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Bruno Pfaff war seine sechstausend Mark schneller los als Rosy Kupfer ihre tausend. Er hatte sich an einen Spieltisch gesetzt, mit einer Glückssträhne gerechnet – und eine Pechsträhne hatte sich eingestellt.

Er hatte geglaubt, das leicht verdiente Geld verdoppeln zu können – und war im Morgengrauen mit leeren Taschen nach Hause gegangen.

Danach hatte ihm Rosy mit ihrem Geld „aushelfen“ müssen. Natürlich hatte er gesagt: „Du kriegst es wieder.“ Aber sie kannte ihn inzwischen lange genug, um zu wissen, dass sie den bei Armin Brix sauer verdienten Tausender für alle Zeiten abschreiben konnte.

Da Bruno Pfaff nicht übel aussah und dem weiblichen Geschlecht sehr zugetan war, verdingte er sich hin und wieder auch als Callboy.

Wenn er Geld brauchte, tröstete er einsame weibliche Singles, vielbeschäftigte Geschäftsfrauen, grüne Witwen, und hin und wieder sogar Damen aus der Highsociety. Sie bekamen von ihm, wofür sie – stets im Voraus – bezahlt hatten, und wenn er ging, waren häufig Schmuck oder Wertgegenstände, die man problemlos einstecken und unbemerkt aus dem Haus tragen konnte, auf höchst mysteriöse Weise verschwunden.

Nie hätte Bruno gedacht, in erhebliche Schwierigkeiten zu geraten, als er bei Petra Krebitz erschien, um sie glücklich zu machen.

Als er mittendrin war, die attraktive Frau in ihrer Villa an der Elbe nach allen Regeln der Kunst zu verwöhnen, kam es zu einem folgenschweren Vorfall.

Bruno wollte sich gerade kurz ausruhen und legte sich neben die leidenschaftliche, sehr schöne Blondine in die seidenen Kissen, da fiel unten die schwere Eingangstür ins Schloss, und Petra Krebitz krächzte: „O mein Gott!“

„Was ist?“ Bruno sah sie verwirrt an. Er hatte den dumpfen Knall nicht mitbekommen.

„Mich trifft der Schlag.“

Bruno Pfaff grinste eitel. „Lass dir damit noch etwas Zeit, okay? Ich hab’ noch mehr auf Lager.“

Plötzlich drangen Stimmen an sein Ohr. Männerstimmen! In Petras Haus! Er wusste, dass ein in die Jahre gekommener betuchter Knabe sich die junge Schöne wie in einem goldenen Käfig hielt, kannte jedoch dessen Namen nicht und war auch nicht erpicht darauf, jemals dessen Bekanntschaft zu machen. Schon gar nicht jetzt, in dieser äußerst verfänglichen und mehr als eindeutigen Situation.

„Das ist Alf“, stieß Petra Krebitz verstört hervor.

„Der vom Planeten Melmak?“

„Alf Prati, der Mann mit dem ich zusammen bin, dem diese Villa gehört, von dessen Geld ich dich bezahlt habe …“ Petra sprang aus dem Bett, als hätte sie darin einen Skorpion entdeckt. „Alf mit seinen beiden Bodyguards“, keuchte sie. „Sie werden dich in Stücke reißen.“

Petra verhüllte blitzschnell ihre sehenswerten Blößen mit einem Seidenschlafrock.

Bruno Pfaff war blass geworden. „Menschenskind, wieso hast du mir nicht gesagt, dass du Alf Pratis Braut bist?“

„Weil du dich dann mit Sicherheit nicht hierher gewagt hättest.“

„Das kannst du laut sagen. Ich hätte die Finger von dir gelassen, weil mir die Sache zu heiß gewesen wäre. Alf Prati …“ Er raufte sich die Haare. „Wer sich mit dem Paten von Hamburg anlegt, sieht sich die Radieschen im Handumdrehen von unten an. Oder man kommt bei einem hässlichen Unfall ums Leben. Dein Leben kann auch von einer rätselhaften Explosion ausgelöscht werden. Oder du wirst mit einem Betonklotz an den Beinen auf dem Grund des Hafens deponiert. Auf all das kann ich leichten Herzens verzichten.“

„Wieso ist er schon zurück?“, jammerte Petra Krebitz.

„Was fragst du mich?“

„Er wollte doch erst übermorgen heimkommen.“

„Wo war er denn?“

„Sizilien.“

„In der Wiege der Mafia.“ Bruno Pfaff verdrehte die Augen. „Verdammt, wo bin ich da bloß hineingeraten?“

Petra Krebitz stemmte die Fäuste in die Seiten und starrte ihn an. „Willst du nicht endlich aufstehen, dich anziehen und verschwinden?“

Bruno wiegte den Kopf. „Du machst mir Laune. Soll ich etwa aus deinem Schlafzimmer spazieren, die Treppe hinunterlaufen, Alf Prati und seinen Gorillas einen schönen Tag wünschen und einfach so das Haus verlassen?“ Er stand auf. „Kannst du mich nicht hier verstecken?“

„Wo denn?“

Er zog seine weißen Leinenhosen an. „Im Schrank.“ Er streifte sein giftgrünes Poloshirt über. „Oder unter dem Bett.“ Er stieg in seine Slipper.

