Читать книгу Gaben des Schicksals - A. B. Schuetze - Страница 5
Der Verlobungsring
ОглавлениеSchweigend saßen sich die beiden jungen Frauen beim Frühstück im Speisesaal des Hotels gegenüber. Sie hatten extra einen Tisch am Fenster abseits des Trubels gewählt.
Während Larissa ihren Tee umrührte und darauf wartete, dass ihre Freundin endlich mit ihr sprach, starrte Anna hinaus auf den Fluss. Lustlos hatte sie in ihrem Porridge gelöffelt und dann die Schüssel beiseite geschoben. Ohne den forschenden Blick von Larissa wahrzunehmen, ruhten ihre türkisfarbenen Augen auf der Wasseroberfläche des Flusses, in dem sich neben den Gebäuden entlang des Ufers auch weiße Wolken spiegelten. Der Wind hatte aufgefrischt und die graue Regenfront der vergangenen Tage vertrieben. Es schien heute ein schöner Tag zu werden. Ein Tag mit Sonnenschein.
Hm … Ein Tag um nach vorn zu schauen. „Er hat mir einen Heiratsantrag gemacht.“ Die Worte kamen emotionslos wie aus dem Nichts.
Hatte Anna soeben etwas gesagt? Sie scheint mit ihren Gedanken noch immer irgendwo zu verweilen, nur nicht hier. „Was?“ Larissa hielt in der kreisenden Bewegung mit ihrem Löffel im Teeglas inne und legte den Kopf schief. Sie meinte, sich verhört zu haben. „Michael? Michael will dich heiraten?“
Anna seufzte leise und drehte sich endlich ihrer Freundin zu. Sie strich sich eine Strähne der kürzeren Seite ihres asymmetrisch geschnittenen Bobs hinters Ohr und atmete tief durch. „Ja, wollte er. … Aber jetzt ist es aus. Wir haben uns getrennt. Oder … er hat sich von mir getrennt.“
Verwirrt zog Larissa eine Braue nach oben. „Was?“
Der Schein eines Lächelns huschte über Annas Gesicht. So sprachlos wie an diesem Morgen hatte sie Larissa selten erlebt. Aber eine andere Reaktion war auch kaum zu erwarten gewesen.
Seit sie Edinburgh verlassen hatten, hüllten sich die Frauen in Schweigen. Nun ja, eigentlich hatte Anna das große Tuch des Schweigens über sie beide ausgebreitet. Noch vor zwei Tagen war sie die wahrscheinlich glücklichste Frau gewesen. Michael hatte sie in Edinburgh überrascht und um ihre Hand angehalten. Doch dann kam alles anders.
Er hatte sie in diesem entzückenden Schmuckladen in der High Street einfach stehen lassen und war wutentbrannt davongestürmt. Seitdem hatte Anna nichts mehr von ihm gehört. Kein Anruf. Keine SMS. Nichts.
Die gesamte Fahrt von Edinburgh über Aberdeen, Fraserbrugh und Buckie entlang der Küste Schottlands nach Inverness war Anna in Gedanken gewesen und hatte nach Gründen für Michaels Verhalten gesucht. Die raue Schönheit des Landes war an ihr vorbeigeflogen, ohne dass sie ein Auge dafür gehabt oder sich daran erfreut hätte. Noch weniger war sie in der Lage gewesen, ihr Publikum daran teilhaben zu lassen.
Deshalb war sie dankbar, dass sich Larissa den geplanten Reisebeschreibungen und Fotos für ihren gemeinsamen Blog angenommen hatte. Und diese hatte wirklich hervorragende Arbeit geleistet.
Auch am gestrigen Nachmittag war sie allein durch Inverness gewandert und hatte die schönsten und bekanntesten Sehenswürdigkeiten erkundet. Heute morgen, noch vor dem Frühstück, waren erste Empfehlungen für eine Sightseeing-Tour durch die City der Stadt aufbereitet und online gestellt.
Aber Anna verspürte ihrer Freundin gegenüber nicht nur Dankbarkeit. Das schlechte Gewissen nagte an ihr. Was hatte sie ihr in den letzten Tagen nur zugemutet? Welche Freundin tat so etwas? Hatte sie denn kein Vertrauen? Respekt? Es wurde Zeit, dass sie sich Larissa öffnete.
