nieder, usw.

Aus dem vorher gesagten ergibt sich zweifelsfrei, dass die sozialstaatliche Komponente erheblich weniger strapaziert würde und damit entlastet werden könnte, wenn man den Sozialstaat auf die Nation beschränken wollte. Entsprechend dem “Schröder - Blair - Modell” würde eine geringere Inanspruchnahme des Sozialstaats diesen überleben lassen und eine grundsätzlich marktwirtschaftlich orientierte Welt sichern. Im Gegensatz zu derartigen Modellen jedoch würde die Beschränkung des Sozialstaats auf die Nation nicht an einem Sperrklinkeneffekt - wie oben beschrieben - scheitern, sondern vielmehr per se, d. h. allein durch die Existenz der Beschränkung, den Zuwanderungsdruck verringern und damit über die oben beschriebenen Sekundäreffekte in umgekehrter Richtung die Basis des Sozialstaates stärken.

Besonders altruistisch erscheinende Elemente des internationalistischen Kommunismus(109) wie auch des Neoliberalismus(110) haben hiergegen natürlicherweise Argumentationsketten entwickelt. So heißt es an erster Stelle, ausländische Mitbürger übten beruflich Tätigkeiten aus, für die sich Deutsche “zu schade” seien. Zur Untermauerung dieses Argumentes wird vielfach auf die Müllbeseitigung verwiesen(111). Diesem Argument ist sehr leicht zu begegnen, wenn man auf die marktwirtschaftlichen Prinzipien verweist. So ist es Sache von Angebot und Nachfrage, derartige Tätigkeiten ausführen zu lassen. Finden sich in Zukunft wegen eingeschränkter Sozialleistungen für ausländische Mitarbeiter keine Ausländer für bestimmte Tätigkeiten, führt dies automatisch zu einer Angleichung des Lohnniveaus und damit dazu, dass Inländer schließlich dazu bereit sein werden, derartige Tätigkeiten auszuführen. Unter dem Strich ist in jedem Fall diese Lösung günstiger, da hiermit die Zahl der Arbeitslosen reduziert wird und Leistungen an Außenstehende wegfallen.

Demgegenüber wirkt es geradezu kontraproduktiv, wenn in letzter Zeit Mindestlöhne gefordert und sogar gesetzlich fortgeschrieben werden (vgl. hierzu Kurt J. Lauk, Handelsblatt 13.04.2005 zum Thema “Mindestlohn”). Mindestlöhne bewirken nämlich einmal eine gesetzliche Fixierung des unseligen “Erwartungslohns”(112), zum anderen eine dauerhafte Verteuerung des Faktors Arbeit in der BRD generell.

Schließlich führen höhere fixierte Löhne dazu, dass weitere Anreize an das Ausland gesendet werden, auf die ein weiterer Migrationsstrom von Arbeitnehmern ins Inland ausgelöst werden kann.

Ein anderes Argument dieser linken „Pseudoliberalen“ ist der Hinweis auf geltende Gesetze, insbesondere den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Dieses Argument dürfte das schwerwiegendste gegen die Verfechter des Nationalen Sozialstaats sein(113). Gerade hier handelt es sich jedoch um eine reine Definitionssache: Der Ausländer, der sich erst aufgrund einer genaueren Wirtschaftsanalyse hierher begibt, ist begrifflich nicht in diesen Schutz einzubeziehen(114).

Ebenso kontraproduktiv ist es in dem hier dargelegten Sinn, wenn Staaten Banken wegen ihres „funktionalen Charakters für die Wirtschaft“ dann vor der Insolvenz retten, wenn Forderungsausfälle für das Geldhaus grundsätzlich das wirtschaftliche Aus bedeuten.113

Dies gilt umso mehr, wenn diese Banken „mittelbar“ gerettet werden, d.h. wenn ein Staat zur Rettung eines von der Insolvenz bedrohten Staates (z.B. Euroland) diesem in der Weise unter die Arme greift, dass dieser zahlungsfähig bleibt und die dort engagierten Banken keine Verluste erleiden. Das perfide an dieser indirekten Rettung des „Finanzkapitalismus“ ist, dass das Glaubensbekenntnis der „Finanzkapitalisten“ erhalten bleibt, weil mit schönen altruistisch klingenden Floskeln dem Bürger vorgegaukelt wird, er erhalte auf diese Weise unsere Gemeinschaftswährung, den „Euro“ und trage dazu zur Stärkung Europas bei, ohne welche wir ohnehin keine Zukunft mehr hätten in einer immer mehr globalisierten Welt.

Gegensätze und Umkehrung der Wirkung - Sozialstaatsprinzip in inhomogenen Gesellschaften

Wie bereits oben ausgeführt(115), sollen die Regeln des nationalen Sozialstaates Fehler(116) des marktwirtschaftlichen Systems bzw. der Globalisierung korrigieren.

