Читать книгу Wie kann man nur so oft umziehen? - Adolf Klette - Страница 8
2.Mein 2. Umzug September 1946
ОглавлениеDie Eigentümer unserer neuen Wohnung waren inzwischen wieder zurück gekommen und Mutti und ich zogen wieder zu meinen Großeltern. Das war auch vorher so vereinbart worden.
Die Wohnverhältnisse bei meinen Großeltern waren ja sowieso gut und Mutti und ich hatten auch wieder unseren eigenen Bereich.
Mutti musste ja auch ihren Beitrag zum Lebensunterhalt leisten. Deshalb hat sie sich bei verschiedenen Bauern als Näherin betätigt und ich fuhr dann immer mit ihr.
Eine Bauernfamilie war »Familie Brux«. Da ist Mutti mit mir öfters gewesen und hat genäht. In der Zeit konnte ich auf dem gesamten Gelände des Bauernhofs alles machen, was mir so einfiel. Deshalb gefiel es mir da immer gut. Manchmal bin ich auch mit dem Traktor mit aufs Feld mitgefahren.
Bei dieser Familie Brux hatten wir unsere Verpflegung gehabt und wenn Mutti ihre Arbeit gemacht hatte, gab es manchmal statt Geld auch Lebensmittel (Kartoffeln, Eier, Speck, Mehl etc.), die wir dann mitnehmen konnten.
Für mich war auf jeden Fall das Leben auf einem Bauernhof immer wieder erlebnisreich und angenehm.
Einmal habe ich neben dem großen Traktor gestanden – einem Lanz Bulldog-, als der angelassen werden sollte. Dazu musste man ja das Lenkrad raus nehmen, es am seitlichen Schwungrad einstecken und ihn dann durch Drehen des Lenkrads anlassen. Doch bei diesem Versuch hatte der Fahrer wohl gerade einen Fehler gemacht: Das Lenkrad flog raus, am Arm des Fahrers schmerzhaft vorbei und es hat ihn so schwer verletzt, dass ein Arzt kommen musste.
Da hatte ich aber auch ganz viel Glück, dass ich nicht in der Flugrichtung des Lenkrads stand!
Im Juli 1947 haben meine Mutter und ich die befreundete Familie Berghof in Frankfurt/Main besucht. Die hatten ein großes Haus und einen entsprechenden Garten. Da gerade eine Schönwetter-Periode war, hatte man mir eine Zinkwanne auf den Rasen gestellt und ich konnte mich da austoben.
Irgendwie bekam ich dort aber eine Allergie und musste vom 11. – 14. Juni 1947 ins Krankenhaus nach Sachsenhausen.
Das war für mich eine schlimme Situation. Ich lag dort in einem Gitterbettchen und mein Mütterlein durfte zunächst auch nicht zu mir kommen; nur von draußen durch ein Fenster reingucken. Als ich dann wieder gesund war und sie mich wieder mitnehmen durfte, war alles gut und wir beide sind zurück nach Düsseldorf gefahren.
Mittlerweile gab es in Düsseldorf-Lierenfeld im Gather Weg, in der Nähe der Wohnung meiner Großeltern, auch wieder einen intakten Katholischen Kindergarten, der aber optisch nicht mehr gut anzusehen war. Mein Großvater hatte zufällig die Leiterin des Kindergartens Schwester Irenia kennengelernt. Ihr und ihrem Kindergarten hatte er die Farbe für eine Überholung des Kindergartens spendiert. Als kleines »Dankeschön« wurde ich dort dann auch aufgenommen. Mein Großvater hatte mit seiner Firma, die auf dem Gelände der Firma »Lackfabrik Wiederhold« in Hilden bei Düsseldorf angesiedelt war, ja die nötigen Beziehungen zu Lacken.
Auf diesem Gelände hatte ihm Herr Wiederhold eine Halle zur Verfügung gestellt, in der mein Großvater seine neue Fassreinigungsmaschine, die er selbst konstruiert hatte, aufbauen konnte. Dafür musste er der Firma Wiederhold alle Fässer reinigen.
Die »Schwester Irenia« aus dem Kindergarten, war immer sehr lieb zu mir. Wenn es draußen einmal stürmte und ich wieder Angst hatte, dann hat sie mich unter ihrem Umhang versteckt und mich wieder in die Zeppelinstraße nach Hause gebracht.
