Читать книгу Sammelband 6 Krimis: Tödlicher Rachefeldzug und andere Krimis für Strand und Ferien - A. F. Morland - Страница 44
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DIE DÄMMERUNG HATTE sich wie grauer Spinnweben über die Kleinstadt Newburgh an der Interstate 87 gelegt.
Wir trafen als letzte vor dem Hotel New Plaza in Newburgh ein, was schlicht und ergreifend daran lag, dass wir auf Grund unseres Abstechers nach Norden den längsten Weg zurückzulegen hatten. Selbst mit Rotlicht auf dem Dach hatten wir es einfach nicht schneller schaffen können.
Jay und Leslie begrüßten uns.
Jeannie McNamara hatten wir ebenfalls verständigt. Sie war bereits seit einer Viertelstunde vor Ort.
Außerdem hatten wir noch Unterstützung durch Beamte des zuständigen County Sheriffs.
„Die Handy-Ortung lässt keinen Zweifel daran, dass sich zumindest das Gerät im Haus befinden muss!“, sagte Jay. „Wir haben dafür gesorgt, dass alles umstellt wird.“
„Ist die Hotelleitung schon eingeweiht?“, fragte Milo.
Jay nickte. „Ist sie. „Wir brauchen nur noch hineingehen und sie festnehmen. Oder ihn.“
„Es ist eine Frau“, erklärte ich. „Ich wette jedenfalls, dass die DNA-Spuren im Wagen von Catherine Jackson mit der Person, die wir gleich festnehmen werden übereinstimmen. Außerdem hat ja Max unterwegs angerufen. Er hat festgestellt, dass ein gewisser James Paldren vor dreieinhalb Jahrzehnten im Alter von drei Jahren starb, als sich seine Mutter mit ihm und seiner Schwester aus dem Obergeschoss eines Hauses stürzte. Die Schwester überlebte übrigens dieses Unglück.“
„Worauf warten wir jetzt eigentlich noch?“, fragte Leslie Morell. „Schlagen wir zu!“
Fünf Minuten später standen wir vor Paldrens Zimmertür. Ein Tritt ließ sie zur Seite fliegen. Milo stürmte als erster in das Zimmer.
Eine schlanke Frau mit langen blonden Haaren stand da und stieß einen Schreckensschrei aus. Auf dem einen Doppelbett lagen Männerkleider, deren sie sich wohl gerade entledigt hatte. Jetzt trug sie ein elegantes Kostüm.
„Hände hoch und nicht bewegen!“, rief Milo. Wenige Augenblicke später klickten schon die Handschellen.
„Wollen Sie zu James? Der ist im Moment nicht hier!“
„Nein, wir wollen zu Ihnen“, widersprach ich.
Ihr Gesicht veränderte sich vor unseren Augen. Die Züge wurden markanter. Die Stimme tiefer.
Abgesehen von der Perücke mit den blonden Haaren hatte ich keinerlei Zweifel daran, es tatsächlich mit dem James Paldren zu tun zu haben, mit dem ich gesprochen hatte.
„Was fällt Ihnen ein, Agent Trevellian? Ihr Verhalten war schon bei der ersten Vernehmung sehr unangemessen. Aber jetzt schießen Sie den Vogel ab...“
„Sie haben das Recht zu schweigen“, belehrte ich sie. „Falls Sie von diesem Recht keinen Gebrauch machen, kann alles, was Sie von jetzt an sagen, vor Gericht gegen Sie verwendet werden...“
Ich hatte nicht das Gefühl, dass mein Gegenüber diese Worte überhaupt begriff.
„Als erstes muss mit Ihnen eine psychiatrische Untersuchung durchgeführt werden“, erklärte ihr Jeannie McNamara in sehr ruhigem Tonfall. „Dazu werden Sie in eine Klinik in Albany gebracht.“
Die blonde Frau sah uns jetzt einfach nur fassungslos an. Die Perücke war leicht verrutscht. Aber das schien sie im Augenblick nicht im Mindesten zu scheren.
„Was denken Sie, liegt da vor, Jeannie?“, wandte ich mich an unsere Psychologin. „Ich will damit natürlich keiner gewiss notwendigen sorgfältigen Diagnose vorgreifen.“
Jeannie wandte das Gesicht in meine Richtung und hob die Augenbrauen. „Haben Sie schon einmal etwas von einer multiplen Persönlichkeit gehört?“
„Ja, habe ich.“
„Ich nehme an, genau das liegt hier vor. Auf Grund traumatischer Erlebnisse in der Kindheit spaltet sich die Persönlichkeit in mehrere Einzelpersönlichkeiten auf, die abwechselnd die Kontrolle übernehmen. Haben Sie gesehen, wie plötzlich James die Kontrolle bekam. Er kennt Sie, Jesse und hat entsprechend reagiert.“
„Verstehe“, nickte ich. „In diesem Fall hat Rachel Paldren also ihren toten Bruder in sich selbst weiterleben lassen, indem sie zeitweilig seine Rolle übernimmt. In dieser Rolle kann sie dann Dinge tun, die sie ansonsten abstoßend fände.“
„Zum Beispiel Morde begehen“, stellte Milo fest.
„Warten wir ab, was der DNA-Vergleich ergibt“, meinte ich.
Mein Handy klingelte.
Es war erneut Carmen Hernandez.
„Wollen Sie weiter mit mir Katz und Maus spielen, Carmen?“, fragte ich. „Wir können das noch eine ganze Weile so fortsetzen, aber eigentlich ist diese Nummer für Leute gedacht, die tatsächlich in Not sind. Und für die sollte sie eigentlich auch offen bleiben. Also, wenn Sie mir jetzt etwas zu sagen haben.“
„Es tut mir leid, Agent Trevellian“, sagte sie. „Es ist nur so, dass ich keine Papiere habe und deswegen nicht vor Gericht erscheinen kann und dergleichen mehr. Ich will aber nicht, dass man mich aus diesem Land wieder hinauswirft.“
„Vertrauen Sie mir“, sagte ich. „Es muss ja niemand wissen, wer mein Informant war, wenn man das überhaupt so nennen kann.“
Sie atmete tief durch.
„Ich habe gelogen. Ich hatte an dem Abend, als der Mord geschah doch Dienst, aber Danny, mein Boss wollte keinen Ärger, weil er eine Illegale beschäftigt hat, wenn Sie verstehen was ich meine.“
„Das tue ich.“
„Ich möchte auf keinen Fall, dass er einfach verhaftet wird.“
„Das ist sehr löblich. Aber jetzt kommen Sie zur Sache und berichten mir, was Sie zu berichten haben.“
Es folgte eine Pause, die lang genug war, um daran zu zweifeln, dass wir noch miteinander verbunden waren.
Schließlich sagte sie: „Kommen Sie zu Danny’s Drugstore. Dort warte ich auf Sie.“