„ Ja. Ich glaube, ich habe es vermasselt. Michael ist wieder weg.“
„ Aber …“ Erst ein Heiratsantrag und dann plötzlich Schluss? Wie groß kann ein Fehler sein, der eine so langjährige Beziehung kaputt macht? Larissa verstand gar nichts mehr. „Was hast du denn angestellt?“ Sie stützte die Ellenbogen auf dem Tisch ab und legte den Kopf in ihre Hände. So lauerte sie auf Annas Bericht.
Anna lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und ließ ihren Blick durch das Restaurant schweifen. Sie holte tief Luft und … Resigniert schaute sie auf ihre Hände, die in ihrem Schoß lagen, und auf den nackten Ringfinger, an dem eigentlich ein Verlobungsring zu sehen sein sollte.
„ Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Du erinnerst dich, als Michael plötzlich im Hotel erschienen war? … Nun ja, er hatte solche Sehnsucht nach mir, dass er es nicht mehr aushalten konnte. Das hat mich schon verwundert, denn so kenne ich ihn gar nicht. Auf jeden Fall meinte er, er müsse unbedingt Nägel mit Köpfen machen, wenn er meiner ganz sicher sein wollte. Dann ist er auf die Knie gefallen und hat mich gebeten, seine Frau zu werden. Ich schluckte meine aufsteigenden Tränen der Rührung hinunter und habe … Ja … gesagt. Danach war uns ein Kuss nicht genug. Wie von Sinnen rissen wir uns die Klamotten vom Leib und … na ja, du weißt schon. Der Wiedersehens- und Verlobungssex war … hach … einfach nur fantastisch. Der beste Sex der Welt.“ Allein bei der Erinnerung bekam Anna ganz glasige Augen. Das Türkis begann zu leuchten und ein sehnsüchtiges Lächeln umspielte ihre Lippen.
„ Oooh! Wow! Wie romantisch! … Und dann? Der Ring?“ Larissa sah Anna verträumt an. Ihre allerbeste Freundin würde heiraten. Eine Hochzeit. Hoooochzeit. Wie schöööön. … Ach nee, da war doch noch was. „Und dann? Was ist dann passiert?“
„ Michael wollte das Ereignis mit einem Candle Light Dinner besiegeln. Auf dem Weg dahin hatte er jedoch noch eine Überraschung für mich. Als er auf dieses kleine Schmuckgeschäft zusteuerte, pochte mein Herz bis zum Hals. Der Verlobungsring. Er sollte etwas ganz Besonderes sein und so fiel Michaels Auswahl auf einen schwarzen Ring mit einer weißen Perle, umgeben von dreizehn Diamanten. … Du wirst es nicht glauben. … Schwarze Diamanten. … Mir blieb die Luft weg. Es war nicht, weil der Ring so … so … ich weiß nicht. Er war wunderschön, aber viel zu pompös, zu prunkvoll, zu prächtig. Ein Ring für eine Königin. Nicht für mich. … Ich sah den Ring und es hat mich kalt erwischt. Bilder schossen mir durch den Kopf. Bilder von einer Frau in Schwarz auf einem Thron aus Knochen. Ein grauhaariger Mann mit aristokratischen Gesichtszügen, doch Augen so kalt und ohne Erbarmen. Macht, Speichelleckerei und Unterwürfigkeit. Aber auch Leid, Schmerz und Tod.“ Anna hörte Larissa erschrocken keuchen. Sie fasste über den Tisch und streichelte ihr beruhigend über den Arm.
„ Ich weiß nicht, wie lange ich den Ring angestarrt habe. Als Michael ihn mir anstecken wollte, habe ich intuitiv meine Hand zurückgerissen und ihm zu verstehen gegeben, dass dieser Ring zwar einmalig schön sei, ich ihn aber nicht wollte. … Plötzlich wurde Michael weiß wie die Wand. Mit seinen braunen Augen starrte er mich ungläubig an, als könnte er es nicht verstehen. … Ich wollte seinen Verlobungsring nicht haben. … Ohne ein Wort zu sagen, warf er den Ring auf die Ablage, drehte sich um und rannte aus dem Laden. Er ließ mich einfach da stehen. Ich wollte ihm hinterherlaufen, doch in dem Moment sah ich aus den Augenwinkeln diesen Kettenanhänger.“ Anna zog unter ihrer Bluse eine Kette hervor und legte sie mitten auf den Tisch.
