Читать книгу Vier Mordfälle für den Schnüffler: N.Y.D. New York Detectives Sammelband 4 Krimis - A. F. Morland - Страница 26

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„Ein Mann?“, sagte tags darauf Captain Rogers verwundert. „Bist du sicher, Bount?“

„Sicher kann ich erst sein, wenn ich ihn habe“, gab Bount Reiniger zurück.

Er saß auf seinem Stammplatz, auf der Kante von Tobys Schreibtisch. Der gewichtige Leiter der Mordkommission Manhattan C/II erhob sich und stöberte kurz im Aktenschrank herum. Gleich darauf überflog er den Bericht des Polizeiarztes.

„Doc Shriver hat festgestellt, dass der Schlag auf Boogers Kopf mit großer Kraft ausgeführt worden war. Mit mehr Kraft, als er einem Mädchen zutraut. Deshalb war ich auch mit den Journalisten einer Meinung, dass sich in dem Zimmer, das Booger mit dem Mädchen betreten hatte, bereits ein Mann befunden haben musste. Dass das ,Girl‘ dieser Mann gewesen sein könnte, darauf kam ich allerdings nicht.“

„Was hatte Dave Booger eigentlich alles bei sich, als ihr seine Taschen durchsucht habt?“, erkundigte sich Bount.

Toby brachte die Aufstellung aller bei dem Toten gefundenen Gegenstände. „Er war eigentlich ganz normal bestückt, wenn ich das so sagen darf.“

Bount las: „Kreditkarte. Fünfhundert Dollar in Banknoten. Scheckheft. Goldener Ring, goldene Krawattennadel...“ Bount Reiniger sah den Captain erstaunt an. „Sag mal, wie konntest du es zulassen, dass die Presse von einem Lockvogelverbrechen schrieb?“

Der Captain hob die massigen Schultern. „Du kennst doch die Brüder. Die fragen nicht erst lange, was sie schreiben dürfen. Die bringen einfach, was ihnen in den Kram passt.“

„Du hättest die Möglichkeit gehabt, diesen Irrtum aufzuklären“, sagte Bount.

„Ich war ja nicht sicher, ob sie nicht doch Recht haben.“

„Du warst nicht sicher?“, fragte Bount entrüstet. „Nachdem du diese Liste in deinen Händen hattest, warst du nicht sicher, Toby? Du willst dich wohl über mich lustig machen. Dave Booger wurde nicht mal ein Cent abgenommen. Das hätte dir doch zu denken geben müssen.“

Toby betrachtete seine Schuhspitzen. „Das Pärchen konnte immerhin von irgend jemandem gestört worden sein, oder?“

„Auf keinen Fall“, sagte Bount.

„Was macht dich so sicher?“ „Solche Pärchen arbeiten hinter der geschlossenen Tür. Wer hätte sie also stören sollen?“

Toby nahm dem Freund die Liste wieder weg und legte sie in die Akte Booger zurück. „Na schön“, sagte er verdrossen. „Es war also kein Pärchen, sondern ein Mann, der sich als Mädchen verkleidet hatte.“

Bount holte sein Päckchen Pall Mall aus dem Jackett. Er bot Toby ein Stäbchen an. Sie rauchten. „Nachdem ein Pärchen für die Tat ausscheidet“, meinte Bount nachdenklich, „sind wir gezwungen, uns um ein anderes Motiv umzusehen und was bietet sich hierbei zwangsläufig an?“ Toby blies den Rauch an Bount vorbei. „Worauf willst du hinaus? Auf Boogers Job?“

Bount nickte bestimmt. „Dave Booger war Buchprüfer. In den Zeitungen stand, dass Rick Brannon sich von seiner Limonadenfabrik trennen möchte und James Hirth will die Fabrik möglicherweise kaufen. Natürlich nur dann, wenn das Unternehmen auf gesunden Beinen steht. Warum aber sollte Mr. Brannon die Absicht haben, eine Firma auf den Markt zu schmeißen, die in der Lage ist, ihren Mann zufriedenstellend zu ernähren?“

„Dafür kann es viele Gründe geben“, sagte der Captain. „Nicht alle Firmen, die verkauft werden, stehen kurz vor dem Bankrott. Brannon hat ein neues Projekt im Auge, heißt es. Dafür braucht er Geld. Vielleicht hat er von den Limonaden die Nase voll. Es gibt Unternehmer, die können sich niemals auf ihren Lorbeeren ausruhen, die müssen immer etwas Neues in Angriff nehmen.“

„Ich habe heute morgen ein wenig herumtelefoniert“, sagte Bount. Er nahm einen Zug von seiner Zigarette und ließ den Rauch tief in die Lungen hinabsteigen. „Ich wollte wissen, was für ein Mann dieser Mr. Rick Brannon ist.“

Toby streifte die Asche ab. „Und?“, fragte er interessiert.

