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„Und wenn du schon in der Bank bist, lieber Bernd – wolltest du nicht gleich den Änderungsauftrag abgeben?“

Bernd sah seine Franziska mit großen Augen verwundert an.

„Änderungsauftrag?“, wiederholte er.

Franziska lächelte und nahm ihn in den Arm.

„Ich hatte in Erinnerung, dass wir über eine Gehaltserhöhung gesprochen hatten. Die Geschäfte liefen doch hervorragend, und wenn ich mir die monatlichen Abrechnungen so ansehe...“

„Ach, Franzi!“, hatte der Privatdetektiv lachend geantwortet. „Musst du immer gleich jede meiner Bemerkungen auf die Goldwaage legen?“

Bester Stimmung betrat er seine Bankfiliale.

Er hatte tatsächlich am Schreibtisch einen Änderungsantrag ausgefüllt. Aber der eigentliche Grund des Bankbesuches war seine Kreditkarte, der er verloren hatte.

Es passierte wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

Plötzlich waren sie da, als wären sie aus dem Marmorboden gewachsen: drei unheimliche Typen, groß, schlank, gefährlich. Sie trugen breitrandige Hüte, Sonnenbrillen, die das halbe Gesicht verdeckten, der Kragen ihrer Jacken war hochgeschlagen. Und in den Fäusten hielten sie Pistolen.

Das gesamte Bankpersonal war schlagartig gelähmt. Auch die Kunden wagten nicht, den kleinen Finger zu rühren. Bernd dachte an die Waffe, die in seinem Schulterhalfter steckte. Aber im Augenblick wäre es Selbstmord gewesen, nach ihr zu fassen.

Wie eine Hammelherde wurden sämtliche in der Bank befindliche Personen im Kundenraum zusammengetrieben. Nur der Kassierer musste in seinem Glaskäfig sitzen bleiben. Einer der Gangster stand neben ihm und hielt ihm den Lauf seiner Pistole an den Kopf.

„Bleib bloß vom Fußschalter weg, mein Freund!“, zischte der Verbrecher mit verstellter Stimme. „Sonst hörst du es verdammt laut knallen, und dein Hirn fliegt bis zum nächsten Schalter hinüber!“

Der Kassierer rollte verstört mit den Augen. Schweiß brach aus seinen Poren. Er saß so steif da, als hätte er einen Ladestock verschluckt.

Bernd Schuster und die anderen mussten sich auf den Bauch legen.

„Alle lassen die Nase unten!“, schrien die beiden Bankräuber. „Wenn einer von euch den Kopf hebt, kriegt er ’ne Kugel. Alles klar?“

Bernd hörte die ängstlichen Leute um sich herum heftig keuchen. Er war wütend, aber er wusste, dass es klüger war, im Augenblick den Befehlen der Gangster zu gehorchen. Der Marmor war kalt. Bernd lag mit der linken Wange darauf. Es kribbelte ihn in den Fingern. Seine Pistole war eine große Verlockung für ihn. Er konnte kaum widerstehen. Es kann manchmal sehr schwer sein, der Vernunft zu gehorchen. Vor allem dann, wenn man zornig ist.

Der Kassierer bekam Plastiktüten.

„Einpacken!“, fauchte der Kerl, der neben ihm stand. „Und zwar alles!“

Mit zitternden Händen schob der Kassierer die Banknotenbündel in die Tüten. Seine Miene zeigte Wehmut, als müsse er sich von seinem Eigentum trennen. Das war es zwar nicht, aber dieses Geld war ihm anvertraut, und es sträubte sich in ihm alles, weil er gezwungen war, die vielen Scheine an Verbrecher auszuhändigen. Der blanke Selbsterhaltungstrieb zwang ihn, zu gehorchen.

„Schneller!“, bellte der Gangster ungeduldig. Er hob die Waffe und schlug mit ihrem Lauf auf die Schulter des Kassierers. Der Mann verzog schmerzhaft das Gesicht und stöhnte leise auf. „Weiter! Nun mach schon!“, stieß der Verbrecher wütend hervor.

Sobald alles Geld in den Tüten war, stieß der Kerl am Geldschalter einen schrillen Pfiff aus. Die anderen kamen zu ihm. Jeder griff sich eine Tüte. Nun musste auch der Kassierer aus seinem Käfig kommen.

„Leg dich neben die anderen auf den Boden!“, wurde ihm befohlen.

Er legte sich neben Bernd und zitterte vor Wut.

„Herhören!“, brüllte einer der Gangster. „Ihr rührt euch jetzt fünf Minuten nicht vom Fleck! Fünf Minuten, verstanden?“

Schritte. Die Kerle stürmten zum Bankausgang. Bernd hob den Kopf.

„Wieviel haben sie erwischt?“ fragte er den Kassierer.

„85. 000 Mark!“, stöhnte dieser.

„Ich will versuchen, das Geld zurückzuholen“, zischte Bernd und federte auf die Beine.