Wieder keuchte Larissa. Langsam griff sie in den Ausschnitt ihres Pullovers. Zum Vorschein kam eine ebensolche Kette. Die Anhänger waren absolut identisch. Ein walnussgroßer Feueropal in einer filigran gearbeiteten Fassung.
„ Es war seltsam. Ich fühlte mich magisch angezogen. Also musste ich den Stein einfach in die Hand nehmen. … Und dann fing er an zu pulsieren. Seine Leuchtkraft intensivierte sich um ein Vielfaches. Die Verkäuferin sah mich an. Dann den Feueropal. Sie schüttelte verwundert den Kopf, als habe sie diese Kette noch niemals zuvor gesehen. … Ich weiß zwar nicht, was das alles zu bedeuten hat, was hier vor sich geht und was es mit diesen Steinen auf sich hat. Aber eines weiß ich mit voller Sicherheit, so wie deine Kette zu dir gehört, gehört diese hier zu mir.“
Anna nahm ihre Kette und hielt sie gegen das Licht. Die Sonnenstrahlen bündelten sich im Zentrum des Steines zu einem lodernden Feuer. Bilder stiegen daraus hervor. Ein Château. Ein Mann mit goldblondem Haar, welches ihm in Locken über seinen muskulösen Rücken fiel, und moosgrünen Augen, in denen man sich verlieren konnte. Eine Höhle, deren Höhe als auch Tiefe man nur erahnen konnte und die durch Bergkristalle in ein gleißend weißes Licht getaucht war. In ihrem Zentrum schwebte ein Hologramm der Erdkugel …
Plötzlich waren die Flammen weg. Die Bilder verschwanden. Anna schnappte nach Luft und zwinkerte verstört.
Larissa hatte den starren Blick ihrer Freundin auf den Anhänger bemerkt. Das Türkis ihrer Augen war einem dunklen Blaugrün gewichen. Oh, nein! Nicht schon wieder. Schnell hatte die junge Frau nach dem Stein gegriffen und ihn in ihrer Faust verborgen.
„ Anna, du hattest schon wieder eine Vision?“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Besorgt betrachtete sie ihre Freundin und legte ihr die Kette in die Hände. Meinte sie nicht, erst vor zwei Tagen eine Vision gehabt zu haben. Und nun schon wieder eine. Ob das am Land liegt? Oder vielleicht … Larissa schielte zu Annas Feueropal.
Konnte er? Aber ich habe ja auch einen solchen Stein und das schon so lange ich denken kann. Also, ich bezeichne mich als durchaus normal. Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. Eigenartig. Sehr eigenartig.
„ Hm. Ja ich glaube schon.“ Anna runzelte nachdenklich die Stirn. „Ich hoffe nur, das wird jetzt nicht zur Gewohnheit. Das macht einen ganz kirre im Kopf“, meinte sie mehr zu sich selbst, legte die Kette wieder an und verbarg sie unter ihrer Bluse. „Komm, lass uns gehen. Wir machen noch einige Aufnahmen von den Sehenswürdigkeiten der Umgebung und brechen dann nach Scrabster auf. Je nachdem, wann wir dort ankommen, lässt sich vielleicht noch das eine oder andere Foto von der wilden Küste und den spektakulären Klippen machen. Die Gegend soll ja eine der umwerfendsten und schönsten Perspektiven ganz Schottlands bieten.“
Beide Frauen standen gleichzeitig auf und schlängelten sich durch die leeren Tischreihen des Speisesaals. Sie hatten so lange in ihrer Ecke gesessen, dass sie die letzten Gäste waren.
Anna drehte sich kurz zu Larissa um. „Ach, was ich noch sagen wollte … Danke. Du hast in den vergangenen zwei Tagen klasse Arbeit geleistet. Tolle Seiten im Blog. … Brauchst du mich dann überhaupt noch?“ Leise in sich hineinkichernd ging sie weiter.
