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Abigail Baldwin alias Francoise bewohnte ein Luxus-Apartment im 14. Stock. Ein Callgirl für gehobene Ansprüche, so schien es zuerst. Bount hatte zunächst bei ihr angerufen, aber es hatte sich lediglich ein automatischer Anrufbeantworter gemeldet.

Jetzt stand er vor ihrer Wohnungstür und klingelte schon zum dritten Mal. Vielleicht war sie nicht zu Hause. Schließlich wurde es Bount zu bunt und er öffnete mit ein paar geübten Handgriffen die Tür.

Die Wohnung war ein ganz gewöhnliches Dutzend-Apartment. Die Möbel waren nichts Besonderes und irgendwie hatte Bount das Gefühl, dass diese vier Wände unbewohnt waren.

Nirgends war etwas Persönliches zu sehen, etwas, das auf Gebrauch hindeutete. Die Schränke waren leer. Bount ging ins Schlafzimmer. Das Bett war sorgfältig gemacht. Keine Bilder an den Wänden, keine Kleider in den Schränken. Dafür eine leichte Staubschicht auf dem Nachttisch. Vielleicht war Abigail Baldwin verreist. Wenn dem so war, dann hatte sie sicher vor, länger wegzubleiben.

Jedenfalls hatte sie ihren Anrufbeantworter eingeschaltet. Fragte sich nur, weshalb, wenn sie doch auf absehbare Zeit ohnehin in dieser Wohnung keine Kunden empfangen würde.

Plötzlich hörte Bount ein Geräusch.

Jemand war an der Tür und hatte offenbar einen Schlüssel. Bount zog die Automatik aus dem Schulterholster und stellte sich neben die Schlafzimmertür. Er wagte einen Blick und sah, wie ein elegant gekleideter Mann eintrat. Bount schätzte ihn auf Mitte dreißig, nicht älter.

Er machte es sich auf der Couch gemütlich und blickte auf die Uhr. Dann stand er wieder auf und ging ins Schlafzimmer. Er lief an Bount vorbei und schien gar nicht auf die Idee zu kommen, dass jemand in der Wohnung sein könnte. Als er sich umdrehte und Bount erblickte, wurde er eine Sekunde lang völlig starr. Er schaute Bount entgeistert an und schien erst eine schnelle Flucht zu erwägen.

Vielleicht war es der Blick auf Bounts Pistole, der ihn davon abhielt.

"Wer sind Sie und was machen Sie hier?", fragte der Mann.

"Dasselbe könnte ich Sie fragen, denn schließlich ist das hier ja wohl kaum Ihre Wohnung!"

Der Mann machte eine verlegene Geste. Bount durchsuchte dann die Taschen seines Gegenübers. Er trug keine Schusswaffe, nur eine Sprühdose mit Reizgas zur Selbstverteidigung. Wenigstens hatte er einen Führerschein. Das Papier war auf den Namen Marcus Hamill ausgestellt.

Bount steckte seine Waffe weg. "Sie warten auf jemanden, nicht wahr?", meinte er. Es kam schon nahe an eine Feststellung heran.

"Auf Sie jedenfalls nicht. Wer sind Sie? Ich habe Sie noch nie gesehen."

"Mein Name ist Reiniger. Bount Reiniger, Privatdetektiv. Aber das wissen Sie sicher längst. Ich habe den leisen Verdacht, dass Sie vielleicht etwas mit einer Reihe von Morden zu tun haben könnten. Mich hätte es auch beinahe erwischt. Sie werden verstehen, dass ich so etwas nicht mag."

"Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen!", erwiderte Marcus Hamill. Aber es klang nicht sehr überzeugend. Bount hatte das Gefühl, dass Hamill sehr wohl wusste, wovon der Privatdetektiv gesprochen hatte.

Bount grinste. "Wie sieht Francoise aus?", fragte er. "Ist sie blond oder brünett?"

"Ich... Ich weiß nicht, was das jetzt soll..." Er bewegte sich etwas seitwärts, um vielleicht leichter durch die Schlafzimmertür hinaus zu kommen.

Bount packte ihn am Kragen und drückte ihn gegen die Wand.

"Francoise alias Abigail Baldwin existiert überhaupt nicht! Sie ist ein Phantom, das nur zur Tarnung für einen Treffpunkt dient... So ist es doch, nicht wahr?"

"Was Sie nicht sagen..."

"Warten Sie auf Lafitte? Der wird nicht kommen. Er ist tot, aber er kannte auch diese Adresse. Und was war mit Tierney? Er kannte sie ebenfalls! Vielleicht musste er deshalb sterben..." Er ließ Hamill los und dieser strich sein Jackett glatt. Ein deutlicher Zug von Empörung stand in Hamills Gesicht. Und vielleicht auch noch etwas anderes.

Angst.

