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Der Mörder hieß Werner Zobel – ein Mann, der im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen ging. Eiskalt, skrupellos, kaltschnäuzig. Tote säumten seinen Weg. Er hatte seine Karriere mit siebzehn begonnen. Ein Freund hatte ihn mit einigen Leuten zusammengebracht, und er musste zunächst eine Menge Dreckarbeit erledigen, ehe man ihn für größere Aufgaben, bei denen mehr heraussprang, verwendete.

Zobel hatte bald die Nase voll, sich hochdienen zu müssen. Er erkannte, dass er zum Einzelgänger geboren war und stieg aus. Nach anfänglichen Hungermonaten bekam er seine ersten Mordaufträge, die er zur vollsten Zufriedenheit seiner Auftraggeber erledigte.

Die Mundpropaganda empfahl ihn weiter, und bald konnte er sich die Aufträge in der gesamten Bundesrepublik aussuchen und es sich leisten, Jobs, die nicht einträglich genug waren, abzulehnen.

Selbst Verbrecher der Cosa Nostra, die ihre eigenen Mörder hatten, wandten sich hin und wieder an ihn, und er hatte auch schon in Sven Habermanns Auftrag einige Männer ins Jenseits befördert.

Habermann – der würde jetzt vor Wut schäumen.

Werner Zobel grinste. Er saß in seinem Wagen und fuhr aus der Innenstadt heraus. Stephan Kranz hatte nicht geglaubt, dass er, Zobel, es tun würde. Kranz hatte darauf gebaut, dass niemand es wagen würde, ihm, Habermanns Freund, etwas anzutun.

„Du hast dir im Hinblick darauf ein bisschen zu viel herausgenommen“, knurrte Zobel grimmig. „Hättest wissen müssen, dass man so etwas mit mir nicht machen kann.“

Verdrossen erinnerte sich Zobel an den Auftrag, den er von Stephan Kranz übernommen hatte.

„Zwanzig Riesen sind dabei für Sie drin“, hatte Kranz großspurig gesagt.

„Hört sich verlockend an“, hatte Werner Zobel erwidert. „Was soll ich dafür tun?“

„Eine Kleinigkeit – für Sie. Es gibt einen Idioten, der denkt, mir Schwierigkeiten machen zu können. Ich habe ihn zweimal gewarnt. Er warf mich hinaus. So darf man Stephan Kranz nicht ungestraft behandeln, deshalb möchte ich, dass Sie sich seiner annehmen.“

„Warum nehmen Sie nicht einen billigeren Mann?“

„Weil ich mich darauf verlassen möchte, dass der Job in den besten Händen ist.“

„Wie heißt der Bursche?“

„Jonas Wilde. Er hat mir in letzter Zeit einige lukrative Geschäfte versaut, und er würde es weiter tun. Wenn es ihn nicht mehr gibt, kriege ich das Geld, das ich Ihnen bezahle, im Handumdrehen wieder herein.“

„Wenn das so ist, können Sie Wilde bereits abhaken“, hatte Werner Zobel gesagt, und war losgezogen, um den Auftrag auszuführen. Er erwischte Jonas Wilde in dessen Haus. Der Mann schwamm im Innenpool seine fünfundzwanzig Längen, ohne den Eindringling zu bemerken. Als er das Bassin keuchend verlassen wollte, stand Werner Zobel zwischen den verchromten Griffstangen der Leiter, und seine Kugel stieß das Opfer ins Wasser zurück.

Es war noch leichter gegangen, als Zobel es sich vorgestellt hatte. Die Schwierigkeiten stellten sich erst im Nachhinein ein. Als Zobel kassieren wollte.

Zuerst war Stephan Kranz verreist, und niemand wusste, wo er steckte. Da dachte sich Zobel aber noch nichts dabei. Als Kranz dann wieder im Lande war, vertröstete er den Killer mehrmals mit dem Bedauern, im Moment nicht flüssig zu sein. Und schließlich meinte er, dass für so einen leichten Job auch zehntausend Mark reichen müssten. Er glaubte, sich diesen Betrug als Sven Habermanns Freund erlauben zu können.

Doch Werner Zobel war nicht bereit, sich so etwas gefallen zu lassen. Er stellte Kranz ein Ultimatum, das dieser jedoch ignorierte, und so war der Mord heute Abend für Werner Zobel nur eine logische Folge.

