Читать книгу Tardellis Fall in San Francisco: Ein Roberto Tardelli Thriller #76 - A. F. Morland - Страница 7
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ОглавлениеRoberto Tardellis Zeitgefühl kam ganz schön durcheinander. Chicago, New York, Washington … Er war überall und nirgends zu Hause, blieb nur so lange, bis der Knoten gelöst war, den die Ehrenwerte Gesellschaft geknüpft hatte, um dann gleich wieder einen neuen Einsatz zu übernehmen. Eine wahre Hetzjagd war das manchmal, und er wunderte sich darüber, dass er diesen permanenten Stress aushalten konnte. Sein Privatleben war so gut wie nicht vorhanden. Wenn er mal ein paar Stunden mit einem hübschen Mädchen, das ihm über den Weg gelaufen war, verbrachte, war das schon das höchste der Gefühle.
COUNTER CRIME-Agent zu sein war ein Job, für den nicht jedermann geeignet war. Nur die Besten und die Härtesten konnten diesen Job unbeschadet überstehen.
Roberto reiste von Chicago an.
Er traf am frühen Nachmittag in San Francisco ein. Über der Stadt hing eine Dunstglocke. Es war ein feuchtkalter Oktobertag. Das Wasser in der San Francisco Bay war grau wie der Himmel.
Roberto bestieg ein Taxi.
Der Fahrer setzte ein freundliches Lächeln auf. „Willkommen in Frisco, Sir.“
„Danke.“
„Das war mal die Stadt der Blumenkinder.“
„Ich kenne den Song von Scott McKenzie. Was ist aus den Blumenkindern geworden?“
„Keine Ahnung. Sie sind in der Versenkung verschwunden, nachdem sie erfahren hatten, dass es unmöglich ist, alle Menschen zu lieben. Ich habe zum Beispiel einen Nachbarn, den könnte ich glatt erwürgen …“
Roberto schmunzelte. „Fahren Sie mich in die Powell Street. Hotel Golden State.“
„Wird gemacht, Sir“, sagte der Cab Driver. Während der Fahrt schüttete er Roberto dann sein Herz aus. Er ließ kein gutes Haar an seinem Nachbarn. Als sie das Hotel erreichten, gab Roberto ihm den Rat, sich nach einer anderen Wohnung umzusehen. Er bezahlte den Fahrpreis und gab reichlich Trinkgeld.
Er wies auf die Scheine und meinte lächelnd: „Die Anzahlung für ein Eigenheim hätten Sie bereits.“
„Haben Sie eine Ahnung, was Eigenheime in dieser Stadt kosten. Der reinste Wucher ist das.“
Roberto holte seine Reisetasche aus dem Kofferraum und begab sich in das Hotel, in dem er telefonisch gebucht hatte. Der Mann an der Rezeption händigte ihm den Schlüssel aus und sagte: „Sie werden in der Cocktailbar erwartet, Mister Tardelli.“
Roberto nahm es nickend zur Kenntnis, suchte die Bar jedoch nicht sofort auf, sondern begab sich zuerst auf sein Zimmer, hobelte sich mit dem elektrischen Rasierapparat die nachgewachsenen Bartstoppeln vom Gesicht und badete in Agua Brava, einem spanischen Rasierwasser, das er im Duty-Free-Shop in Chicago gekauft hatte.
Er war hier mit Colonel Myer, dem Chef von COUNTER CRIME – jener geheimen Abteilung des Department of Justice, deren voller Name Counter Organized Crime Departement lautete verabredet.
Myer musste eine Maschine früher in Frisco eingetroffen sein.
Roberto suchte ihn in der Cocktailbar.
Myer war ein großer Mann mit kantigen Gesichtszügen und kurzgeschnittenem, silbergrauem Haar. Er lächelte, als Roberto auf den Tisch zuging, an dem er allein saß. Neben ihm lag ein schwarzer Aktenkoffer auf der gepolsterten Sitzbank. Vor sich hatte der Colonel einen Martini stehen.
„Guten Tag, Sir“, sagte Roberto.
„Hallo, Roberto“, gab der Colonel mit seiner metallischen Stimme zurück. „Hatten Sie einen guten Flug?“
„Er war wie viele andere.“ Roberto setzte sich.
Myer winkte dem Kellner. „Was möchten Sie trinken?“, fragte er seinen besten Mann.
„Whisky. Mit viel Soda“, sagte Roberto.
Nachdem er den Drink bekommen hatte, nahm er einen Schluck. Er stellte das Glas ab, legte seine Hände darum, blickte dem Colonel in die Augen und sagte: „Ich höre, Sir. Was haben Sie diesmal für mich?“
„Es gärt in San Francisco. Die Mafia scheint ihre Machtpositionen ausbauen zu wollen. Der Mob beabsichtigt offenbar, seine Einflusssphäre auszuweiten. Man will die Stadt besser in den Griff bekommen.“
„In den Würgegriff!“, sagte Roberto gallig.