Einer meiner Spielkameraden aus dem Kindergarten war Uwe Leo Pawelowski. Seine Eltern hatten eine Metzgerei. Vom Kindergarten aus ging ich da vorbei nach Hause. Manchmal durfte ich dann auch zu denen in die Metzgerei kommen und bei der Arbeit zusehen oder mit Uwe spielen. Dazu gab es meist auch noch ein Stück Wurst. Toll war das!
Auch lernte ich im Kindergarten ein Mädchen mit Namen Gudrun kennen. Wenn wir uns sahen, war Begeisterung angesagt. Wir haben auch meist zusammen gespielt.
Später, in der Schulzeit, haben wir uns dann erst einmal aus den Augen verloren und seltener gesehen.
1948 im April sind meine Mutter und ich an einem Tag mit der K-Bahn nach Krefeld gefahren. Die K-Bahn sah damals aus wie ein alter Eisenbahnzug mit hohen Einstiegen und der hatte auch einen Speisewagen mit Toilette.
Mutti wollte mit mir in den schönen Stadtwald nach Krefeld fahren. Dort konnten wir ausgiebig spazieren gehen.
In der Nähe des Stadtwald-Hauses war auch ein Kinderspielplatz und eine verzweigte Weiheranlage. Wenn man Glück bzw. Geld hatte, konnte man auch im Stadtwaldhaus Kaffee trinken und leckeren Kuchen essen. Manchmal war das auch angesagt.
Als Mutti und ich mal wieder nach Krefeld fuhren, saß in unserer K-Bahn ein Mann, der wollte zurück von Düsseldorf nach Krefeld fahren. Er bzw. seine Eltern hatten in Krefeld-Oppum ihr Haus. Dieser Mann bot uns dann erst einmal seinen Sitzplatz an. Was Mutti wiederum imponiert hatte. Er stellte sich auch gleich vor. Sein Name war Richard Schmitz. Anschließend unterhielten sich die beiden angeregt und Richard hatte mich gelegentlich gestreichelt und auf den Schoß genommen.
An der Haltestelle Krefeld-Oppum ist er ausgestiegen, nachdem er sich mit Mutti für ein neues Treffen verabredet hatte. Aus diesem Erlebnis wurden mehrere Treffen der beiden und manchmal war ich auch wieder dabei.
Er, der Richard, wurde am 24. 08. 1913 vormittags um 5.00 Uhr in Krefeld, Hülserstr. 5, als Sohn der Eheleute Johann Heinrich Schmitz und Wilhelmine Schmitz, geborene Schmidt geboren.
Er hatte auch noch Geschwister: Schwester Gertrud und zwei Brüder: Bruder Ernst war Schriftsetzer, verheiratet mit Luzi. Und Bruder Willi (geb. 08. 06. 1908, gest. 25. 10. 1977), der war Bäcker, verheiratet und hatte eine eigene Bäckerei in Krefeld.
Richard war der jüngste. Er hat nach der Entlassung aus der Volksschule am 31. 03. 1927 Klempner und Installateur gelernt und am 18. 04. 31 seine Gesellenprüfung gemacht.
Nach seiner Lehrzeit, die Stellen waren ja damals sehr knapp und schlecht bezahlt, hat sich Richard am 01. 01. 1934 freiwillig bei der Kriegs-Marine als Berufssoldat für 12 Jahre verpflichtet.
Diese Ausbildung war nicht einfach. Zunächst der theoretische Teil, dann die praktischen Übungen im Schwimm- und Tauchbecken und so weiter.
Wenn dann der Tag der Übernahme eines neuen Schiffes anstand, war die Aufregung groß. Den Männern, die die neue Besatzung bildeten, wurden Spinde und Schlafsäcke zugeteilt. Anschließend ging es ans Auspacken der Schlafsäcke.
Wer noch nie Planken unter den Füßen hatte, war dann schon schwer nervös. Dann musste auch noch geübt werden, wie man eine Hängematte klar macht und weitere weitreichende Tätigkeiten an Bord erlernen. Außerdem war eine enge Kameradschaft sehr wichtig.
Nach dem Einräumen der persönlichen Ausrüstung, erfolgte dann die »An Bordnahme« all der anderen Gerätschaften, die zum Boot gehörten wie: Tauwerk, Kutter, Riemen, Lebensmittel, Dauerproviant, Verbrauchsstoffe und vieles mehr.
Zum Wochenende schloss sich ein ergiebiges »Reinschiff« an, das ganze Schiff wurde dann geputzt.