„Sind Sie wahnsinnig?“, schrie ein Mann halb links. Vermutlich mit voller Hose. „Die knallen Sie ab, wenn Sie die Nase aus der Bank stecken.“

„Keine Sorge“, gab Bernd Schuster zurück. „Ich kann ganz gut auf meine Nase aufpassen. Und auf alles Übrige auch.“ Seine Hand glitt ins Jackett. Er zog die Pistole, legte den Sicherungsflügel um und stürmte hinter den Bankräubern her.

„Er ist verrückt!“, hörte er den Mann ächzen. „Vollkommen verrückt! Ein Selbstmörder ist er! Kann ihn denn keiner zur Vernunft bringen?“

Bernd warf die Glastür auf. Die Gangster jagten über den Gehsteig auf einen Wagen zu, dessen Motor leise blubberte. Ein fleischiger Kerl saß am Steuer des Wagens. Als seine Komplizen angelaufen kamen, warf er die Türen für sie auf, damit sie sofort in den taubengrauen Mercedes springen konnten.

Da kamen plötzlich Martinshörner die Straße heran. Einer der Bankräuber stieß einen Fluch aus. Die Gangster warfen die Nylonsäcke in den Fond. Ehe sie jedoch alle einsteigen konnten, waren die beiden Polizeifahrzeuge da.

„Verdammt!“, schrie einer von ihnen. „Jemand muss uns verpfiffen haben.“

Die Kerle richteten ihre Waffen sofort auf die Beamten. Und schon im nächsten Augenblick brach die Hölle los. Ein ohrenbetäubendes Knallen trieb die Passanten in die umliegenden Häuser. Bernd eröffnete ebenfalls das Feuer. Die Gangster zwangen ihn mit einem Kugelhagel in Deckung.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sprang ein Mann aus seinem Dienstwagen. Bernd sah den grauen Wollkopf und wusste, wer es war: Inspektor Manfred Zimmermann, ein harter Mann, einer, der mit Gangstern wenig Federlesens machte.

Diesmal nahm sich Zimmermann allerdings zu viel vor. Bernd standen die Haare zu Berge, als er sah, was gleich geschehen musste. Zimmermann war als Draufgänger bekannt, und er hatte es seinem überaus tüchtigen Schutzengel zu verdanken, dass er trotz seiner 55 Jahre in all den vielen Einsätzen, die er bereits hinter sich gebracht hatte, niemals einen Kratzer abbekommen hatte. Vielleicht war es diese Tatsache, die ihn meinen ließ, er wäre unverwundbar.

Einmal ist immer das erste Mal.

Für Zimmermann war es diesmal. Schießend kam er über die Straße gerannt. Sein kantiges Gesicht war zu einer grimmigen Maske erstarrt. Wie ein gnadenloser Racheengel schnaufte er vorwärts. Man konnte es Mut nennen, oder sträflichen Leichtsinn. Zimmermann forderte sein Schicksal regelrecht heraus. Bernds Kopfhaut zog sich schmerzhaft zusammen, als es passierte.

Manfred Zimmermann wurde mitten im Lauf getroffen. Die Kugel stoppte ihn, rüttelte seinen kräftigen Körper durch. Er riss die wasserhellen Augen auf, war verblüfft, dass ihm nach einer so langen Glückssträhne so etwas geschehen konnte, konnte nicht begreifen, dass sich eine Gangsterkugel in seinen Bauch verirrt hatte.

Die Waffe entfiel seiner Hand. Er brach ächzend zusammen. Bernd federte aus seiner Deckung, als er das sah und feuerte blindwütig auf die Bankräuber. Die sprangen nun atemlos in ihren Wagen, der sofort mit brüllendem Motor davonraste.

Bernd und die Polizisten schickten dem Fluchtwagen noch einige Kugeln nach. Ein Projektil zerschlug die Heckscheibe des Verbrecherautos, aber dadurch war das Fahrzeug nicht zu stoppen.

Zimmermann lag mitten auf der Fahrbahn. Bernd lief zu ihm. Einer der Beamten warf sich in den Streifenwagen und nahm unverzüglich die Verfolgung der Gangster auf. Von drüben kam Zimmermanns Assistent, Jan Bruhns, mit kreidebleichem Gesicht gelaufen. Er war schneller beim Inspektor, wollte den Schwerverletzten aufheben und zum Fahrbahnrand tragen.

„Nicht anfassen!“, schrie Bernd besorgt. „Ein Bauchschuss ist eine verflucht kritische Angelegenheit.“

Bruhns Hände zuckten zurück. Er hob den Kopf und erkannte Schuster. Sein Blick drückte Ratlosigkeit aus. Er war verstört und klapperte vor Erregung mit den Zähnen.

„Mein Gott, wie konnte das bloß passieren?“, stieß er keuchend hervor.

