Читать книгу Das Tour-Tagebuch des frommen Chaoten - Adrian Plass - Страница 7
Samstag, 11. September
ОглавлениеGroße Freude heute Morgen: Gerald kam nach Hause. Er hat es sich immer noch nicht abgewöhnt, mich zu behandeln, als wäre ich ein ziemlich rückständiger Neunzigjähriger, aber wir lieben ihn sehr. Was für ein Wiedersehen! Mir fällt es immer noch schwer, zu glauben, dass diese eigenständige, erwachsene, kompetente Persönlichkeit mein Sohn ist. Er sagt, er freut sich sehr auf die Tournee und mir würde es sehr gut tun, Anne und ihn bei mir zu haben, damit ich den Bodenkontakt nicht verliere. Anne nickte zustimmend. Hmm …
Er hat auch angeboten, selbst ein paar Worte zu sagen, wenn ich wollte, und meinte, er hätte ein paar Sachen in petto, die er jederzeit darbieten könnte. Großartig! Wir haben Gerald eigentlich noch nie in der Öffentlichkeit reden hören, jedenfalls nicht so richtig, aber bei seinem Verstand ist es bestimmt interessant, was immer es auch ist. Den Nachmittag über besprachen wir die Pläne für die verschiedenen Vortragstermine.
Heute Abend überkam uns alle drei eine völlig kindische Aufregung, als wir auf Leonard und seine Freundin warteten. Jede Menge Spekulationen von Seiten Geralds und meiner Wenigkeit bezüglich ihres Aussehens, ihres Alters und der Art und Weise, wie Leonard sich wohl in einer Beziehung machte. Anne meinte, wir müssten alles vergessen, was Leonard mir am Telefon über sie erzählt hatte, und sie einfach als Freundin eines guten Freundes willkommen heißen. Gerald sagte, er freue sich riesig, dass Leonard eine Freundin gefunden habe, und finde die Vorstellung, dass er sich »in ein Paar verwandelt«, zutiefst faszinierend.
»Komischer Name allerdings, oder?«, sagte er. »Angels Twitten. Ich habe noch nie gehört, dass jemand mit Vornamen Angels heißt.«
Punkt sieben klingelte es an der Tür. Als ich die Tür aufmachte, stand vor mir allein eine Dame, die ich noch nie gesehen hatte. Sie war Mitte dreißig, klein, zierlich und durchaus hübsch, aber sie hatte große, traurige Augen und trug ziemlich grellbunte, löchrige Hippie-Kleidung. In ihrem krausen, dunkelbraunen Haar trug sie ein Haarband, das mit lauter kleinen blauen Plastikblüten verziert war. In einer Hand hielt sie eine Milchflasche mit eingedrücktem Foliendeckel. Weiche, schöne Stimme, etwas nervös, aber sehr klangvoll.
Sie sagte: »Hallo, ich heiße Angels Twitten und komme zum Abendessen mit meinem Verlobten Leonard Thynn.«
»Willkommen! Schön, Sie kennenzulernen, Angels. Kommen Sie bitte herein. Äh, Sie sagten, Sie kommen mit Leonard, aber er scheint gar nicht, äh …«
Wurde vom Klingeln des Telefons unterbrochen, als ich sie gerade in die Diele manövriert und die Tür geschlossen hatte. Es war Thynn. Klar, wer denn sonst.
»Hallo, Adrian, ich rufe aus der Telefonzelle neben der Heilsarmeestation am oberen Ende der Stadt an.«
»Aber warum …«
»Ich wollte mich für unsere Verspätung entschuldigen.«
»Aber ihr habt euch nicht verspätet. Zumindest hat Angels sich nicht verspätet. Es ist jetzt sieben Uhr und sie ist schon hier. Ich habe sie gerade hereingelassen.«
»Oh, gut, da bin ich froh. Ja, weißt du, ich war gerade noch mit ihr zusammen in der Parallelstraße unterhalb von eurer. Die Sache ist die, dass ich mich verspätet haben werde, bis ich von hier wieder bei euch bin.«
»Ja, aber wieso bist du denn den ganzen Weg bis zur Heilsarmee gegangen?«
»Ich hab ein Telefon gesucht, das funktioniert.« Spürte den vertrauten Kopfschmerz nahen.