Nach der Ausbildung hat Richard auf verschiedenen Schiffstypen Dienst getan: Torpedoboot, Zerstörer, U-Boot und ist letztlich als Stabs-Ober-Maschinist (Offizier bei der Marine) im U-Boot in den Nordmeeren gefahren.
Bei Kriegsende vom 08. 05. 1945 – 15. 12. 1945, musste Richard sein U-Boot »U 299« unter Aufsicht der Engländer nach England bringen und kam dann in Schottland in Kriegsgefangenschaft.
Das Schlimmste am ganzen Krieg war aber für Richard, dass er mit seiner »hoch-dekorierten« Uniform (das waren die Ärmelstreifen, Orden und Ehrenzeichen) bei einem Bauern in Schottland »Dienst in den Rüben« machen musste.
Seine Entlassung von dem Bauern aus Schottland erfolgte 1948 und er kehrte nach Krefeld in sein Elternhaus zurück.
Nachdem sich Hildegard und Richard lieben gelernt hatten, ist er auch bei meinen Großeltern mit eingezogen. Richard und Hilde heirateten am 24. 01. 1950. Dann wurde mein Familienname auf Schmitz umgeschrieben.
Richard hatte natürlich noch keine Arbeit, deshalb konnte er fortan in der Fabrik von meinem Opa arbeiten.
Opa hatte inzwischen einen eigenen, neuen Reinigungsbetrieb gebaut. Nachdem der Inhaber der Firma Wiederhold verstorben war.
Dieser Betrieb war für die Reinigung von Flüssigkeitsbehältern (Kannen, Fässer, Hobbocks etc.) gedacht. Der Betrieb war in Düsseldorf-Reisholz in der Nürnberger Straße angesiedelt. Dort wurden diese Emballagen für zum Beispiel Lackfabriken gereinigt (eine frühe Art des Recycling).
Diese gereinigten Emballagen waren so sauber, dass sie anschließend sogar für Lebensmittel-Bevorratung genutzt werden konnten.
Da Opa zuvor ja Ingenieur bei der Firma »Sommer, Maschinen- und Anlagenbau« war, hatte er die Reinigungsmaschinen selbst entworfen und unter seiner Regie bauen lassen.
Sechs Fässer konnten in einer Maschine gleichzeitig gereinigt werden. Jedes Fass wurde mit einer Laugenfüllung versehen und mit einer dicken Gliederkette bestückt. Elektrisch drehte sich dann jedes Fass um seine eigene Achse und gleichzeitig alle Fässer zusammen auch vertikal. Wenn die Maschine im Einsatz war, konnte man neben dieser Anlage allerdings sein eigenes Wort nicht mehr verstehen.
Aber es war ja insgesamt gut für das Leben unserer Familien, dass mein Opa diese Firma überhaupt hatte und Richard dort auch arbeiten konnte.
Einen positiven Nebeneffekt hatte das Ganze auch noch, es war ein toller Spielplatz für mich. Ich fuhr gerne mit meinem Opa in die Firma. Circa 2.200 Quadratmeter Grundstück hatte das Gelände, eine Halle von 120 Metern Länge stand darauf, auch ein Pförtnerhaus und ein Eisenbahn-Anschluss für den Emballagen-Versand.
Aber was für mich noch wichtiger war: es gab noch viel freie Erde für mich zum Buddeln. Eines Tages war ich mal wieder mit meinem Opa mitgefahren, hatte schön in der Erde gebuddelt und mir allerhand Werkzeug aus der ganzen Firma zusammen geholt, was anschließend in der Firma vermisst wurde. Danach hatte ich den ersten und einzigen Ärger mit meinem Opa. Ich kam dann nichts ahnend an der Halle entlang und hatte meinen Opa gar nicht gesehen. Auf einmal wurde ich »von einem Erdbeben« erschüttert. Da hatte es mindestens einen Satz rote Ohren, oder »zwei Satz« gegeben.
Da war mein Opa aber ganz schön sauer. Später war aber wieder alles gut, dafür hat auch schon mein Ömchen gesorgt.
Im April des Jahres 1950 wurde ich in der »Bernburger Schule« (Volksschule) in Düsseldorf-Eller eingeschult. Die Schule war circa 1.500 Meter von meinen Großeltern entfernt, wo wir ja auch wohnten. Das war von jetzt an meine tägliche Außenwelt. Mutti brachte mich in den ersten Tagen noch selbst dort hin. Danach musste ich alleine laufen.