„Habermanns Freund hin – Habermanns Freund her“, brummte der Killer. „Du hast mich reingelegt, und ich habe dir dafür die Quittung präsentiert, Stephan Kranz.“

Die Geschichte hatte nur einen einzigen Haken: Da er, Zobel, aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht hatte, wusste Sven Habermann nun, wer ihm den toten Freund beschert hatte, und das würde den Verbrecher zwingen, etwas gegen ihn zu unternehmen.

Also war es ratsam, für eine Weile von der Bildfläche zu verschwinden. Er konnte bei Britta Debner untertauchen. Sie arbeitete als Animiermädchen in einem drittklassigen Lokal, und keiner von Habermanns Leuten wusste, dass Zobel sie kannte.

Das Lokal befand sich in der Nähe des Wulfila-Ufers in Tempelhof. Als Zobel die Bar betrat, hängte sich eine vollbusige Blondine an seinen Hals. „Hallo, Süßer, spendierst du mir einen Drink?“

„Einen Eimer aus dem Tempelhofer Hafen kannst du haben. Verschwinde!“, schnauzte Zobel sie an und versetzte ihr einen schmerzhaften Stoß. Die Blondine wollte mit einer Schimpfkanonade loslegen, aber Zobels zorniger Blick ließ sie verstummen.

Er begab sich zum Tresen. „Bourbon!“, verlangte er.

Der Keeper, ein fülliger Bursche mit spärlichem Haarwuchs, stellte ein Glas vor ihn hin und goss ein. Zobel bezahlte den Drink sofort.

„Wo ist Britta?“, wollte er wissen.

Der Keeper warf einen Blick zu den Separees. „Britta ist im Moment beschäftigt.“

„So, ist sie das. Nun, dann wird sie ihre Arbeit eben unterbrechen“, meinte Zobel gleichmütig. Er trank seinen Bourbon und begab sich zu den Separees, bei denen es sich um geräumige Logen handelte, vor denen schwere Vorhänge hingen.

Zobel fegte den Vorhang der ersten Loge zur Seite – und störte Britta Debner bei einer ziemlich eindeutigen Beschäftigung. Sie zuckte hoch, streifte ihren Rock über die Schenkel und schloss mit einer Hand die Bluse.

Der Mann, um den sie sich gekümmert hatte, war ein kleiner dicker Glatzkopf, der nun wütend protestierte: „Was erlauben Sie sich!“

„Maul halten, du Ferkel“, sagte Zobel. „Weiß deine Frau, was du hier treibst?“

„Sie sind wohl nicht ganz bei Trost!“

„Komm heraus, Britta“, sagte Zobel, ohne sich weiter um den Mann zu kümmern.

„Sie haben kein Recht, dieses Mädchen wegzuholen! Verdammt noch mal, ich habe gutes Geld bezahlt, um ...“

Werner Zobel stopfte dem Mann ein paar Geldscheine in die Brusttasche. „Hier hast du deinen Zaster wieder. Such dir Ersatz.“ Der Mörder griff nach Brittas Arm und zog sie aus der Loge. „Mach deine Bluse zu, wir gehen.“

Das Mädchen blickte ihn entgeistert an. „Wohin?“

„Zu dir.“

„Hör mal, ich habe hier zu arbeiten. Ich kann nicht einfach nach Hause gehen.“

„Dein Chef wird dich für heute entschuldigen“, sagte Zobel.

„Er wird mich hinausschmeißen.“

„Du brauchst ihm bloß zu sagen, dass ich ihn mir in diesem Fall vornehme, dann wird er dich behalten“, bemerkte Zobel. „Vorwärts jetzt. Ich hab‘s eilig.“ Während sie auf die Tür zugingen, schloss Britta Debner die Knöpfe ihrer weißen Bluse. Sie war keine Schönheit, aber sie hatte das gewisse Etwas – Sex-Appeal. Ihr braunes Haar war kurz geschnitten, die grünen Katzenaugen leicht schräggestellt, der Gang geschmeidig und aufreizend. Ihr ganzes Wesen sprach die verborgensten Instinkte der Männer an, und das schon, seit sie die Schule verlassen hatte. Sie gehörte zu der Sorte von Mädchen, für die jeder andere Beruf als der, den sie ausübte, undenkbar war.

Der Keeper blickte Britta und dem Killer verdattert nach.

„Bestell deinem Boss einen schönen Gruß von mir!“, rief ihm Werner Zobel zu. „Sag ihm, er kann erst morgen wieder mit Britta rechnen, und ich würde es ihm sehr krummnehmen, wenn er der Kleinen deswegen Ärger macht.“

Sie verließen die Bar, und Britta musste in Zobels Wagen steigen.