Ein leichter Schlag auf ihren Hinterkopf und ein abfälliges Schnauben beantworteten ihre Bemerkung. „Mach dich nicht lächerlich. Ohne dich wäre ich doch gar nicht hier. … Ähm … Und was ist nun mit Michael?“
Plötzlich hielt Larissa inne. Ein komisches Gefühl jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie spürte stechende Augen auf sich ruhen. Vorsichtig schaute sie sich um und … Larissa blinzelte einmal … zweimal … Was? Ist ja eigenartig. Saß da nicht eben in der Nische neben dem Ausgang ein älterer Herr mit schlohweißem, schulterlangem Haar und grinste sie bösartig an. Hm … Ich muss mich wohl geirrt haben. Larissa zog die Stirn kraus, als ob sie angestrengt überlegte, schüttelte dann den Kopf und beeilte sich, ihrer Freundin zu folgen. „Warte! Also, was ist nun mit Michael?“
Ja. Was war nun mit Michael? Ich weiß es nicht. Er hat mich ohne Erklärung stehen lassen. Und wenn er glauben sollte, ich laufe ihm nach, dann hat er sich geirrt. Anna hob hilflos die Arme, gab aber keine Antwort auf die Frage.
Und Larissa wusste, das Thema war für den Moment abgehakt.
***
Wenige Stunden später fuhren sie in ihrem metallic blauen Bentley in Richtung Scrabster, von wo aus sie die Fähre auf die Orkneyinseln nehmen wollten. Zuvor jedoch brachte ihnen ein kurzer Abstecher in die Umgebung Inverness' neben fantastischen Impressionen von Loch Ness, dem Inverness Botanic Gardens und dem Merkinch Local Nature Reserve eine Tasche voll Prospekte ein. Mit den Angeboten von Ausflügen, Tages-, Boots- und Besichtigungstouren ließ sich hervorragend arbeiten.
Mit dem Regenwetter war auch die trübe Stimmung der vergangenen Tage verschwunden und endlich waren sie wieder ein Team. Heute war alles erlaubt, solange es nur Spaß bereitete. Und so grüßten die Mädchen einen Campingbus, der sie mit Lichthupe überholte, in der gleichen Art und Weise, obwohl das mitnichten ihren Gewohnheiten entsprach. Sie winkten den Insassen des Fahrzeuges lachend hinterher.
Das Verdeck ihres Cabrios war offen. Sie hießen den pfeifenden Fahrtwind willkommen und genossen den Sonnenschein und die endlose Freiheit. Die Lautsprecher vibrierten unter den Klängen schottischer Drums, Dudelsäcke und Rockattituden der Red Hot Chilli Pipers.
Zufrieden lenkte Anna das Cabriolet über die Küstenstraße und Larissa fing mit der Kamera die atemberaubende Landschaft Schottlands ein, bis sie in John o' Groats ankamen.
„ Wir sind spät dran“, meinte Anna auf ihre Uhr schauend. „Aber das macht nichts. Uns jagt ja keiner. … Komm, lass uns im Heritage Great Britain einen Imbiss nehmen, ein paar Fotos von der Gegend hier schießen und dann weiterfahren.“
Weiterfahren? Okay, wir sind spät dran, aber was ist mit dem Duncansby Head Lighthouse? Liegt zwar in der anderen Richtung und es sind nur steile Klippen und ein Leuchtturm. Und doch … Es ist der nordöstlichste Ort Schottlands und allemal ein Besuch wert. Larissa schaute Anna erstaunt an und forschte in deren Gesicht, ob sie das wirklich ernst meinte.
Es schien so, denn sie war bereits einmal ums Auto herum und stand nun vor der Beifahrertür. „Komm schon!“ Lachend angelte sie sich die Kameratasche vom Rücksitz und wartete darauf, dass auch ihre Freundin aussteigen würde.
„ Okay. Wenn du meinst. Dann eben Tee und Gebäck im Café am Fährhafen.“ Nun gut. Anna ist die Chefin. Sie hat das Sagen. Larissa zuckte mit den Schultern und folgt ihr, bis sie plötzlich wieder diese Gänsehaut und ein mulmiges Gefühl im Magen bekam. Was ist denn heute nur los mit mir? Vorhin im Hotel und jetzt … Anna hatte die Tür zum Gastraum geöffnet und da saß er wieder. Der ältere Herr mit den schlohweißen, schulterlangen Haaren, seinen schwarzen, unergründlichen Augen und diesem teuflischen Grinsen im Gesicht. Was? Wie kann das sein? Wie kommt der bloß hier …
„ Was ist los? Warum starrst du auf die Sitzecke hier an der Tür? Ich habe dort hinten schon einen gemütlichen Tisch am Fenster mit einer fantastischen Aussicht auf den Hafen und das Meer gefunden.“
Anna war munter schwatzend zielstrebig auf einen freien Tisch zugesteuert, ohne zu bemerken, dass Larissa gar nicht hinter ihr war. Erst nachdem sie sich hingesetzt hatte und ihr niemand folgte, schaute sie sich um und da stand ihre Freundin, wie zur Salzsäule erstarrt. Erschrocken war Anna aufgesprungen und zurückgeeilt.
