Читать книгу Flieger am Feind - Werner von Langsdorff - Страница 16

L 48 stirbt - Von Carl Mieth

Оглавление

ach Bombenangriff auf Harwich laufen wir heim und stehen wieder an der Küste. Es ist in der Nacht vom 16. zum 17.Juni 1917. Der Kommandant, Kapitänleutnant Eichler, schickt mich in die F.-T.-Bude, um das Telegramm über den Erfolg der Fahrt auszufegen. Jetzt kommt die Ermüdung über uns, die durch die dünne Luft hervorgerufen ist. Wie Zentnerlast liegt sie auf allen Gliedern. Bleischwer sind die Augenlider. Ein Nickerchen von fünf Minuten kann ich mir in der F.-T.-Bude nicht versagen.

Gerade trete ich aus dem F.-T.-Raum heraus, als es taghell wird. Mein erster Gedanke ist, dass uns von neuem Scheinwerfer gefasst haben, als ich nach oben blicke und jetzt das Unerhörte, Unfassbare sehe: Das riesige, zweihundert Meter lange Schiff ist eine einzige gewaltige Feuersäule. Überall schlagen die Flammen heraus, lecken, tanzen, spielen. Pfeifend greift der Wind in das Gerippe. Höhnisch lachend singt er sein Lied! Tand, Tand ist das Gebild von Menschenhand! Als grinse der Sensenmann leibhaftig in die Gondel hinein, so schält sich weiß das Aluminiumgerippe aus dem Feuer heraus, und ätzender Brandgeruch dringt zu mir in die Gondel hinein.

Das ist also der Tod, dem man so manches Mal gleichgültig ins Auge gesehen hat, und wenn er zupackt, ist es doch nicht recht. — Aber so schnell gibt man sich nicht auf! Noch pulst das Leben frisch in den Adern und noch ist der Wille zum Leben mächtig. Was also tun?

„Herr Kapitän, müssen sich den Mantel ausziehen! Wir kommen aufs Wasser runter!“ rufe ich dem dicht neben mir stehenden Kapitän Schütze zu, reiße mir gleichzeitig den Mantel vom Leibe und habe dabei die Vorstellung, dass man sich durch Schwimmen noch retten könnte, — trotz der fünftausendzweihundert Meter Höhe! Man klammert sich in solchen Augenblicken eben an Strohhalme. Fallschirme hatten wir nicht. Wir hatten eine starke Verachtung gegen diese Dinger.

Kapitän Schütze, der Führer des Angriffsgeschwaders, steht neben mir, ruhig, bewegungslos. Den Blick nach oben gerichtet, sieht er fest in die Flammen und erwartet den Tod. Er weiß: Hier ist alles verloren!

Ruhig klingen seine Worte, als er sich wie beruhigend an uns wendet: „Es ist gleich aus!“ In der Gondel herrscht eine eisige Ruhe, und nur das Rauschen des fressenden Feuers dringt zu uns herab. Keiner hat seinen Posten verlassen. Der Seitenrudergänger hält sein Ruder fest. Der Höhenrudergänger steht wie ein Baum. So wartet man auf den Tod sekundenlang. Aber die Sekunden vergehen wie die Stunden. Das Schiff hält sich noch waagerecht. Man hat Zeit, sich über seine Lage klar zu werden, und die Überlegung sagt mir, dass es hier keine Rettung mehr gibt. Darum ist ein schneller Tod durch Absturz besser, als ein Verbrennungstod in der Gondel!

Ich springe an ein Fenster der Gondel, um mich hinauszustürzen. In diesem Augenblick bäumt sich das Schiff wie ein zu Tode getroffenes Pferd auf. Die Gondelstreben bersten mit gewaltigem Krachen. Das Gerippe bricht mit scharfem Knallen. Die Führergondel hebt sich. Wir kommen ins Rutschen, ins Fallen. Ich werde vom Fenster zurückgeschleudert, falle in eine Ecke, die anderen auf mich drauf. Die Gondel klatscht an das Gerippe. Die Flammen schlagen in die Gondel hinein, wo wir, zu einem scheußlichen Klumpen geballt, liegen. Es wird heiß. Ich fühle die Flammen an meinem Kopf, höre das Stöhnen des F.-T.-Maaten neben mir, — er ist wohl verbrannt, der arme Kerl — nehme meinen Kopf in die Arme, hoffe, das; es bald aus sein wird und verliere die Besinnung.

Senkrecht stürzt das Schiff über den Achtersteven ab, als mächtige Feuersäule weit in die Nacht hineinleuchtend.

Die Sonne stand strahlend am Himmel, als ich wieder erwachte und meine Gedanken mühsam sammelte. Es kam mir alles wie ein Traum vor. Ich liege auf einer Bahre. Meine Beine sind in mächtige Verbände eingewickelt und ich kann sie nicht rühren, denn sie sind gebrochen. Am meinen Kopf ist ein Verband gelegt. Die Hände sind zerkratzt und angebrannt. Ich fühle Brandwunden an Bein und Kopf. Sonst geht es mir aber ganz gut. Ich überlege und überlege: träume ich oder wache ich? als mich plötzlich eine Stimme aus meinen Betrachtungen herausreißt: „Do you want a cigarette?“ und ein Tommy mit freundlichem Grinsen mir ein Zigarettenetui unter die Nase hält. Es war kein Traum: Ich war gefangen!

„Wo ist die Besatzung?“ ist meine erste Frage. „Tot, bis auf zwei Unteroffiziere, von denen der eine sehr schwer verwundet im Nebenzimmer liegt.“ Die brave Besatzung! Um uns hatte sich während unseres schweren Dienstes bei der von uns so sehr geliebten Waffe ein festes Band gegenseitigen Vertrauens und guter Kameradschaft geschlungen, und der Gedanke, sie nun für immer verloren zu haben, war mir sehr, sehr schmerzlich. Jetzt ruht sie bei Ipswich in fremder Erde. Der Feind hat dem tapferen Gegner seine Anerkennung nicht versagt. Auf der Bahre des Korvettenkapitäns Viktor Schütze legte das englische königliche Fliegerkorps einen Kranz nieder mit der Aufschrift: „Einem sehr tapferen Feinde!“ Von den beiden anderen Überlebenden ist der eine an den Folgen der beim Absturz erlittenen Verwundungen gestorben. Der andere aber kann den Höhensturzrekord für sich beanspruchen, denn ihm war nichts passiert! Beim Aufprallen des Schiffes hat er, wohl im Unterbewusstsein handelnd, nachdem er wunderbarerweise vor dem Verbrennen bewahrt worden war, sich aus dem Gewirr des Wracks herausgearbeitet und ist, wie von Furien gepeitscht, davongelaufen, bis er zusammenbrach. Auf mein Befragen erzählte man mir, dass man nach dem Aufprallen des Schiffes ein Stöhnen gehört hätte, hinzugeeilt und gerade noch zur rechten Zeit gekommen wäre, um mich aus den rings um mich herumtanzenden Flammen herauszuholen. Die Wege des Schicksals sind wunderlich. Meiste Wunden sind inzwischen längst geheilt. Die lange Gefangenschaft ist glücklich überstanden, ich war wieder in der Heimat und nun stapfe ich längst durch südwest-afrikanischen Sand.

Flieger am Feind

Подняться наверх