Auch in einem vom Gruppenegoismus geprägten System kann es zu Absprachen einzelner zum Nachteil des Systems kommen. So wäre es durchaus denkbar, daß auch im nationalen Sozialstaat einzelne Wirtschaftssubjekte zum Nachteil des Ganzen zu handeln beabsichtigen und dies auch in der Realität umsetzen. Einem derartigen kollusiven Handeln müsste das Rechtssystem des nationalen Sozialstaats von vorneherein einen Riegel vorschieben, vergleichbar der Kartellgesetzgebung(117).

Jedenfalls genügt die heutige strafrechtliche Gesetzgebung, wie z. B. gegen das “Erschleichen von Leistungen“ nicht(118).

Es versteht sich einerseits von selbst, dass durch Gesetze kollusive Individualabreden niemals ausgeschlossen werden können. Andererseits ist gerade das Sozialstaatsprinzip als solches an Hand der oben geschilderten gruppenegoistischen Tendenzen einfacher zu begreifen, als sich auf ein abstraktes internationales Modell des Sozialstaates zu beziehen(119).

Gruppenegoistische Tedenzen sind nicht eo ipso richtungskonform; insbesondere wenn sie gegenläufig ausgestaltet sind, führt dies zwangläufig zu Friktionen und Belastung jeden Systems.

Als Beispiel verweise ich auf das Problem des Sozialneids einzelner Gruppen, der im Zusammenhang mit Fremden nochmals weitere egoistische Antriebskräfte freisetzt. (Studien gibt es hierüber vor allem in Amerika, wo das Problem besonders rassistischen Auftretens der Hafenarbeiter in New York als Beispiel dienen mag)(120).

In einer solchen Situation würde auch ein gruppenegoistisches Modell den Sozialstaat mehr belasten, weil man damit zu dem paradoxen Ergebnis gelangt, dass ein einstweiliges Ausbeuten des Sozialsystems von verschiedenen Seiten gewünscht wird, weil es der ungeliebten anderen Nationalität oder Gruppe schadet. Mit anderen Worten: Das grundsätzlich positive Moment des nationalen Gruppenegoismus wird in sein Gegenteil verkehrt, wenn der Gruppenegoismus den Sozialstaat aus gruppenegoistischen Beweggründen schwächt.

Umgekehrt wird im homogenen nationalen Sozialstaat nicht nur eine derartige zusätzliche Belastung wegfallen, sondern weil eben eine homogene Volksgruppe den Sozialstaat formt, ein positiver Effekt zu Tage treten, der letztlich dazu führen wird, daß der Sozialstaat von seinen Mitgliedern schonend behandelt wird und somit effizienter wirken kann, weil man sich der Tatsache bewußt ist: „unsere Einrichtung ist nur für uns da.“(121).

Nicht zu übersehen bleibt im Übrigen, dass das Auseinanderbrechen multikultureller Siedlungsgebiete sich ohnehin fast immer gewaltsam vollzieht. Insbesondere die jüngeren Entwicklungen in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo und in Mazedonien deuten an, was sich aus denjenigen Industriegebieten ergeben könnte, in denen man zum einen eine besonders hohe Bevölkerungsdichte vorfindet, zum anderen ein besonders hoher Anteil an Ausländern lebt. Auch wenn unter Alltagsumständen ein friedliches Zusammenleben ohne allzu große Reibungsverluste die Regel sein kann, genügt oft nur ein Funke, das heißt, ein geringfügiges Abweichen vom gewohnten Alltag. Im Fall mangelnder Versorgung oder allgemeiner Krisen und Katastrophen würden diese Gebiete zu menschlichen Katastrophengebieten, vergleichbar den humanitären Katastrophen im Kosovo bzw. in Bosnien.

Bereits dieses Argument allein, das vom Grundsatz her nicht zu widerlegen ist, sollte Anlass dazu sein, einer weiteren Zuwanderung (besser: Einwanderung) und einer diese begünstigenden Gesetzgebung kritisch gegenüber zu stehen: Wer hier aus falschverstandenem Humanismus Nachgiebigkeit oder Nachlässigkeit an den Tag legt, wird sich einst für das verantworten müssen, was sich hier möglicherweise einmal abspielen wird, wenn das Wachstum der einheimischen Bevölkerung weiter zurückgehen sollte und sich gleichzeitig die Tendenz der demographischen Entwicklung der Zuwanderer (Einwanderer) fortsetzt: Während ein negatives Bevölkerungswachstum von mindestens 0,2% bei der einheimischen Bevölkerung zu beobachten ist, liegt eine Vermehrung der zuwandernden Bevölkerungsteile um bis zu 20% nachweislich vor(122).

Soweit ein positives Gruppenbewußtsein in dem Sinn, daß “unsere Einrichtung nur für uns da ist”, geschaffen sein wird, wird es auch leichter sein, ein “sozialstaatsfreundliches” Verhalten bei den Bürgern und den Wählern zu beschreiben und einzufordern. Dabei ist auch hier zu unterscheiden zwischen einer unmittelbaren Inanspruchnahme der Leistungen des Sozialstaats durch jemanden, der nie eine direkte Gegenleistung erbracht hat, einerseits und andererseits einer Teilnahme an Leistungen, für die zu einem früheren Zeitpunkt Gegenleistungen durch den jetzt Berechtigten erbracht wurden, wie beispielsweise Beitragszahlungen zur Arbeitslosenversicherung oder zur Rentenversicherung.