»Und warum bist du dann nicht einfach hereingekommen und hast unser Telefon benutzt?«
»Na, euch wollte ich doch anrufen.« Mir war nach Schreien zumute.
»Aber wenn du mit mir sprechen wolltest, wieso bist du dann nicht einfach hereingekommen und hast mit mir geredet?«
»Weil wir zu früh dran waren. Wir haben um die Ecke gewartet, bis es Zeit war. Dann kam mir der Gedanke, ich könnte euch doch kurz anrufen und fragen, ob wir ein bisschen früher kommen könnten, aber das nächste Telefon war demoliert, vor dem nächsten stand eine Schlange, und bis ich ein Telefon gefunden hatte, das frei war und funktionierte, war ich so weit gegangen, dass es schon zu spät war, um zu früh zu kommen, sodass es keinen Sinn mehr hatte, dich anzurufen und zu fragen, ob wir früher kommen könnten; tja, und dann habe ich eben beschlossen, dich anzurufen und mich dafür zu entschuldigen, dass ich ziemlich spät dran sein werde, bis ich wieder bei dir bin.«
»Leonard! Du hast dir bisher noch nie Gedanken darüber gemacht, ob du zu früh oder zu spät oder ungelegen oder überhaupt nicht kommst. Wie kommst du bloß darauf, dass es uns stören könnte, wenn du heute Abend ein paar Minuten früher gekommen wärst?«
Kurze Pause.
»Na ja, weißt du – es ist irgendwie anders, weil – du weißt schon, wegen …«
Seufzte und sagte mit schwacher Stimme: »Na schön, Leonard, mach dir keine Gedanken darüber, dass du zu spät kommst. Komm einfach jetzt her, so schnell du kannst, und alles ist in bester Ordnung. Bis gleich.«
Legte auf und drehte mich um. Angels hielt mir die Milchflasche entgegen.
»Für Sie und Anne«, sagte sie.
Ich sagte: »Oh, danke schön. Haben wir die auf der Treppe vergessen?«
»Nein, Leonard meinte, wir sollten eine Flasche zum Abendessen mitbringen, aber wir hatten jeder nur eine halbe Flasche Milch und kein Geld, um was anderes zu besorgen. Also haben wir alles in eine Flasche umgeschüttet und den Deckel wieder draufgemacht. Ich fand es ja ein bisschen komisch, so was mitzubringen, aber Leonard meinte, Sie mögen Milch sehr gerne, und da …«
»Ach so, natürlich, vielen Dank. Eine Flasche Milch. Wie nett. Leonard hat absolut recht. Wir lieben Milch. Ganz herzlichen Dank …«
Zehn Minuten später war alles wieder in Butter. Leonard saß (einigermaßen nervös) neben Angels auf dem Sofa, als wären sie beide bei einem Vorstellungsgespräch. Angels scheint eine ulkige Mischung als allem Möglichen zu sein. Intelligent, selbstbewusst, unbehaglich, vage, pragmatisch, verträumt.
Nachdem wir alle gegessen und dabei ungewöhnlich gute Manieren an den Tag gelegt hatten, ließen wir uns wieder im Wohnzimmer nieder und Gerald sagte: »Angels, ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn ich danach frage, aber ich musste bei Ihrem Namen etwas stutzen. Ich meine, Angels ist ziemlich ungewöhnlich, oder? Wenn ich es recht bedenke, erinnere ich mich auch nicht, schon jemals von jemandem mit Ihrem Nachnamen gehört zu haben. Ist Angels Twitten Ihr Geburtsname?«
»Es stört mich überhaupt nicht«, sagte Angels ernsthaft und fixierte Gerald mit ihren großen, dunklen Augen. »Eigentlich ist mein Geburtsname Angela Pathway, aber mein Vater hat es als kleiner Junge in der Schule sehr schwer gehabt, weil ein paar andere ihm den Spitznamen ›Hundeparadies‹ angehängt haben. Da er nicht wollte, dass mein Bruder und ich das auch durchmachen mussten, änderte er seinen Namen in ›Twitten‹. So nennen sie unten in Kent eine schmale Gasse, die einen Häuserblock mit dem nächsten verbindet. Und dann habe ich meinen Namen von Angela in Angels geändert, weil ein Mann bei der Stadtverwaltung sich mal vertippt hat, als er mir einen Brief schrieb, und als ich das sah, gefiel es mir so gut, dass ich beschloss, mich von da an Angels zu nennen.«
»Ach so, natürlich«, nickte Gerald lächelnd, »das ›a‹ und das
›s‹ liegen gleich nebeneinander, stimmt’s? Also, ich finde, Sie haben völlig recht. Angels ist viel hübscher als Angela. Aber wie ist es Ihnen in der Schule mit ›Twitten‹ ergangen?«
»Furchtbar!« Angels lächelte plötzlich. »Hört sich alles ziemlich albern an, nicht wahr?«
»Auch nicht alberner als die Sachen, die sich die meisten Eltern leisten«, sagte Gerald, wobei er aus irgendeinem Grund mich ansah.
