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Vorwort

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Irgendwann hatte er seine Augen geschlossen, um der ewigen Finsternis zu entfliehen. Die Schreie in seinem Kopf waren verstummt.

Es waren seine Schreie. Seine Pein, die er nicht hinaus in die Welt schleudern konnte. Er war gefesselt und geknebelt … und sie hatten ihn zurückgelassen, damit ihn die Dunkelheit verschlingen konnte. Seither existierte er ohne Zeit und Raum.

Wie lange mochte sein Martyrium andauern? Ein Leben lang? Er hätte laut auflachen können, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre. Ein Leben lang. Er war unsterblich. Fast unsterblich. Was war es nur, was ihn töten konnte? Nicht dieses Nichts. Aber was?

Langsam begann sich sein Erinnerungsvermögen aufzulösen und zu entschwinden … im Nirgendwo. Sein Körper sehnte sich nach irgendetwas. Nach Schlaf, Speis' und Trank? Er wollte es nicht mehr wissen.

Die Energiereserven waren aufgebraucht. Was von ihm übrig war, wurde durch eine silberne Perlenschnur, die ihn wie eine zweite Haut umschloss, zusammengehalten, nur um ironischerweise alles aus ihm herauszusaugen, was ihn einst ausgemacht hatte.

Mit einem letzten Funken fühlte er, wie er von einem Strudel erfasst wurde, der ihn immer schneller mit sich zog. War das der Tod? Seine Seele schien aus ihm herausgerissen zu werden und alle seine Sinne schwanden.

So sah er nicht mehr, wie in weiter Ferne die Sonne durch die Finsternis brach und gleich darauf ihre feurigen Strahlen vom Mond in die Dunkelheit zurückgedrängt wurden. Er spürte auch nicht mehr, wie er auf der Erde aufschlug.

***

Um einen tiefen Krater standen die Eingeborenen herum. Sowohl Neugier als auch Angst hatten Jung und Alt an den Schauplatz gelockt. Nicht alle Tage verschwand die Sonne am frühen Nachmittag vom Himmel. Ein Omen.

Kurz darauf fiel er aus der Dunkelheit. Ein Gott.

Es konnte nur ein Gott sein. Er hatte die Sonne vom Himmel verschwinden lassen, damit keiner auf der Erde bemerkte, wie er vom Himmel herabgestiegen war. Es konnte nur ein Gott sein, wenn seine Haut wie pures Silber der Sterne glänzte.

War er tot? Warum bewegte er sich nicht?

Nein, ein Gott war unsterblich. Dennoch zuckte er nicht. Warum? Der Schamane würde es wissen.

Aufgeregtes Gemurmel schwappte durch die Menge. Das Klappern von Klanghölzern und ein monotoner Singsang kündeten den Heiligen Mann des Stammes an.

Ein sehniger Mann, jenseits jeglichen Alters, bahnte sich einen Weg durch die Menge. Seine Haut war braun und von Sonne, Wind und Regen gegerbt. In sein weißes, langes Haar waren Federn, Knochen und verschiedene Pflanzen geflochten. Ein schmaler Kupferreif mit ausgestanzten mystischen Symbolen schmückte seine Stirn. Ebensolche Reifen schlängelten sich die dünnen Arme empor. Außer einem Lendenschurz aus Fell trug er nichts. Sein durch Fett glänzender Oberkörper bestach durch seine gepiercten Brustwarzen. Links ein Knochen. Rechts ein Federkiel.

Nach und nach bildete sich eine Gasse durch die Zuschauer und gab dem Schamanen die Sicht in den Krater frei. Er stieg hinab und umrundete in einer Art Tanz das daliegende Wesen. Dabei rief er die Hilfe der vier Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer an.

Von einem auf den anderen Augenblick hielt er inne und betrachtete die Gestalt mit stahlhartem Blick. Er beugte sich hinab und berührte mit dem extrem langen Nagel seines kleinen Fingers der linken Hand den Knebel. Leise murmelte er magische Formeln und der Silberpfropfen löste sich in viele kleine Sterne auf, die zurück in den Himmel schwebten.

Dann nickte der Heilige Mann wissend mit dem Kopf und winkte vier starke Jünglinge heran, die den Körper in eine nahegelegene Höhle bringen sollten.

Sofort wurde für den Fremden ein Lager aus Fellen gerichtet, ein Feuer entzündet und die Frauen brachten Speisen und Krüge mit Wasser herbei.

Der Schamane löste auf die gleiche Weise, wie wenige Augenblicke zuvor den Knebel, die Silberkette um seinen Körper. Dieses Mal stiegen die Sterne zur Decke der Höhle empor und spendeten gedämpftes Licht.

Die Alten setzten sich im Kreis an die Höhlenwand und begannen auf ihren Trommeln und Klanghölzern den Rhythmus des Pulsschlags von Mutter Erde zu verstärken, um das Blut des Fremden in Wallung zu bringen und damit sein Herz wieder stark schlagen zu lassen.

***

Er hörte das gleichmäßige Dröhnen und spürte sogleich, die Schwingungen durch seinen Körper pulsieren.

Er fühlte sich frei.

Seine Seele kam zurück.

Sein Geist war der eines Neugeborenen. Ohne Wissen, nur durchdrungen von niedrigsten Instinkten. Atmen. Essen. Trinken.

Sein Brustkorb hob und senkte sich. Tief atmete er mehrmals ein. Er genoss die saubere klare Luft, den Sauerstoff, der all seine Zellen zum Leben erweckte.

Und dann roch er es. Köstlich. Süß. Warm.

Er schlug die Augen auf und unvorbereitet überrollte ihn ein unbändiger Hunger.

Nicht ahnend, dass er übernatürliche Kräfte besaß, stürzte er sich blitzschnell auf seine Opfergaben und schlug seine Zähne in Arterien und Venen.

Es war wie ein Festschmaus.

Berauscht von all dem gehaltvollen Blut fragte er sich: War es das, was ich vermisst hatte?

***

Dem Tod geweiht blieb ihm nur ein letztes Stöhnen. Doch dann explodierte das Leben spendende Elixier auf seiner Zunge. Er spürte, wie sich jede seiner Zellen verjüngte und er an Kraft zunahm.

Endlich.

Er war ein Gott. … Tenebrosus – Gott der Finsternis.

Gaben des Schicksals

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