Читать книгу In Dankbarkeit und Freude - Adalbert Ludwig Balling - Страница 27

III Im Dorf kannte jeder jeden Große Geheimnisse gab es keine Man war katholisch hielt zusammen half einander aus und fühlte sich geborgen in der Gemeinschaft Gleichgesinnter und ihrer überkommenen Sitten und Bräuche

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Nelson Mandela (1918–2013) schrieb einmal in einem Brief aus seiner Haft auf Robben Island, es gebe keine Macht der Erde, die es mit der Religion aufnehmen könne. Daher habe er so viel Achtung vor ihr.

In unserer fast ausschließlich katholischen Dorfgemeinschaft hatte der Ortspfarrer das Sagen. Er wurde von allen respektiert, geachtet und, vielleicht, auch ein bisschen gefürchtet. Gewiss, man hatte keine Angst vor ihm, nicht so wie vor den Polizisten im Dritten Reich. Oder wie vor dem einen oder anderen Nazi. Oder wie wir Kinder vor dem Schullehrer.

Nein, so nicht. Aber, wie gesagt, Hochwürden wurde allenthalben gehört, wenn er von der Kanzel predigte, oder auch sonst die Richtung vorgab. Also direkte Angst hatten wir vor ihm keine, allenfalls mal vor seinem Wolfshund. – Ein fränkisches Sprichwort heißt ja: Niemand im Dorf sei frecher als die Kinder des Lehrers und die Hunde des Pfarrers!

Natürlich spielte immer auch das Temperament des betreffenden Priesters eine Rolle. Die beiden Ortsgeistlichen, die ich kennenlernte, waren friedliebende Männer. Pfarrer Ferdinand Friedel (aus Metz in Elsass-Lothringen) war sehr beliebt. Seine beiden Schwestern sorgten selber dafür, dass die Hochachtung, die Herrn Hochwürden im Dorf entgegengebracht wurde, auch ihnen, den Pfarrdamen, zugute kam. Die Arbeit im Pfarrhaushalt und im Garten besorgte eine Haushaltshilfe, ein Magd, die fleißig und schweigend ihre Aufgaben erfüllte. Eine von den Stillen im Lande. Die Leute im Dorf schätzten dieses leicht nach vorne gebeugte, emsige, unauffällige Persönchen ganz besonders.

Nach Friedels Tod, Anfang der 1940er Jahre, übernahm Hans Spielmann die Pfarrei; er war gerade noch halb-heil den Händen der Nazis entkommen. In seiner früheren Gemeinde in der fränkischen Rhön war er von einer Hitler-Anbeterin (einer Volksschullehrerin) als Gegner des Dritten Reiches angeklagt worden. Nach mehrwöchiger U-Haft in Würzburg sollte er ins KZ Dachau überstellt – oder, schlimmer noch, vom Volksgerichtshof in Berlin zum Tode verurteilt werden. Da schaltete sich ein Verwandter seiner Haushälterin ein; der soll ein hohes Tier in der Wehrmacht gewesen sein. Tatsächlich schaffte er es, die Nazibeamten von der Unschuld des Priesters zu überzeugen. Spielmann wurde entlassen und von Bischof Matthias Ehrenfried in unsere relativ kleine Gemeinde versetzt.

Spielmann war allerdings gesundheitlich noch sehr gezeichnet von den Schrecken der Haft. Seine Nervosität schwand nie mehr ganz. In einem dicken maschinengeschriebenen Manuskript hielt er seine Erinnerungen an die Nazizeit fest. Mir vermachte er später, als ich schon Theologie studierte, das Original; eine Kopie dieser Memoiren ging an das Archiv der Diözese Würzburg.

Er, Pfarrer Hans Spielmann, war es auch, der mich auf die dritte Gymnasialklasse vorbereitete, und mich, ohne dass ich so recht wusste, was es damit auf sich hatte, zur Aufnahmeprüfung nach Miltenberg schickte. Ihm lag sehr daran, mich in einem bischöflichen Internat unterzubringen, wohl darum wissend, dass mein Onkel, Pater Calasanz Josef Hofmann12, der jüngste Bruder meiner Mutter, mich viel lieber ins Internat der Mariannhiller nach Reimlingen gelotst hätte. Ich glaube, nicht einmal meine Eltern hatten Spielmanns Hintergedanken wirklich durchschaut. Noch ehe Onkel Josef eingreifen konnte, hatte ich schon die Zusage bekommen: Ich werde ab September 1946 sowohl ins Kilianeum als auch in die dritte Klasse des Miltenberger staatlichen Gymnasiums aufgenommen.

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