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Einen ganzen Monat verbrachte Manfred Zimmermann im Krankenhaus. Es gab Komplikationen. Die Narbe brach auf. Er musste erneut operiert werden. Aber Zimmermann nahm das alles tapfer auf sich. Mit einer unwahrscheinlichen Verbissenheit wollte er genesen. Bernd besuchte den Inspektor so oft wie möglich. Zwei Männer, die sich bislang nur beruflich und kaum mal privat begegnet waren, fanden in diesen Tagen zueinander. Es bahnte sich eine merkliche Freundschaft zwischen den beiden an. Bernd redete von der Zukunft, um Zimmermann über die Gegenwart hinwegzubringen. Der Inspektor war gezwungen, als er das Bett verlassen durfte, ein dickes Stahlkorsett zu tragen, aber er war psychisch schon so weit genesen, um darüber Witze zu reißen.

Gleich nach dem Krankenhausaufenthalt musste Manfred Zimmermann einen vierwöchigen Erholungsurlaub antreten. Von da kehrte er gestärkt, tatendurstig und braungebrannt nach Berlin zurück. Er fieberte dem Tag seines Dienstantritts entgegen. Eine Menge Untersuchungen zögerten die Arbeitswiederaufnahme noch etwas hinaus. Die Ärzte rieten Zimmermann, sich künftig zu schonen, er wäre zwar wieder halbwegs auf dem Posten, aber wenn er sich zu sehr überanstrengte, konnte es unter Umständen zu schlimmen Rückfällen kommen. Er sagte zu allem Ja und Amen, nur um endlich grünes Licht zu bekommen.

Und dann war der große Tag für Zimmermann da, wo er an seinen heiß geliebten Schreibtisch zurückkehren durfte. Im Großraumbüro seines Reviers gab es lauter strahlende Gesichter, als er da eintraf. Nur ein Gesicht strahlte nicht: das von Georg Brandt.

Brandt hatte den Inspektor während seiner zweimonatigen Abwesenheit vertreten und sich bereits gute Chancen ausgerechnet, den Posten demnächst ganz zu kriegen - mit Titel und offizieller Ernennung zum Revierleiter.

Nach wie vor trug der Inspektor sein Stahlkorsett. Wann er es ablegen durfte, wussten die Götter.

Er versammelte die Mannschaft um sich. Alle freuten sich, dass er wieder da war. Nur Brandt nicht. Da er seinen Dienst nicht überraschend antrat, hatten sich Zimmermanns Leute darauf vorbereiten können. Sie hatten die schäbigen Wände des Raumes mit Girlanden dekoriert, hatten Geld zusammengelegt und damit einen ganz seltenen Kaktus für ihren Chef gekauft. Als sie ihm das stachelige Ding überreichten, stiegen ihm die Tränen in die Augen.

„Ihr seid ja verrückt!“, schrie er, obwohl er begeistert war. „Das Prachtstück muss ja ein Vermögen gekostet haben!“

„War nicht so schlimm, Chef“, grinste Jan Bruhns.

„Haben wir Weihnachten, he?“, fragte Zimmermann seine Männer.

„Ein kleines Geschenk zum Wiedersehen“, meinte Bruhns. „Damit Sie sehen, dass Sie uns immer noch willkommen sind.“

Zimmermann bedankte sich für das Geschenk mit bewegten Worten. Dann ballte er die Fäuste. „Teufel, ihr denkt doch hoffentlich nicht, dass ich mich mit diesem albernen Kaktus von euch hinterhältigen Kerlen bestechen lasse!“

Die Männer grinsten.

„Ich verlange wie eh und je bedingungslosen Einsatz!“, rief Zimmermann. „Ist das klar, Männer?“

„Glasklar!“, riefen die Leute wie aus einem Mund.

„Dann will ich euer Geschenk mit Vorbehalt annehmen“, schmunzelte der Inspektor und trug den Kaktus in sein Büro. Drinnen wandte er sich um und plärrte: „Brandt!“

Der Gerufene setzte sich sofort in Marsch. Er war ein drahtiger Kerl, ohne einen Freund im Revier. Ein Ellenbogenmensch. Manche schimpften ihn hinter der vorgehaltenen Hand ein Charakterschwein. Brandt machte es nichts aus, über Leichen zu gehen. Wenn es ihm einen persönlichen Vorteil brachte, verpetzte er Gott und die Welt an seine Vorgesetzten. Er trat ein. „Inspektor?“

„Schließen Sie die Tür!“, befahl Zimmermann.

Brandt machte das. Er blieb stehen, und Zimmermann bot ihm keinen Platz an. Mit umwölktem Blick sagte der Inspektor: „Ich habe mir vorhin Ihr Gesicht genau angesehen, Georg. Ist verdammt hart für Sie, dass ich an meinen Schreibtisch zurückkehre, wie? Ich weiß, wie es in Ihnen aussieht. Sie haben sich bereits als neuen Leiter dieses Reviers gesehen, hab’ ich recht?“

„Inspektor, Sie unterstellen mir da etwas ...“

Zimmermann winkte mürrisch ab.

„Ihr enttäuschtes Gesicht straft Sie Lügen, Brandt. Versuchen Sie sich jetzt nicht rauszureden! Tut mir leid, dass Sie sich schon zu früh gefreut haben, Georg. Werden wohl noch eine Weile auf diesen Posten warten müssen. Wird bestimmt nicht leicht sein für Sie, aber was können Sie dagegen tun?“ Jetzt grinste Zimmermann spöttisch. „Gar nichts können Sie tun. Nur den Mund halten und arbeiten - so wie bisher.“

Brandt war diese Konfrontation in höchstem Maße peinlich. Er war mehr für den Partisanenkampf: Messer von hinten. Solche offenen Schlachten liebte er nicht. Sein Blut brodelte. Er hatte Mühe, sich zu beherrschen, ließ über sich ergehen, was ihm Zimmermann an den Kopf warf und schaffte es, nicht einmal mit den Zähnen zu knirschen.