Sie schüttelte heftig den Kopf. „Das ist zu riskant.“

Er zuckte mit den Schultern. „Na schön, dann greife ich eben mal wieder auf Trick siebzehn zurück.“

„Trick siebzehn?“

„Ich löse mich in Luft auf.“

„Lass die blöden Scherze“, stöhnte Petra. „Die Lage ist verflucht ernst.“

„Petra-Schätzchen!“, rief unten Alf Prati.

„Mach, dass du wegkommst!“, zischte Petra Krebitz.

„Petra-Schätzchen!“, rief Prati wieder. Er konnte davon ausgehen, dass sie zu Hause war. Sie musste daheim sein, denn er hatte ihr nicht erlaubt, während seiner Abwesenheit die Villa zu verlassen. Er ließ es sich eine Menge Geld kosten, dass sie ihm jederzeit zur Verfügung stand.

„Nun mach schon!“, zischte Petra ihren Miet-Lover an. „Raus auf den Balkon. Klettere an der Fassade hinunter.“

Bruno tippte sich an die Stirn. „Soll ich mir den Hals brechen?“

„Ist es dir lieber, Alfs Männer brechen ihn dir?“

„Petra!“, rief Prati nun scharf. Ohne Schätzchen.

„Ja, Alf!“, gab sie nervös zurück. „Ich bin hier!“ Sie bedeutete Bruno mit wedelnden Händen, sich aus dem Staub zu machen, und ging zur Tür.

Trotz der gebotenen Eile ließ Bruno Pfaff die lederne Schmuckschatulle mitgehen, die auf dem Frisiertisch stand. Petra bemerkte es nicht.

Sie öffnete soeben die Tür. „Hier bin ich, Alfie-Liebling. Hier oben. Ich habe geschlafen.“

Bruno eilte auf den Balkon hinaus, warf die Schatulle in den Garten hinunter und brachte sich sodann in Sicherheit. Er stellte sich dabei nicht sonderlich geschickt an. Zweimal wäre er beinahe abgerutscht und in die Tiefe gefallen. Beide Male konnte er den Sturz nur mit großer Mühe verhindern, und sein Herz raste wie verrückt.

Nie wieder, dachte er. Nie wieder setze ich mich einer solchen Gefahr aus. Er sprang ins weiche Gras, kippte um und verspürte einen glühenden Schmerz im rechten Fußgelenk. Mit verzerrtem Gesicht presste er die Kiefer zusammen und stöhnte leise.

Einer von Alf Pratis Leibwächtern erschien auf der Terrasse und zündete sich eine Zigarette an. Im Haus durfte nicht geraucht werden.

Bruno lag hinter einem Busch, ihn konnte der große Kerl nicht sehen. Aber die Schmuckschatulle lag drei Meter von ihm entfernt wie auf einem grünen Präsentierteller.

Bruno überlegte: Soll ich sie liegen lassen oder holen und riskieren, dabei entdeckt zu werden?

„Holen!“, sagte eine Stimme in ihm.

„Aber vielleicht ist sie leer“, hielt er im Geist dagegen.

„Du bist doch ein Spieler. Hopp oder drop.“

Der Leibwächter wurde von Alf Prati gerufen. „Ja, Boss?“, antwortete der große, breitschultrige Mann sofort.

„Komm herein!“

„Ja, Boss!“ Der Mann machte noch einen kräftigen Zug, dann schnippte er die halb gerauchte Zigarette in den Busch, hinter dem Bruno Pfaff lag, und kehrte in die Villa zurück.

Bruno richtete sich vorsichtig auf. Der Schmerz im Fußgelenk hielt sich in erträglichen Grenzen. Er humpelte zur Schatulle, hob sie auf, klemmte sie sich unter den Arm und entfernte sich so unauffällig wie möglich.

Aber war er den Bodyguards tatsächlich nicht aufgefallen? Es gelang ihm zwar, das Grundstück unbehelligt zu verlassen, doch er fühlte sich nicht mehr wohl in seiner Haut, weil er nicht sicher sein konnte, dass niemand ihn bemerkt hatte. Vielleicht hatten sie ihn gesehen – und erkannt. Er war zwar nur ein kleines, unbedeutendes Licht in St. Pauli, jedoch bekannt wie ein bunter Hund, und er hatte absolut kein Verlangen danach, Alf Pratis Zorn zu spüren zu bekommen.

Von diesem Augenblick an begann ihm in Hamburg der Boden unter den Füßen zu heiß zu werden, und aus diesem Grund beschloss er, seine Zelte in einer anderen Stadt aufzuschlagen.

In einer Stadt, die weit entfernt von Hamburg war. In der Stadt, in der vor zweiundzwanzig Jahren seine Wiege gestanden hatte.

Er fuhr nach Hause. Als er die Kellerwohnung betrat, fragte Rosy Kupfer: „Was ist mit deinem Fuß los? Wieso hinkst du?“ Sie war gerade dabei, ihre roten Zöpfe neu zu flechten.

„Bin umgekippt“, knurrte Bruno Pfaff.

„Was ist das für eine Schatulle?“

„Frag nicht so viel. Pack deine Siebensachen, wir verduften.“

„Für lange?“

„Für sehr lange.“

„Und wohin?“

„Nach München“, antwortete Bruno.

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