"Sie sind weit vorgestoßen, Reiniger", meinte Hamill. "Tierney war ein Schmalspur-Schnüffler. Ich verstehe, dass er begann, in der Sache herumzubohren, um uns anschließend eine Rechnung zu präsentieren. Wenn man in der Haut eines solchen Mannes steckt, muss man vielleicht so selbstmörderisch sein. Aber Sie, Reiniger! Haben Sie das nötig? Ich habe von Ihnen gehört. Ihre Agentur geht doch recht gut."

"Mir ist Geld in diesem Fall gleichgültig", sagte Bount.

"So etwas hört man heute selten!", gab Hamill mit sarkastischem Unterton zurück. "Aber es ehrt Sie." Er verzog das Gesicht. "Nur kann ich es Ihnen nicht abnehmen."

Bount ging zum Telefon. Er sah dabei zu, dass Hamill keine Gelegenheit bekam, sich davonzumachen.

"Wen wollen Sie anrufen?", fragte Hamill etwas verunsichert.

"Captain Rogers von der Mordkommission."

"Aber..."

"Anstiftung zum Mord ist auch strafbar, Mister Hamill!" Und während er das sagte, wählte Bount ungerührt eine Nummer. Hamill trat herbei und drückte auf die Gabel.

"Sie haben nichts in der Hand!", schrie er." Sie können mir doch keinen Mord anhängen!"

"Nicht nur einen", erwiderte Bount kühl. "Ein Mann namens Clint Leonard hat einen Polizisten getötet und ich könnte mir vorstellen, dass Sie derjenige waren, der diesen Killer engagiert hat! Die City Police wird jedenfalls entzückt sein, wenn ich ihr den Kerl präsentieren kann, auf dessen Gehaltsliste Leonard stand!"

"Ich bin kein Mörder. Und ich bezahle keine Killer, Mister Reiniger!"

"Ach, nein? Steve Tierney wurde beauftragt, Greg Lafitte zu beschatten und ist dabei auf diese Wohnung gestoßen. Wenn ich hier hereingekommen bin, ist Tierney es auch. Und er wird auf denselben Gedanken gekommen sein, wie ich: dass dies kein gewöhnliches Apartment ist! Er brauchte nur auf der Lauer zu liegen und abzuwarten, wer sich hier alles einfindet." Bount machte eine kurze Pause, um den letzten Satz etwas wirken zu lassen. Dann fragte er: "Zu was für einer Art Treffen dient diese Wohnung?"

Hamill zögerte. Schließlich brachte er heraus: "Sehen Sie, ich bin Börsenmakler. Es gibt Geschäftskontakte, von denen nicht unbedingt jeder wissen muss und für solche Fälle..."

"...haben Sie diese Wohnung."

"So ist es."

"Mit wem treffen Sie sich heute?"

"Bedaure..."

"Wir können zusammen auf ihn warten."

"Was versprechen Sie sich davon?"

"Ich kann mir denken, um was für Geschäfte in diesem Raum gegangen ist."

Hamill zeigte die Zähne. "Ach, ja?", knirschte er hervor.

"Ich nehme an, ich brauche Ihnen nicht zu erklären, was ein Insider-Geschäft ist..."

"Haben Sie irgendeinen Beweis?"

"Brauche ich den?" Bount wusste jetzt, dass er richtig lag.

Hamill sah den Privatdetektiv wütend an. Sie wussten beide, dass es gar keines Beweises bedurfte, um den Börsenmakler zu ruinieren. Bount brauchte nur dafür zu sorgen, dass das Gerücht von Insider-Deals die Runde machte und das Ganze mit ein paar Indizien zu würzen. Das würde alles niederpurzeln lassen, selbst wenn es nicht der Wahrheit entsprach. Und auch an Hamill würde etwas kleben bleiben, ganz gleich wie die Beweislage am Ende war. Die Börse lebte von Psychologie und Fantasie. Und genau diese beiden Dinge spielten auch hier die entscheidende Rolle. Es war wie ein Poker-Spiel.

Und Bount entschied sich, den Einsatz noch etwas zu erhöhen.

"Sie glauben, dass das gesamte Beweismaterial vernichtet ist, nicht wahr? Der Inhalt des Bankschließfachs, die Bilder bei dem ermordeten Fotohändler... Aber das ist nicht der Fall."

Hamill wurde unruhig. "Ach, nein?"

"Es gibt noch den Bericht, den Steve Tierney für Mrs. Lafitte angefertigt hat", behauptete Bount einfach. "Sie war so freundlich, ihn mir auszuhändigen. Ihrem Mann kann er ja nicht mehr schaden."

"Das glaube ich nicht!", schnaubte er. "Das kann einfach nicht stimmen! Lafitte hat gesagt, es sei alles vernichtet!"