Nachdem ihn der Inspektor aus seinem Büro geschickt hatte, ließ er sich von der Zentrale mit Schuster verbinden. Am anderen Ende der Leitung sagte Franziska Jahn ihr Sprüchlein auf: „Detektei Schuster. Büro für private Ermittlungen ...“

Zimmermann verlangte Bernd Schuster und bekam ihn umgehend. Bernds Stimme überschlug sich vor Freude.

„He, Manfred. Wieder in Amt und Würden?“

„Na klar“, lachte der Inspektor. „Und wissen Sie, was ich als Erstes getan habe?“

„Was denn?“

„Ich habe den Kerl, der verdammt scharf auf meinen Posten ist, ziemlich gründlich heruntergeputzt. Mann, war mir das ein Vergnügen.“

„Wie läuft die Arbeit?“, erkundigte sich Bernd.

„Bin noch ein bisschen aus dem Tritt, aber das wird schon wieder.“

„Und wie ist das Befinden des werten Bauches?“

„Kann nicht klagen.“

„Sie sollten sich trotzdem schonen, Manfred“, riet Bernd dem Inspektor.

„Alle Welt rät mir das“, gab Zimmermann zurück. „Schonen! Schonen kann ich mich, wenn ich pensioniert bin. Wie sieht’s aus, Bernd. Haben Sie mal Zeit, sich mit einem alten Inspektor auf ein Schnäpschen zusammenzusetzen?“

„Aber mit dem größten Vergnügen! Sagen Sie wann, ich werde kommen.“

„Passt es Ihnen morgen Abend?“

„Es passt mir immer.“

„Ich rufe dann morgen noch mal an, okay?“

„Tun Sie das!“

„Bernd ...“

„Ja, Manfred?“

„Ich möchte Ihnen danken.“

„Wofür denn?“, lachte Schuster.

„Sie haben sehr, sehr viel für mich getan, Bernd“, sagte Manfred Zimmermann ernst.

„Sie müssen Dinge nicht bereden, die selbstverständlich sind, Manfred“, sagte Bernd.

„Sie sind ein verdammt netter Kerl.“

Schuster lachte. „Das weiß ich.“

Tags darauf trafen sie sich.

Dann gab es für Bernd einen Fall, der ihn für längere Zeit in Beschlag nahm. Er konnte sich nicht mehr um Zimmermann kümmern, war einer Rauschgiftbande auf den Fersen und kämpfte mit Klauen und Zähnen darum, diesen mächtigen Ring zu sprengen und der gefährlichen Schlange mit einem gewaltigen Streich den Kopf abzuschlagen. Sicherheitshalber nahm Bernd seinen Gelegenheits-Assistenten Knut mit, um Rückendeckung zu haben.

Am ersten Tag seines neuen Falles klappte Manfred Zimmermann zum ersten Mal zusammen. Es traf ihn wie ein furchtbarer Schock. Plötzlich begriff er, dass er nicht mehr vollwertig war, dass diese Gangsterkugel aus ihm einen Krüppel gemacht hatte, obwohl man ihm das nicht ansah. Erschüttert stand er vor dieser schrecklichen Tatsache, mit der er sich nicht abfinden konnte.

Verbissen und verzweifelt schleppte er sich durch die nächsten Wochen. Die Schwächeanfälle mehrten sich. Aber Zimmermann suchte keinen Arzt auf. Zumeist warf es ihn zu Hause nieder, und niemand wusste davon. Zweimal hatte sich aber auch schon in seinem Büro plötzlich der Boden unter seinen Füßen aufgetan. Er war gestürzt, und nur durch Zufall war seinen Mitarbeitern das entgangen.

Mit einem Mal begann der Inspektor seinen Stellvertreter zu fürchten. All die anderen Männer seines Reviers würden sich bedenkenlos hinter ihn stellen. Aber Brandt? Der würde sofort seine Chance wittern. Brandt würde erkennen, dass Zimmermann, der knurrende Wolf, krank war, und er würde gewiss alles versuchen, um ihm blitzschnell die Flanken aufzureißen.

Georg Brandt war die größte Gefahr! Zimmermann wusste das. Er ging dem Mann aus dem Weg, schickte ihn in alle Himmelsrichtungen, um ihn vom Revier fernzuhalten. Abends putschte er sich mit kreislaufstärkenden Mitteln auf - und trotzdem hatte er innerhalb von 24 Stunden wieder mit zwei kritischen Ohnmachtsanfällen zu kämpfen.

Eine Weile gelang es ihm, seine Schwäche zu vertuschen. Aber dann bekam es Brandt spitz, und er leitete sofort alles in die Wege, was in einem solchen Fall zu tun war. Ein Revier zu leiten, war eine verantwortungsvolle Aufgabe. Die konnte man doch unmöglich in den schwachen Händen eines kranken Mannes lassen. Man wurde höheren Orts auf Zimmermanns Zustand aufmerksam. Brandt wusste das entfachte Feuerchen geschickt zu schüren. Intrigen waren sein Fall. Er wusste, durch welche Kanäle er schlüpfen musste, um Manfred Zimmermann zu Fall zu bringen.

Tödlicher Anschlag in Tegel: Berlin 1968 Kriminalroman Band 57

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