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Das schwere Los der Landfrauen und Mütter

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Aber nun gleich wieder zurück zum Leben in einem fränkischen Dorf in den Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegsjahren: Nähmaschinen standen in fast allen Haushalten, aber Waschmaschinen kannte man noch lange nicht. Unsere Mama wusch noch alles per Hand; bei einem Haushalt mit vier Kindern und mehreren Erwachsenen eine schlimme Schinderei.

Auch bei meiner Schwester Rita (mit Mann und fünf Kindern), die 1958 heiratete, war es noch so. Allein das Windelwaschen war schon eine Plage; Wegwerfwindeln (Pampers) kannten erst später die Familien mit Kleinkindern. Es war dann schon eine riesige Erleichterung, als die Waschmaschine auch in die ländlichen Haushalte Eingang fand.

Natürlich war die Sorge um den Haushalt (Kochen, Waschen, Bügeln, Hausputz, Gemüsegarten etc.) für die Hausfrauen und Mütter nur ein Bruchteil der zu leistenden Arbeiten. Rita erledigte zum Beispiel zusätzlich auch die ganze Büroarbeit für das von ihrem Mann Bruno betriebene Lagerhaus. Bruno machte Außendienst, leitete die Getreide-An- und Verkäufe sowie das Trocknen der von den Bauern tonnenweise angekarrten Weizen- und Gerste-Ernte. – Bei Irene kam zum Haushalt und den vier Kindern das Textilgeschäft vor Ort, das Nähen von Vorhängen und weiterer ähnlicher Arbeiten im Laden. – Lioba, die Frau meines Bruders Georg, kümmerte sich um die drei Kinder, aber auch um den Haushalt, den Garten, die Schweine und Hühner sowie um das Melken im Kuhstall – ganz zu schweigen von den viele Monate im Jahr anfallenden Feldarbeiten.

Das sind nur drei Beispiele, wie ich es bei meinen Geschwistern beobachten konnte. Ähnlich schufteten alle Landfrauen im Dorf und im gesamten Ochsenfurter Gau, nicht selten auch jene Frauen, deren Männer ein Handwerk ausübten oder ein Geschäft führten.

Den Slogan Ora et labora (Bete und arbeite) hörte ich erstmals im Noviziat in Mönchsdeggingen, wo ich nach dem Abitur (1952) die Vorbereitungszeit auf das Ordensleben absolvierte. Da wurden wir (Anwärter auf das Ordensleben) nicht nur ins gemeinschaftliche und liturgische Beten eingeführt, sondern wir mussten nebenher, oft viele Stunden am Tag, auch körperliche Arbeiten verrichten wie Klostergänge schrubben, Holz spalten, Äpfel und Zwetschgen pflücken, im klostereigenen Forst neue Grenzzäune errichten – oder auch bei der Obsternte in der Spätberufenen-Schule (mit Internat) der Mariannhiller im benachbarten Reimlingen mithelfen. Solche Arbeiten war ich von zu Hause gewohnt. Insofern war das Noviziat für mich eher eine Fortsetzung jener Arbeiten, die ich daheim während meiner Schulferien über viele Jahre regelmäßig verrichtet hatte.

Aber auch das religiöse Leben, das nun besonders intensiv gepflegt wurde, war für mich so neu nicht. Bei uns im Dorf gehörte das Einüben in die christliche Religion zum Alltag. Die religiösen Bräuche und Riten waren eng verwoben mit dem Leben in den Dörfern. Diesbezüglich gaben uns Kindern und Jugendlichen vor allem unsere Eltern tagtäglich ein gutes Beispiel.

Unsere Mütter waren einfache Frauen; sie hatten die Volksschule besucht und vielleicht noch ein paar Monate eine Haushaltungsschule. Ihre meist tiefe Religiosität erwuchs der Frömmigkeit, wie sie ihnen von den Gemeindepfarrern überliefert worden war. Sie äußerte sich vor allem in den landesüblichen religiösen Bräuchen und Riten. Religiöse Zweifel quälten sie kaum. Auch wären sie nie in der Lage gewesen, theologische Aussagen zu erörtern.

Wenn Karl Barth, der kalvinistische Theologe aus der Schweiz, ihnen gesagt hätte: Gott ist der verborgene Abgrund, aber auch die Heimat am Anfang und am Ende aller Wege! – dann hätten sie vielleicht zustimmend genickt, aber die Tiefe dieser Aussage doch nicht so ganz verstanden. Ihnen genügte es zu wissen: Gott ist gut. Gott ist der Vater aller Menschen. Gott steht am Anfang der Welt. Er wird es auch sein, der uns einst aufnimmt in sein Reich – vorausgesetzt, wir haben zumindest versucht, nach seinem Willen zu leben.

Genau genommen waren unsere Mütter durch die Bank dem näher, was Jesus uns im Evangelium nahelegt, als viele gescheite Professoren, die zwar alle Feinheiten der christlichen Lehre zu deuten wussten, aber nicht unbedingt die Frömmeren abgaben, wenn es hieß, ihr Leben nach Gottes Geboten auszurichten. Das haben übrigens auch viele prominente Geistliche so empfunden, wenn sie über ihre Mütter schrieben: Zum Beispiel Kardinal Julius Döpfner, Professor Josef Ratzinger (Papst Benedikt XVI.), die Professoren Hugo und Karl Rahner u.v.a.

