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Mittwoch, 15. September

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Versprach Leonard, mich heute Abend im Gemeindesaal mit ihm zu treffen, um die Aufstellung und Bedienung des Projektors und der Leinwand zu üben. Er hatte die Sachen im Laufe des Tages bei einem Laden in der Stadt namens »Sights & Sounds« abgeholt und heute Abend war unsere einzige Gelegenheit, sie auszupacken und einen Blick darauf zu werfen, bevor am Freitag die Tournee beginnt.

Als ich ankam, stand Thynn in einer Ecke des Saals, presste die Hände gegen die Schläfen und starrte gebannt auf einen großen, quadratischen Metallrahmen, der mitten im Saal auf dem Boden lag und an dem an einigen Stellen eine große Bahn eines naturweißen, leinenähnlichen Materials befestigt war.

Ging vorsichtig auf Leonard zu und fragte ihn, was los sei.

»Also, ich habe dieses längliche Metalldingens zu einem Quadrat gemacht«, sagte er mit bebender, kaum hörbarer, traumatisierter Stimme, den Blick immer noch starr in die Mitte des Saals gerichtet. »Es wollte sich irgendwie nicht zu einem Quadrat machen lassen, weißt du. Es hat mich gebissen und gekniffen und versucht, sich wieder länglich zu machen, aber ich habe mit ihm gekämpft und es angeschrien und mich damit auf dem Boden gewälzt, und am Ende hat es nachgegeben. Jetzt ist es ein Quadrat. Schau!« Er gab ein kleines, irres Lachen von sich und deutete mit wedelndem Arm auf das Ding. »Es ist ein Quadrat. Das habe ich gemacht! Ich war es, der das lange, gerade Metalldingens zu einem Quadrat gemacht hat.«

»Sehr schön, wunderbar!«, sagte ich, so freundlich und aufmunternd ich konnte. »Gut gemacht, Leonard. Du hast recht, es ist ein großes Quadrat, genau wie es sein sollte, und jetzt müssen wir nur noch das Leinwandtuch befestigen, indem wir es auf all diese Metallknöpfe am Innenrand draufdrücken.«

»Habe ich schon versucht«, sagte Thynn, wandte mir seinen Blick zu und verdrehte die Augen wie eine Figur aus einem jener melodramatischen alten Stummfilme, die der Hölle einen Besuch abgestattet haben und für immer davon gezeichnet sein werden. »Ich habe es versucht, Adrian, aber dieses Monster von einer Leinwand – es hat es auf mich abgesehen. Es will mich zum Wahnsinn treiben und am Ende umbringen.«

Er drehte den Kopf und schaute auf die Uhr über der Durchreiche.

»Ich bin extra früher gekommen, weißt du, weil ich mal gucken wollte, ob ich alles fertig kriege, bevor du kommst. Ich habe eine halbe Stunde gebraucht, um dieses lange Metalldingens zum Quadrat zu machen, und seitdem versuche ich, das Tuch zu befestigen.«

Argwöhnisch tat er einen Schritt auf die Mitte des Saals zu.

»Es sah ganz einfach aus, weißt du. Ich habe zuerst eine Ecke befestigt – das war gar kein Problem – und dann habe ich einfach an einer Seite weitergemacht und einen Knopf nach dem anderen hineingedrückt. Eine ganze Seite habe ich geschafft. Hat richtig Spaß gemacht. Ich war ganz happy. Und dann habe ich eine andere Seite gemacht. Ich dachte, das läuft ja alles wie am Schnürchen. Aber als ich mit der dritten Seite anfing, ging es plötzlich nicht mehr. Die Leinwand ließ sich nicht weit genug dehnen, und als ich auf die Knie gegangen bin und kräftig gezogen habe, ist die ganze erste Seite wieder abgegangen, und als ich dann die dritte Seite bis zum Ende zugeknöpft hatte, reichte die erste Seite nicht mehr bis an die Knöpfe. Ich habe wieder kräftig gezogen und dann ging die zweite Seite ab. Da bin ich wie verrückt auf dem Tuch herumgesprungen und habe es angeschrien und eine Frau kam herein, um den Saal zu putzen, und lief schreiend wieder hinaus.«

»Meine Güte! Und was hast du dann gemacht?«

»Na ja, dann habe ich beschlossen, erst mal tief durchzuatmen und es noch einmal zu versuchen. Ich habe mich an das Tuch angeschlichen wie eine Rothaut, Adrian, und nur einen Knopf zugedrückt und bin dann ganz beiläufig zur Tür hinausgegangen, als wollte ich nach Hause. Dann bin ich unerwartet wieder hereingekommen und habe noch einen Knopf zugemacht. Dann noch einen und dann noch einen, bis ich wieder zwei ganze Seiten zu hatte. Dann bin ich ganz plötzlich über die dritte Seite hergefallen, habe mich mit Gebrüll auf sie gestürzt und so fest an dem Tuch gezogen, wie ich nur konnte, um dieses Ding über den Knopf zu kriegen.«

»Und?«

Leonard drehte sich zu mir um, packte mich mit beiden Händen am Revers und redete fieberhaft auf mich ein.

