Читать книгу ZORA - A. J. Benada - Страница 5
III
ОглавлениеAnthalia war ein großes, weites Land. Keine Seele hatte jemals die Grenzen seines riesigen Reiches zu Gesicht bekommen, geschweige denn sie übertreten.
Nicht nur Magie und Geheimnisse, sondern vor allem seine unbeschreibliche Schönheit und abgrundtiefen Schatten zeichneten Anthalia aus.
Es war das Zuhause von verwunschenen Wesen, unglaublichen Kreaturen und den fantastischsten Märchen, die man sich überhaupt vorstellen konnte.
Anthalia war -- ja, einfach einzigartig.
Das kleine Dorf, in dem Zora lebte, schmiegte sich auf der einen Seite schutzsuchend an ein von Kiefern gesäumtes Gebirge; auf der anderen Seite wurde es von einer endlosen Ebene gesäumt.
Ein breiter Fluss schlängelte sich durch den Ort, welcher die Gemeinschaft täglich mit frischem Wasser versorgte.
Die Bewohner waren einfach Leute. Selten kam jemand von außerhalb vorbei, höchstens ein Dutzend Reisende pro Jahr. Jeder kannte hier jeden und wenn man sich noch nicht begegnet war, dann geschah dies spätestens bei eines der zahlreichen Feste, die zu jedem möglichen und unmöglichen Anlass gegeben wurden.
Allerdings blieben diese feuchtfröhlichen Gelage in letzter Zeit aus. Grund dafür war die gnadenlose Wärme, welche sich wie ein Tuch über das friedliche Fleckchen gelegt hatte, und dieses nun zu ersticken drohte. Nicht nur wurde der lebenswichtige Fluss immer mehr durch die brütende Hitze ausgetrocknet, auch schrumpfte den Bauern ihre Ernte einfach unter der Hand weg.
Die verzweifelte Gemeinde konnte nichts anderes tun als sich der grausamen Laune der Natur zu beugen und machtlos dabei zusehen, wie sie Vieh, Menschen und Pflanzen unaufhaltbar ausdürrte, sie verwelken lies und einen nach dem anderen dahinraffte.
Doch das Schlimmste stand ihnen noch bevor.
Die Nacht war erfüllt von stetiger Unruhe und kläglichen Schreien der hungernden Kinder.
Zora spürte jeden einzelnen von ihnen wie einen Stich in ihrem Herzen. Seit Stunden schon wälzte sie sich in ihrem Bett von einer Seite auf die andere. Tausend Fragen spukten ihr im Kopf herum bis er brummte wie ein überfüllter Bienenstock.
Nur Fragen. Keine Antworten.
Wie wird es weitergehen? Was sollte nur werden? Wie lange wird sie hier noch überleben können?
Was wird bloß der nächste Tag bringen? Oder sollte sie besser fliehen wie ihre Nachbarn? Aber wohin?
Und was würde dann aus dem Dorf? Und aus Amon, ihrem Verlobten..?
Sie drehte sich um und betrachtete liebevoll sein Gesicht. Amon. So schön und stark. So schüchtern und schlau. Er war der erste Mann, der sie wirklich interessiert hatte.
Aber er hatte nur Augen für die anderen Mädchen gehabt, und so hatte sie ihre Sehnsüchte und Hoffnungen tief in ihrem Inneren verborgen.
Eines Abends dann hatte er sie beim wöchentlichen Dorffest angesprochen.
Zora lächelte bei dieser Erinnerung.
Damals war sie vor Schreck über ihr Festkleid gestolpert und fast hätte sie glatt eine peinliche Bruchlandung hingelegt, hätte er sie nicht im letzten Augenblick galant aufgefangen. Sie schenkte ihm dafür ein riesiges Lächeln. Sie waren hinunter zum Fluss gegangen, wo sie einander stundenlang Geschichten erzählt, Sterne betrachtet und den Geräuschen der Nacht gelauscht hatten.
So lernten sich die beiden langsam kennen, bei jedem Fest ein wenig mehr, und schon bald wusste Zora fast alles über den jungen Bauern. Wenn sie sich trafen, brauchte es keine großen Worte. Nach einem kurzen Blick auf ihre Gesichter wussten sie immer sofort in welcher Stimmung der andere sich diesmal befand. Ob er heute stur und verärgert war, oder ob sie sich traurig und irgendwie mutlos fühlte. Doch meistens verbrachten sie eine fröhliche Zeit miteinander. Auch nachts. Immer öfter kam es vor, dass Zora im Haus von Amon schlief, wo er gern sein Bett mit ihr teilte.
