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Kapitel 4

Düsseldorf

Tag 1 des Spiels, 19:30

Von der Stimme des Navigationssystems geleitet, erreichten Hagen und Franjo eine alte Kastanienallee in der zahlreiche Gebrauchtwagen der Kategorie standen, die in den billigen Anzeigenblättern als erstes in der Rubrik bis tausend Euro angeboten werden.

„Da steht Stahlwerk, scheint aber eine Disse zu sein.“

„Nein, das ist es nicht, da drüben ist noch was.“ Franjo fürchtete um seinen Maserati, der von einigen Hardcore-Jungs abschätzig gemustert wurde. Neben einem ebenfalls neu wirkenden Range Rover parkte er ein.

„Hoffen wir, dass die Hools hier aus der rechten Szene kommen“, feixte Franjo, auf das ausländische Kennzeichen AN, deutend. Franjo war beruhigt, als er direkt vor der Halle einen mintfarbenen 964-er Porsche stehen sah. Der bettelte förmlich darum, etwaigen Randalierern zum Opfer zu fallen.

Die Scheiben der umgebauten Fabrik schepperten in den Rahmen, als Hagen und Franjo den Veranstaltungsort betraten. Das aus Blech geschnittene und blau hinterleuchtete Signet „Tor 3“ beseitigte ihre letzten Zweifel. Die üblichen Szenevögel standen vor dem Eingang und bildeten eine Schlange, die versuchte nicht wie eine auszusehen.

Hagen nutzte diese lockere Anordnung und schob sich an der Reihe vorbei.

„Wir stehen auf der Gästeliste. Franjo Gönner, zwei Personen.”

Der Muskelberg in dem Security T-Shirt, checkte die Liste.

„Is OK.”

Hagen winkte Franjo herbei, der sich etwas weniger rabiat an der Schlange vorbei arbeitete.

„Hier, das ist für Euch.”

Der Security Mann reichte Hagen die beiden Eintrittskarten und einen Briefumschlag, den Franjo ihm direkt aus der Hand nahm.

„Machst du mal zwei Bier klar?“

Franjo riss den Umschlag auf und zog eine Karte heraus. Unter dem Schriftzug „Transadventure“ grinste das bekannte Narrengesicht mit der Schellenmütze.

BEHALTET DIE KARTE, SIE IST NUMMER 1 VON 10, GENIEßT EURE ZEIT DENN BALD MÜSST IHR GEHEN. DEN ORT DEN IHR SUCHT, BEVOR ICHS VERGESS, ERFAHRT IHR UM 9, PER SMS.

In der Halle drängten sich gut zweitausend Leute. Die Bühne auf der Stirnseite war nicht von allen Seiten aus einsehbar, da breite Säulen teilweise die Sicht versperrten.

Im hinteren Teil der Halle, neben den Toiletten, befanden sich die üblichen T-Shirt Stände, die vom jüngeren Teil des Publikums umringt wurden.

Etwa ein Drittel der Halle war überbaut. Eine Stahlgerüstkonstruktion, die durch zwei Rampen mit dem Erdgeschoß verbunden war, bot zusätzlichen Besucherraum, der aber für diesen Abend für das Publikum gesperrt war. Dort thronten mehrere Dutzend Personen, Journalisten und vermeintliche VIPs über der Besuchermenge und nippten an ihren Drinks, die, anders als im Erdgeschoss, in Gläsern serviert wurden.

Franjo suchte eine Position zwischen den Säulen, die einen freien Blick auf die Bühne zuließ.

Hagen kam mit dem Bier und die Beiden suchten sich einen logistisch günstigen Platz, irgendwo zentral zwischen Bühne, Theke und Toilette.

Dann verstummte die Musik und Licht färbte die Bühne blau.

Ein kleiner Mann mit einer großen Tätowierung auf dem Rücken betrat die Bühne. Augenblicklich brach ein infernalischer Lärm los. Hagen wurde von einem nach vorne drängenden Fan angerempelt und verschüttete die Hälfte seines Bieres. Er zögerte einen Moment, trank den Rest, warf den fast leeren Plastikbecher in Richtung des Remplers und stürzte sich ebenfalls ins Getümmel.

Rollins begann mit „Liar“ und bewegte sich gekonnt zwischen zwei Farbzonen auf der Bühne. Während der Instrumentalpassagen hielt er sich im hinteren, blauen Teil der Bühne auf, während er sang, im vorderen, roten. Mit einer einzigen Körperbewegung nach vorne konnte er so seiner ohnehin schon beeindruckenden Erscheinung einen zusätzlichen teuflischen Akzent geben.