„Das kann ich Ihnen sagen“, erwiderte Bernd mit schmalem Mund. „Er hat es regelrecht herausgefordert. Schnell, Bruhns, laufen Sie zu Ihrem Wagen. Wir brauchen ganz dringend einen Krankenwagen.“

Bruhns wirbelte auf den Hacken herum. Bernd sank neben Zimmermann auf die Knie. Der Inspektor war bei Bewusstsein. Er hatte glasige Augen, aber er erkannte Bernd Schuster.

„Bernd!“, gurgelte er. „Sie ... trifft man immer da, wo was los ist ...“

„Besser, Sie sind still, Manfred“, riet Bernd dem Mann. Der Inspektor krampfte seine Finger in die Bauchdecke. Ununterbrochen quoll Blut aus der Schusswunde. Zimmermann knirschte mit den Zähnen. Er hatte entsetzliche Schmerzen. Unter seinem Körper bildete sich eine Blutlache.

‚Herrje, er verblutet!‘, dachte Bernd bestürzt. ‚Der Mensch hat fünf bis sechs Liter Blut in seinem Körper. Wieviel davon befindet sich bereits auf der Straße?‘

Was bei Bauchverletzungen zu tun war, wusste Bernd. Beim Verletzten stellten sich zuerst Schmerzen und dann Übelkeit ein. Bis zum Erbrechen. Zimmermann würgte bereits. Bernd stellte die Beine des Mannes behutsam auf. Er riss sich das Jackett von den Schultern, rollte es zusammen und schob diese Rolle unter Zimmermanns Knie. Dann fasste er unter den Kopf des Inspektors und hob ihn etwas an.

„Der Krankenwagen ist schon auf dem Weg, Manfred!“, sagte Schuster eindringlich.

Zimmermann wurde von einem heftigen Schüttelfrost gepackt. Es sah sehr schlimm für ihn aus. Bernd ließ sich seine Sorge jedoch nicht anmerken. „Man sollte Sie verprügeln, Manfred!“, wetterte er. „Wie konnten Sie nur so schrecklich leichtsinnig sein?“

„Ich sah rot ...“

„Das sehe ich jetzt auch. Und es ist Ihr Blut!“, knurrte Schuster.

Jetzt gab es den obligaten Menschenauflauf. Die Gefahr war vorüber. Nun wollten alle den Schauplatz besichtigen. Die Leute kamen so nahe heran, dass sie beinahe auf den Verletzten traten.

„Zurück!“, schrie Bernd die Leute wütend an. „Zurück! Verdammt noch mal, hier gibt es nichts zu sehen! Was wollt ihr denn? Wollt ihr in seinem Blut baden?“

Endlich kam Bruhns zurück. Er boxte sich durch die gaffende Menge und drängte die Leute von Zimmermann weg.

„55 Jahre...“, röchelte Manfred Zimmermann.

„Still!“, zischte Bernd nervös.

„55 Jahre ... habe ich auf mich ganz gut aufgepasst ...“

„Halten Sie doch den Mund, Manfred! Das Reden tut Ihnen nicht gut.“

„Ich muss reden ...“

„Gar nichts müssen Sie, verdammt noch mal!“, schnauzte Bernd den starrsinnigen Inspektor an.

„Ein Ende ... auf der Straße“, seufzte Zimmermann. „Umgeben von gaffenden Leuten - Gott, wie hasse ich das ...“

„Muss ich Ihnen den Mund zuhalten, Manfred“, blaffte Schuster gereizt. „Was heißt denn Ende? Sie können sich noch nicht aus dem Staub machen. Sie sind erst 55. Man wird Sie ins Krankenhaus schaffen, wird die Kugel aus Ihrem Bauch herausholen, wird Sie wieder zusammenflicken, und Sie werden in Ihr Revier zurückkehren. So sieht’s aus. Von Ende kann überhaupt nicht die Rede sein, Manfred!“

„Es ... brennt ganz teuflisch, Bernd ...“

„Ich weiß, dass ein Bauchschuss kein Honiglecken ist, Manfred. Aber Sie müssen deshalb noch lange nicht daran denken, den Löffel wegzulegen. Die Chirurgen sind die reinsten Zauberer. Sie werden wieder wie neu, Manfred. Sie können mich beim Wort nehmen.“

Bernd hob den Kopf und suchte Bruhns Augen. Sein Blick fragte: Wo bleibt bloß der Krankenwagen? Soll Zimmermann hier verbluten? Jan Bruhns hob verzweifelt die Schultern.

„Es brennt ...“, stöhnte Zimmermann.

„Es geht vorbei.“

„Es brennt, als hätten sie mir eine Phosphorkugel in den Bauch geschossen ...“, röchelte Zimmermann. Dann erschlaffte sein Körper. Bernd fuhr ein Eissplitter ins Herz. Gemurmel um ihn herum. Er legte sein Ohr auf Zimmermanns Brust. ‚Dem Himmel sei Dank‘, dachte er. ‚Er lebt noch. Sein Herz schlägt noch‘.

„Nur eine Ohnmacht“, sagte er zu Bruhns.

Noch in derselben Minute kam der Krankenwagen ...

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