„Du glaubst wohl, dir alles herausnehmen zu können, wie?“, fauchte Britta zornig.

„Fast alles“, erwiderte Zobel grinsend.

„Ich werde nicht gefragt. Ich muss einfach tun, was der Herr befiehlt.“

„So ist es“, bestätigte der Killer und fuhr los. „Du hast es erfasst, Baby.“

„Und wenn ich mal nicht will?“

„Oh, das würde ich dir nicht raten. Du bist nicht hart genug, um die Folgen auszuhalten.“

Britta Debner wusste, dass es gefährlich war, Werner Zobel zu beleidigen. Sie sagte aber trotzdem: „Ich kann so selbstherrliche Typen wie dich nicht ausstehen.“

„Du wirst dich an mich gewöhnen müssen, Baby“, erwiderte der Killer ungewöhnlich sanft.

„Wieso?“

„Weil ich für einige Zeit bei dir wohnen werde.“

„Bei mir?“, begehrte das Mädchen auf. „Bist du übergeschnappt? Du kennst doch meine Wohnung. Die ist so klein, dass ich kaum selbst darin Platz habe.“

„Ich erinnere mich, schon einige Male bei dir übernachtet zu haben.“

„Das ist etwas Anderes.“

„Wieso? Von nun an reihen sich die Übernachtungen einfach nahtlos aneinander.“

„Das kommt überhaupt nicht in Frage!“

„Lass uns bei dir zu Hause in Ruhe darüber reden, Baby“, meinte der Killer gelassen. Er bog um die nächste Ecke und ließ seinen Wagen vor einem vierstöckigen Gebäude ausrollen.

„Ich will mein eigener Herr sein“, stellte Britta Debner kampflustig fest. „Ich vertrage nicht ständig einen Mann um mich.“

Er lächelte. „Ich denke, wir werden sehr gut miteinander auskommen. Du wirst Tisch und Bett mit mir teilen, und wir werden eine Weile ein Leben wie ein Ehepaar führen.“

„Nicht mit mir!“, fauchte das Mädchen. „Du kannst meinetwegen heute Nacht bleiben, aber morgen empfiehlst du dich wieder und suchst dir eine andere Bleibe.“

„Wir reden darüber“, meinte der Killer ruhig. „Oben. In aller Freundschaft.“

Er betrat mit ihr das Haus. Sie fuhren mit dem klappernden und ächzenden Lift zum vierten Stock hoch. Britta Debner schloss die Tür zu ihrer Wohnung auf, und Werner Zobel ließ ihr höflich den Vortritt.

Er drückte hinter sich die Tür ins Schloss, während sie Licht machte. Die Wohnung bestand nur aus einem Raum. Links befand sich eine Kochnische. Auf dem Bett, auf Stühlen und Sesseln lagen Wäschestücke.

Zobel schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. „Du bist sehr unordentlich, Baby. Muss das denn sein?“

„Wenn ich gewusst hätte, dass ich heute noch so hohen Besuch kriege, hätte ich aufgeräumt und den Boden gebohnert“, erwiderte das Mädchen.

Er schlug sie unvermittelt. Mit dem Handrücken ins Gesicht. Sie schrie erschrocken und überrascht auf und fiel auf das Bett. Aus ihrer Nase sickerte Blut.

„Du Schwein! Warum hast du das getan?“, schrie Britta.

„Ich sagte doch, wir würden in aller Ruhe und Freundschaft miteinander reden“, entgegnete Werner Zobel und schlug noch einmal zu. Diesmal mit der Faust. Die Wucht des Treffers warf sie auf den Rücken. Der Mörder war sofort über ihr.

„Jetzt hör mir mal genau zu, Baby“, sagte er schneidend. „Umstände, die dich nichts angehen, machen es erforderlich, dass ich für eine Weile untertauche. Deine Wohnung erscheint mir als Versteck ideal, deshalb werde ich deine Gastfreundschaft so lange in Anspruch nehmen, wie‘s mir passt. Es wäre verdammt unklug von dir, mir diese Gastfreundschaft zu verwehren. Ich könnte auch ohne dein Einverständnis hier wohnen und dafür sorgen, dass du auf den Friedhof übersiedelst. Hast du mich verstanden?“

Britta Debner nickte völlig verängstigt.

Er ließ sie los. Sie wagte nichts mehr zu sagen. Ihre Augen schwammen in Tränen. Werner Zobel konnte fordern, was er wollte, denn auf seiner Seite war das Recht des Stärkeren.

Mordachse Berlin - Rio: Berlin 1968 Kriminalroman Band 30

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