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WER BIN ICH?

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WER SICH AUF WEGE ZUM ICH EINLÄSST, besinnt sich auf sich selbst. Er fragt nach seinem eigenen Ich und versucht, es noch tiefer zu ergründen. Der Begriff »Ich« kann allerdings mehrere Bedeutungen haben. Deshalb ist es hilfreich, zu klären, zu welchem »Ich« Sie diese Landkarte begleiten möchte und zu welchem nicht.

Hier geht es nicht um das Ich des Menschen, das sich auch als »Ego« beschreiben lässt. Egobezogenheit zeichnet sich dadurch aus, dass Menschen vornehmlich um sich selbst kreisen. Ihr Denken und Handeln werden dann zu Werkzeugen, um sich zu profilieren. Sie wollen besser werden, um höher, schneller und weiter zu sein als andere. Im Gegensatz dazu besteht eine andere Form von Ego darin, sich in der eigenen Opferrolle zu gefallen. In diesem Fall definieren sich Menschen dadurch, dass sie versagt haben, und finden darin Gründe, um nicht weiter tätig zu werden.

Ob überhöhend und über andere triumphierend oder selbsterniedrigend und angstvoll, unser Ego erzählt uns und anderen eine Geschichte über unser persönliches und kollektives Menschsein. Durch Erzählungen zur Unter- oder Überlegenheit Einzelner zieht es Aufmerksamkeit auf sich und versucht, sich zu profilieren. Um dieses egohafte Ich geht es hier nicht.3 Hier geht es um das, was jeder von uns – ohne Unterschied (!) – abseits allen trügerischen Scheins und aller irreführender Täuschung wirklich ist:

AUSNAHMSLOS JEDER MENSCH IST EIN WÜRDEVOLLES ABBILD DER EINEN EHRFURCHTGEBIETENDEN LEBENSKRAFT.

WEGE ZUM ICH ist eine Einladung an jeden von uns, hinter die (Selbst-)Erzählungen zu unserem Menschsein zu blicken. Deshalb geht es hier nicht darum, sich mit dem zu befassen, was wir selbst oder andere über uns denken. Hier geht es darum, sich einem Mysterium anzunähern, das wir noch längst nicht in allen seinen Facetten erkannt haben. Dieses Mysterium ist der wunderschöne und einzigartige Wesenskern, der in jedem Menschen ist. Es geht also um die Essenz unseres innersten Wesens, für die äußere Unterschiede unwichtig sind. Es ist dasjenige Ich, das unser Licht aus der Ursprünglichkeit heraus erstrahlen lässt, mit der jeder von uns geboren wurde und in der wir uns alle gleichen. Dieses Ich ist untrennbar mit der Quelle der Lebenskraft in uns verbunden.

Wenn wir uns diesem Ich respektvoll annähern wollen, geht es vornehmlich darum, still zu werden und aufmerksam wahrzunehmen. Dadurch öffnen wir uns für die Begegnung mit der einen großen Stille, die hinter allen Äußerlichkeiten liegt. Sie bietet uns den Zugang zu ALLEM, WAS IST. Diese Stille wird uns früher oder später einladen, eine bedeutsame Frage zu stellen, die uns alle in unserem Innersten bewegt, ob wir es bewusst wahrnehmen oder nicht:

WER BIN ICH WIRKLICH?

Wenn wir diese Frage stellen, dann lassen wir uns auf eine Reise in zumeist noch unbekannte Gefilde ein. Wir fragen nach unserer eigenen Essenz, ohne zu wissen, wann und wie wir Antwort auf unser Fragen erhalten. Es erfordert Demut und Hingabe an das Leben, sich von diesem Fragen leiten zu lassen und Schritt für Schritt in Richtung Antwort voranzuschreiten.

»Wer bin ich?« Dies ist keine Frage, die an bestimmte Weltanschauungen oder an spezifische Praktiken gebunden wäre. Diese Frage schwingt immer dann mit, wenn wir versuchen, uns selbst zu erkennen. Schon Kinder führen uns das ganz praktisch vor Augen. Sie bringen ihr Spiegelbild und ihren Namen mit sich selbst in Verbindung. Mit der Zeit loten sie ihren sozialen Platz zunächst in der Familie und später unter Gleichaltrigen und damit in der Gesellschaft aus. Darin liegen bereits Versuche, dieser bedeutsamen Frage unserer Existenz nachzuspüren. Die Antworten wandeln sich mit zunehmenden Erfahrungen und durch fortschreitende Entwicklungsprozesse, die allesamt natürliche Bestandteile des Menschseins sind. »Wer bin ich?« ist deshalb eine zutiefst menschliche Frage, die uns alle miteinander verbindet.

So sehr wir diesen Urruf nach Selbsterkenntnis auch miteinander teilen, so sehr steht doch jeder mit der Frage nach sich selbst schließlich allein da. Wir können einander in unserem Streben nach Selbsterkenntnis zwar bereichern und begleiten, aber die letzten Antworten kann nur jeder für sich allein finden.

Die Wege zur Selbsterkenntnis sind sehr individuell. Was für den einen bedeutsam ist, spielt für den anderen gar keine Rolle. Unterschiedliche Erfahrungen, Interessen, Lebensumstände und Persönlichkeitsmerkmale wirken sich darauf aus, wann und wie sich Menschen auf die Suche nach sich selbst begeben. Für manche setzt die Sehnsucht nach bewusster Selbsterkenntnis schon sehr früh in ihrem Leben ein, für andere wird sie durch (leidvolle) Erfahrungen bedeutsam und wieder andere besinnen sich vielleicht auf dem Sterbebett auf sich selbst. Wann auch immer wir uns nach uns selbst befragen, unsere innere Weisheit führt uns auf den Ursprung, das Wesen und das Ziel unseres Lebens hin. Sie führt uns zur puren Liebe.