Bei einem Rollins Konzert ist der Moshpit die zweite Bühne und auch die in Düsseldorf versammelte Hardcore Szene des Ruhrgebietes tat ihr Bestes, um ihrem Ruf als härteste Fangemeinde des Landes gerecht zu werden. Anders als bei kleineren Acts, ließen die Security Leute der Rollins Band das Stagediving nicht zu.

Dabei gingen die Meinungen, ob das rigide Vorgehen der Sicherheitsleute dem Schutz des Sängers oder dem Schutz des Publikums diente, auseinander. Henry Rollins brüstete sich in Interviews gerne damit, dass er die Schneidezähne der Fans, die ihn auf der Bühne angreifen, in einem Marmeladenglas auf dem Nachttisch verwahren würde.

Der Selbstdarstellungsdrang der Besessenen im Moshpit musste sich also andere Wege bahnen. Dabei fiel ein Hüne mit blondem Haar auf, der gezielt seine Ellbogen und Knie einsetzte und sich so einen deutlich sichtbaren Freiraum in der harten Zone vor der Bühne erkämpft hatte. Er bemerkte die Gefahr, die sich ihm in Form eines drahtigen Typen mit nacktem Oberkörper näherte, nicht. Mit kraftvollen und geschmeidigen Bewegungen suchte dieser bewusst die Nähe des Hünen, der ihn um mehr als einen Kopf überragte. Als der Blonde ihn mit einer scheinbar unbeabsichtigten Ellenbogenbewegung aus seinem Territorium vertreiben wollte, passierte es. So schnell, dass niemand sagen konnte, was den Hünen zu Fall gebracht hatte. Es konnte nicht mehr als eine einzige schnelle Bewegung des Kleinen gewesen sein. Das Ergebnis: Der Hüne krümmte sich auf dem Boden in seinem eigenen Erbrochenen. Die Farbe war aus seinem Gesicht gewichen und er musste von den Johannitern versorgt werden, was nicht so ohne Weiteres möglich war, denn nicht wenige derer, die zuvor Opfer seiner aggressiven Tanzweise geworden waren, nutzen nun die Gelegenheit, es dem wehrlos auf dem Boden Liegenden heimzuzahlen. Der Mann ohne Shirt tanzte derweil etwas abseits weiter. So, als ginge ihn das alles nichts an. Niemand hatte genau gesehen, was geschehen war. Was blieb, war Anerkennung und Respekt für den drahtigen kleinen Kerl.

Vielleicht würde ihm eines der weiblichen Opfer später auf der Rückbank eines Range Rovers ihre Dankbarkeit erweisen. Sie würde dann unterhalb seines Nabels auf eine kleine Tätowierung stoßen: SWISS MADE.

Hagen und Franjo bemerkten den Vorfall nicht, da sie sich etwas weiter abseits in der Nähe der Haupttheke aufhielten. Zwar verdeckte eine Säule den freien Blick auf einen Teil der Bühne, dafür konnten sie aber dem Konzert folgen, ohne permanent von nach vorne drängenden Besuchern angerempelt zu werden. Hagen war wie verwandelt, ganz in der Musik, was man am besten daran erkennen konnte, dass er die Ladies in der Halle völlig ignorierte.

Franjo spürte den Vibrationsalarm seines Handys in der Hosentasche.

Henry Rollins hatte die Bühne mittlerweile verlassen und das Publikum forderte lautstark nach einer Zugabe. Franjo zerrte Hagen in Richtung Ausgang.

„Wir müssen los, die SMS ist gekommen.“

„Und was ist mit der...“

„Vergiss die Zugabe, wir müssen hier weg.“

Nach wenigen Schritten waren sie draußen. Franjo las die Nachricht im Gehen.

TIM UND STRUPPI HABEN DIE NUMMER, WÄHLT SIE SOFORT, VERGESST EUREN KUMMER UND WECHSELT DEN ORT

Darunter, nicht in Reimform, der Hinweis „Erster Parkplatz A4, Richtung Olpe“

Franjo reichte Hagen das Handy mit der Nachricht, ging einmal um den Wagen herum stieg ein.

Er nahm das Handy wieder an sich, warf Hagen die Landkarte zu und hinterließ eine Staubwolke auf dem Parkplatz.

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