»Sie sind alle abgegangen. Alle, Adrian. Sie gingen alle auf einmal auf und das Tuch gab so ein komisches, lachendes Geräusch von sich und sprang in die Luft, wickelte sich um meinen Kopf und versuchte, mich totzupeitschen und zu ersticken. Aber ich konnte mich irgendwie befreien und seitdem stehe ich hier in dieser Ecke und warte auf dich, damit wir es gemeinsam erwürgen können, falls es noch mehr Ärger macht.«

»Leonard«, sagte ich und löste behutsam seine Hände von meiner Jacke, »diese Leinwand ist ein lebloser Gegenstand. Sie hat kein Gehirn. Es ist nur eine Frage der richtigen Technik, um das Tuch zu befestigen. Das ist sicher knifflig, weil es sehr straff gespannt werden muss, weißt du. Sonst wären die Dias nicht richtig scharf.«

Thynn schüttelte langsam und zynisch den Kopf und sah mich an wie ein Mann, der mit knapper Not der Verfolgung einer wilden, angeblich ausgestorbenen Kreatur entkommen ist und nun Mühe hat, den Menschen daheim in der Zivilisation plausibel zu machen, was ihm passiert ist.

»Na, dann versuch du es mal«, sagte er. »Ich gehe nicht mehr in die Nähe dieses Dings. Es hasst mich.«

Während Thynn aus sicherem Abstand zuschaute, ging ich auf das Monster in der Mitte des Saals zu und musterte es einen Augenblick lang. Zufällig kannte ich den Trick, wie man die Leinwand an dem Rahmen befestigte, weil ich das schon einmal für eine Gemeindeveranstaltung gemacht hatte. Im Grunde war es geradezu lächerlich einfach, wenn man wusste, wie. Einen Moment lang liebäugelte ich mit dem inneren Anblick meiner selbst, wie ich mit links etwas erledigte, was Leonard nicht zustande gebracht hatte. Eigentlich lachhaft, die ganze Sache, wenn man bedenkt, wie chronisch unfähig ich zu allen praktischen Dingen bin.

Lass Leonard das machen.

Ulkig, wie einem manchmal so kleine Dinge in den Kopf kommen, nicht wahr? Kleine Eingebungen, die einerseits von Gott stammen, andererseits aber auch nur ein Haufen Blödsinn sein können, wie zum Beispiel bei jener denkwürdigen Gelegenheit, als ich dachte, Gott hätte mir vielleicht gesagt, ich solle mir einen Laubfrosch kaufen und ihn Kaiser Wilhelm nennen. Ich dachte schon, die Geschichte würde mich bis ans Grab verfolgen. Wenn ich es recht bedenke, kann es durchaus noch so weit kommen. Die anderen wärmen diese Sache immer noch jedes Mal auf, wenn sie finden, dass ich mal wieder auf den Teppich geholt werden müsste.

Lass Leonard das machen.

»Weißt du was, Leonard? Wie wär’s, du versuchst mal, die Knöpfe an zwei diagonalen Ecken festzumachen und dann von da aus weiterzuarbeiten?«

»Meinst du, das funktioniert?«

»Einen Versuch wäre es wert.«

Wie ein Jäger beim Anpirschen an einen waidwunden Büffel tastete er sich behutsam bis zu der Leinwand vor und löste, ein Auge zugekniffen, die beiden Knöpfe, die nach seiner letzten Attacke noch gehalten hatten. Wenige Minuten später hatte Leonard mit für seine Verhältnisse beängstigender Leichtigkeit alle Knöpfe befestigt und die Leinwand fest in den Rahmen eingespannt.

»Na so was«, sagte Thynn, als er zurücktrat und die Stätte seines Triumphes begutachtete, »das war der richtige Trick! Ich glaube, während der Tournee sollte lieber ich mich um solche Dinge kümmern, Adrian. Man braucht ein bisschen Fingerspitzengefühl dafür. Am besten überlässt du das mir.« Schließlich fügte er frotzelnd hinzu, »wollen wir ja nicht, dass etwas kaputtgeht, oder?«

Spielte mit dem Gedanken, einen Teil der Saalbestuhlung auf seinem Schädel zu zerschlagen, beschloss aber dann, diese Segnung für mich zu behalten …

Das Tour-Tagebuch des frommen Chaoten

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