Читать книгу Geheimnis Schiva 2 - A. Kaiden - Страница 7
ОглавлениеKapitel 3: Montag, 9:30 Uhr
Sehnsüchtig wanderte ihr Blick auf die Armbanduhr. In wenigen Minuten würde endlich die erste große Pause beginnen. Natürlich war sie froh gewesen, als sie nach dem Vorfall im Betrieb nur noch eine weitere Woche ins Unternehmen gehen hatte müssen und nun der Blockunterricht in der Schule wieder begonnen hatte. Die letzten Tage waren schlimm genug gewesen. Frau Baumgärtner musste einen heftigen Anpfiff bekommen haben, sie hatte ihr nicht mehr in die Augen sehen können und war die gesamte Woche sehr geknickt gewesen. Laras schlechtes Gewissen war auf Hochtouren gelaufen und so lief es noch jetzt.
Sie hatte nicht viel geschlafen und der Unterricht war staubtrocken. Sie konnte sich nicht auf die Worte des Lehrers konzentrieren und schrieb gedankenverloren die Notizen auf der Tafel ab. Zu allem Unglück war Elena, von der sie gedacht hatte, eine Freundin gefunden zu haben, heute besonders zickig und ließ keine Gelegenheit aus, sie das spüren zu lassen. Lara fragte sich nur, was Elena dermaßen auf die Palme gebracht hatte, wo sie sich am Anfang der Ausbildung doch so gut verstanden hatten. Eigentlich hatte ihre Veränderung angefangen, als sie einen neuen Freund hatte. Seitdem war sie reizbarer gewesen und Lara hatte wohl den Fehler begangen, anderer Meinung zu sein als sie und das auch zu äußern. Nun blaffte Elena sie an, wo sie nur konnte. Sah alles als Angriff und Lara konnte einfach nicht mehr vernünftig mit ihr reden. Zum Glück war Steffi noch da und normal. Sie bremste Elena ab und an in ihrem russischen Temperament. Lara kam gut mit ihr klar. Eine richtige Freundin sah sie in Steffi jedoch nicht. Sie waren einfach zu verschieden und es gab Dinge, mit denen konnte sie sich nicht abfinden. Zum Beispiel, dass Steffi als Au Pair Mädchen gearbeitet hatte und dort mit dem Vater der zu betreuenden Kinder eine Affäre laufen hatte. Und das, obwohl sie in demselben Haus wie seine Frau übernachtet und am selben Tisch gemeinsam gegessen hatten. Lara verstand nicht, dass Steffi die gesamte Schuld dem Vater gab und keine bei sich selbst sah. Steffi war fest der Meinung, dass sie nichts falsch gemacht hatte, da sie zu dem Zeitpunkt Single gewesen war. Lara schüttelte schnell den Kopf. Sie konnte dieses Denken nicht nachvollziehen.
Als die schrille Schulglocke den Redefluss vom Lehrer unterbrach, und ihre Klassenkameraden aufgeregt aufsprangen und in den Pausenhof stürmten, streckte sie sich müde.
„Oh weh, du siehst aus, als hätte dich eine Dampfwalze erwischt. Das schreit förmlich nach einem Käffchen“, meinte Steffi und grinste sie von der Seite an. Auf Laras Gesicht breitete sich ein Lächeln aus und sie nickte dankbar.
„Kaffee klingt großartig.“
„Dann lass uns keine weitere Minute verlieren und kurz rüber zur Bäckerei springen. Was sagst du Elena, bist du dabei?“
Die Russin schaute etwas unzufrieden drein und rümpfte die Nase.
„Schon wieder? Wie viel Kaffee wollt ihr noch trinken?“
„Du musst nicht mit, wenn du nicht magst“, entgegnete Lara so freundlich wie möglich, während sie aufstand und ihre Jacke anzog.
„Pfh … klar, dass du mich nicht dabei haben möchtest!“
„Das habe ich doch gar nicht gesagt“, murmelte Lara und seufzte. Wieso war jedes Wort bei Elena zu viel? Drückte sie sich tatsächlich dermaßen missverständlich aus? Zum Glück kam ihr Steffi zur Hilfe.
„Quatsch, natürlich haben wir dich gerne dabei. Wenn du allerdings mitmöchtest, dann hüh. Wir haben nur noch 'ne knappe Viertelstunde zur Verfügung.“
Elena schien nicht ganz überzeugt und brummelte verdrossen vor sich hin, ließ es jedoch dabei gut sein und schlenderte hinter ihnen her. Lara genoss die warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut auf dem kurzen Weg zur Bäckerei auf der anderen Straßenseite. Sie quetschten sich zu dritt durch die lärmende Menschenmasse, die die Kaiserstraße füllte und beeilten sich, ihren Milchkaffee zum Mitnehmen zu besorgen. Danach bummelten sie gemütlich zurück in Richtung Berufsfachschule, blieben allerdings vor dem Gebäude stehen und betrachteten sich die Leute auf dem gegenüberliegenden Platz. Steffi und Elena fanden sofort eine Gruppe, über die sie lästern konnten. Darauf hatte Lara keine Lust. Sie kannte die Leute nicht. Wieso sollte sie sie verurteilen? Klar, manchmal entfleuchte ihr auch ein unfreundlicher Kommentar, doch eigentlich war ihr Motto, Leben und leben lassen. Warum konnten das die meisten Menschen nicht?