»Angels schreibt Gedichte«, sagte Thynn stolz. »Ich habe sie gebeten, uns heute Abend eins vorzulesen.«
Obligatorischer Chor des Entzückens und der Ermutigung. Stimmte natürlich aus Höflichkeit ein, aber ehrlich gesagt, mir krampft sich immer der Magen zusammen, wenn Leute selbst verfasste Gedichte vortragen wollen. Meistens ist es so, dass ich das, was sie dann vorlesen, völlig undurchdringlich finde und nicht die leiseste Ahnung habe, ob es undurchdringlich gut oder undurchdringlich schlecht oder einfach nur grauenhaft ist, und dann habe ich den Stress, mir irgendeinen Kommentar dazu einfallen zu lassen, der den Betreffenden nicht verletzt, aber auch nicht dazu ermutigt, noch die anderen dreizehn Gedichte vorzulesen, die er zufällig bei sich hat. Machte mich auf das Schlimmste gefasst.
Angels zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus ihrer Handtasche. Ein halb schläfriger, abwesender Ausdruck trat in ihre Augen.
»Eigentlich ist es noch nicht fertig«, sagte sie entschuldigend, »das heißt, nichts, was ich mache, ist jemals wirklich fertig, aber ich werde es euch vorlesen. Es heißt ›Regenbogen‹.«
Ich habe es mir abgeschrieben.
Mit unverschämter Bescheidenheit
Schwelgerischer Schlichtheit
Einzigartiger Normalität
Stürzen wir, die wir über den Erdboden fliegen
Kopfüber ins springende Meer
Aufgetürmt zu bodenloser Tiefe am stillen, rastlosen Himmel
Grob liebkost von monströser Schönheit
Gefangen in der Freiheit des verdunkelnden Lichts
Selbstsüchtiges Geschenk der Mitternachtssonnen
Verbrannt vom Eis
Verraten von der Treue
Entfesselt in unseren Ketten
Aus dem Kern geschüttelt
In den sengenden Schatten
Wir, die heruntergekommenen Reichen, liegen aufgebahrt
Und sehnen uns nach Unerfüllung
Und dem blühenden Tod
Verfluchen voller Freude die donnernde Stille
In die wir tragisch, tödlich geboren sind
Heilige Weltlichkeit
Uralte Frische
Ermüdend Neues
Solch gigantische Details
In Gold gefasst und düster
Weichen auf uns zu durch den Nebel, der alles offenbart
Bis der Regenbogen wie ein Traum vom Krieg
In strahlender Einfarbigkeit
Sich schnurgerade wie ein Pfeil
Unsichtbar
Ins Blickfeld schwingt.
Eine widerhallende, verdatterte Stille legte sich über uns, als Angels ihre Lesung beendet hatte.
