Читать книгу Privatdetektiv Tony Cantrell Sammelband #4 - Fünf Krimis in einem Band - A. F. Morland - Страница 44

Оглавление

38


Die „Esmeralda“ war schon eingelaufen.

Ein stolzes großes weißes Frachtschiff. Die Mannschaft war noch an Bord. Die Waffen sicher auch noch. Die Dunkelheit brach so schnell über den Hafen herein, als hätte jemand das Tageslicht ausgeknipst.

Cantrell suchte sich einen guten Beobachtungsposten zwischen zwei mächtigen Kränen, die sich zum anthrazitfarbenen Himmel emporreckten.

Hinter Cantrell erstreckte sich ein hohes langes Lagerhaus.

Der Anwalt konnte von seiner Position aus das ganze Schiff sehen. Er nahm an, dass die Waffenlieferung Laurence Fulton aus seinem Versteck locken würde. Cantrell glaubte nicht, dass Fulton die Waffen von einem seiner Leute übernehmen lassen würde. Ein Mann wie Fulton wollte diesen triumphalen Augenblick genießen.

Da kam auch schon ein mitternachtsblauer Lincoln angerollt. Die Chromteile blitzten, und die Weißwandreifen leuchteten. Der Lincoln machte den Eindruck, als käme er soeben aus der Auslage eines Autosalons.

Zwei Männer stiegen aus.

Sie hatten die rechte Hand in der Tasche ihres Trenchcoats. Es waren die Leibwächter. Sie blickten sich aufmerksam nach allen Seiten um. Erst als sie überzeugt davon waren, dass die Luft sauber genug war, um von Laurence Fulton gefahrlos eingeatmet werden zu können, nickten sie zum Wagen hin.

Nun stieg noch ein Mann aus dem Fahrzeug.

Fulton.

Klein. Dick. Mit Hut und Zigarre. Kurzatmig. Rote Backen, Froschaugen und schwammige Ohrläppchen. Sein Schneider war ein Künstler. Aus dieser Figur eine elegante Erscheinung zu machen, war eine beachtliche Leistung.

Laurence Fulton.

Der Mann, der über Leichen ging. Einer der erfolgreichsten Verbrecher, die zur Zeit in Chicago lebten. Er setzte die alte Gangstertradition fort. Er war ein ebenbürtiger Partner der Mafia, mit der er ab und zu zusammenarbeitete. Er beherrschte den Rauschgiftmarkt, das Glücksspiel und die Prostitution.

Nun war er auch ins Waffengeschäft eingestiegen.

Cantrell richtete sich auf.

Da hörte er plötzlich das Wimmern von Polizeisirenen. Von allen Seiten näherte sich das nervöse Jaulen.

Die Männer im Trenchcoat rissen ihre langläufigen Waffen aus den Taschen.

Lauter, immer lauter wurde das Heulen der Sirenen.

Fulton wandte sich blitzschnell um und sprang mit einer Behändigkeit, die man ihm nicht zugetraut hätte, in den Lincoln. Schon brüllte der Motor auf. Das Fahrzeug raste los.

Die zurückgebliebenen Leibwächter starrten sich bestürzt an.

Auf der „Esmeralda“ herrschte plötzlich aufgeregtes Treiben. Scheinwerfer flammten auf und bestrichen mit ihren weißen Milchfingern den Kai. Von überall her kamen Polizeiwagen. Ihre Rotlichter zuckten ununterbrochen. Sie versperrten jeden Fluchtweg.

Cantrell sah dem davonrasenden Lincoln nach. Laurence Fulton kam nicht weit. Er musste feststellen, dass es für ihn keinen Ausweg gab.

Er riss das Steuer des Wagens herum.

Der Lincoln tanzte mit jaulenden Pneus um die eigene Achse. Als die Reifen wieder griffen, schoss der Wagen wie ein Pfeil zu jenem Punkt zurück, wo Fulton eingestiegen war.

Nun fielen die ersten Schüsse. Die Leibwächter hatten das Feuer auf die Polizisten eröffnet. An Bord der „Esmeralda“ hämmerten mehrere Maschinenpistolen los.

Nun begann es auch zwischen den Streifenwagen aufzublitzen.

Das Krachen und Hämmern ließ die Luft erzittern.

Laurence Fulton glaubte, immer noch eine Chance zu haben.

Er wollte das allgemeine Durcheinander dazu benützen, um seine Haut doch noch in Sicherheit zu bringen.

Der Lincoln änderte die Richtung. Fulton raste auf das Lagerhaus zu. Der schwere Wagen fegte an Cantrells Versteck vorbei. Cantrell sprang sofort hoch und rannte hinter dem Wagen her. Kugeln pfiffen über ihn hinweg. Er duckte sich.

Er hatte nicht die Zeit, sich zu fragen, wieso die Polizei hierhergekommen war. Vielleicht hatte Timothy Smith noch einmal geredet.

Mitten in das Getöse gellte ein markerschütternder Schrei. Einer der Leibwächter wankte schreiend. Er schoss bis zuletzt. Eine zweite Kugel streckte ihn nieder.

Der andere Leibwächter überlebte seinen Freund nur um wenige Sekunden.

Fulton hatte den Wagen vor dem Lagerhauseingang gestoppt.

Nun sprang er hastig aus dem Fahrzeug. Cantrell kam angerannt.

Fulton lief zur Tür, riss sie auf und verschwand im Lagerhaus.

Zehn Sekunden später war Cantrell an der Tür. Er konnte nicht einfach hineinrennen. So leicht wollte er es Fulton nicht machen.