Nun wedelte sie mit der Hand vor ihren Augen herum und schüttelte sie leicht durch. „Hallo! … Erde an Larissa! Jemand zu Hause?“
Larissa zuckte zusammen. Verwirrt schaute sie sich im Raum um. Am Ende blieb ihr Blick an Anna hängen. „Saß da nicht eben noch ein alter, weißhaariger Mann?“ Als sie den fragenden Gesichtsausdruck der anderen sah, fügte sie hinzu: „Halluziniere ich schon? Ich dachte dort einen Mann gesehen zu haben, der mir im Hotel in Inverness schon begegnet war. Du weißt, ich bin nicht schnell aus der Ruhe zu bringen, aber der machte mir echt Angst. Er war … gruselig.“ Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern, hakte sich bei Anna unter und begleitete sie zu ihrem Tisch.
„ Es ist schon merkwürdig. Seit Michael da war, ist irgendwie alles so … hm … seltsam. Mysteriös. Oder liegt es doch an diesem Land? Holen uns hier an diesem Fleckchen Erde die Geister vieler geschichtsträchtiger und literarischer Figuren ein? Sind wir empfänglicher für alles Übersinnliche und Geheimnisvolle? Du mit deinen Visionen und ich mit meinen Halluzinationen.“ Dabei lächelte Larissa und vermittelte den Eindruck, dass alles wieder in Ordnung sei. Zurück blieb jedoch ein Gefühl der Kälte, was sie Anna nicht wissen lassen wollte und welches an einem so sonnigen Tag bald wieder verschwunden sein sollte.
Bei anregenden Gesprächen mit den Einheimischen über die Geschichte des Ortes, dessen Name auf den Holländer Jan de Groot zurückzuführen sei, war schnell dieser skurrile Vorfall vergessen. Sie beobachteten noch das Auslaufen der Fähre und machten sich, um einige Anekdoten und wundervolle Naturaufnahmen der Gegend um John o' Groats reicher, wieder auf ihren Weg.
Obwohl es schon spät am Nachmittag war, wollten sie sich dennoch nicht die Chance auf einen Abstecher zum Castle of Mey nehmen lassen. Das Schloss war im 16. Jahrhundert von George Sinclair, 4. Earl of Caithness, erbaut und 1952 von der Königin Elizabeth gekauft und saniert worden. Seither wurde es regelmäßig von der königlichen Familie genutzt. Es wäre ein Fauxpas, bei einer Reisebeschreibung nicht auf eine solche Sehenswürdigkeit hingewiesen zu haben. Leider mussten sich Anna und Larissa mit ein paar Außenaufnahmen und Prospekten zufriedengeben, denn es gab leider keine Führung mehr.
Sichtlich enttäuscht schlenderten beide zu ihrem Auto zurück.
„ Dann lass uns jetzt nach Scrabster fahren. Ich denke, wir werden noch etwas Romantik einfangen können, wenn wir auf den Klippen den Sonnenuntergang aufnehmen. Und dann schlagen wir uns die Bäuche voll und machen uns zusammen einen gemütlichen Abend. Nach dem ganzen Tohuwabohu der letzten Tage haben wir das verdammt nochmal verdient. Gib mir ein High five“, forderte Anna feixend Larissa auf und hielt ihr die Hand entgegen.
Die Mädchen klatschten ab und bestiegen kichernd ihr Auto. Und wieder waren die Klänge schottischer Drums, Dudelsäcke und Rockattitüden der Red Hot Chilli Pipers aus den Lautsprechern eines metallic blauen Bentley-Cabriolets weithin zu hören.
Ausgelassen und glücklich kamen die beiden Freundinnen ihrem Ziel näher, ohne den hasserfüllten Blick aus stechenden schwarzen Augen, die ihnen nachschauten, bis sie außer Sichtweite waren, zu bemerken.