Gedankenversunken schaute sie sich um und versuchte, ihre Ohren auf Durchzug zu stellen. Das schöne Wetter lockte viele Leute auf die Straße. Sie schätzte, dass es sich bei den meisten um Studenten handeln musste. Warum das so war, ließ sich schlecht erklären. Allerdings hatte sie das Gefühl, dass Studenten einfach etwas anderes ausstrahlten. Ob es am hohen Selbstbewusstsein oder an manch arrogantem Blick und Lächeln lag, vermochte sie nicht zu sagen. Studierende wirkten einfach anders. Ihre Aufmerksamkeit blieb bei einem knuffigen Pärchen hängen, die angeregt über irgendwelche mathematischen Gleichungen diskutierten. Beide gestikulierten wild und trugen dicke Hornbrillen, die emsig hin und her wippten. Sie erinnerten sie an lustige Zeichentrickfiguren und sie konnte sich nicht an ihnen sattsehen, bis sich ihnen ein großer Mann näherte. Lara beschlich ein mulmiges Gefühl, als sie ihn musterte. Und das obwohl sie ihn nicht direkt von vorne sah und die grelle Sonne ihr die Sicht erschwerte. Er trug eine weite, dunkle Jeans, deren Bund für ihren Geschmack etwas zu tief saß. Wurden diese Hosen bei Männern wieder modern? Ihr Blick wanderte weiter und blieb kurz an seinem in Blautönen gehaltenen T-Shirt hängen. Ein greller Schriftzug war auf der Vorderseite, doch aus der Entfernung konnte Lara diesen nicht entziffern. Seinen rechten Arm zierte eine Fülle an Armbändern aus Stoff und Leder. Sie kniff die Augen etwas zusammen, um noch mehr erkennen zu können, während der junge Mann mit dem Pärchen sprach und ihnen ein Blatt entgegenhielt. Wenn sie es richtig erkannte, dann hatte er einen Undercut und seine restlichen schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Was faszinierte sie nur so an ihm? Ihr Herzschlag beschleunigte sich und ein aufregendes Kribbeln durchzog ihre Haut und ließ sie frösteln. Sie hatte das Gefühl, den jungen Mann zu kennen und bewegte sich automatisch auf ihn zu. Steffi hielt sie kurz am Handgelenk fest.
„He, wo willst du hin? Es wird jeden Moment läuten.“
„Ich bin sofort zurück“, murmelte Lara und wand sich aus ihrem Griff. Eine Straßenbahn ratterte vorüber und versperrte ihr für einen kurzen Moment die Sicht. Sie befürchtete schon, dass er verschwunden war, sobald das öffentliche Verkehrsmittel weg war, jedoch hatte sie Glück. Er war noch da. Sie schaute flüchtig nach links und rechts, dann überquerte sie zügig die Schienen. Der junge Mann wandte sich von dem Pärchen ab und drehte sich in ihre Richtung. Lara stockte der Atem. Ihre Beine weigerten sich, weiterzulaufen, und ihr Herz setzte für einen Schlag aus. Das konnte nicht sein. Sie blinzelte ein paarmal schnell hintereinander, aber das Bild blieb dasselbe. Für eine Sekunde trafen sich ihre Blicke und sie starrte geradewegs in seine tiefschwarzen Augen. Ein Schauer schüttelte sie und ließ sie zusammenzucken.
„Lara! Lara, die Glocke hat geläutet! Verdammt, was machst du denn da?“, schrie Steffi von der anderen Straßenseite.
„Wegen dir kommen wir noch zu spät!“, fügte Elena wütend hinzu.
Lara drehte sich nicht zu ihnen um, als sie ihnen antwortete: „Ich komme nach. Geht ihr schon mal vor!“
Sie wollte ihn auf keinen Fall entkommen lassen. Eilig hetzte sie hinter ihm her, als er drohte, in der Menschenmasse zu verschwinden. Er hatte einen schnellen Schritt und die vielen Leute machten es ihr nicht einfach, ihm zu folgen. Nur langsam holte sie auf. Wie konnte das sein? Wie konnte er hier sein? Er hatte seine Haare geändert, doch das Gesicht und vor allen Dingen seine Augen waren dieselben.
„Aua, kannst du nicht aufpassen!“, fuhr sie eine alte Frau an, die sie versehentlich bei ihrer Verfolgungsjagd unsanft angerempelt hatte.
„Es … ich … es tut mir wahnsinnig leid, das wollte ich nicht.“
„Das sollte es auch, junge Dame!“
„Ja, sorry“, murmelte Lara und sah sich hektisch um, doch vergebens. Sydney war weg.