Er stieß die Tür auf. Prompt begann Fulton zu feuern.

Cantrell wartete den günstigsten Augenblick ab. Dann sprang er geduckt und mit einem wahren Panthersatz durch die offenstehende Tür.

Fulton rannte eine eiserne Treppe hoch. Er schoss, verfehlte Cantrell aber.

Der Anwalt feuerte auf den Mündungsblitz, doch Fulton hatte seine Position gewechselt.

„Fulton!“, schrie Cantrell.

Das Echo dröhnte durch das Lagerhaus, während draußen ein immer heftiger werdendes Feuergefecht zwischen der Schiffsbesatzung und den Polizisten tobte.

„Geben Sie auf, Fulton! Sie haben keine Chance mehr!“

Statt zu antworten, schickte Fulton von oben eine Kugel herunter. Cantrell warf sich zur Seite und keuchte die Eisentreppe hinauf.

Auch Fulton begann zu laufen. Es war erstaunlich, wie gelenkig der Kerl war.

Cantrell hetzte die Treppe hoch. Fulton schoss wieder auf ihn. Die Kugel verfehlte den Anwalt um Haaresbreite. Cantrell biss sich erschrocken auf die Unterlippe. Er war verdammt unvorsichtig. Eine solche Blöße durfte er Fulton nicht noch einmal geben.

Fulton rannte höher.

Cantrell eilte ihm nach. Eine Kugel schlug gegen das Eisengeländer und zirpte als Querschläger davon. Wieder lief Cantrell ein paar Stufen hoch. Fultons Vorsprung verringerte sich. Was würde der Gangsterboss nun tun? Vor Fulton lag nur noch das Flachdach des Lagerhauses. Fulton musste erkennen, dass er dort oben keine Chance hatte. Auf einem Dach, das blank war wie ein Billardtisch.

Fulton erreichte die Tür, die auf das Dach führte. Cantrell hielt keuchend inne.

Als Fulton die Tür oben zuschlug, rannte er weiter. Schneller. Entschlossener. Jetzt musste die Entscheidung fallen.

Fünfzehn Stufen noch.

Cantrell rannte hinauf. Nun stand er an der Tür. Sein Herz hämmerte wild in seiner Brust. Er schwitzte. Seine Finger umklammerten den Kolben der Waffe.

Da draußen würde sich alles entscheiden.

Cantrell wollte sein Leben auf keinen Fall aufs Spiel setzen. Er war sich der Gefahr bewusst, die dort draußen auf ihn lauerte.

Sollte er warten?

Fulton würde nicht zögern, ihn zu erschießen. Cantrell starrte auf den Türgriff. Sollte er es wagen? Oder sollte er warten, bis die Polizei einen Hubschrauber anforderte?

Warten! Cantrell hätte das nicht durchgestanden. Er wollte, dass die Entscheidung jetzt fiel. Nicht erst in einer halben Stunde.

Blitzschnell stieß er die Tür auf.

„Feierabend, Fulton!“, brüllte er.

Der Gangsterboss schoss sofort. Cantrell schnellte auf das Dach. Er krümmte den Rücken, warf sich nach vorn und rollte sich über die Schulter ab.

Es wäre nicht nötig gewesen.

Fultons Waffe war leer geschossen.

Cantrell kam sofort wieder auf die Beine. Er richtete seine Pistole auf den Gangsterboss, der am Dachrand stand.

Fulton schleuderte ihm wutschnaubend die unbrauchbar gewordene Waffe entgegen.

Cantrell ging entschlossen auf den Mann zu, der so viele Menschenleben auf dem Gewissen hatte. Er hatte nur mit dem Finger geschnippt, und wieder hatte jemand über die Klinge springen müssen.

Lenny Coburn. Der Musiker im Tanzlokal. Donald Remsberg. Bibi Garner. Nur ein paar Namen von einer langen Liste.

„Ein guter Spieler weiß, wann er verloren hat, Fulton“, sagte Cantrell.

Laurence Fulton erwartete ihn unbeweglich und mit starrer Miene.

Unten hatten die Cops inzwischen die Mannschaft der „Esmeralda“ überwältigt.

Cantrell sah Lieutenant Rollins. Neben Harry stand Cyril Brass, der Mann, der Butch angeschossen hatte. Wie Cantrell später erfuhr, hatte Brass schon während des ersten Verhörs gesungen. Er hatte alles gesagt, was er über Fulton wusste und mit seinem Geständnis diesen Polizeieinsatz ermöglicht.

Nur noch vier Schritte trennten Cantrell von Fulton. Der Mann starrte ihn mit seinen seelenlosen Augen feindselig an.

Er gab nicht auf.

Nicht so, wie Cantrell es sich vorgestellt hatte.

Laurence Fulton tat etwas, womit Cantrell nicht gerechnet hatte.

Cantrells Kopfhaut zog sich plötzlich zusammen. Der Anwalt riss die Augen auf.

„Nicht! Fulton! Tun Sie es nicht!“

Fulton wusste, dass es für ihn keine Chance mehr gab. Und er zog die Konsequenzen daraus, indem er mit einem weiten Satz vom Dach des Lagerhauses sprang. Er sprang, als würde er einen Kopfsprung in ein Schwimmbecken machen.

Cantrell stockte das Blut in den Adern.

Der Aufprall war deutlich zu hören ...

Privatdetektiv Tony Cantrell Sammelband #4 - Fünf Krimis in einem Band

Подняться наверх