„Brannon kommt von ganz unten.“ „Jeder kann nicht als Kronprinz auf die Welt kommen.“

„Brannon kommt aus der Gosse, Toby, und er war da ziemlich lange. So etwas prägt einen Menschen, dagegen kannst du sagen, was du willst. Die Gosse macht einen Mann hart und rücksichtslos. Nirgendwo ist der Existenzkampf schlimmer als dort. Viele versuchen, sich hoch zu boxen, aber nur wenigen gelingt es. Diejenigen, die es schaffen, sind zumeist die Rücksichtslosesten von allen.“ Rogers wiegte den Kopf. „Mann, wenn Brannon dich reden hören könnte.“

„Vielleicht biete ich ihm die Möglichkeit noch“, gab Bount ernst zurück. Er fuhr fort: „Versetz dich mal in die Lage von so einem armen Teufel, Toby. Er ist nichts und hat nichts. Er will nach oben und er strengt sich dafür mächtig an. Es gelingt ihm, eine Limonadenfabrik auf die Beine zu stellen. Ein Kunststück, das kaum einem anderen glückt. In ganz New York und in den angrenzenden Bundesstaaten trinkt man sein Produkt. Er kann also behaupten, dass er es geschafft hat. Bist du mit mir bis hierher einer Meinung?“

„Ja. Aber ich verstehe nicht, worauf du hinaus willst.“

„Das will ich dir gern erklären“, sagte Bount. „Brannon hatte weiß Gott kein leichtes Leben bisher. Doch nun besitzt er ein gutgehendes Unternehmen. Glaubst du im Ernst, dass so ein Mensch nach so vielen harten Jahren, nach all den Entbehrungen mit der Faust auf den Tisch haut und sagt: Ich will nicht mehr! Es macht mir keinen Spaß mehr, Limonade zu produzieren! Ich möchte etwas ganz anderes machen! Denkst du wirklich, dass Rick Brannon seine Fabrik, wenn sie gut geht, so einfach abstößt und ein Wagnis auf sich nimmt, von dem er im Vorhinein nicht weiß, wie es ausgehen wird und das ihn, wenn es ganz schlimm kommt, wieder in die Gosse zurückbefördern könnte?“ Toby nahm noch einen Zug von der Zigarette.

Dann drückte er sie im Aschenbecher aus und setzte sich an seinen Schreibtisch.

Er knetete seine Finger so fest, dass sie knackten und er starrte dabei Löcher in die Schreibtischplatte. „Du meinst also, Brannons Fabrik könnte von einer Krankheit befallen sein“, sagte der Captain.

„Von einer verborgenen Krankheit“, sagte Bount.

„Von einer Krankheit, die Brannon selbst verborgen hat“, sinnierte Toby weiter.

Bount nickte. „Und nun kommt es zu einer Buchprüfung. James Hirth besteht darauf. Rick Brannon kann nicht gut ablehnen.“

„Das ist klar. Sonst weiß Hirth ja sofort, dass was faul ist.“

„Brannon hofft, die Bücher so gut frisiert zu haben, dass Dave Booger ihm nicht auf die Schliche kommt. Aber Booger hat eine ausgezeichnete Spürnase. Er riecht nach zwei Tagen, wo der Hund begraben ist. Vermutlich geht er zu Brannon, um ihm mitzuteilen, dass ihm etwas sauer aufgestoßen ist. Er macht Brannon klar, dass er Hirth gleich morgen informieren wird und geht dann nach Hause. Er bleibt da aber nicht, sondern begibt sich in eine Bar namens Arche Noah, trinkt dort einiges über den Durst und lernt schließlich ein Mädchen kennen, das in Wirklichkeit ein Mann ist... Der Rest ist bekannt.“

Rogers suchte Bounts Augen. „Dieses falsche Mädchen... Nimmst du an, dass das Rick Brannon gewesen ist?“

Bount schüttelte den Kopf. „Wenn ich von dem ausgehe, was ich über Brannon erfahren habe, glaube ich nicht, dass er sich selbst die Hände schmutzig gemacht hat.“

Toby setzte sich mit einem entschlossenen Ruck gerade. „Ich werde versuchen, vom Attorney die Genehmigung zu kriegen, zwei gerichtlich beeidete Buchprüfer auf Brannons Bücher ansetzen zu dürfen.“

Bount nickte schmunzelnd. „Genau den Vorschlag wollte ich dir gerade machen.“

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