Die beiden waren jederzeit füreinander da, teilten sich Freud, Leid und Geheimnisse; und sie versüßten sich gegenseitig den Tag mit kleinen Überraschungen.
Oder mit großen. Wie zum Beispiel der schlichte, schöne Ring den er ihr nach einem Bad im Fluss, als sie sich auf der Wiese gesonnt und getrocknet hatten, ansteckte. Sie hatte ihn erstaunt angeschaut und seine klaren Worte vernommen.
'Willst du meine Frau werden?'
Sie war komplett sprachlos gewesen, es war wie in einem Traum, und als sie sich gefasst hatte, nickte sie nur, Tränen in den Augen; und er hatte sie lachend gepackt, sie wie eine Feder in die Luft gehoben und herumgewirbelt bis ihnen schwindelig geworden war.
Zora konnte sich ein Leben ohne ihren Amon nicht mehr vorstellen. Er war ihr ein und alles.
Sanft strich sie ihm über die Haare und küsste ihn.
Nein, sie würde nirgendwo ohne ihn hingehen.
Leise erhob sie sich, ging zu dem kleinen Fenster hinüber und öffnete es vorsichtig.
Die Nacht war stickig und drückend heiß. Zora seufzte.
Normalerweise brauchte sie zu dieser Jahreszeit ein wollenes Nachthemd, aber nun war ihr sogar Amons Körperwärme unerträglich, was sie betrübte. Schließlich liebte sie den Klang seines Atem in ihrem Ohr wie ein Geflüster, und sie wollte ihn ganz nah bei sich zu wissen.
Irgendetwas lag in der Luft. Sie spürte es.
Zora wischte sich die winzigen Schweißtropfen von der Stirn und kniff ihre Augen zusammen. Was war das für ein roter leuchtender Punkt dort hinter der Lichtung? Sie beobachtete wie er größer und größer wurde.
Plötzlich hallten dumpfe Rufe durch die Dunkelheit. Stimmen erwachten, wurden lauter.
'Was ist da los?'
Amon war aufgesprungen. Verwirrt blickte er Zora an, kratzte sich am Kopf und war mit drei Schritten bei ihr. Sie zeigte auf den Punkt in der Ferne.
'Dort.'
Er folgte ihrem Blick.
'Was ist das nur?'
Amon konzentrierte sich. Er konnte nicht viel sehen., nur Nebel und Rauch und -- Halt. Wieso Rauch? Und mit einem Mal wusste er es. Es traf ihn wie ein Schlag.
Er packte sie am Arm.
'Zora, das ist ein FEUER!'
Der Wald brannte als erstes. In Sekundenschnelle sprangen die Funken auf die strohbedeckten Dächer der einfachen Dorfhäuser über und verbreiteten sich rasend.
Im nächsten Moment stand alles in Flammen.
Zora und Amon warfen sich ihre Kleidung über und rannten hinaus auf die Straße.
Die Szenerie, die sich ihnen bot, schien ein einziges Chaos. Überall war Panik ausgebrochen, Mensch und Tier stolperten übereinander. Manche von ihnen hatten Feuer gefangen und ihre Schreie gingen Zora durch Mark und Bein. Sie dachte, dass sich ihre entsetzten, schmerzerfüllten Gesichter für immer in ihrer Seele einbrennen würden. Es glich der Hölle. Und sie war mittendrin.
In dem ganzen Wirrwarr hatten einige Dörfler so etwas wie eine Art Wasserkette gebildet. Sie führte zum Fluss, welcher in letzter Zeit aber eher zu einem Bach geschrumpft war. Amon sah Zora an.
'Du gehst zum Ufer hinunter und hilfst beim Löschen... schnell!' sagte er bestimmt.
Er drückte ihr kurz einen Kuss auf die Wange zu und hastete dann in Richtung der Flammen.
'Was hast du vor?' rief sie ihm hinterher. Ihre angsterfüllte Stimme wurde vom Rauch erstickt und sie musste husten.
'Ich werde nachsehen ob jemand vom Feuer eingeschlossen ist, und wenn ja, muss ich versuchen ihn zu befreien. Mach dir keine Sorgen, alles wird gut.'
Und damit verschwand er im Nebel.