Zu Beginn des Schuljahres gab es auch eine Schultüte und von Onkel Gerhard und Tante Gerda einen Tornister. Gefüllt wurde der allmählich mit: Tafel, Kreide, Schwämmchen, Stiften etc. und einer Blechtasse, die für Quäkerspeise gedacht war.
Die Quäkerspeise wurde im westlichen Deutschland von Quäkern als Schulspeisung für Kinder spendiert.
Jedes Kind musste eben einen kleinen Topf mit Henkel in die Schule mitbringen, der dann mit einer warmen Mahlzeit gefüllt wurde. Die Mahlzeit gab’s in Form eines Suppeneintopfs, Hafer- oder Grießbrei und bei besonderen Anlässen gab es zusätzlich noch einen Schokoladenriegel. Ich war jetzt erst einmal ganz stolz auf mich, dass für mich das Lernen begann.
Im Laufe der Zeit war aber die Begeisterung nicht mehr so groß. Zum Einen lag das an den Mitschülern. Die hänselten mich immer wegen meines Vornamens »Dolf« und riefen stattdessen »dooof«. Manchmal wurde ich dann nach dem Schulunterricht auch noch verhauen und kam mit Tränen in den Augen nach Hause.
Als das eines Tages wieder so war, drohten mir Opa und Richard zusätzliche Schläge an, wenn ich mir das wieder gefallen ließe. Ich sei doch schon groß und stark genug um mich zu wehren. Ja, da musste ich drüber nachdenken.
Am 07. 08. 1950 kam mein Stiefbruder Reinhard in Düsseldorf auf die Welt.
Als Mutti dann nach der Niederkunft wieder zu meinen Großeltern nach Hause kam, war ich ganz verstört, dass da noch jemand mitkam. »Bleibt der jetzt immer hier?«, soll ich meine Großeltern gefragt haben.
Die Familie hatte mir dann erklärt, dass er mein Bruder sei und ich den lieb haben sollte. Na ja?! Grummel, Grummel!
Am 07. 10. 1950 hatte ich mal wieder Geburtstag. Von all dem, was ich mir gewünscht hatte, war nichts bei den Geschenken dabei. Stattdessen lag da eine alte Geige im Kasten, ein Familien-Erbstück. »Was soll ich denn damit?« habe ich in die Runde gefragt. Meine Oma hat dann gesagt, dass ich jetzt Geigen-Unterricht bekäme und der Lehrer würde sogar zu uns ins Haus kommen. Und das sei doch wohl schön! Oder?
Da mein Ömchen für mich ja mein Schatz war, habe ich auch nicht mehr widersprochen.
Aber, was in den nächsten Jahren da so alles auf mich zu kam, war schon hart. Das kann auch nur einer wirklich nachvollziehen, der selbst Geige spielt.
Auf den meisten Instrumenten sind verschiedene Töne einfach fertig und hören sich gut an. Nicht aber auf einer Geige. Da quietscht’s schon, wenn man eine Saite nur anguckt oder bzw. berührt oder streicht.
Dann kam der Tag, an dem mein Geigenlehrer »Herr Arnold« aufkreuzte. Er war mit seiner »Maschine«, wie er immer sagte, gekommen. Diese Maschine war ein Fahrrad mit Hilfsmotor. Jedes Mal hat er mir dann Geschichten erzählt, die ihm mit dieser Maschine wieder passiert waren. Zum Beispiel, dass er wieder eine »BMW« (Motorrad mit zwei Zylindern) überholt hatte oder dass man ihm seine Maschine klauen wollte, die aber zu schwer gewesen war etc, und so weiter.
Dann begann der Unterricht. Erst wurde die Geige erklärt: Aufbau des Geigenkörpers, der Steg, die vier Saiten, das Stimmen und so weiter.
Dann kam die Praxis: Wie hält man die Geige und wie den Bogen?
Dann musste ich die leeren Saiten streiche(l)n. An der Stelle war meine Lust schon gänzlich vorbei.
Das musste ich jetzt immer üben? Es begann eine schwere Zeit für mich!
Jetzt aber wieder zu unserer Familie.
Das Zusammenleben aller fünf Familienmitglieder im Haus meiner Großeltern wurde immer schwieriger. Deshalb besorgten sich Hilde und Richard eine eigene Wohnung in Düsseldorf-Flingern in der Lindenstraße. Diese Wohnung war ein Altbau mit zwei hohen Zimmern, eine Küche und ein Klo. Sie zogen mit meinem kleinen Bruder Reinhard, zunächst noch ohne mich, aber mit meinen Sachen, dorthin.