Sicher ist es einfacher, dem Bürger klarzumachen, dass wenn noch keine direkten Leistungen erbracht worden sind, grundsätzlich nur Leistungen beansprucht werden dürfen, wenn es sozial definitiv unumgänglich ist(123).

Gerade hier gibt es auch noch eine soziale Scham(124), die dazu führt, dass gewisse Leistungen zumindest von vielen Inländern nicht in Anspruch genommen werden, weil sie sich der Inanspruchnahme solcher Leistungen wie beispielsweise der Sozialhilfe schämen. Diese Scham ist aber nicht mehr so ausgeprägt und verbreitet wie früher und bei manchen Ausländern so gut wie nicht vorhanden.

Es bedarf hier eines Lernprozesses(125) im Rahmen des Sozialstaats, der in den Vordergrund zu stellen ist:

Die Gemeinschaft hat weniger Sozialaufwendungen, wenn weniger Inanspruchnahmen auf Leistungen zu verteilen sind.

Noch schwieriger zu erfassen sind dem Sozialstaatsgedanken entspringende Leistungen, die sich als solche überhaupt nicht mehr in einer Zahlung niederschlagen, wie z. B. die auf dem Sozialstaatsgedanken beruhende Lohnfortzahlung im Krankheitsfall des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber oder Kündigungsschutzvorschriften im Arbeits- oder Mietrecht. Auch hier ist das „Wir-Gefühl“ des gruppenegoistisch gestalteten Gemeinwesens in einer etwas besseren Lage, als im heutigen System(126).

Das heutige System ist gerade in diesen Bereichen mehr vom Gegeneinander als vom Miteinander der Wirtschaftskräfte geprägt. Was dem Gegner an Leistungen weggenommen wird, wird gruppenintern allgemein akzeptiert(127).

Nach einem entsprechenden Bildungs- und Besinnungsvorgang wird das Verhältnis Arbeitgeber/Arbeitnehmer anders zu betrachten sein und es wird deutlich ein Miteinander im Vordergrund stehen, so wie es heute schon bei kleineren Betrieben vielfach die Regel ist.

In solchen Betrieben ist sich der Arbeitnehmer sehr wohl bewußt, dass ein Überspannen des hier eben nicht vorhandenen krassen Klassengegensatzes die Existenz des Arbeitgebers und damit die eigene Existenz aufs Spiel setzen würde. Gerade dieser Vorgang aber ist gleichbedeutend mit dem Wandel vom Gegeneinander zum Miteinander.

Die Tarifautonomie unseres Systems hat ab einem bestimmten Moment zu einer gegeneinander gerichteten Gruppen- oder Klassenbildung im Sinn früherer Jahrhunderte geführt, wonach auf der einen Seite “die Arbeitgeber” und auf der anderen Seite “die Arbeitnehmer” jeweils in Verbänden organisiert sind und sich eher kritisch bis feindselig als kooperativ gegenüberstehen.

Die Schwierigkeiten bei der Bildung der vielgerühmten und vielzitierten „Bündnisse für Arbeit“(128) machen deutlich, um was es hier geht:

Es herrscht ein Verteilungskampf, der nicht zuletzt das Ergebnis einer Umverteilung im breiten Stil ist(129). Damit sind die Gegensätze auch heute noch wie schon im vorletzten Jahrhundert existenziell, denn wie damals bei Fehlen einer Sozialgesetzgebung den Arbeitnehmern der Entzug nahezu jeglicher Lebensgrundlage drohte, droht heute bei sozialer Abfederung dieser Interessen eher den Betrieben der Entzug der Existenzgrundlage zu einer Zeit, in der eine Konzentrationswelle nach der anderen ebenso wie eine Insolvenzwelle nach der anderen über das Land rollt(130) und die Steuer- und Abgabenbelastung(131) zum Erhalt des Sozialsystems die unternehmerischen Existenzen bereits jetzt vielfach im Keim zu ersticken droht(132).

Im Modell des nationalen Sozialstaats verschwinden solche Gegensätze zusehends, insbesondere weil die Umverteilung ersetzt wird durch eine das System der Marktwirtschaft ergänzender Sozialgesetzgebung(133).

Begrifflich kann es diesen Gegensatz schon deshalb nicht mehr geben, weil das Spektrum möglicher Gegensätze kleiner geworden ist und damit ein sozialschädliches Verhalten des Einzelnen vielmehr als „Akt gegen alle“ verstanden werden würde, so dass sich der als „Sozialschädling“ Verschrieene sofort in ausgegrenzter Position wiederfinden würde(134). Das Prinzip des nationalen Sozialstaats würde im Gruppenegoismus ein Disziplinierungsinstrument ohnegleichen finden, das allein den meisten Missbräuchen vorbeugen könnte.

Verspielte Erbschaften

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