Unter »purer Liebe« ist hier keine Form romantischer Zugewandtheit zu verstehen. Sie ist nicht einzelnen Beziehungen vorbehalten. Sie orientiert sich nicht an Geschlecht, sexueller Orientierung, gesellschaftlichem Status, beruflicher Betätigung, Religiosität, ethnischer Prägung und anderen äußeren Merkmalen eines Menschen. »Pure Liebe« beschreibt die Urenergie des Lebens in uns.4 Diese begrenzt nicht, sondern befreit. Sie bewertet nicht, sondern nimmt an. Sie behält nichts für sich allein, sondern teilt alles, was sie zu geben hat. Pure Liebe erkennt sich selbst in ALLEM, WAS IST. Damit erkennt sie sich selbst auch im Menschen, wenn dieser fragt, wer er wirklich ist.

PURE LIEBE IST DIE URENERGIE, DIE DAS LEBEN IN UNS HERVORBRINGT UND ES ERHÄLT.

Es gibt eine Intelligenz, die den Kreislauf des Lebens aufrechterhält. Verstandesmäßig lässt sich das nicht erfassen. Der Verstand liefert zwar Erklärungen, wie sich Lebensformen entwickeln und der Lauf der Dinge funktioniert. Sein begrenztes Denken bleibt aber hinter der Wirklichkeit zurück.

Ein alltägliches Beispiel: Wenn wir unseren Verstand befragen, wie ein Apfel entsteht, dann wird er uns erklären, wie aus einem Samen ein Baum wird, der schließlich den reifen Apfel hervorbringt. Die Erklärungen des Verstandes sind zwar einleuchtend, aber sie machen nicht begreifbar, wie sich die Lebenskraft tatsächlich in einen Apfel hinein entfaltet. Der Verstand begreift die Intelligenz nicht, die hinter dem Reifungsprozess der Frucht steht. Er kann nur zusehen, wie sich ein Apfel herausbildet, und versuchen, den Vorgang logisch nachzuvollziehen. Die Weisheit jedoch, die die knackige, saftige, süße Frucht entstehen lässt, bleibt für den Verstand im Verborgenen.

Wenn uns einmal klar wird, dass sowohl ein Apfel als auch wir selbst ein letztlich unerklärbares Mysterium sind, dann erlangen wir eine staunende Demut. Mit einer Demut, die uns vor Augen führt, dass wir nicht alles wissen, können wir uns wahrhaftig auf eine Begegnung mit dem Mysterium einlassen, das wir wirklich sind. Wir beginnen, zu erahnen, dass wir selbst aus der Urenergie des Lebens gemacht sind, und sich diese Intelligenz in uns als pure Liebe zeigt.

WIR SIND PURE LIEBE.

Wenn wir nun selbst aus dieser Energie gemacht sind, aus der alles Leben kommt, dann sind und bleiben wir auch verbunden mit der Weisheit, die alles erschaffen hat. Wir können an dieser Weisheit bewusster teilhaben. Unbewusst tun wir das ganz automatisch, weil diese Weisheit unseren Körper tagein, tagaus erhält. Ohne unser Wissen und Zutun steuert sie in jedem einzelnen Augenblick unzählige Vorgänge in unserem Körper, sodass diese perfekt zusammenwirken. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit nach innen richten, dann versuchen wir, etwas von dieser unbegreiflichen Intelligenz des Lebens in unsere Bewusstheit zu heben. Je bewusster wir uns über sie werden, desto deutlicher und verständlicher nehmen wir Erkenntnisse wahr, die von dort kommen. Diese Impulse können wir dann für unsere (alltägliche) Lebensführung nutzen.

Die Art und Weise, wie sich die Weisheit allen Lebens in uns ergießt und sich durch uns entfaltet, können wir nicht kontrollieren. Wir können uns nur für sie öffnen und uns von ihr beschenken lassen. Ob und wie sie uns beschenkt, liegt nicht in unserer Hand. Es ist ein Akt der Gnade. Diese Gnade kann mit oder ohne unser Zutun an uns geschehen.

Das bedeutet aber nicht, dass wir keinen eigenen Anteil haben. Unser Anteil besteht darin, Möglichkeiten zu finden und zu nutzen, um bewusster zu werden. Durch mehr Bewusstheit erkennen wir die Gnadengeschenke des Lebens deutlicher und nehmen sie achtsamer entgegen. Wir nehmen wahr, dass uns das Leben in jedem Augenblick Geschenke schickt, die uns den rechten – unseren persönlichen (!) – Weg weisen können. Dadurch fühlen wir uns stärker mit der Weisheit des Lebens verbunden und lassen uns von ihr führen.

Solchermaßen mit dem Leben in Einklang zu sein, setzt voraus, dass wir mit dem Lauf der Dinge mitgehen. Es ist wie ein Tanz zwischen dem, was uns das Leben gibt, und uns, die wir darauf antworten. Gemeinhin fassen wir diese Bereitschaft, mit dem Leben zu tanzen und ihm zu antworten, unter den Begriff »Verantwortung«.

SELBSTERINNERUNG

Ich bin pure Liebe und mit der unbegreiflichen Intelligenz verbunden, die alles Leben erschaffen hat und es erhält.

Wege zum Ich

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