Hörte Gerald tonlos murmeln: »Weichen auf uns zu? Entfesselt in unseren Ketten? Heilige Weltlichkeit? Hmm …«
Kam zu dem Schluss, dass dieses Gedicht definitiv zur undurchdringlichen Sorte gehörte, wahrscheinlich zur undurchdringlich schlechten, denn, wie Gerald später sagte, es schien auf so etwas wie einem verbalen Zaubertrick zu beruhen, wo man einfach eine lange Liste von Begriffspaaren macht, die nicht zusammenpassen, und sie dann trotzdem zusammenstellt. Auf der anderen Seite hatte das Ganze irgendwie einen grandiosen Klang an sich. Sehr eigenartig. Fragte hinterher Anne, wie sie es gefunden habe. Sie sagte, für sie habe es sich angehört wie das Werk einer sehr intelligenten Person, deren Gehirn durch irgendetwas, was nicht gut für sie war, durcheinandergebracht worden sei. Fragte mich, ob ich bemerkt hätte, dass Angels die meiste Zeit gesprächig und normal und fröhlich war, aber immer dann, wenn sie anfing, über Kunst oder irgendein anderes abstraktes Thema zu sprechen, in eine andere Welt abzudriften schien, in der man ihr nicht mehr recht folgen konnte. Dachte darüber nach und kam zu dem Schluss, dass sie recht hatte. Später am Abend zum Beispiel teilte uns Leonard noch etwas über seine neue Freundin mit.
»Angels ist Tänzerin, nicht wahr, Angels?«
»Nun, ja, das stimmt – das ist mein Beruf.«
»Wirklich!«, rief Anne. »Wie interessant. Davon haben wir so gut wie keine Ahnung. Darf ich fragen, was Tanz für Sie bedeutet, Angels?«
Wieder dieser abwesende Ausdruck in ihren Augen, aber auch noch etwas anderes – eine Furcht, etwas Drängendes. Beim Sprechen machte sie elegante, wedelnde Bewegungen mit ihren Fingern, doch die Worte kamen aus ihrem Mund wie tote Blätter, die ziellos im Wind wehen.
»Was Tanz bedeutet? Nun, für mich geht es beim Tanzen im Wesentlichen darum, die philosophischen Parameter eines spezifischen kreativen Prozesses zu erfassen und dann den Mut aufzubringen, sie mit künstlerisch kohärenten Kommunikationslinien miteinander zu verknüpfen. Ich sehe den Tanz als eine fundamentale Neuausrichtung spiritueller Energie, die sich verbindet mit der Vision eines konkreten Anderen oder auch innerhalb der eigenen selektiven Vorstellungswelt. Für Tänzer ist es wichtig, sowohl den Fluss als auch die Unterströmungen des menschlichen Herzens als Schöpfer von Wellen und Gezeiten auf dem Ozean der menschlichen Erfahrung zu empfinden. Das ist es, künstlerisch ausgedrückt, was Tanz für mich bedeutet.«
Erneute widerhallende Stille. Dann sagte Thynn: »Dann geht es also nicht darum, nach einem bestimmten Muster die Beine zu bewegen?«
Angels machte die Augen wieder weit auf und sah ihn schmachtend an. »Doch, Leonard, das hast du sehr gut ausgedrückt. Du bist ein Mann mit außerordentlichem Einsichtsvermögen.«
»Bin ich das?«, sagte Leonard und machte ein überraschtes, geschmeicheltes Gesicht. »Bisher haben mir eigentlich alle zu verstehen gegeben, dass ich alles andere bin als das. Mein alter Schuldirektor sagte mir, ich sei das primitivste Überbleibsel neandertalscher Begriffsstutzigkeit, dem er je zu begegnen das Missgeschick gehabt habe.«
Er lächelte nicht ohne einen gewissen Stolz.
»Das habe ich mühelos auswendig gelernt. Er hat es mich nämlich hundertmal abschreiben lassen, nachdem er so kleine weiße Flecken in den Mundwinkeln bekommen hatte, weil er mir etwas partout nicht beibringen konnte – irgendetwas mit einer x Zentimeter tiefen Badewanne, die sich in y Stunden füllte, wenn z Liter Wasser alle was weiß ich für ein Buchstabe Minuten hineinflossen.«
»Wisst ihr was? Das ist doch großartig!«, sagte Anne. »Wir könnten eine Tänzerin für unsere Tournee gebrauchen, meinst du nicht, Adrian? Besonders jetzt, wo Barry uns so ein großzügiges Angebot gemacht hat?«
»Äh, ja – ja, warum nicht?«
Versuchte, mir gegenüber Anne nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich dieser angedeutete Vorschlag erschreckte. Ich habe gelernt, den Instinkten meiner Frau zu vertrauen, aber ich muss zugeben, dass ich mit Tänzern in der Kirche selbst unter günstigsten Voraussetzungen nicht viel anfangen kann. Mir kommt es immer so vor, als ob sie sich in Gewänder hüllen, die verhindern, dass man sieht, was für Bewegungen sie machen oder welchen Geschlechtes sie sind, und dann mit einer von ungefähr vier verschiedenen flehenden Gesten nach oben deuten und mit einem Knie in der Luft anbetend auf die Lampenschirme starren. Außerdem konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren, dass Angels, wenn ihr Tanz von der gleichen Qualität war wie ihre Lyrik, sich vermutlich in der Tat gleichzeitig vorwärts und rückwärts bewegen sowie in die Luft springen und zu Boden fallen würde. Vermutlich würden wir nicht einmal eine Chance haben, Angels selbst tanzen zu sehen, bevor die Tournee begann.