Zur Zeit unserer Eltern spielte das dörfliche Brauchtum immer eine große Rolle. Die Tradition wurde von Generation zur Generation weitergegeben, und das war gut so. Die jeweils Älteren sorgten dafür, dass die Jüngeren in alles eingeführt wurden, was sie wissen sollten, um später einmal ihre Kinder und Kindeskinder auf ähnliche Weise einweihen zu können. In den meisten Fällen waren es keine wörtlichen Unterweisungen, keine dogmatischen Lehren, auch keine ausgefeilten Katechismus-Wahrheiten, sondern, von klein auf, eher ein schlichtes Hineinwachsen in die dörflichen religiös verbrämten Begebenheiten, natürlich zuweilen auch unterschiedlich stark mitbeeinflusst von der Tradition der jeweiligen Großfamilie bzw. des Familienklans.

Bei uns zu Hause war Mama bestimmend, was das religiöse Leben in der Familie betraf. Nicht durch Worte, sondern eher durch ihr Beispiel. Papa überließ es ihr und stimmte ihr zu. Es war auf dem Land nun mal Sache der Frauen und Mütter, die Kinder ins religiöse Leben einzuführen. Aber die Gottesdienste an den Sonn-und Feiertagen besuchten, wie schon erwähnt, in der Regel alle Einwohner ohne Ausnahme – Männer wie Frauen, Mägde wie Knechte, Junge und Alte.

Nur die ganz Alten und die Schwerkranken waren davon befreit – und je einer der erwachsenen Männer der Dorfgemeinschaft, der sonntags, während das Gros der Dorfbewohner ins Hochamt ging, sozusagen Wache schob und mit einer mittelalterlich anmutenden Lanze (wir nannten sie Spieß) bewaffnet durchs Dorf schlich, um eventuelle Brandstifter oder Diebe ausfindig zu machen und zu stellen. Dieses Spieß-Tragen war uralte Tradition. Reihum kam jeder der Männer mal dran. Die Lanze wurde wöchentlich weitergereicht. Als Kinder trugen wir sie, wenn Papa gerade wieder mal dran gewesen war, anderntags zum Nachbarn, der dann am folgenden Sonntag an der Reihe war.

Die Gebete zum Mittagessen und vor dem abendlichen Schlafengehen lehrte uns Mama, zunächst in Versform, damit wir sie schneller auswendig lernten. Später, in der Schule und beim Religionsunterricht, kamen dann weitere Gebete dazu: Das Ave Maria, das Vaterunser, das Credo (Glaubensbekenntnis) – und für uns Ministranten die Messgebete, damals noch in lateinischer Sprache. Wieweit dabei am Ende noch echte lateinische Worte herauskamen, ist eine andere Sache. Mitunter murmelten wir nur phonetisch nach, was wir inhaltlich gar nicht verstehen konnten. Aber daran konnte damals kein Pfarrer etwas ändern; Latein war nun mal die Sprache der Liturgie.

Mit den Vorbereitungen auf die Erstkommunion lernten wir auch den Beichtspiegel kennen, und viele Sünden, die wir gar nicht kannten. Erst allmählich versuchten wir, unsere Sünden selber zu formulieren. Das war aufregend, vor allem beim ersten Mal. Da durften wir noch Spickzettel mitbringen, die wir dem Pfarrer vorlasen. – Nach dem festlichen Hochamt wurde in der Familie gefeiert, zusammen mit den nächsten Verwandten. Neben dem Kommunionkind saß der Taufpate (die Taufpatin), in der Regel ein Bruder oder eine Schwester unserer Eltern, von denen wir gewöhnlich auch ein paar kleine Kommuniongeschenke bekamen. Natürlich kein Vergleich zu den aufwändigen Gaben, die Kinder heutzutage zu solchen Anlässen erhalten. – Meistens machte an einem der folgenden Tage der Pfarrer (oder der Kaplan) mit den Erstkommunionkindern einen kleinen Ausflug, bei uns etwa aufs Käppele in Würzburg oder zu einem anderen fränkischen Wallfahrtsort.

Ähnliche Ausflüge veranstalteten auch die Firmpaten/innen am Tag der Firmung. Damals wurden die Kinder nur selten in den Dörfern gefirmt. Wir, meine Klassenkameraden/innen, wurden in der St. Michaelskirche15 in Würzburg gefirmt, von Bischof Matthias Ehrenfried. Da mein Firmpate, Onkel Alfons, Mamas Bruder, schon zu Kriegsbeginn zum Wehrdienst eingezogen worden war, vertrat ihn der ortsansässige Düchsen-Bauer (Josef Düchs) beim Handauflegen; er war Pate meines Schulfreundes Ernst Düchs.

Ich denke, dies war mein zweiter Besuch in der Frankenmetropole; das erste Mal war im Sommer 1938; da hatte Onkel Hans (Malermeister und Hausmetzger) Papa und mich mit dem Auto gefahren, um Mama und die gerade erst geborene Irene in Kösters Frauenklinik abzuholen. Die riesige Tüte Bonbons, die Onkel Hans mir damals schenkte, ehe wir wieder nach Hause fuhren, war so groß, dass ich sie mein Leben lang nicht vergessen habe.

In Dankbarkeit und Freude

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