„Diese Gangster halten sich für die absoluten Herren dieser Stadt. Wer nicht nach ihrer Pfeife tanzt, muss sterben. Uns kam zu Ohren, dass die Cosa Nostra ein Großreinemachen unter ihren Gegnern plant. Wenn wir dem keinen Riegel vorschieben, wimmelt es in San Francisco demnächst nur so von Toten.“
Roberto nippte an seinem Drink. „Die Aufgabe reizt mich, Sir.“
„Das dachte ich mir. Deshalb habe ich Sie nach Frisco gerufen.“
„Haben Sie Unterlagen für mich?“
„Ich möchte, dass Sie zunächst einer mysteriösen Sache nachgehen.“
„Okay. Worum handelt es sich?“
„Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie Richter Abraham Ross gekannt.“
Roberto horchte auf. Gekannt!, hatte der Colonel gesagt. „Was ist passiert, Sir?“, wollte Roberto sofort wissen.
Myer öffnete seinen Aktenkoffer und reichte ihm ein Foto. Es zeigte einen Mann, der auf einem Gehsteig in einer Blutlache lag. „Abraham Ross“, sagte Myer.
Eine junge Frau ging an ihrem Tisch vorbei. Roberto drehte das Bild schnell um. „Wann ist das passiert?“, wollte er wissen.
„Vor zwei Tagen. Die offizielle Version lautet: Selbstmord.“
Roberto schüttelte den Kopf. „Quatsch. Richter Ross hat sich niemals selbst das Leben genommen.“
„Das ist auch meine Meinung. Aber die Polizei sieht das anders. Ross soll wegen seiner Frau von der Terrasse seines Penthouse gesprungen sein.“
„Wegen Susan? Er hat sie doch geliebt.“
„Sie wollte die Scheidung.“
„Tatsächlich? Warum?“
„Sie behauptet, es ging mit ihnen nicht mehr weiter. An dem Abend, als Richter Ross sich angeblich das Leben nahm, hat er noch einmal mit ihr telefoniert. Er wollte sie umstimmen, zu ihm zurückzukehren. Sie hatte ihn verlassen. Aber sie blieb hart. Deshalb soll er gesprungen sein.“
„Abraham Ross war kein Mensch, der so etwas getan hätte!“, behauptete Roberto Tardelli.
„Er hatte einigen Alkohol im Blut.“
„Keine zehn doppelten Whiskys hätten etwas an seiner Einstellung zum Leben geändert. Sie war immer positiv.“
„Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?“, fragte der Colonel.
„Vor vier, fünf Monaten.“
„Welchen Eindruck machte er auf Sie?“
„Er wirkte überarbeitet.“
„Kam es Ihnen nicht so vor, als hätte er Sorgen?“
„Hatte er welche?“
Myer nickte. „Ich bin davon überzeugt. COUNTER CRIME hat die Urteile unter die Lupe genommen, die Richter Ross in den letzten beiden Jahren gefällt hat.“
Roberto sah den Colonel neugierig an. „Was ist dabei herausgekommen?“
„Er saß in dieser Zeit über eine erkleckliche Anzahl von Mafiosi zu Gericht.“
„Und?“, fragte Roberto. Er ahnte schon, was kommen würde.
„Lauter Freisprüche. Obwohl die Beweise in den meisten Fällen ausgereicht hätten, um die Gangster für lange Zeit zu verdonnern.“
„Verdammt!“, entfuhr es Roberto Tardelli. „Er hat mafiagerechte Urteile gefällt. Das sah ihm nicht ähnlich.“
„Sein Kontostand ist ansehnlich.“
„Sie meinen, die Cosa Nostra hat ihn bezahlt?“
„Auch davon bin ich überzeugt.“
„Abraham Ross‘ Gesinnung konnte man nicht mit Geld kaufen. Es heißt zwar immer, jeder Mensch hat seinen Preis, aber es gibt Ausnahmen. Ross war eine solche.“
„Der Preis muss nicht immer Geld sein“, gab Colonel Myer zu bedenken. „Haben Sie sich das schon mal überlegt, Roberto?“
„Was könnte man dem Richter sonst geboten haben?“
„Vielleicht das Leben seiner Frau.“
Roberto nickte. „Das ist es. Das war Abraham Ross einzige Schwachstelle: seine Frau. Der Mob hatte das sehr schnell raus, und er setzte den Richter damit unter Druck.“
„So sehe ich das auch. Die Polizei hingegen hat den Fall bereits zu den Akten gelegt. Selbstmord, weil Susan Ross die Scheidung verlangte. Dabei bleibt es.“
„Wenn nicht jemand handfeste Beweise dafür liefert, dass Richter Ross nicht aus freien Stücken in den Tod gegangen ist.“
„Ich möchte, dass Sie diese Beweise beschaffen, Roberto, und diejenigen, die für Ross‘ Tod verantwortlich sind, hinter Gitter bringen.“
„Es wird mir ein Vergnügen sein, Sir.“
„Meiner Ansicht nach hat Richter Ross mit dem Mob Schluss gemacht. Er muss ihnen erklärt haben, dass sie mit ihm nicht mehr rechnen könnten. Daraufhin setzten sie ihn auf die schwarze Liste, und er wurde das erste Opfer beim geplanten Großreinemachen in dieser Stadt.“
„Ich werde die Schuldigen zur Verantwortung ziehen!“, versprach Roberto Tardelli. Aber er machte sich nichts vor. Es würde bestimmt nicht leicht sein, dieses Versprechen zu halten.