»Sagen Sie, Angels«, fragte Anne, als hätte sie meinen letzten Gedanken gelesen, »treten Sie in den nächsten Tagen irgendwo auf, damit wir kommen und Sie tanzen sehen können?«
Angels blickte zu Boden. Ihre Stimme hörte sich deutlich leiser an.
»Ich habe schon seit Langem nicht mehr viel gemacht. Es war schwierig. Aber morgen Nachmittag mache ich etwas bei den alten Leuten im Seniorenstift Clay House. Keine große Sache, aber wenn Sie wirklich Lust haben …«
Vereinbarten, morgen Nachmittag zum Zuschauen zu kommen.
»Übrigens«, sagte Angels, »was ist das eigentlich für eine Tournee, auf die Sie gehen?«
Thynn wurde bleich und sah Anne und mich beschwörend an.
»Es ist eine christliche Vortragsreise«, sagte Anne freundlich, aber bestimmt. »Wir sind Christen. Adrian schreibt christliche Bücher, die die Leute – nun, sie finden sie ziemlich witzig und manchmal auch hilfreich. Die Tournee ist für uns eine Gelegenheit, den Leuten mehr über Jesus zu erzählen.«
»Ach so«, sagte Angels. Sie runzelte die Stirn und wandte sich an Leonard. »Dann bist du auch Christ, Leonard?«
»Manchmal«, sagte Thynn unglücklich, »aber nicht wirklich, na ja, ich schätze schon.« Plötzlich geriet er in Panik:
»Aber ich kann jederzeit damit aufhören, wenn du mich deswegen nicht mehr magst! Mir ist es egal, was ich bin, ehrlich! Was bist du? Ich werde auch einer.«
»Warum hast du mir das nicht gesagt?«, fragte Angels. »Ich bin froh, dass du einer bist. Wahrscheinlich hilft dir das dabei, so ein guter Mensch zu sein.«
Schaute zu, wie Erleichterung, Verwirrung und Verlegenheit auf Thynns Gesicht Ringelreihen tanzten.
»Und Sie, Angels?«, fragte Anne. »Haben Sie auch irgendeinen Glauben?«
Wieder der abwesende Blick.
»Ich glaube an eine heilige Verantwortung, sich auszustrecken und die Berührung des schlechthin Anderen zu empfangen, und ich glaube, wir sollten stets danach streben, die ätherischen Stränge zu zelebrieren, die in das wahre Menschsein eingewoben sind.«
»Methodistin also«, sagte Gerald.
Alle lachten, Angels genauso wie wir anderen.
Fragte Anne beim Schlafengehen, was sie von Angels hielte.
»Ich mag sie sehr«, sagte sie, »und es ist schön, Leonard so glücklich zu sehen. Sie hat wohl ziemlich schwere Zeiten hinter sich und es fällt ihr schwer, gewissen Dingen ins Gesicht zu sehen. Wir sollten sie in unsere Reihen aufnehmen, meinst du nicht? Vielleicht ist sie genau das, was wir brauchen, um unserer Tournee mal einen anderen Touch zu geben. Warten wir mal ab, wie es morgen ist.«
Hmm! Ich mag Angels auch. Kann aber einfach die leise Sorge nicht abschütteln, dass die »philosophischen Parameter eines spezifischen kreativen Prozesses« sich am Ende als ein bisschen Herumhüpfen und Mit-den-Armen-Wedeln entpuppen werden. Wir werden sehen.