"Dann hat er gelogen. Oder seine Frau hat Lafitte belogen, wie auch immer. Ich kann beweisen, dass Sie in der Sache drinhängen. Mich interessieren Ihre Insider-Geschäfte nicht. Ich bin hinter jemandem her, der Mordaufträge vergibt."

"Hören Sie, können wir nicht zu einem Deal kommen, Reiniger?" Hamill war völlig fertig. Bounts Taktik war voll aufgegangen. "Lassen Sie mich aus der Sache raus. Ich habe mit den Morden nämlich wirklich nichts zu tun!"

"Dann müssen Sie mir etwas auf den Tisch legen, das ich gebrauchen kann. Sie verstehen mich doch, oder?"

"Unsere Organisation beruht darauf, dass der Einzelne so wenig wie möglich weiß. Mein Job ist es, rund um die Uhr die Börsenkurse zu verfolgen. Ich habe einen Computer neben dem Bett stehen, und der Wecker ist so programmiert, dass er mich weckt, wenn in Hongkong oder Frankfurt was los ist. Heute läuft das Geschäft rund um die Uhr, glauben Sie, ich hätte Zeit, mich um andere Sachen zu kümmern?"

"Wer kümmert sich denn um andere Sachen?"

"Ich weiß es nicht!"

In der nächsten Sekunde war ein Geräusch an der Tür zu hören.

"Gehen Sie hin", flüsterte Bount. "Aber wenn Sie eine Dummheit machen, werde ich behaupten, dass Sie mein Spitzel in der Organisation sind und was das für Sie bedeuten kann, brauche ich Ihnen ja wohl nicht zu sagen, oder?"

Er nickte und verließ das Schlafzimmer.

Bount wagte einen Blick und sah einen hochgewachsenen, grauhaarigen Mann. Hamill gab sich Mühe, nicht verkrampft zu wirken.

"Hallo Rick, was gibt's?"

"Eine Nachricht von Charley", sagte der Grauhaarige. "Die Pressekonferenz von Microtech International findet schon übermorgen statt."

"Das heißt..."

"Es bleibt alles beim Alten", versicherte der Grauhaarige. "Der einzige Unterschied ist, dass es etwas schneller durchgezogen wird."

"Und warum?"

"Weil Charley es so will. Ich würde nicht viel fragen an deiner Stelle. Bis jetzt ist es doch immer zu unser aller Profit ausgegangen, oder?"

"Stimmt."

Der Grauhaarige, den Hamill Rick genannt hatte, schaute auf die Uhr und meinte dann: "Eigentlich müsste ich schon längst woanders sein. Du weißt jetzt Bescheid."

Er wandte sich zum Gehen und war einen Augenblick später wieder verschwunden. Bount kam aus dem Schlafzimmer heraus.

"Sie haben das gut gemacht", meinte er zu Hamill. "Wer war das?"

"Rick. Mehr weiß ich nicht. Und mehr interessiert mich auch nicht."

"Und Charley?"

"Charley habe ich noch nie gesehen."

"Sie wollen mich wohl für dumm verkaufen, Hamill!"

"Es ist die Wahrheit. Ich bin nie direkt mit ihm zusammengetroffen. Charleys Anweisungen bekomme ich von Rick."

Die Chance, dass Hamill Bount Reiniger für dumm verkaufen wollte, schätzte der Privatdetektiv fünfzig zu fünfzig ein. Er ließ den Börsenmakler erst einmal stehen und rannte hinaus auf den Flur. Hamill konnte er sich immer wieder vorknöpfen, aber der Grauhaarige ging ihm sonst durch die Lappen.

Bount blickte sich um. Von dem Mann war nichts mehr zu sehen. Wahrscheinlich hatte er bereits den Aufzug benutzt. Jedenfalls war einer der Lifte in Betrieb, wie die Leuchtanzeige verriet.

Reiniger hatte keine Lust, auf einen der anderen Aufzüge zu warten. Stattdessen spurtete er die Treppen hinunter. Er hatte eine gute Kondition, aber er war trotzdem froh, als er das Erdgeschoss erreicht hatte. Der grauhaarige Rick war gerade durch die Eingangstür ins Freie getreten. Bount sah, wie er sich mehrfach umdrehte, so als wollte sichergehen, nicht beschattet zu werden. Dann stieg er in einen BMW. Bount merkte sich die Nummer. So schnell wie möglich sah der Privatdetektiv zu, dass er hinter das Steuer seines champagnerfarbenen 500 SL kam. Der BMW fuhr ziemlich forsch. Bount hatte seine Mühe, ihm auf den Fersen zu bleiben.

Es ging kreuz und quer durch die Stadt. Rick schien es vorzuziehen, ein paar Umwege zu machen. Er musste sehr nervös sein. Schließlich führte er Bount zu einer feinen Wohnung in Greenwich Village. Und an der Tür stand auch ein Name. Rick Mariner.

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